Cover
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Hinweis zum Urheberrecht

Abbildung

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Verfasser:

Prof. em. Dr. Günter Müller-Stewens, Universität St. Gallen;

Prof. Dr. Matthias Brauer, Lehrstuhl für Strategisches und Internationales Management, Universität Mannheim.

Die Illustrationen auf den Seiten 22, 94, 146, 268, 386 stammen von der Künstlerin und Grafik-Designerin Anette Olbrich. Sie lebt und arbeitet in München. Neben der Werbegrafik liegen ihre Schwerpunkte auf der Konzeptart und der freien künstlerischen Arbeit.

www.olbrich-art.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print: ISBN 978-3-7910-4462-0 Bestell-Nr. 20386-0002
ePub: ISBN 978-3-7910-4464-4 Bestell-Nr. 20386-0100
ePDF: ISBN 978-3-7910-4463-7 Bestell-Nr. 20386-0151

Günter Müller-Stewens/Matthias Brauer

Corporate Strategy

2. Auflage, Januar 2021

© 2021 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

service@schaeffer-poeschel.de

Bildnachweis (Cover): © Erik Witsoe/EyeEm, gettyimages

Lektorat: Isolde Bacher

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[7]Vorwort zur 2. Auflage

Wenn wir die Arbeiten an diesem Buch jetzt Mitte 2020 abschließen, dann könnten wir dies im Prinzip mit den gleichen einleitenden Sätzen tun wie im nachfolgenden Vorwort zur 1. Auflage aus dem Jahr 2009: »Wir schließen dieses Buch ab in einem Jahr, in dem sich die Weltwirtschaft in ihrer größten Krise seit der großen Depression im Jahr 1929 befindet. Die Billionen-Euro-Grenze bei den Abschreibungen wurde längst überschritten und die Politik verschuldet ihre Bürger mit eilig geschnürten Hilfspaketen auf Generationen.« So hat die Corona-Krise in der ersten Hälfte des Jahres 2020 auch die Arbeiten zu dieser Neuauflage beeinflusst. Es brauchte also nur eine Dekade, um die Weltwirtschaft erneut in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Das zentrale Motiv für dieses Buch ist das gleiche geblieben: Wir beobachten einerseits, dass jedes große Unternehmen und auch die große Mehrzahl der mittleren heutzutage diversifiziert ist. Andererseits gibt es immer noch kaum Fachliteratur, die sich dezidiert mit der strategischen Führung und den verschiedenen Wertschöpfungsoptionen von diversifizierten Unternehmen auseinandersetzt. Wir meinen, dass die Kernfragen, die sich auf der Corporate-Ebene eines Mehr-Geschäfts-Unternehmens (MGU) stellen, ganz anderer Natur sind als die auf der Ebene der einzelnen Geschäftsfelder. Entsprechend bedarf es aus unserer Sicht auch eines spezifischen Ansatzes für ein strategisches Management auf der Ebene des Gesamtunternehmens – unser Corporate-Management-Modell (CMM).

Zur Positionierung und zu den Besonderheiten des Buches sei auf das untenstehende Vorwort zur 1. Auflage verwiesen.

Die Notwendigkeit zur Vermittlung eines solchen Ansatzes zur Führung und Wertsteigerung in diversifizierten Unternehmen scheint uns insbesondere in der heutigen Zeit gegeben zu sein, da die Legitimation der Diversifikation insbesondere bei börsennotierten Unternehmen und unabhängig von deren Erfolg mehr denn je hinterfragt wird. So haben aktivistische Investoren in den letzten Jahren den Druck auf diversifizierte Unternehmensgruppen erhöht. 2019 wurde laut Activist Insight global die bisher höchste Anzahl an »Activist Attacks« gegen diversifizierte Unternehmen verzeichnet. Aber auch der Druck aus der Politik auf die Topmanager ist gewachsen, so dass CEOs auch immer mehr auf der politischen Ebene und in der Öffentlichkeit als »CEO-Aktivisten« agieren müssen.

Die Tatsache, dass diversifizierte Unternehmen einerseits die Norm bilden, aber andererseits oft angreifbar sind, zeigt, dass das Corporate Management von diversifizierten Unternehmen eine starke Berechtigung zu haben scheint, aber zugleich mit vielen nicht trivialen Herausforderungen und Dilemmata verbunden ist. Darüber lohnt es sich weiterhin zu reflektieren und theoretisch sowie praktisch fundierte Ansätze zu diskutieren, wie diesen Herausforderungen und Dilemmata begegnet werden kann.

