Schwarz. Weiß. Denken!

Kevin Dutton

Schwarz. Weiß. Denken!

Warum wir ticken, wie wir ticken, und wie uns die Evolution manipulierbar macht

Aus dem Englischen von Ursula Pesch

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Über Dr. Kevin Dutton

Dr. Kevin Dutton geboren 1967 in London, ist Forschungspsychologe an der University of Oxford und Mitglied der British Psychological Society. Er veröffentlicht regelmäßig in führenden internationalen Wissenschaftsmagazinen und spricht weltweit bei Konferenzen. Seine Bücher ›Gehirnflüsterer‹ und ›Psychopathen‹ sind internationale Bestseller.

Über das Buch

In einer komplizierten Welt haben wir das Bedürfnis, Grenzen zu ziehen, klar zu defi nieren, wo »wir« stehen und wo »sie«, was »gut« ist und was »schlecht«. Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist ein Erbe aus prähistorischen Zeiten, als schnelle Entschlüsse und klare Gruppenzugehörigkeiten über Leben und Tod entschieden. Heute allerdings hat es unübersehbar gefährliche Folgen: So werden die Unterschiede zwischen gegensätzlichen Meinungen immer größer, Populismus, Extremismus und Rassismus gedeihen und werden durch die digitalen Medien noch gefördert. Unsere Fähigkeit zu rationalem Denken beginnt zu schwinden.

 

Kevin Dutton legt die evolutionären und kognitionspsychologischen Grundlagen unseres binären Denkens dar und zeigt, wie wir den Grautönen wieder zu ihrem Recht verhelfen. Er ist sich sicher: Wenn wir uns unserer Anlagen bewusst werden, können wir künftig nuanciertere und klügere Entscheidungen treffen.

 

Mit viel Humor und einer Fülle von Beispielen aus Geschichte, Alltag, Politik und Wissenschaft gibt uns der Autor unschätzbare Hilfsmittel an die Hand, um uns vor Beeinflussung zu schützen und selbst überzeugender aufzutreten.

Impressum

© 2021 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

© 2020 by Kevin Dutton

Titel der englischen Originalausgabe:

Black and White Thinking. The burden of a binary brain in a complex world

Bantam Press, 2020

 

© 2021 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

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eBook-Herstellung Fotosatz Amann, Memmingen (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-43785-1 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-28245-1

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website http://www.dtv.de/ebooks

ISBN (epub) 9783423437851

Endnoten

Während ich dieses Buch schreibe, dominiert das Coronavirus (COVID-19) die Schlagzeilen. Als Reaktion hat Public Health England, basierend auf dem Infektionsrisiko, die Länder, aus denen Reisende nach Großbritannien zurückkehren bzw. Besucher ins Land einreisen, in zwei Kategorien eingeteilt. Kategorie 1: »Reisende sollten sich isolieren, auch wenn sie keine Symptome einer Infektion zeigen, und die NHS-Notrufnummer 111 wählen, um über eine vor Kurzem stattgefundene Reise Auskunft zu geben. Sie sollten nach Hause oder zu ihrem Bestimmungsort gehen und sich dann isolieren.« Kategorie 2: »Reisende müssen keine besonderen Maßnahmen ergreifen, doch wenn sie Symptome entwickeln, sollten sie sich isolieren und die NHS-Notrufnummer 111 wählen.« (Quelle: www.gov.uk)

Das soll nicht heißen, dass es bei Rasse und Ethnizität einfach nur um Farbe geht, sondern vielmehr, dass Farbe eine wichtige Rolle sowohl in puncto rassischer Identität als auch rassischer Identifikation spielt.

Das schwarze Banner oder die schwarze Standarte ist eine Flagge mit einheitlichem schwarzem Grund, die nach muslimischer Tradition von Mohammed mitgeführt wurde. Sie stellt auch ein wichtiges Symbol in der islamischen Lehre dar, das die Ankunft des Mahdi (des »Rechtgeleiteten«) ankündigt, der die Erde einigen islamischen Traditionen zufolge vor dem Jüngsten Tag vom Bösen befreien wird. In jüngster Zeit prangt auf den schwarzen Bannern einer Reihe islamischer Dschihadistengruppen wie z.B. den Taliban, al-Qaida, al-Shabaab und IS in weißer Schrift ein Teil der Schahada (wörtlich Zeugnis: das Glaubensbekenntnis, das eine der fünf Säulen des Islams bildet) als militärisches Sinnbild – eine Tradition, die im 18. Jahrhundert von der Hotaki-Dynastie der afghanischen Gilzai-Paschtunen eingeführt wurde.

Nach einer langen, glanzvollen Karriere im Fachbereich Kognitive Psychologie ist Mike inzwischen im Ruhestand.

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass diese Art von Kompetenz eine Rolle spielen könnte, wenn es darum geht, wie gut wir uns selbst kennen. Die amerikanische Kognitionspsychologin Lisa Feldman Barrett hat den Begriff »emotionale Granularität« geprägt, um auf die auffälligen individuellen Unterschiede in Bezug auf unsere Fähigkeit hinzuweisen, Gefühle in Worte zu fassen, unsere Fähigkeit, »Primär«- oder »Basis«-Emotionen wie Zorn, Angst oder Glück zu kategorisieren. Menschen mit einem geringen Grad an emotionaler Granularität werden typischerweise Wörter wie »wütend«, »traurig« oder »ängstlich« verwenden, wenn sie ihre Reaktionen auf verstörende oder unangenehme Ereignisse beschreiben, und Wörter wie »glücklich«, »aufgeregt« oder »ruhig«, um positive Gefühle wiederzugeben. Mit anderen Worten: Sie weisen eine geringere emotionale Diversität auf. Im Gegensatz dazu verwenden Menschen mit einer großen emotionalen Granulariät ein weitaus reicheres und differenzierteres Vokabular, wenn sie darlegen, wie sie sich fühlen – sie kategorisieren ihre Emotionen auf der untergeordneten Ebene, statt auf der Basisebene oder der übergeordneten Ebene – und bedienen sich Subkategorien der Primäremotionen wie z.B. Scham, Schuld und Bedauern.

Diese Statistiken geben den Stand zum Zeitpunkt des Schreibens wieder und beziehen sich nur auf den Parkrun in Großbritannien. Doch der Parkrun ist ein lebender Organismus und jede Woche kommen mehr Kilometer hinzu.

Dies war das Schicksal von mindestens 15 von Shipmans Patienten (er wurde 2000 des 15-fachen Mordes verurteilt), möglicherweise aber auch von 250.

Selbst am Telefon nannte Kellie aus Angst, entdeckt zu werden, nicht ihren richtigen Namen.

