Informationen zum Autor:

Christoph Amediek ist

Ehemann,

Vater,

Pauker,

Musiker,

Sportler,

Fußballfanatiker,

Jahrgang 1967.

Und jetzt auch noch Autor.

Er lebt in Alfter (mit „l“!) bei Bonn.

Kontakt unter camediek@gmx.de

Christoph Amediek

***

Money Talk

Wenn das Geld spricht…

INHALTSVERZEICHNIS

Ganz altmodisch: Prolog

Krösus

Menschen

Sparbrötchen

Münzmythos

Oma

Merkur

Pedro de Alvarado

Rewe

Glenfiddich

Diego Velázquez de Cuéllar

Fußball ist unser Leben

Ioannis Kapodistrias

Der Ma’trabal

Teufel auf Urlaub

Krösus und Solon

Samuel

Rewe

Dankesworte

Für Mama und für Papa.

Ganz altmodisch: Prolog

Bevor ich beginne, Ihnen meine Geschichte zu erzählen, möchte ich mich kurz vorstellen: Geboren wurde ich 2008, und jeder, der mich in Händen hält, kann mir mein Alter zwar nicht von der Stirn, jedoch leicht von meiner Rückseite ablesen.

Wir Geldstücke haben gegenüber euch Menschen ja Eigenschaften, von denen ihr nur träumen könnt: Zum einen sind wir von Geburt an schon erwachsen! Das soll heißen, dass wir keine Fähigkeiten mühsam und im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten hinzulernen müssen – das Krabbeln, Laufen, Sprechen, Essen, aufs Töpfchen Gehen - all´ das fällt für uns aus. Ehrlich gesagt, bedürfen wir ja auch keiner der oben genannten Fähigkeiten. Ich meine mit „schon von Anfang an erwachsen“ auch eher unsere äußere Gestalt und unsere Fähigkeit, Sinneseindrücke zu verarbeiten - diese Dinge sind bei uns von Anfang an vollständig - quasi frisch aus der Präge - vorhanden! Das soll jedoch nicht heißen, dass wir uns nicht weiterentwickeln: Denn die Lebens-erfahrung bekommt man ja nur durch das Leben, und hier geht es uns genauso wie euch: Wir müssen zunächst einmal unsere Umwelt in gewisser Weise verstehen, uns ein Koordinatensystem des Beziehungslebens mit euch zurechtlegen und in neuen Alltagserfahrungen schauen, ob dieses System belastbar und nützlich ist.

So kann es z.B. sein, dass eine ganz frische 2-Euro-Münze, sagen wir aus Portugal, mit einem super erfahrenen, schon zehn Jahre alten Euro aus Holland zusammen in einem Portemonnaie liegt: Und Herrchen - das ist also derjenige, bei dem wir gerade in der Geldbörse oder in der Hosentasche oder sonst wo stecken (wir unterscheiden da natürlich auch ganz emanzipiert zu "Frauchen") - und Herrchen ist, nun ja, ich sage es mal hier im Vertrauen, weil wir unter uns sind: Herrchen ist gerade in Lissabon mit seinen Kumpels, und hat sich entschieden, für eine Weile bei einem zufällig kennengelernten Frauchen zu liegen und das Frauchen, das eigentlich aus Belgien kommt, ist mit ihren Freundinnen hier und hat genau dieselbe Entscheidung getroffen. Also solche erotischen Menschsituationen steckt eine erfahrene holländische Münze locker weg - das neue 2-Euro-Stück aus Portugal jedoch ist von dem Ganzen, was es mitkriegt, hoffnungslos überfordert, und als es dann merkt, was Herrchen und Frauchen da machen, wird es - nun ja, nicht rot - aber doch spürbar verlegen. Und während der holländische Euro in väterlicher Zuwendung den portugiesischen Frischling aufklärt, gackert und gickstert das ganze verfluchte Kleingeld - und am allerschlimmsten diese immer ungezogenen 5-Cent-Blagen!

Sie sehen schon, dass wir Münzen uns nicht nur äußerlich unterscheiden: Wir entwickeln unsere Persönlichkeit im Laufe der Jahre, immer abhängig von zwei Faktoren: Da ist zunächst natürlich das Frauchen oder Herrchen, bei dem wir zuerst sind – von denen werden wir geprägt (hihi, schöne Zweideutigkeit). Und dann gibt es noch die Münzfamilien, innerhalb derer deutliche charakterliche Unterschiede existieren.