[8]In diesem Zuge versuchen wir auch, in dieser zweiten Auflage nicht einfach ein weiteres Buch über das Einmaleins der strategischen Führung zu veröffentlichen, sondern ein Buch, welches gezielt auf die spezifischen Aufgaben, Herausforderungen und Dilemmata eingeht, mit denen sich ein professionelles Corporate Management in der jüngeren Vergangenheit beschäftigen musste und heute und wohl auch zukünftig beschäftigen sollte.

Über die elf Jahre, die seit der ersten Auflage vergangen sind, konnten wir in der Arbeit mit dem in diesem Buch dargestellten Corporate-Management-Modell (CMM) viele Erfahrungen in der universitären Lehre, der Executive Education, der Unternehmensberatung und bei Vorträgen vor Managern sammeln. Dabei hat sich das Corporate-Management-Modell mit seinen zehn Wertsteigerungshebeln klar bewährt. Aber durch die Arbeit mit diesem Modell im Dialog mit Führungskräften aus Unternehmen und unseren vielen verschiedenen Full-time-, Part-time- und Executive MBA-Kursteilnehmern haben auch wir dazugelernt und neue Einsichten gewonnen. Das haben wir genutzt, um die erste Auflage grundsätzlich zu überarbeiten, zu kürzen und zu aktualisieren. Wir hoffen, so unseren eigenen Lernprozess auch an unsere geschätzten Leserinnen und Leser weitergeben zu können.

Zur besseren Illustration der Herausforderungen auf der Corporate-Ebene beginnt nun jedes Kapitel mit einem umfangreicheren Fallbeispiel. Auch haben wir insgesamt die über das ganze Buch verteilte große Anzahl von mehr als 200 Fallbeispielen nochmals erweitert und aktualisiert und hoffen, damit genügend Anschauungsmaterial über »Best Practices«, aber auch »diskussionswürdige Practices« bieten zu können. Bei diesen Beispielen haben wir bewusst einen europäischen Fokus gesetzt, der aber durch Beispiele aus dem asiatischen und US-amerikanischen Bereich flankiert wird.

Wo Personen verschiedenen Geschlechts vorkommen können, wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Dies dient ausschließlich der Verbesserung des Leseflusses, wobei die maskuline Form als stellvertretend für alle Geschlechter verstanden werden soll.

Dass ein Buch entwickelt, abgeschlossen und auf den Markt gebracht werden kann, verdankt sich dem kraftvollen Zusammenwirken vieler. Hier sind insbesondere die Studierenden und Teilnehmer an unseren Kursen mit ihren kritischen Feedbacks zu erwähnen, die an unseren Praxisprojekten beteiligten Führungskräfte mit ihrer vielfältigen Erfahrung, aber natürlich auch der Schäffer-Poeschel Verlag, der mit einem sehr tüchtigen Team um Frau Marita Mollenhauer und Frau Claudia Knapp dafür sorgte, dass das Buch in einer professionellen Form seinen Weg in den Markt findet. Frau Isolde Bacher hat auch mit viel Sorgfalt das Manuskript sprachlich verbessert. Ihnen allen gilt unser aufrichtiger Dank. Herzlich danken wollen wir aber auch Frau Anette Olbrich, deren Graphiken wieder so künstlerisch und treffend die jeweiligen Teile des Buches einleiten (www.olbrich-art.de).

[9]Ergänzendes Material zum Buch

Für Leserinnen und Leser, die mit dem Buch fachlich arbeiten wollen, bieten wir folgende ergänzende Dienstleistungen auf der Website https://smartstrategizing.com/buecher/ oder https://www.sp-mybook.de (mit Buchcode) an:

St. Gallen und Mannheim im August 2020 Günter Müller-Stewens/Matthias Brauer
Universität St. Gallen/Universität Mannheim

[11]Vorwort zur 1. Auflage

Als wir im Jahr 2003 die Arbeiten zum Corporate Management aufnahmen, hatte die Weltwirtschaft gerade das Tal durchschritten, das ihrer letzten Krise folgte, die durch das Platzen der »Dotcom-Blase« im März 2000 ausgelöst wurde. Die Hoffnung war groß, dass aus dieser Krise die richtigen Lehren gezogen werden. Doch ist dem so? Wir schließen dieses Buch ab in einem Jahr, in dem sich die Weltwirtschaft in ihrer größten Krise seit der großen Depression im Jahr 1929 befindet. Die Billionen-Euro-Grenze bei den Abschreibungen wurde längst überschritten und die Politik verschuldet ihre Bürger mit eilig geschnürten Hilfspaketen auf Generationen. Vielleicht befindet sich die westliche Welt am Ende einer nach dem Zweiten Weltkrieg begonnenen langen Phase wachsender Prosperität, wo wir uns nun genauer fragen müssen, was wir eigentlich unserer Nachwelt hinterlassen wollen.