Die anderen beiden Prämissen lauten: (1) Alle Mitglieder einer Kategorie haben den gleichen Mitgliedsstatus (d.h., eine Tomate ist ebenso sehr eine Frucht wie ein Apfel); und (2) sobald alle notwendigen Kriterien für die Zugehörigkeit zu einer Kategorie erfüllt sind, sind diese Kriterien »hinreichend« für die Kategorienmitgliedschaft. Zusätzliche Merkmale sind nicht erforderlich. Betrachten wir als einfaches Beispiel die »notwendigen« und »hinreichenden« Merkmale für die Aufnahme in die Kategorie singen. Eine »gute Stimme« zu haben ist eindeutig nicht notwendig (Bob Dylan), den Ton halten zu können, hingegen schon. Eine gute Stimme zu haben, ist auch kein hinreichendes Kriterium, weil es Menschen dort draußen gibt, die eine gute Stimme haben, aber den Ton nicht halten können. Schlussfolgerung? Die Fähigkeit, den Ton zu halten, ist sowohl ein notwendiges als auch hinreichendes Merkmal der Kategorie singen, eine gute Stimme jedoch keines von beiden.

Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Frankfurt am Main 2019, S. 57f.

1975 veranstaltete die Chicago Association of Buiness Communicators einen Wettbewerb, um Ersatz für »she«, »he«, »him« und »her« zu finden. Diesen Wettbewerb gewann Christine M. Elverson aus Illinois, die vorschlug, das »th« von »they/them/their« wegzulassen und so die Wörter »ey/em/eir« zu erschaffen.

In dieser Schrift heißt es auch, dass es bei jemandem, der »biologisch männlich oder weiblich« ist, »bei Geburt männlich oder bei Geburt weiblich zugewiesen« heißen solle und dass die Angaben »als Mann geboren« oder »als Frau geboren« nicht in Bezug auf Transgender verwendet werden sollten, da eine solche Terminologie »reduktiv« sei und »ein komplexes Thema zu stark vereinfache«.

Weiter heißt es: »Geschlechterungleichheit findet ihren Niederschlag in traditionellen Vorstellungen von den Rollen von Frauen und Männern. Obwohl sie sich im Lauf der Zeit verändert haben, sind die Annahmen und Stereotypen, die diese Vorstellungen untermauern, oft tief verwurzelt.«

Kurz vor der Herausgabe dieses Ratgebers wird bekannt, dass ein Brite, der als Mädchen geboren wurde, aber seit drei Jahren als Mann lebt und männliche Hormone nimmt, eine Operation zur Geschlechtsumwandlung auf Eis gelegt hat, um ein Baby zu bekommen. Der künftige Vater, Hayden Cross, zwanzig, der rechtlich als Mann gilt, wird der erste Mann sein, der ein Kind zur Welt bringt, nachdem er das NHS vor der vollständigen Geschlechtsumwandlung gebeten hat, seine Eizellen einzufrieren, und zwar in der Hoffnung, Jahre später vielleicht Kinder haben zu können. Um schwanger zu werden, hat er über das Internet die Dienste eines anonymen Samenspenders erbeten. Die Erfahrung hat bei Cross gemischte Gefühle ausgelöst.

Er sagte der Sun: »Ich war glücklich, aber ich wusste auch, dass es mich bei meiner Geschlechtsumwandlung einen Schritt zurückwerfen würde. Es ist, als hätte ich mir etwas gegeben, mir unterdessen jedoch etwas anderes genommen. Es ist etwas sehr Weibliches, schwanger zu sein, und es widerspricht allem, was ich körperlich empfinde.«

In Bezug auf den NHS, der sich weigerte, die Kosten für das Einfrieren der Eizellen zu übernehmen, fügte Cross hinzu: »Es war, als würden die sagen, ich solle mich nicht fortpflanzen, weil ich transsexuell bin – das ist nicht richtig … Die Leute denken, dass man kein Mann sein und ein Baby haben kann, aber so einfach ist die Sache nicht. Dies ist meine einzige Chance. Ich möchte, dass das Baby das Beste bekommt. Ich werde ein großartiger Dad sein.«

Rosch hatte tatsächlich ein Set von Munsell-Farbkarten dabei. Dies sind standardisierte Karten, die von Albert H. Munsell, Kunstprofessor an jenem College, das wir heute als Massachusetts College of Art and Design kennen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts entworfen wurden und die drei für unsere Farbwahrnehmung relevanten Dimensionen repräsentieren (Farbton, Helligkeit und Sättigung). Es gibt insgesamt 329 Karten. 320 Karten repräsentieren 40 verschiedene Farbtöne, die jeweils in acht verschiedene Helligkeitsstufen unterteilt sind. Die übrigen neun Karten repräsentieren »schwarz«, »weiß« und sieben »Grau«-Stufen. Munsell entwarf dieses System, um das Farbspektrum systematisch im dreidimensionalen Raum zu ordnen, und zwar nicht auf der Basis subjektiver, laienhafter Klassifikationen, sondern auf der Basis einer rigorosen wissenschaftlichen Untersuchung der visuellen Reaktionen von Individuen auf Farbe. Damit wurde er zum ersten Farbforscher, der Farbton, Helligkeit und Sättigung in perzeptuell einheitliche und unabhängige Dimensionen trennte.

In Kapitel 7 werden wir noch einmal auf die Beziehung zwischen Sprache und Farbwahrnehmung zurückkommen, wenn wir die Prinzipien des linguistischen Determinismus, auch als Sapir-Whorf-Hypothese bekannt, untersuchen. Diese besagt, kurz gefasst, dass die Struktur einer Sprache die Art bestimmt, wie Muttersprachler denken und, in manchen Fällen, die Welt im wahrsten Sinne des Wortes »sehen«.

Zu einer Erklärung des Unterschieds zwischen Grund- bzw. Primärfarben und den Farben des Spektrums siehe Anhang 1 auf S. 348.

Aus: Borges, Jorge Louis: »Die analytische Sprache von John Wilkins«, in: Gesammelte Werke. Essays 19521979, München/Wien o.J., S. 112.

Vereinfacht gesagt untersuchen die physikalischen Wissenschaften die Verhaltenseigenschaften nichtlebender Systeme und schließen Bereiche wie Physik, Raumforschung und Geowissenschaft mit ein, während die Biowissenschaften – Biologie, Zoologie und Botanik – das biologisch basierte Studium lebender Organismen umfassen.

Einige Emotionswissenschaftler würden mit Sicherheit Einwände gegen diese Sichtweise erheben. Zu einer alternativen Perspektive siehe Lisa Feldman Barretts ausgezeichnetes Buch How Emotions Are Made (New York 2017).