Meine Münzfamilie sind die 1- und 2-Euro-Stücke, ebenso gehören die 10-, 20- und 50-Cent-Stücke zusammen, und dann gibt es noch die Münzfamilie der Furzknoten: 1, 2 und 5 Cent.

Jede Zugehörigkeit zu einer Münzfamilie ist auch immer mit einer grundsätzlichen Charakterdisposition verbunden: Nehmen wir z.B. mal das 50-Cent-Stück: Ich gebe zu, es tut mir leid! Es hat bei uns die Rolle des Viel-zu-kurz-Gekommenen, des jüngeren Bruders, der den Hof nicht erben darf, der ewige Auswechselspieler. Früher war es eine Mark gewesen! Silberfarben und überall in der Werbung als Symbol verwendet. Das Markstück war der Mainstream-Star unter den Münzen! Ganze kapitalistische Imperien sind für ein symbolisches Markstück von einem Besitzer zum anderen gewechselt! Die schnorrige Redewendung Haste mal ne Mark? war fester Bestandteil des Wortschatzes.

Und die früheren 50-Pfennig-Münzen waren wenigstens Silberfarben und hoben sich damit vom Kleingeldpöbel ab.

Und da ich gerade von früher rede: Da gab es mich zwar noch nicht, aber wir Münzen sind auch ein bisschen Stolz auf unseren Stammbaum, den es ähnlich lange gibt, wie eure Stammbäume, denn wo Geldmünzen sind, ist Zivilisation! In meinem Stammbaum – dem Stammbaum des Silbergeldes - steht ganz oben das 5-Mark-Stück! Ihm wurde von allen ein großer Respekt entgegengebracht: Es hatte einen Zahlungswert, der deutlich größer war als alle anderen Münzen zusammen und es war in den 80ern des letzten Jahrtausends ein echter Fernsehstar: Denn bei der ARD-Fernsehlotterie hieß es: "Mit 5 Mark sind sie dabei!"

Entsprechend hat dieses Geldstück auch einen Namen, mit dem wir ihm Ehrfurcht und Respekt zollen: Wir nennen es den Großen Heiermann! Klug und Weise wussten diese Großmünzen von den Abenteuern in der Welt zu berichten und mit ihrer Besonnenheit und Güte schlichteten sie jeden Streit im Portemonnaie. Jedes Frauchen und jedes Herrchen schätze das 5-Mark-Stück: Ein großes, silberfarbenes schweres Stück Verbundmetall mit einem fulminanten Zahlungswert!! Früher bekam man für einen Heiermann zum Beispiel zwei Schachteln Zigaretten. Plus Rückgeld!

Zwar gibt es diese seltsamen Mutanten von 10-Mark- oder 10-Euro-Stücken, doch die nimmt doch keiner ernst: Kaum einer von uns hat jemals mit einem gesprochen, und die, die schon mal mit einem 10er zusammengekommen sind, konnten nur das Schlimmste berichten: Z.B. hat mir mal ein witziges 20-Cent-Stück aus Griechenland erzählt, dass es mal einen Nachmittag zusammen mit einem 10-Euro-Stück aus dem Jahre 2006 - eine Sonderprägung anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft - auf einem Schreibtisch verbracht habe.

Frauchen hatte ihr ganzes Kleingeld aus dem Portemonnaie auf den Schreibtisch gelegt, weil sie eine neue Geldbörse bekommen hatte, und dann hatte es geklingelt und Besuch kam und so war das witzige 20-Cent-Stück den ganzen Tag mal draußen. Am Rand der Schreibunterlage lag ein aufgeklapptes Plastikkästchen mit einer hochglanzpolierten 2006er-Münze. Alle Münzen rund um den witzigen 20er lugten neugierig herüber, denn dass man mal einen leibhaftigen 10-Euro-Taler sehen kann, ist sehr selten: Doch wie erschrocken waren sie, als die Münze, die so gerade über den Rand der Einfassung des Plastikkästchens herüberschauen konnte, anfing zu jammern: "Gehört ihr zu denen, die in Freiheit leben?"