Aufgrund der Ereignisse hat das Ansehen des Berufs des Managers massiv gelitten. Die dringlichen Apelle an die Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik, aber auch an alle Bürger, sich ernsthafter mit ihrer Verantwortung für Gesellschaft (Stichwort »Verteilungsgerechtigkeit«) und Umwelt (Stichwort »Klimawandel«) auseinanderzusetzen, nehmen spürbar zu. Im Kern geht es wohl darum, dass die gesellschaftlichen Teilsysteme wieder dialogisch aufeinander zugehen müssen, denn sie benötigen einander auf lange Sicht. Das heißt sich wechselseitig akzeptieren und respektieren, statt zu versuchen, sich wechselseitig zu beherrschen.

Wir haben dieses Buch thematisch auf die Arbeit des Managements auf der Gesamtunternehmensebene in diversifizierten Unternehmensgruppen fokussiert. Warum? Hierfür gab es zwei wesentliche Gründe: Erstens ist die Diversifikation des Geschäfts (in Produktlinien, in Länder etc.) unabhängig von der Unternehmensgröße heutzutage eher der Normal- als der Ausnahmefall. Auch Familiengesellschaften, die nicht direkt dem Druck der Börse ausgesetzt sind, versuchen ihr Risiko über verschiedene Geschäfte zu streuen. Das Corporate Management einer solchen Unternehmensgruppe muss sich gegenüber den Eigentümern legitimieren, indem es, bezogen auf deren Ziele, einen Mehrwert durch die Gruppenebene schafft.

Zweitens haben die Anforderungen an die Arbeit auf der Corporate-Ebene in den letzten Jahren massiv zugenommen. Aus vielen Richtungen baute sich Druck seitens der Anspruchsgruppen gegenüber der Unternehmensleitung auf: Seien es globale Aktivistengruppen (z. B. NGOs), Agenten der Eigentümer (wie z. B. die institutionellen Investoren) oder gegenüber dem Unternehmen emanzipierte Mitarbeiter. Diesem Druck gilt es seitens des Corporate Managements zu begegnen und die eigene Arbeit zu legitimieren. Wie dies geschehen kann und sollte, ist allerdings bisher noch nicht in einer umfassenden Art und Weise behandelt und diskutiert worden.

Aus unserer Sicht gibt es bislang nur zwei englischsprachige Bücher, die sich einerseits umfassend und integriert, andererseits aber auch fokussiert mit dem Thema »Strategisches Management des Mehr-Geschäfts-Unternehmens« beschäftigen (Goold/Campbell/Alexander, Erstauf[12]lage 1994 sowie Collis/Montgomery, Erstauflage 1998). Es erschien uns daher notwendig sich einmal aus der heutigen Sicht und aus der Perspektive des deutschsprachigen Europas gezielt mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Das Buch wendet sich somit vor allem an drei Zielgruppen: Erstens sind dies natürlich die Corporate Manager und die Mitarbeiter im Corporate Center, mit deren Arbeit wir uns hier beschäftigen; zweitens sind es aber auch die Führungskräfte aus den Geschäftsbereichen, von denen angesichts der Vernetztheit ihres Wirkens ein umfassendes Verständnis zum »Funktionieren« ihres Unternehmens erwartet wird; und drittens sind es Studierende des Faches Strategisches Management im Sinne einer Ausdifferenzierung der Lehre in diesem spannenden Fachgebiet.