Haben Sie sich je gefragt, warum Telefonnummern überall auf der Welt in der Regel aus sechs bis elf Ziffern bestehen und warum diese dann normalerweise in Gruppen von zwei bis sechs Ziffern unterteilt werden? Jetzt wissen Sie es.

Machtdistanz bezieht sich auf die verschiedenen Lösungen zum Grundproblem der menschlichen Ungleichheit, Unsicherheitsvermeidung auf den Stresslevel in einer Gesellschaft angesichts einer unbekannten Zukunft, Individualismus versus Kollektivismus auf die Integration von Individuen in Primärgruppen, Maskulinität versus Feminität auf die Aufteilung emotionaler Rollen zwischen Männern und Frauen, Langzeit- versus Kurzzeitorientierung darauf, worauf der Fokus bei den Bemühungen der Menschen gelegt wird: auf die Zukunft, die Gegenwart oder die Vergangenheit; Genuss versus Zurückhaltung bezieht sich auf Befriedigung versus Kontrolle der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, bezogen auf den Lebensgenuss (aus Hofstede, 2011, S. 8).

Eine meiner Lektorinnen, deren Meinung ich sehr schätze, bringt einen interessanten Punkt zu dieser Anekdote an, einen, den ich, wie ich zugeben muss, zuvor nicht bedacht hatte. Eine Geschichte, die von den Gefahren des Stereotypisierens handeln soll, scheint in die eigene Falle geraten zu sein, meint sie. Der fragliche Herr könnte durchaus ein als Pfarrer verkleideter Krimineller gewesen sein. Oder tatsächlich ein Pfarrer, der unehrlich war. In gewisser Weise, fährt sie fort, hat der Schaffner überhaupt nicht stereotypisiert. Seine Aufgabe als Schaffner erlaubt es ihm nicht, Ausnahmen zu machen. Er muss alle, die keine Fahrkarte haben, gleich behandeln, und obwohl jemandes Aussehen – das eines Pfarrers – zum Stereotypisieren verleiten könnte (»vertrauenswürdig«), entschied er sich tatsächlich, dies nicht zu tun. Dies ist eine brillante Gegenanalyse der Situation, die natürlich durchaus zutreffen könnte. Doch das Verhalten des Schaffners hatte definitiv etwas, was auf eine weniger großzügige Interpretation der Ereignisse hinwies … oder vielleicht einfach auf meine eigene stereotype Vorstellung von paragrafenreitenden Schaffnern.

In Schottland liegt die Grenze bei 0,05 %.

Brendan Foster und Daley Thompson sind Legenden der britischen Leichtathletik. Brendan, der Gründer des Great North Run, des derzeit größten Halbmarathons der Welt, holte 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal Bronze über 10000 Meter, nachdem er 1974 in Rom zum Europameister über 5000 Meter gekrönt worden war. Bei den Olympischen Spielen in Moskau 1980 wurde Daley Olympiasieger im Zehnkampf und verteidigte dann 1984 in Los Angeles erfolgreich seinen Titel. Er stellte in dieser Sportart viermal einen Weltrekord auf.

Ende des 18. Jahrhunderts steckte Frankreich aufgrund seiner enormen Schulden – die sich sowohl durch seine Beteiligung am Siebenjährigen Krieg (17561763) als auch seine Unterstützung der Amerikanischen Revolution (17751783) angehäuft hatten – mitten in einer schweren Finanzkrise. Korruption sowie der ausschweifende Lebensstil der königlichen Familie und des Hofstaats in Versailles trugen wenig dazu bei, diese katastrophale Lage zu entschärfen.

Alastair hat ausführlich über seinen Nervenzusammenbruch in den 1980ern gesprochen und geschrieben; dabei verriet er, dass er während psychotischer Episoden völlig auf die Wörter »rechts« und »links« und die Farben Rot und Blau fixiert, ja, was sie anging, paranoid gewesen sei. Diese Konzepte, so behauptet er, bohren sich tief in das politische Denken.

»Corbynismus« ist ein weit gefasster und nebulöser Begriff, mit dem eine Clusterideologie linken Gedankenguts beschrieben wird, die zwischen 2015 und 2019 unter der Führung von Jeremy Corbyn Auftrieb erhielt. Zu den Kernprinzipien zählen: Antiimperialismus, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, Hardcore-Antikapitalismus, Sozialliberalismus und »Movementismus« unter Beteiligung der Jugend.

Bei der Parlamentswahl 2019 verlor Laura Pidcock ihren Sitz an Richard Holden, einen Konservativen.

In Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl (Darmstadt 1988) beschreibt Darwin die Tatsache, dass eine bereits existierende Struktur ihre Funktion ändert, als »äusserst wichtiges Übergangsmittel« im Verlauf der evolutionären Entwicklung (S. 207). Er befasst sich dann mit Merkmalen und Eigenschaften, die, zumindest ursprünglich, vielleicht keinem offensichtlichen Zweck gedient haben, weil sie zufällig als Nebenprodukt anderer evolutionärer Prozesse als der natürlichen Auslese entstanden sind (z.B. »die komplexen Gesetze des Wachstums«; die »geheimnisvollen Gesetze der Korrelation von Teilen«), die vielleicht aber dennoch eine wichtige Rolle bei der Evolution jener Organismen spielen, die sie besitzen, weil sie potenziell irgendwann in der Zukunft eine für das Überleben in einer neuen Umgebung notwendige Funktion übernehmen könnten: »Überdies kann eine auf einem solchen Wege indirect erlangte Abänderung der Structur anfangs oft ohne Vortheil für die Art gewesen sein, kann aber späterhin bei deren unter neue Lebensbedingungen versetzten und neue Lebensweisen erlangenden modificierten Nachkommen mit Vortheil benutzt worden sein« (S. 221).

Zu einem Abriss der Entwicklung des Framing-Konzepts vom deutschen Philosophen der Aufklärung Immanuel Kant bis zur Gegenwart siehe Anhang III.

Die tatsächliche Geschwindigkeit betrug lediglich 20 Stundenkilometer.

Die Art der Beziehung zwischen Sprache und Denken wird seit Langem von Philosophen und Psychologen gleichermaßen debattiert. Beeinflusst das Denken die Sprache oder beeinflusst die Sprache das Denken? Vereinfacht gesagt wird die Debatte von zwei gegensätzlichen Paradigmen beherrscht. Das erste betont die kommunikative Funktion von Sprache: Sprache, so heißt es, ist unabhängig vom Denken und einfach nur ein Werkzeug, das wir im Lauf der Zeit entwickelt haben, um unsere Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Das zweite hingegen – erstmals in den 1940er- und 1950er-Jahren von den amerikanischen Linguisten Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf vorgestellt und heute bekannt als »Sapir-Whorf-Hypothese« oder »linguistischer Determinismus« – lautet, dass Sprache und Denken ineinandergreifen und dass die Sprache, in geringerem oder höherem Maße, die Macht hat, den menschlichen Verstand zu formen.