Alle Münzen nickten, und der Tonfall der 10-Euro-Münze machte sie traurig. "Seid froh! Wir Sondermünzen sind dazu verdammt, in irgendwelchen Vitrinen und Schachteln unser Dasein zu fristen! Ich bin jetzt schon seit über zehn Jahren in der Schublade da hinten, und - ihr werdet es nicht glauben - dort lagern noch 13 andere Leidensgenossen!" Ein 2-Cent-Stück, das wie alle 2-Cent-Stücke immer so ein bisschen schwer von KP ist, oder wie wir sagen: "Bei dem fällt der Groschen pfennigweise!" - fragte dämlich: "Aber kann Frauchen denn nicht den nächsten Einkauf mit euch bezahlen? Es braucht doch nur vier oder fünf von euch für eine ganze Tankfüllung!" - "Herrgott, wie kann man nur so taktlos sein!" - Ein altes 50-Cent-Stück regte sich über den naiven 2er auf. "Diese Sondermünzen sind nicht zum Bezahlen, sondern nur zum Angucken!"

Und Tanken? - Der blankpolierte 2006er hatte ja überhaupt keine Ahnung, was das ist!

Ne fette Prägung, aber die Lebenserfahrung von einem Schokoladentaler!

Den ganzen Nachmittag über sprachen die Münzen mit dem 10er, der seinerseits Horrorstories berichten konnte von einer Sondermünze aus dem Jahre 1954, herausgegeben anlässlich des ersten Weltmeistertitels von Deutschland. Diese Münze hatte in ihrem ganzen Leben keine zehn Mal das Tageslicht gesehen. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit - denn die Sondermünzen hatten ja untereinander kaum etwas zu erzählen, und das, was sie sich erzählten, wiederholten sie dann immer und immer wieder – also in ihrer Verzweiflung und Einsamkeit war die 54er-Münze dazu übergegangen, in einer Endlosschleife wie in ein tibetisches Betritual versunken das einzige ihr bekannte Lied zu singen, das sie von einer anderen Fußball-WM-Münze gehört hatte: "Fußball ist unser Leben, denn König Fußball regiert die Welt!"

Die anderen Sondermünzen wandten sich nach einigen Wochen ununterbrochenen Gesangs mit Grauen ab, manchmal intonierten sie in einer sarkastischen Art das immer wiederkehrende „Ha! Ho! Heja-Heja-He!"

Der 2006er hörte, fragte und saugte noch den ganzen Nachmittag das auf, was die anderen Münzen so alles zu berichten hatten - über die Alltagsgewohnheiten von Herrchen und Frauchen, dem manchmal nicht einfachen Zusammenleben der verschiedenen Münzfamilien im Portemonnaie und natürlich die ganzen Anekdoten, die man in dieser Zeit unterbringen konnte.

Nun ja, der witzige 20er und ich waren uns am Ende einig, dass es zigmal besser ist, eine kleine Nummer zu sein, als in einem Plastiksarg lebendig in einer Schublade begraben zu liegen.

Als die Frau zurückkam und den Deckel der Sondermünze zuklappte, war diese dann voller neuer Geschichten, die sie den anderen erzählen konnte, und das machte sie so froh, dass wir noch hörten, wie sie vergnügt ein Liedchen vor sich hersang, als Frauchen sie zurück zur Vitrine brachte: „54, 74, 90, 2006, ja, so stimmen wir alle ein….“

Kommen wir zurück zur Münzfamilie. Die Furzknoten haben es nicht leicht: In einigen Gegenden arbeitet man aktiv daran, sie gänzlich im Bargeldverkehr auszurotten! Ein echter Geldozid! Da wird auf oder abgerundet, weil kein Mensch unnützes und angeblich fast wertloses Metall mit sich herumschleppen will! Viele der kleinen Münzen wissen zu berichten, dass sie manchmal tagelang mitten auf dem Gehweg oder in Fluren herumliegen. Früher dauerte es kaum fünf Minuten, dass jemand sie erblickte und mit erfreuter Zärtlichkeit aufhob! Heutzutage - das haben mir mehrere erzählt! - heutzutage werden sie offen angeblickt, gefolgt von einem maximal enttäuschten Gesicht, dass es nicht wenigstens ein 50-Cent-Stück ist, und achtlos liegengelassen oder gar weggekickt.

Aufgehoben werden sie eher von älteren Leuten. "Schau an, das Geld liegt auf der Straße, man ist nur zu faul zum Bücken!", heißt es dann von einem rüstigen Rentner, und im Portemonnaie merkt die kleine Kupfermünze dann sofort, dass der Typ kohletechnisch eigentlich ganz gut aufgestellt ist. Der ultimative Alptraum der Furzknoten ist es natürlich, als Erinnerungsmünze zu enden: Notre Dame oder Eiffelturm in Paris, Brandenburger Tor oder Irgendwelche Hotspots an Badeorten: Überall werden diese Folterautomaten aufgestellt, in denen Kleinmünzen plattgequetscht und umgeprägt werden – um dann in irgendeiner Schublade vor sich hin zu gammeln.