Hinsichtlich der inhaltlichen und didaktischen Konzeption des Buches sind folgende Aspekte hervorhebenswert:

(1) Aufbau auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und ihre Einordnung in den Gesamtzusammenhang: Wir haben uns für dieses Buch sehr intensiv mit dem Stand der wissenschaftlichen Diskussion zur Thematik auseinandergesetzt und im Team auch selbst eine Vielzahl von Forschungsarbeiten durchgeführt und in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Beides floss stark in das Buch ein. Doch dabei wollten wir es nicht belassen. Dazu ist die Thematik »Corporate Management« zu komplex. Sie lässt sich nicht einfach in viele, immer kleinere wissenschaftliche Detailfragen zerlegen und dann wieder zusammensetzen. Auch wenn der in den Wirtschaftswissenschaften bestehende Trend zur Spezialisierung und Verengung im Sinne der Wissensverfeinerung und -akkumulation seine Berechtigung hat, darf sein Gegengewicht, das Denken in den stattfindenden Gesamtzusammenhängen dadurch nicht verdrängt werden. Im Gegenteil: Je mehr diese Spezialisierung greift, desto intensiver muss auch – teilweise auf dem gewonnenen Spezialisierungswissen aufbauend – der integrierende Blick auf das Ganze gelenkt werden. Mit der Entwicklung des St.Galler Corporate-Management-Modells, welches das Zusammenspiel der verschiedenen Gestaltungsoptionen auf Corporate-Ebene beschreibt und betont, versuchen wir der Notwendigkeit der integrativen Betrachtung Rechnung zu tragen.

(2) Umfassende und gleichzeitig fokussierte Themenabdeckung: Unser Buch ist umfangreicher geworden, als ursprünglich geplant. Dies hat einmal damit zu tun, dass wir, wie oben angesprochen, versucht haben, den Zusammenhang zwischen den Einzelthemen herauszuarbeiten. Konsequenz der Absicht auf die Gesamtzusammenhänge einzugehen war, dass eine große Anzahl von Teilthemen anzusprechen war. Um das Buch nicht noch umfassender werden zu lassen, mussten wir uns innerhalb der Teilthemen auf besonders relevant erscheinende Aspekte konzentrieren oder auf Aspekte, zu denen es bislang wenig Nachlesbares gibt. Eine Orientierung an aktuellen und gleichzeitig dauerhaften Entscheidungsproblemen der Corporate Manager hat uns dazu angeleitet, bestimmte Teilthemen besonders zu vertiefen. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass wir beispielsweise der Ausgewogenheit kurz- und langfristiger Aspekte einen besonderen Stellenwert einräumen. Auch haben wir dem Thema der Verantwortung des Cor[13]porate Managements weit mehr Raum beigemessen, als dies in bisherigen Publikationen zur Thematik üblich ist. Dabei versuchen wir die ökonomische und soziale Verantwortung integrativ zu betrachten; wir betonen die Bedeutung geteilter Werte für die Verwirklichung einer menschengerechten und freiheitlichen Gesellschaft – hoffentlich ohne dabei moralistisch zu sein. Zielsetzung eines Corporate Managements sind in unserem Ansatz »nachhaltige Vorteile gegenüber den Wettbewerbern im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt«.

(3) Neu- und Weiterentwicklung bestehender Konzepte aus Theorie und Praxis: Wir haben versucht, zu jedem der behandelten Themenblöcke den wissenschaftlichen »state-of-the-art« zusammenzufassen als auch bewährte »best practices« aus der Unternehmenspraxis zusammenzutragen. Wir haben aber vor allem auch versucht, selbständig zu einer Weiterentwicklung bestehender Konzepte und Methoden aus Theorie und Praxis beizutragen, indem wir zahlreiche neue Typologien, Werkzeuge und Methoden zum Corporate Management entwickelt haben. Die meisten dieser Typologien und Methoden haben sich bereits im Einsatz in der unternehmerischen Praxis bewährt; bei anderen hoffen wir, dass sie sich in ähnlicher Art und Weise bewähren werden, das Corporate Management in seiner Arbeit wirkungsvoll zu unterstützen.

Im Zuge unseres Versuchs, zur Neu- und Weiterentwicklung der Corporate-Management-Thematik beizutragen, haben wir auch auf Basis unserer Praxiserfahrung versucht, für spezifische Themen Entwicklungstendenzen zu skizzieren. Diese »Prognosen« haben nicht den Anspruch mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit einzutreffen, sondern sollen dem Leser vor allem auch im Sinne einer Langfristorientierung als Denkanstoß über mögliche Zukunftsszenarien bzw. zur Vorbereitung auf die mögliche Zukunft dienen.