Derlei Phrasen, so Orwell, »klingen« oft »richtig«, sind jedoch von geringem Wert für unabhängige Denker und Wahrheitssuchende, da ihr einziger Zweck darin besteht, sinnvolle Diskussionen und kritisches Denken im Zusammenhang mit jedwedem Thema zu verhindern. Die »unergründlichen Wege des Herrn« z.B. dienen einerseits als Trost für Enttäuschte und andererseits als Rechtfertigung für Menschen, die Glück hatten, wobei der Zweck in beiden Fällen weitgehend identisch ist: eine Analyse zu verhindern, in welchem Maß vom Menschen »Kontrollierbares« – z.B. Einschätzungen, die möglicherweise fehlerhaft waren, oder die falsche Anwendung von Wissen als Faktoren, die zum Ergebnis beigetragen haben – für das Ergebnis verantwortlich ist und nicht der Wille Gottes. Natürlich kann diese Faulheit des Denkens, wenn nichts dagegen getan wird, zum Stereotypisieren führen – sind Angehörige der Arbeiterklasse wirklich »normal«? Normal im Vergleich zu wem? Was genau bedeutet dieses »normal«? Und wenn ein totalitäres politisches System dazu anstiftet, kann es auch zur Gedankenkontrolle verführen; denn diejenigen, so Orwell, die nicht für sich selbst denken können, lassen für sich denken. Das Buch des amerikanischen Psychiaters Robert Jay Lifton mit dem Titel Thought Reform and the Psychology of Totalism: A Study of ›Brainwashing‹ in China ist aufschlussreich in dieser Hinsicht. Darin heißt es: »Die Sprache der totalitären Umwelt wird charakterisiert durch Totschlagklischees. Die weitreichendsten und vielschichtigsten menschlichen Probleme werden in kurze, stark reduzierende, definitiv klingende Phrasen gepresst, die sich leicht einprägen lassen und leicht geäußert werden können. Diese werden zum Anfangs- und Endpunkt jeder ideologischen Analyse« (S. 429). Die Beobachtungen von Orwell und Lifton sind vielleicht nirgendwo besser zusammengefasst als in dem Mantra »Du denkst zu viel«, das sich die in den 1950er-Jahren von Sun Myung Moon in Südkorea gegründete Vereinigungskirche zu Eigen gemacht hat.

Eine Reihe von Sprachen, einschließlich Herero (Himba), Koreanisch und Tibetisch, haben ein und dasselbe Wort für grün und blau – oder das, was Linguisten als Kolexifizierungs-Gräuel bezeichnen. Im Tibetischen z.B. ist sngon po ein Begriff, der zur Beschreibung von Himmel und Gras verwendet wird, während im Koreanischen pureu-da entweder blaugrün, grün oder bläulich grün bedeuten kann. In anderen Sprachen wie dem Vietnamesischen verweist man auf den Himmel und die Blätter als Bezugspunkte und sagt z.B. »blau wie der Himmel« (xanh da trời) oder »blau wie die Blätter« (xanh lá cây), um zwischen den beiden Farben zu unterscheiden. Ähnlich kann das Wort blau (bpoa kiaw) in der Khmer-Sprache, die im Nachbarland Kambodscha gesprochen wird, ebenfalls blau und grün bedeuten, während die Wörter für grün wie bpao sloek chek srasa (wörtliche Übersetzung: »die Farbe von frischen Bananenblättern«) strengeren Parametern folgen und blau nicht mit einschließen.

Das Pantone Matching System ist das Telefonbuch für Farben. Es führt Tausende von Codes auf, die bestimmte Farbtöne symbolisieren – ein bisschen wie die Farbmuster, die man in Farbkatalogen sieht. Benachbarte Farben können sehr schwer auseinanderzuhalten sein: Denken Sie nur daran, wie leicht man zwei elfstellige Telefonnummern verwechselt, wenn sich nur eine Ziffer unterscheidet.

Es ist wichtig, zu betonen, dass es nicht in allen Sprachen dieselbe Anzahl an Grundfarbwörtern gibt (siehe Anhang I, S. 347 f.). Im Englischen z.B. gibt es elf (Schwarz, Weiß, Rot, Gelb, Grün, Blau, Braun, Rosa, Orange, Grau und Violett) und in slawischen Sprachen zwölf (sie haben unterschiedliche Begriffe für Hellblau und Dunkelblau), während der Stamm der Dani in Papua-Neuguinea nur drei Grundfarbwörter hat (Schwarz, Weiß und Rot). Doch die Zahl der Grundfarbwörter, die eine Sprache enthält, hat überhaupt keine Auswirkung darauf, in welcher lexikalischen Reihenfolge diese Begriffe auftauchen.

Es gibt zahlreiche andere Hypothesen. Rot ist die Farbe von Blut; Rot ist die Farbe geröteter Haut und damit (a) ein verlässlicher Stimmungsindikator und (b) ein Sinnbild für evolutionäre Fitness durch Blutsauerstoffsättigung und gesunde Pigmentierung. Rot und Gelb sind die Farben reifer Früchte und eine wichtige Nährstoffquelle für unsere auf Bäumen lebenden Vorfahren.

Studien zeigen z.B., dass die Farbe Rot dazu neigt, die galvanische Hautreaktion (ein Richtmaß für physiologische Erregung) zu verstärken, die Emotionsmotoren des Gehirns anzuwerfen und den Blutdruck zu erhöhen, während Blau das Gegenteil zu tun scheint: Der Puls sinkt und die Gehirnaktivität wird in Bereichen schwächer, die mit der emotionalen Verarbeitung und der Stressreaktivität verbunden sind. Ebenso stellen Bewohner blauer Räume, wie sich gezeigt hat, das Thermostat regelmäßig um durchschnittlich vier Grad höher ein als Bewohner roter Räume.

Guy Deutscher, der Autor von Through the Language Glass: Why the World Looks Different in Other Languages, führte einmal zu Hause ein kleines Experiment durch. Er fragte eines Tages seine Tochter, der er ganz bewusst nie die Farbe des Himmels genannt hatte, welche Farbe sie sehe, wenn sie nach oben schaue. Das Mädchen hatte keine Ahnung. Der Himmel hatte keine Farbe. Schließlich entschied sie, dass er weiß war, um dann später zu Blau überzuwechseln, berichtet Deutscher. Wie wir gesehen haben, brachte Lazarus Geigers Analyse alter biblischer Betrachtungen des Himmels eine ähnliche Ambiguität in Bezug auf dessen Farbe zutage.