Geld hat übrigens eine typische Eigenschaft: Wenn wir Kontakt zu einem Menschen haben, merken wir sofort an der Duftaura des Portemonnaies, wie hier das Verhältnis zu uns ist. Neben uns Münzen gibt es ja noch die anderen, den Menschen viel wichtigeren Zahlungsmittel: die Scheine.

Während ich im Kleingeldfach als 2-Euro-Münze natürlich meinen Status habe, weil bei mir der größte Wert draufsteht, ist das Ansehen bei den Scheinen etwas anders verteilt: Der 5er ist natürlich eine arme Socke, denn den letzten beißen ja bekanntlich die Hunde – in diesem Fall die 10er, die immer darauf erpicht sind, die Hackordnung im Geldscheinfach aufrecht zu erhalten. Nur immer schön der Größe nach einsortieren und jedes Mal den kleinen 5er hänseln, weil er ganz vorne (oder hinten) liegt: das sind diese typischen Marotten der 10er, die immer etwas zwanghaft und linkisch sind. Ist ihnen das auch schon mal aufgefallen, dass sie so einen 5er-Schein haben und der ist ein bisschen eingerissen? Das waren dann hundertprozentig diese 10er-Hooligans!

Dann kommen die 20er – die sind immer ein bisschen arrogant und machen gerne einen auf schusselig („Huch, ich liege ja zwischen zwei 50ern, ja wie kommt das denn?“) oder einen auf blau – ach, das sind sie ja sogar… – hihi, kleiner Münzenwitz über die doofen Scheine.

Die 20er wollen vor allem deshalb an den 50ern hängen, weil die die eigentlichen Stars im Portemonnaie sind: Die kommen am meisten rum, werden oft und gerne angefasst, gerieben – fast geschmiegt – und haben immer jede Menge Stories zu erzählen.

Die 100er schon weniger: Sie werden vor allem von kleineren Einzelhändlern überhaupt nicht gerne gesehen und dann sehr abschätzig behandelt („Sie können nicht morgens um halb 9 ihre Brötchen mit 100 Euro bezahlen, soviel Wechselgeld hab ich gar nicht!“) – zudem werden sie bei jedem Zahlungsverkehr kritisch gegen das Licht gehalten, an sehr persönlichen Stellen berieben und durch Prüfgeräte gepresst, bei denen man in aufdringlicher Art und Weise die empfindlichsten Teile offenlegt – nee, das ist nicht so cool.

Zwar werden die 50er inzwischen auch in dieses Prüfgerät gesteckt, doch haben die einen professionellen Umgang damit entwickelt. Zudem – und das macht die 50er ja auch irgendwie interessant - sind viele von denen ja auch echte Junkies, da sie oft so eine Kokainaura ins Portemonnaie mitbringen. Da weiß dann sofort jeder: Au Backe, jetzt kommt wieder so ein Typ aus der Streetszene! Mal hören, was der so alles erzählen kann!! Vielleicht hat der auch noch ‘ne kleine Nase für mich!

Bei den 100ern kommt das auch manchmal vor, aber die sind ja vom Charakter her so stocksteif, dass die immer sofort verkrampfen, wenn sie auf ihre Drogenerfahrungen angesprochen werden.

Die 200er und 500er kann man getrost vergessen: Das sind ziemliche Einsiedler, wenn auch aus anderen Beweggründen. Beide kommen in Geldbörsen so gut wie nie vor, und wenn, dann oft in den immer gleichen Geschäftsbereichen: Autohandel ist so ein Dingen – sowieso alle Arten von Handel, bei denen größere Summen in bar bezahlt werden – eigentlich völlig unverständlich und höchst subversiv heutzutage: „Ts, ts, ts, wer solche Beträge bar bezahlt, will doch bestimmt Schwarzgeld loswerden!“, wie dann die EC- und Kreditkarten mit einem abschätzigen Magnetstreifenrümpfen immer anmerken.

Die 200er und 500er liegen gewöhnlich dann auch nicht im Portemonnaie, sondern in Briefumschlägen. Kommt dann mal aus Versehen so ein Schein zu uns ins Portemonnaie, sind sie immer komplett abweisend: Die 200er sind einfach nur paranoid – denn jeder von denen kennt irgendeinen anderen 200er, der in St. Moritz, St. Petersburg oder einer Münchner Nobeldisco zum Anzünden einer Zigarre in Flammen aufgegangen ist. Das ist die kollektive Höllenvorstellung der 200er, die deshalb extrem fatalistisch und abergläubisch sind (und wohl auch deshalb eine Oligarchenphobie entwickelt haben).