(4) Praxisbezug: Zur Illustration der teils etwas abstrakten Thematik »Corporate Management« wurde eine Vielzahl von Beispielen aus der Unternehmenspraxis in das Buch eingearbeitet. Diese Fälle sollen und können nicht als Beispiele für erfolgreiches oder nicht erfolgreiches Management dienen, da Erfolg und Misserfolg deutlich vieldimensionaler sind, als es hier dargestellt werden kann. Die Kürze der Beschreibungen bringt auch mit sich, dass sie der tatsächlichen Komplexität des Falles nie ganz gerecht werden; oft gibt es auch im Unternehmen selbst sehr unterschiedliche Wahrnehmungen, wie mit bestimmten Themen umgegangen wird. Daher sollen die Praxisbeispiele dem Leser vor allem Impulse für mögliche Gestaltungsoptionen geben. Manche Unternehmen wurden dabei bewusst zur Illustration immer wieder herangezogen, um für den Leser ein möglichst umfassendes Bild in Hinblick auf das Spektrum und das Zusammenspiel der verschiedenen Gestaltungsoptionen entstehen zu lassen.

(5) Sprache und Stil: Wir haben versucht das Buch in einer Form zu verfassen, die den Bedürfnissen aller drei oben genannten Zielgruppen möglichst weitgehend gerecht wird. Zentrale Definitionen haben wir stets an den Anfang des jeweiligen Themenblocks gestellt, um von Beginn an Begriffsklarheit zu schaffen. Des Weiteren haben wir in den einzelnen Themenblöcken stets versucht durch Untergliederungen den Gedankengang und die Struktur möglichst einfach nachvollziehbar zu halten. Wir haben auch bewusst davon Abstand genommen, in der [14]Unternehmenspraxis gängige Anglizismen (z. B. Conglomerate Discount) zwanghaft »einzudeutschen«. Das Vokabular im Bereich Corporate Management ist vor allem im amerikanischen Kultur- und Wirtschaftskreis entstanden. In den Fällen, in denen uns keine sinngetreue oder einprägsame deutsche Formulierung möglich erschien, haben wir uns daher für den englischen Ausdruck entschieden.

Zu den Inhalten dieses Buches gelangten wir auf vielen verschiedenen Wegen: Intensive Auswertung der internationalen Literatur, Durchführung einer großen Anzahl Forschungsarbeiten, Durchführung mehrerer Unternehmensberatungsprojekte, vielfache Erprobung der nach und nach entwickelten Inhalte in Seminarveranstaltungen mit Führungskräften aus den verschiedensten Branchen sowie mit unseren Studierenden und nicht zuletzt aus unzähligen Gesprächen mit Kollegen und erfahrenen Corporate Managern. Ihnen allen gebührt unser aufrichtiger Dank. Ohne ihren Beitrag wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die Kollegen am Institut für Betriebswirtschaft. Mit ihrem Wissen, ihrem Ideenreichtum und den Gästen, die sie an die Universität St. Gallen brachten, entstanden immer wieder wertvolle Impulse für diese Arbeit.

Seinen formellen Anfang nahm dieses Buchprojekt am 16.4.03 mit der Auftaktsitzung zum Forschungsprojekt »The International Corporate Strategy Research Project«. Die Leitung hatte Dr. Sascha Schmidt inne (in 2005 gefolgt von Dr. Matthias Brauer). Universitäre Partner waren Prof. Dr. Jean-Paul Thommen (European Business School) und Prof. Dr. Martin Welge (Universität Dortmund). Zum Kernteam der Universität St. Gallen gehörten am Anfang folgende Doktoranden: Dr. Dominik Domnik, Dr. Sebastian Frankenberger, Dr. Florian Ibe, Dr. Sebastian Knoll, Dr. Sonja Rösel und Dr. Manuel Seyferth. Später stießen noch Dr. Alexander Alscher, Frank Haupenthal, Sven Kunisch, Dr. Markus Menz, Markus Schimmer, Dr. Torsten Schmid und Dr. Inga Voss hinzu. Im Zentrum stand am Anfang die Frage nach dem »Word-Deed-Alignment«: Warum weicht das Corporate Management in bestimmten Phasen der Unternehmensentwicklung bei seinen Ressourcenallokationsentscheidungen von der erklärten Strategie ab? Aus dem Projekt ergaben sich eine große Anzahl wissenschaftlicher Publikationen und natürlich der Impuls, die Arbeit zum Thema Corporate Strategy zu vertiefen und zu verbreitern. Das Projekt wurde großzügig und mehrfach durch den Schweizerischen Nationalfonds und den Grundlagenforschungsfonds der Universität St. Gallen unterstützt. Allen Beteiligten sei an dieser Stelle nochmals herzlich für ihre konstruktive Mitwirkung gedankt.