Das könnte sich nun vielleicht ändern. In jüngster Zeit ist eine wachsende Zahl von Handelsmarken vor Gericht gezogen, die danach streben, im globalen Farbenmeer kleine Privatinseln aufzukaufen, indem sie Markenschutz für Farbtöne beantragen, die unmittelbar mit ihrem Namen assoziiert werden. Am bekanntesten ist hier vielleicht Cadburys lang andauernder Kampf, einen bestimmten Violettton zur alleinigen Nutzung zu annektieren, Pantone Nr. 2685C (»Dairy Milk«). Doch es gibt andere. 2004 zögerte der Netzbetreiber Orange nicht, easyJet seine Farbe streitig zu machen, nachdem Bedenken laut geworden waren, dass die von der Fluggesellschaft verwendete Pantone-Farbe 021C der eigenen Pantone-Handelsmarke 151C ein bisschen zu ähnlich war. 2018 sicherte sich der französische Schuhdesigner Christian Louboutin durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erfolgreich den Markenschutz für seine charakteristischen High Heels mit der roten Sohle. Das Warenzeichen, das in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg registriert ist, bezieht sich auf »die Farbe Rot (Pantone 181163TP), aufgetragen auf die Sohle von Schuhen«. (Die Farbe wird im Volksmund Chinese Red genannt.) Was vermutlich heißt, dass es Konkurrenzunternehmen zwar nicht länger erlaubt ist, die Sohlen ihrer Schuhe mit dieser bestimmten Farbe zu schmücken, sie aber dennoch grünes Licht haben, benachbarte Pantone-Farben zu beiden Seiten dieses Rots zu benutzen: 181662 (Flame Scarlet) zum Beispiel. Oder 181664 (Fiery Red). Wenn es das aber nicht heißt, und wir haben Orange versus easyJet II, wo ziehen wir dann die Grenze? Wann ist Rot nicht mehr rot genug, um noch Rot genannt zu werden? Denn solange man kein Marsianer ist und 500 verschiedene Wörter für die Farbe hat, sind Chinese Red, Flame Scarlet und Fiery Red … einfach Rot.

In ihrer Arbeit über emotionale Granularität, über die wir in Kapitel 2 kurz gesprochen haben, hat die amerikanische Psychologin Lisa Feldman Barrett gezeigt, dass diejenigen, die sich eines reicheren Vokabulars bedienen, um ihre Gefühle auszudrücken, eine Reihe von überraschenden Gesundheitsvorteilen genießen, sowohl physiologischer als auch psychologischer Natur. Bei ihnen ist nicht nur die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie die Kontrolle verlieren, wenn sie wütend sind, oder zur Flasche greifen, wenn sie niedergeschlagen sind – Verhaltenshemmungen, die mit einer größeren Emotionsregulation verbunden sind –, sie sind auch besser in der Lage zu lernen, sich zu entwickeln und etwas Positives aus widrigen Situationen und schwierigen emotionalen Erfahrungen zu ziehen. Außerdem gehen sie seltener zum Arzt. Ein kurzer Seitenblick auf einige emotionsbehaftete Begriffe in anderen Sprachen unterstützt die Ansicht, dass Wörter nicht einfach nur das sind, was wir sagen und wie wir denken – denken Sie nur an den perfekten Orientierungssinn von Menschen, die Guugu Yimithirr sprechen –, sondern auch, wie wir uns fühlen. Zur Veranschaulichung möge der dänische Begriff hygge dienen. Diejenigen, die sich dieses Konzept zu Eigen machen – eine tief winterliche, durch Kerzenlicht, Decken, Kaminecken, Tassen mit dampfendem Kakao und Wollsachen gekennzeichnete Gemütlichkeit –, werden seltener an einer saisonal bedingten Depression leiden. Die Dänen, die dieses Konzept ganzjährig leben – Dankeskarten schreiben; die fünf Extra-Minuten zu dem Stand laufen, der die extra-speziellen Kaffeebohnen verkauft; am Strand Freudenfeuer entzünden –, werden mit geringerer Wahrscheinlichkeit an irgendeiner emotionalen Störung leiden, und erweisen sich in Umfragen ständig als die glücklichsten Menschen der Welt. Ob hingegen das deutsche Wort Backpfeifengesicht – das gemeinhin als »a face badly in need of a fist« (ein Gesicht, das dringend eine Faust braucht) ins Englische übersetzt wird – die Deutschen aggressiver macht, ist eine Studie, die, wie ich meine, dringend durchgeführt werden sollte.

Reste des anthropomorphen Ursprungs von Zählsystemen finden sich in einer Reihe verschiedener Sprachen. Das Wort der Inuit für »fünf« ist z.B. talimat und für »Hand« talik; im Guaraní (einer indigenen Sprache, die in Paraguay, im Nordosten Argentiniens, im Südosten Boliviens und im Südwesten Brasiliens gesprochen wird) bedeutet das Wort po sowohl »fünf« als auch »Hand« und in der Ali-Sprache (die im Südwesten der Zentralafrikanischen Republik gesprochen wird) heißen »fünf« und »zehn« moro bzw. mbouna, wobei moro das Wort für »Hand« und mbouna ein Schmelzwort aus moro (»fünf«) und bouna (»zwei«) ist (somit ist »zehn« = »zwei Hände«).

Wissenschaftler der University of Kansas haben die Abnutzung der fossilisierten Zähne von Höhlenbewohnern untersucht und festgestellt, dass unsere prähistorischen Vorfahren zwar nicht dumm, aber unbeholfen waren. Die Forscher entdeckten, dass sie, wenn sie Tierhäute verarbeiteten, eine Seite des Tierkadavers in ihrem Mund befestigten, während sie in ihrer dominanten Hand ein Schneideinstrument hielten, um den Kadaver aufzuschneiden. Die verräterischen Kratzspuren an den Schneidezähnen liefern einen niet- und nagelfesten Beweis dafür, welche Hand sie benutzten, um die Fleischstücke zu stabilisieren, und welche Hand das Messer führte. Interessanterweise gab es unter den Neandertalern ähnlich viele Linkshänder wie heute: rund einen von zehn.

Am 18. November 1978 überredete der selbsternannte Prophet und Führer des Peoples Temple (Volkstempel), Reverend Jim Jones, eine im Dschungel Nordwest-Guyanas lebende Sekte mit über 900 Anhängern, einschließlich rund 200 Babys und kleinen Kindern, die von ihren Eltern oder von anderen Sektenanhängern getötet wurden, mithilfe eines mit Zyankali versetzten Fruchtsafts Massenselbstmord zu begehen.

Genesis 3,14 (Die Bibel. Einheitsübersetzung. Altes und Neues Testament, Stuttgart 1980, S. 7).

House of Tricks – so was kann man sich nicht ausdenken.