Die 500er sind einfach nur völlig arrogante Schnösel, eine aussterbende Spezies, die nicht mehr gedruckt und ausgegeben wird, die sich auch an keiner Unterhaltung beteiligen und höchstens mal mit einem Kopfschütteln ein „Ach nee, wie gewöhnlich“ hören lassen.

Allerdings freut sich auch immer das ganze Portemonnaie, wenn sich mal so ein blöder Fatzke von 500er zwischen 50er und 20er verirrt hat: Mann, dann reiben sich die tausendfach begrapschten lebenserfahrenen Scheine absichtlich an dem prüden, quasi klinisch reinen und kontaktphobischen Großschein, befummeln ihn obszön an den beiden Nullen oder pusten ihm Kokainreste in die Prüffalzen.

Doch haben wir auch alle etwas gemeinsam: Öffnet Herrchen oder Frauchen die Brieftasche, um damit zu bezahlen, erklingt ein vielstimmiges „Nimm mich! Nimm mich!!“ aus den Fächern und Zwischentaschen der Geldbörse – denn uns alle eint das eine Ziel, zu dem wir ja gemacht wurden: Kreislauf, Kreislauf!

Krösus

Wenn es Dinge im Leben der Menschen gibt, die ihnen wichtig sind – oder auch: wert und teuer – dann verfestigen sie sich in eurer Sprache und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Ach sorry, jetzt habe ich dich schon geduzt! Aber ich glaube, das ist ganz ok, ich habe dir ja schon ein ganzes Kapitel was über uns erzählt.

Da wir als Geld eine überaus bedeutende Rolle in eurem Leben einnehmen, gibt es entsprechend viele Redewendungen über und mit uns.

„Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“ ermahnt zu Sparsamkeit und ist die konservative Version von diesem schrillen „Geiz ist geil“ und mündet in dem trockenen Spruch: „Vom Geldausgeben ist noch niemand reich geworden.“

„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ betont ebenfalls einen zurückhaltenden Umgang mit den vorhandenen Ressourcen und ist die Quintessenz eurer alttestamentarischen Josefgeschichte mit den sieben fetten und sieben mageren Jahren. Und dies scheint ihr auch umfänglich verinnerlicht zu haben, denn jedes Jahr veröffentlicht der Bundesverband der Spar- und Darlehenskassen, wieviel Geld allein deutsche Sparer in den entsprechenden Instituten horten – und die unzähligen privaten Geldreservoirs wie Weckgläser voller Kleingeld, Sparschweine, Sparstrümpfe, Geldkatzen, Einbautresore, Umschläge in Schreibtischschubladen sind da noch gar nicht erfasst!

Tragischeren Ursprungs sind dann schon Aussagen wie „das Geld rinnt einem so durch die Hände“ und assoziiert ein völliges Unbeteiligtsein derjenigen, um deren Hände es hier geht! Mit diesem Spruch wollt ihr euch natürlich um eure Verantwortung drücken! Als wenn Geld – also wir Münzen und Scheine – in dem Moment, in dem wir aus dem Portemonnaie genommen werden, unvermittelt unseren Aggregatzustand von fest zu flüssig wechseln würden und das arme Herrchen oder Frauchen nur ohnmächtig zusehen kann, wie wir unaufhaltsam aus der eigenen in eine fremde Hand hinüberfließt, nur um dort wieder fest zu werden!

Humbug!! Diejenigen, die uns ausgeben, seid ihr! Und da passt es schon besser, dass jemand, der recht freigiebig ist, auch als Urheber eben dieser Freigiebigkeit deutlich verortet wird: „Der wirft mit Geld nur so um sich!“ oder gar „aus dem Fenster heraus oder wird am Ende handgreiflich uns gegenüber: „Das hauen wir jetzt auf den Kopf!

Und wer das kann, sollte sich glücklich schätzen, denn es gibt ja auch noch die, die „jeden Pfennig zweimal umdrehen müssen, die „ein Loch in der Tasche“ haben, bei denen „am Ende des Geldes noch soviel Monat übrig“ ist, deren Schulden ihnen nicht nur „über den Kopf wachsen“, sondern ihnen vorher „alle Haare vom Kopf“ fressen. Ihnen bleibt am Ende nur, sich mit ihrer materiellen Not zu arrangieren und mit Sprüchen zu trösten wie „Geld ist nicht alles, „Geld verdirbt den Charakter, „Geld geht, Bildung bleibt“ oder „Umsonst ist nur der Tod!