Unser Dank gilt auch der Universität St. Gallen, die uns optimale Rahmenbedingungen für die Durchführung eines solchen Buch- und Forschungsprojektes gibt. Dies betrifft nicht nur das Zurverfügungstellen der notwendigen Ressourcen, sondern auch die Art des Umgangs miteinander. Auch geht unser Dank an den Schäffer-Poeschel Verlag und dort speziell an Frau Marita Mollenhauer mit ihrem Team für die professionelle Betreuung unseres Buchprojektes.

Wir hoffen nun, dass dieses Buch die »Strategie Professionals« – egal, ob sie als CEOs, Geschäftsleitungsmitglieder, Verwaltungs- oder Aufsichtsräte, Führungskräfte im mittleren Management, [15]Mitarbeiter in Strategieabteilungen oder Strategieberater tätig sind – in ihrer Strategiearbeit zu unterstützen vermag. Auch wenn man derzeit vielerorts noch mit der Anpassung der (Kosten-) Strukturen an die teilweise drastisch veränderte Marktsituation beschäftigt ist, so ist längst auch die Zeit gekommen, wo parallel am intellektuellen Grundgerüst der unter den veränderten Rahmenbedingungen zukünftig erfolgreichen Unternehmen gearbeitet werden muss.

St. Gallen und Mannheim im Juli 2009 Günter Müller-Stewens/Matthias Brauer
Universität St. Gallen
[22]Abbildung

[23]Teil A
Strategiearbeit auf der Corporate-Ebene

Abbildung

Abb. A-1 Das Corporate-Management-Modell

[24]Die meisten Unternehmen sind heute diversifiziert in verschiedene Geschäfte. Wir sprechen hier von Mehr-Geschäfts-Unternehmen (MGU). Die Mehrzahl dieser MGUs verfügt zwar über Strategien für ihre einzelnen Geschäfte, seien es Produktlinien, Märkte oder Marken. Doch bei Weitem nicht alle MGUs verfügen auch über eine Strategie für die Ebene des gesamten MGUs (Corporate-Ebene). Allerdings obliegt dem für diese Ebene verantwortlichen Corporate Management genau diese Aufgabe und Verantwortung. Das heißt, dass es auf der Corporate-Ebene eine eigenständige Strategiearbeit braucht.

Die für das MGU zu entwickelnde Strategie (Corporate Strategy) ist deutlich mehr als nur die Summe der einzelnen Geschäftsstrategien. Es sind ganz andere Fragen zu beantworten als auf der Ebene der Geschäfte. Mittels der Corporate Strategy gilt es insbesondere aufzuzeigen, wie aus der Gesamtheit der Geschäfte – im Vergleich zu Ein-Geschäfts-Unternehmen – zusätzlich Wert generiert werden kann, denn der Wert des MGUs muss größer sein als die Summe seiner Teile. Das heißt, das Corporate Management eines MGUs muss sich legitimieren, muss belegen, dass es in der Lage ist, aufgrund seiner Aktivitäten und Fähigkeiten mehr Mehrwert zu erzeugen, als durch das Betreiben einer Corporate-Ebene Managementkosten anfallen (Koordinations- und Kontrollkosten).

Ein Corporate Management, das nicht in der Lage ist, einen solchen Mehrwert (Corporate Surplus) zu erzeugen, vernichtet zuerst einmal Wert, was auf lange Sicht gesehen nicht Sinn und Zweck eines Unternehmens sein kann. Es schwächt damit indirekt auch die Geschäfte des MGUs bzw. versäumt es, ihnen zu Vorteilen in ihrem Wettbewerbsumfeld zu verhelfen. Ist das MGU an der Börse notiert, dann wird es sogar der Gefahr ausgesetzt, übernommen und zerschlagen zu werden.

Da das Corporate Management von MGUs oft nicht in der Lage ist, diesen Mehrwert zu erzeugen, wird MGUs von Investoren aus vielerlei Gründen viel Skepsis entgegengebracht und sie werden an der Börse oft sogar mit einem Konglomerats- und Holdingabschlag bestraft: Es wird argumentiert, dass ihre Diversifikation oft mehr kostet, als dass sie nutzt.1 Die Investoren würden lieber direkt in die einzelnen Geschäfte investieren, soweit sie diese als attraktiv empfinden, als nur indirekt über die Holding.