2019 führten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Deutschland eine Studie durch, mit der sie herausfinden wollten, was einen guten Popsong ausmacht. Die Forscher analysierten 80000 unterschiedliche Akkordfolgen von 745 klassischen US-Billboard-Songs, die zwischen 1958 und 1991 aufgenommen worden waren, und ließen einen lernfähigen Algorithmus berechnen, wie »überraschend« ein Akkord im Vergleich zum vorangegangenen Akkord war. Anschließend wählten sie eine repräsentative Stichprobe von 30 Songs aus, befreiten sie von Elementen wie Text und Melodie, um zu verhindern, dass sie erkannt und die mit ihnen verbundenen Erinnerungen geweckt wurden, und spielten sie 39 Probanden vor. Die Ergebnisse zeigten Folgendes: Wenn die Teilnehmer relativ sicher waren, welcher Akkord als Nächstes folgte, und der Song unerwartet eine andere Wende nahm und sie überraschte, empfanden sie dies als angenehm. Andererseits fühlten sie sich jedoch auch gut, wenn die Akkordfolge schwerer vorherzusagen war, es ihnen aber gelang, sie richtig vorauszuahnen. Weiterführende Forschungen zeigten, dass diese Reaktionsmuster eine deutliche neuronale Signatur hatten. Eine funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) deckte bei den Probanden sowohl eine signifikante Zunahme der Aktivität in einem als Nucleus accumbens bekannten Gehirnbereich auf – der Teil des Belohnungssystems des Gehirns ist und in dem sich musikalisches Vergnügen widerspiegelt –, wenn die Testpersonen relativ sicher waren, welche Akkordfolge zu erwarten war und überrascht wurden, als auch, wenn sie unsicher waren, was sie als Nächstes erwartete, die nachfolgenden Akkorde aber keine Überraschung darstellten.

»Songs, die wir als angenehm empfinden, sind wahrscheinlich diejenigen, die eine gute Balance erreichen zwischen unserem Wissen, was als Nächstes passieren wird, und der Überraschung mit etwas, was wir nicht erwartet haben«, erklärt Vincent Cheung, der die Forschung leitete. Der von McCartney geschriebene Beatles-Song von 1968 »Ob-La-Di, Ob-La-Da« – von John Lennon als »Omamusik« verunglimpft – landete auf Platz 1 der Charts der Forscher, gefolgt von Genesis’ »Invisible Touch« und BJ Thomans’ »Hooked on a Feeling«. Weitere erfolgreiche Titel waren »I Want You Back« von The Jackson Five, »There She Goes« von The La’s, »When It’s Love« von Van Halen und »Red Red Wine« von UB40.

In den ersten Märztagen 2020 sorgte der plötzliche Ansturm auf Toilettenpapier infolge der Ausbreitung von COVID-19 für Irritation. Angesichts der Tatsache, dass die Hauptsymptome des Virus nicht gastrischer Natur waren – ein trockener, hartnäckiger Husten und Fieber –, schien dies unlogisch zu sein. Das Phänomen nahm auf Grenzen keine Rücksicht. In Großbritannien, den USA und Australien – um nur einige Länder zu nennen – waren jede Menge Menschen wild entschlossen, sich Vorräte anzulegen. Warum? Dr. Steven Taylor, Professor für Klinische Psychologie an der University of British Columbia und Autor des im Dezember 2009 erschienenen Buches Die Pandemie als psychologische Herausforderung. Ansätze für ein psychosoziales Krisenmanagement, stellt eine interessante Theorie auf. »Eine Sache, die während einer Pandemie passiert, wenn Menschen Gefahr laufen, sich zu infizieren, ist, dass ihre Ekelempfindlichkeit zunimmt. Sie empfinden eher Ekel und sind motiviert, diesen zu vermeiden«, erklärte er in einem Interview mit dem Independent. »Ekel ist wie ein Alarmmechanismus, der vor möglichen Verunreinigungen warnt. Wenn ich also ein Geländer sehe, das mit Speichel bedeckt ist, werde ich es nicht anfassen. Ich werde Ekel empfinden. Und das schützt uns. Es gibt also eine sehr enge Beziehung zwischen der Angst, sich zu infizieren, und Ekel. Und was gibt es Besseres als Klopapier, um ekliges Material zu beseitigen? Ich glaube, auf diese Weise wurde es zum konditionierten Symbol für Sicherheit.« Kommt zu dieser Angst vor einer Infektion dann noch das Bedürfnis hinzu, vorbereitet zu sein – Händewaschen, wenn auch unabdingbar, fühlt sich angesichts eines so gefährlichen Virus irgendwie planlos an –, sind Hamsterkäufe, ja, eine Überkompensation jedweder Art, wenn man sich so machtlos und verletzlich fühlt, unausweichlich.

Als De Berker die Studie durchführte, war er am Institute of Neurology, University College London, tätig.

Die Weißhelme sind eine Freiwilligenorganisation, die humanitäre Hilfe in von Rebellen gehaltenen Gebieten im kriegszerrütteten Syrien leistet. Sie unternehmen Such- und Rettungsoperationen nach Offensiven des Assad-Regimes und man spricht ihnen allgemein das Verdienst zu, das Leben Tausender von Zivilisten gerettet zu haben.

Forschungen zum Zusammenhang zwischen der Verwendung von Pronomen und dem Persönlichkeitsstil deuten darauf hin, dass der häufigere Gebrauch des Wortes »wir« in ihren Reden nicht der einzige Faktor war, der zum Wahlerfolg der Parteivorsitzenden führte. Charaktereigenschaften, die stark mit der vermehrten Verwendung dieses Pronomens korrelieren, könnten auch eine Rolle spielen. Studien zeigen z.B., dass extravertierte Menschen Wörter wie »wir«, »unser« und »uns« häufiger verwenden als introvertierte Menschen, die im Gegensatz dazu eher das singularische und disjunktive »ich«, »mir« und »mein« bevorzugen. Weitere Beweise legen nahe, dass eine zunehmende Häufigkeit des Wortes »ich« in bestimmten Kontexten auf verstärkte Gefühle der Bedrohung, Unsicherheit und Abwehr hinweisen – Qualitäten, die normalerweise nicht mit charismatischen Persönlichkeiten und begeisternder Führerschaft assoziiert werden. 2007 untersuchte der amerikanische Psychologe James Pennebaker in Kooperation mit dem FBI die Korrespondenz des Al-Qaida-Führers Osama bin Laden nach dem 11. September und die Korrespondenz seines Stellvertreters Ayman al-Sawahiri nach dem Einmarsch in den Irak im Jahr 2003, während beide Männer bemüht waren, der Gefangennahme zu entgehen. Die Ergebnisse enthüllten einen auffälligen Unterschied zwischen den Kommunikationsmustern der beiden Dschihad-Galionsfiguren. Erstens nahm bin Ladens Verwendung der sogenannten »ausschließenden« Wörter wie »außer«, »aber«, »jedoch« und »ohne« – Wörter, die normalerweise mit geringerem »Schwarz-Weiß-Denken« und größerer kognitiver Komplexität assoziiert werden – im Lauf der 58 analysierten Abschriften zu, während sie bei seinem eher binären Stellvertreter abnahm, was möglicherweise auf dessen erhöhtes Bedürfnis nach einer strikten ideologischen Geschlossenheit unter Stress hinweist. Zweitens nahm al-Sawahiris Verwendung des »Ich«-Pronomens nach dem Irakkrieg um das Dreifache zu, während sie bei bin Laden gleich blieb – ein Trend, der einen einzigartigen Einblick in den visionäreren Stil der Führerschaft des Al-Qaida-Gründers bietet: seine tiefere Wahrnehmung des Gesamtbildes wie auch möglicherweise seine größere Geistesgegenwart. (Nach dem Tod von bin Laden im Mai 2011 wurde al-Sawahiri der neue Führer von al-Qaida.)