Eine zentrale Frage, die sich damit bei MGUs immer stellt, ist die Frage nach der Performance: Ist das MGU in der Lage, seine Ressourcen und Fähigkeiten über die Diversifikation in einer Art und Weise zum Einsatz zu bringen, dass die einzelnen Geschäfte in dieser Form zusammen erfolgreicher sind, als sie es alleine wären?

Man könnte sich nun angesichts der schlechten Performance vieler MGUs und der Investorenskepsis fragen, ob denn die MGUs eine »aussterbende Spezies« sind. Das sehen wir jedoch nicht so. Vielmehr sollte man den Fokus auf diejenigen MGUs richten, die nachhaltig in der Lage sind, ein signifikantes Corporate Surplus zu erzielen. Denn sie sind es, die ihren Geschäften zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen, die Ein-Geschäfts-Unternehmen nicht erzielen können. Sobald [25]Geschäfte in der Lage sind, über ihre Corporate-Ebene zu solchen Vorteilen zu gelangen, kommen die Wettbewerber unter Druck.

Auch dienen MGUs der Risikodiversifikation (in Länder, Produkte, Marken, Technologien, Kundengruppen etc.), über die gerade in Krisenzeiten manch ein Unternehmen froh war, wenn Teile seines Portfolios stark in Mitleidenschaft gezogen waren. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen verändert, unter denen heutige MGUs operieren. So erleichtern die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eine Kollaboration über Geschäfts- und Ebenengrenzen hinweg. Letztlich sind die Märkte für Unternehmenskontrolle effizienter geworden, die Portfoliokonfigurationen der Geschäfte lassen sich den Gegebenheiten besser anpassen.

MGUs sind damit keine »Dinosaurier«, vielmehr müssen sie sich in ihrer Logik und ihren Integrationsmechanismen immer wieder neu erfinden. Sogar viele der wertvollsten Unternehmen unserer Zeit sind diversifizierte MGUs. Allen voran die »Digital Conglomerates« wie z. B. der stark integrierte Apple-Konzern, aber auch Alphabet (Google, Deep Mind, Wymo etc.), Amazon oder die Alibaba Group, die derzeit größte B2B-Handelsplattform der Welt mit Geschäften wie amap.com, einem Onlinekartendienst, ele.me, einem Auslieferdienst für Nahrungsmittel, oder Alibaba Cloud.

Das heißt, wir sehen in der Struktur eines MGUs auch zukünftig eine große strategische Chance. Voraussetzung ist allerdings, dass das Corporate Management sein Aufgabenspektrum auf der Corporate-Ebene kennt, annimmt und beherrscht. Es gibt durchaus genügend MGUs, die in der Lage sind, aus ihrer Diversifikation klare Vorteile auch gegenüber fokussierten Unternehmen zu ziehen. Erfolgsbestimmend ist demnach weniger der Grad der Diversifikation als vielmehr die Kompetenz des Corporate Managements, mit seiner Strategiearbeit auf der Corporate-Ebene einen wertschaffenden Unterschied zu machen.

Wie dies erreicht werden kann, soll in diesem Buch aufgezeigt werden. Dazu bieten wir in Kapitel 2 einen integrierenden Bezugsrahmen an, das Corporate-Management-Modell. Doch vorab wollen wir in Kapitel 1 noch mehr Einblick in die in dieser Einführung dargestellten Gedankengänge und Begriffe geben.

Die Strategiearbeit der Corporate Manager ist allerdings nicht als reine Analytik und Technik zu verstehen; zu groß ist die Vieldeutigkeit der strategischen Problemstellungen, zu häufig befinden sie sich in nicht einfach zu lösenden Dilemmasituationen. Auch hat der Umgang insbesondere vieler Konzerne mit sozialen Themen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit oder Schutz der Privatsphäre zu einem Vertrauensverlust der Öffentlichkeit geführt.2 Das heißt, Corporate Manager sind neben aller konzeptionellen Kompetenz auch in ihrem Charakter und ihren ethischen Einstellungen gefordert. Deshalb schließen wir Teil A mit einem Kapitel zur Verantwortung, die ein Corporate Management bei seiner Tätigkeit trägt.