Zu den kulturellen und historischen Unterschieden des Schwarz-Weiß-Denkens im Lauf der Jahrhunderte siehe Anhang VI, S. 360 ff.

In seinem internationalen Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken zeigt Nobelpreisträger Daniel Kahneman eine ähnliche Dichotomie auf, nämlich die zwischen zwei Arten des Denkens, System 1 und System 2. Ersteres wird charakterisiert durch schnelle, instinktive, intuitive und emotionale Gedankenprozesse, letzteres durch langsamere, logische und analytischere.

Das Schwarz-Weiß- oder Alles-oder-nichts-Denken liegt einer ganzen Reihe von psychischen Problemen zugrunde, nicht nur denjenigen, unter denen Menschen mit Autismus oder Autismus-Spektrum-Störungen leiden. Das bestdokumentierte ist vielleicht das sogenannte »Katastrophendenken«, das man bei vielen ehemaligen Suchtkranken angesichts eines kleinen Rückfalls beobachtet. Nur der eine Drink, nur die paar Züge an einer Zigarette werden oft so interpretiert, als würden sie Wochen, Monate und manchmal sogar Jahre einer hart erkämpften, absoluten Abstinenz vollständig unterminieren, und kündigen oft die Rückkehr der unerwünschten Gewohnheit in all ihrer Schuldgefühle hervorrufenden Dominanz an. Um dieses Alles-oder-nichts-Denken zu bekämpfen, sind Suchtberater in der Regel bestrebt, Grauschattierungen zwischen die schwarzen und weißen Säulen der extremistischen Denkweise des Süchtigen einzufügen, wobei sie manchmal Zuflucht zu Metaphern nehmen. Analogien wie »Jeder fällt mindestens einmal runter, wenn er Radfahren lernt« und »Die Entfernung ist egal, was zählt, ist der erste Schritt« erweisen sich in dieser Hinsicht als effektiv. Wenn man es hingegen liebt, schwierige Entscheidungen zu treffen, kann katastrophisches Schwarz-Weiß-Denken eher ein Segen als ein Fluch sein. In seinem Bestseller Leading erzählt Sir Alex Ferguson, der legendäre ehemalige Trainer von Manchester United, wie er als Trainer von Aberdeen an manchen Abenden mit seinem Assistenten Archie Knox eine sechsstündige Fahrt auf sich nahm, um die Konkurrenz in Glasgow spielen zu sehen, wobei er sich mit Knox beim Fahren abwechselte. »Wann immer wir in Versuchung gerieten, ein Spiel auszulassen und den Abend freizunehmen«, erzählt Sir Alex, »sagten wir zueinander: ›Wenn wir ein Spiel in Glasgow verpassen, werden wir auch zwei verpassen.‹«

Abgesehen davon, dass sich ihr Bedürfnis nach kognitiver Komplexität unterscheidet, scheint es bei Konservativen und Liberalen auch Unterschiede in Bezug auf gewisse Elemente ihrer Persönlichkeitsstruktur zu geben. Forschungen zeigen, dass die ersten beiden der als die »Big Five« bekannten Persönlichkeitsvariablen (Offenheit für Erfahrung, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit, Neurotizismus) signifikant mit ideologischen Neigungen korrelieren. Gewissenhaftigkeit – die sich aufgliedert in die beiden Subkomponenten »Ordnungsliebe« (das Bedürfnis, Dinge ordentlich und sauber zu halten) und »Fleiß« (der sich auf Produktivität und Arbeitsethik bezieht) – ist, wie Forschungen gezeigt haben, mit einer Rechtstendenz verbunden, während Offenheit für Erfahrung, die »lebhafte Fantasie, ästhetisches Empfinden, Aufmerksamkeit für innere Gefühle, Vorliebe für Vielfalt und intellektuelle Neugier« beinhaltet, mit einer Linkstendenz verbunden ist. Auch die Verträglichkeit korreliert nachweislich mit politischen Präferenzen, doch nur, wenn sie in ihre beiden aktiven Bestandteile zerlegt wird: »Mitgefühl«, das positiv mit Liberalismus assoziiert wird, und »Höflichkeit«, die positiv mit Konservatismus assoziiert wird.

Wenige Monate nachdem Churchill im Mai 1940 die Nachfolge von Neville Chamberlain als britischer Premierminister angetreten hatte, berichtete der amerikanische Schriftsteller und Herausgeber Ralph Ingersoll: »Wo auch immer ich in London hinging, bewunderten die Menschen [Churchills] Energie, seinen Mut, seine Zielstrebigkeit. Die Leute sagten, sie wüssten nicht, was Großbritannien ohne ihn tun würde. Er war offensichtlich geachtet. Doch niemand glaubte, dass er nach dem Krieg Premierminister sein würde. Er war einfach der richtige Mann im richtigen Job zur richtigen Zeit, einer Zeit des verzweifelten Kriegs mit Großbritanniens Feinden.« Tatsächlich wurde Churchill bei den Parlamentswahlen, die nur 79 Tage nach dem 8. Mai 1945, dem VE-Day (Victory in Europe Day), stattfanden, vom Labour-Politiker Clement Attlee abgelöst, der durch einen Erdrutschsieg an die Macht kam. (Ingersoll, S. 127)

Unter folgendem Link können Sie das gesamte Interview hören: https://www.bbc.co.uk/programmes/p07770t8.

Weiteres zur Charakteristik des Asperger-Syndroms siehe http://www.autism-help.org/aspergers-characteristics-signs.

Das gesamte parteipolitische Spektrum Großbritanniens ist sich darin einig, dass der Slogan der Regierung »Bleiben Sie zu Hause, schützen Sie den NHS, retten Sie Leben« zu den effektivsten Botschaften in der modernen politischen Geschichte gehört. Dass er auf einzigartige Weise die drei urzeitlichen Achsen der Supersuasion – Kampf versus Flucht; wir versus sie; richtig versus falsch – vereint, unmittelbar widerspiegelt und genau in dieser Reihenfolge präsentiert, ist kein Zufall. Die Botschaft erwies sich in der Tat als so effektiv, dass die geänderte Direktive »Bleiben Sie wachsam«, mit der Premierminister Boris Johnson am Abend des 10. Mai 2020 in einer Rede an die Nation die ersten kleinen Schritte aus dem Lockdown einführte, als zu vage, zu allgemein, zu offen für Interpretationen verurteilt wurde. Schwarz-weißer als »Bleiben Sie zu Hause, schützen Sie den NHS, retten Sie Leben« geht nicht. Im Gegensatz dazu lässt »Bleiben Sie wachsam« Raum für Nuancen und Grauschattierungen.

Die Bücher von Nashef und Westaby zum Thema Entscheidungsfindung in der Chirurgie sind eine interessante Lektüre. Detaillierte Angaben finden Sie in der Bibliografie.

Sir Ran betont jedoch, dass bei Expeditionen keine übertriebenen Risiken eingegangen werden sollten, es sei denn, als letztes Mittel. »Der Schlüssel zum Erfolg bei den Herausforderungen, denen ich mich gestellt habe«, so erklärt er, »waren fast immer eine sorgfältige Planung und eine obsessive Detailgenauigkeit.«

Wir haben zuvor gesehen, dass die Verwendung maßgeschneiderter Sprache helfen kann, eine persuasive Kommunikation zu gestalten und sie effektiver zu machen. So wimmelt es in der Medienberichterstattung zu den Bemühungen, die Ausbreitung von COVID-19 zu »bekämpfen«, von Ausdrücken aus der Militärsprache, wobei Phrasen wie »Ausgangssperre«, »Rationen«, »Frontlinie«, »den Kampf gewinnen«, »den Feind besiegen« und »Kriegsregierung« eine wichtige Rolle spielen. Nirgendwo war dies auf eloquentere und eindringlichere Art erkennbar als in der Rede der Queen an die Nation am Abend des 5. April 2020, als die Zahl der Virustoten weiter stieg und die Infektionsraten in die Höhe schossen. Die 93 Jahre alte Monarchin, die Vergleiche zog zwischen »dem schmerzlichen Gefühl, von seinen Liebsten getrennt zu sein«, das die Kontaktvermeidung bei den Menschen hervorrief, und den Erfahrungen von evakuierten Kindern im Zweiten Weltkrieg, wartete mit der folgenden Hoffnungsbotschaft auf: »Wir sollten Trost darin finden, dass wieder bessere Tage kommen werden, auch wenn wir vielleicht noch mehr erdulden müssen. Wir werden wieder mit unseren Freunden vereint sein, wir werden wieder mit unseren Familien vereint sein. Wir werden uns wiedersehen.« Professor Neil Greenberg, ein Berater des Gesundheitswesens und weltweit führender Traumaexperte am King’s College London, knüpfte an die von der Queen gezogenen Vergleiche zwischen der COVID-19-Pandemie und Kriegserfahrungen an und wies auf Folgendes hin: Wenn das NHS-Personal keine adäquate psychologische Unterstützung erhalte, nachdem die Coronavirus-Fallzahlen gesunken seien, wäre es einem ähnlich hohen Risiko ausgesetzt, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden wie Militärangehörige, die von Einsätzen zurückkehren.

Donald Trumps Gespaltenheit ist vielleicht zu keinem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft deutlicher geworden als in dem Moment, in dem sein Verteidigungsminister Mark Esper die Gouverneure beschwor, in der äußerst heiklen Situation nach dem Tod von George Floyd die Nationalgarde gegen die Demonstranten einzusetzen, »um das Schlachtfeld zu beherrschen«. Floyd, ein 59-jähriger Schwarzer, hatte sein Leben verloren, als er am 25. Mai 2020 von vier weißen Polizeibeamten in der Gemeinde Powderhorn in Minneapolis zu Boden gedrückt wurde. Während er in Handschellen und mit dem Gesicht nach unten vor einer immer größeren Anzahl von Schaulustigen auf dem Boden lag, hatte Floyd wiederholt einem der Beamten gesagt: »Ich kriege keine Luft«, und ihn angefleht, sein Knie von seinem Nacken zu nehmen. Der Beamte, Derek Chauvin, kam dieser Bitte nicht nach, was zu einer weltweiten Verurteilung und in einer Reihe von Großstädten, unter anderem in London, New York, Athen und Sydney, zu Massendemonstrationen gegen institutionalisierten Rassismus führte. Chauvin wurde anschließend des Totschlags angeklagt, die anderen Beamten, die bei der Festnahme dabei gewesen waren, der Beihilfe zum Totschlag. Trump – der zuvor die Gouverneure wegen ihrer Passivität angesichts der inneren Unruhen gerügt und sie gedrängt hatte: »Greift durch oder ihr werdet wie ein Haufen Trottel aussehen« – spazierte eine Woche später durch einen Park in Washington, D.C., der gewaltsam von Demonstranten geräumt worden war, um dann mit einer Bibel in der rechten Hand vor einer verbarrikadierten Kirche zu posieren. Vielen seiner Unterstützer gefielen angesichts der später im Jahr bevorstehenden Wahlen nicht nur die herrischen Zusicherungen des Präsidenten, die »Straßen zu beherrschen«, und sein unversöhnliches Selbstporträt als der »Präsident für Recht und Ordnung«, sondern auch die Verwendung religiöser Symbolik. »Zweifellos weiß jeder Gläubige, mit dem ich sprach, das, was der Präsident tat, und die Botschaft, die er aussandte, zu schätzen«, sagte Robert Jeffress, der Pastor der First Baptist Church in Dallas und ein Trump-Anhänger. »Ich denke, es wird einer der historischen Momente während seiner Präsidentschaft sein, vor allem vor dem Hintergrund der Nächte der Gewalt überall im Land.« Millionen Menschen auf der Welt hielten es jedoch für nötig, dem zu widersprechen, allen voran die Familie und Freunde von George Floyd.

Der Nordirlandkonflikt (The Troubles) war ein Konfessionskrieg, gekennzeichnet durch verschiedene paramilitärische Aktivitäten, die Ende der 1960er-Jahre begannen. Als Ende dieses Konflikts gilt weithin das Karfreitagsabkommen von 1998