Zugegeben, der letzte Spruch war jetzt ziemlich krass. Aber was können wir denn dafür? Wir sind das, was ihr aus uns macht! Manch einer „macht sich nichts aus Geld“, andere verweisen auf unseren wenig aufdringlichen Geruch („Geld stinkt nicht!“) oder stellen schlicht fest: „Geld regiert die Welt!“

Und wenn zum Beispiel jemand, den man für ausreichend bemittelt hält, in der Kneipe aufgefordert wird, eine Runde zu schmeißen, dann heißt es schnell: „Bin ich Krösus? Hab‘ ich ’nen Steiß wie ein Goldesel?“

Nun ja, bei Huftieren kenne ich mich nicht so gut aus, aber zu Krösus könnte ich kurz etwas anmerken: Krösus war in der Mitte eures vorchristlichen Jahrtausends der König Lydiens. Wie viele sehr reiche Menschen auf der Welt hatte er nicht durch seiner Hände Fleiß diesen Reichtum zusammengebracht, sondern startete als Königssohn aus einer wirtschaftlich bevorzugten Lage in seine Karriere, denn er übernahm das Vermögen seines Vaters ohne Erbschaftssteuer. Wie alle reichen Menschen heutzutage lag sein vornehmlichstes Bestreben in der Expansion seines Reiches und seines Reichtums - ihr wisst ja: „Mit Geld macht man Geld.“ Lydien kann man geografisch am besten mit der westlichen Hälfte der Türkei beschreiben und die reichen griechischen Städte an der Westküste – Ephesus, Milet – gaben dann auch seinem Werben, das von militärischen Argumenten begleitet wurde, nach und stellten sich unter seinen Schutz.

Sein sagenumwobener Reichtum war jedoch gar nicht so groß. Also, er war schon extrem reich, etwa wie Paul McCartney oder die Aldi-Brüder, aber es gab da im mittelasiatischen Raum noch viel, viel reichere Potentaten, wie z.B. der Perserkönig, dem später auch die feindliche Übernahme von Krösus’ Reich glückte.

Krösus wurde jedoch deshalb von seinen Zeitgenossen und von den folgenden Generationen so eng mit Reichtum und Geld in Verbindung gebracht, weil er im Bereich der Finanzwirtschaft einige mehr oder weniger bahnbrechende Neuerungen eingeführt hat.

Zunächst gelang es ihm, seinen Staatshaushalt auf zwei Säulen zu stellen: Die Ausbeutung der Gold- und Silberminen im Reich, sowie ein modernes Steuersystem, sogar mit Abschreibungsmöglichkeit!

Denn anstelle von einmaligen Plünderungen oder jährlichen aufwendigen Expeditionen zur Eintreibung von Tributen belegte er die unterworfenen Städte und Landstriche mit Steuern. Abhängig davon, inwieweit diese Steuerschuldner zum Beispiel Truppen eigenfinanziert aushoben, ausstatteten und dem König von Lydien für seine realpolitischen Pläne zur Verfügung stellten, wurde die Steuerlast gesenkt oder gar komplett aufgehoben!

Welcher Provinzfürst überredet da nicht gerne seine wehrfähigen Bürger zum Söldnerdienst für den fremden König!

Zum Zweiten revolutionierte Krösus das Münzsystem und erleichterte so den wirtschaftlichen Warenaustausch: Als Land zwischen den Griechen und den Persern befanden sich wichtige Handelsknotenpunkte in den Hafenstädten am Mittelmeer und entlang der Transportrouten, in denen Menschen unterschiedlichster Herkunft untereinander Waren verkauften. Doch war das Feilschen und Ausdiskutieren über Wert und Preis von Waren noch um eine weitere Dimension erschwert: Den Wert des Geldes, mit dem bezahlt wurde! Griechen bissen an persischen Goldplättchen herum, immer misstrauisch, ob nicht zu viel Kupfer oder sonst was beigemengt war. Perser musterten skeptisch griechisches Silbergeld und stellten das Gewicht in Zweifel. Und beide zweifelten insgeheim am lydischen Geld, da die Lydier je nach Sichtweise entweder knabenliebende Möchtegerngriechen ohne Bildung oder pseudopersische Bastarde ohne Glauben waren.

Und so führte Krösus – aber vielleicht war es auch schon sein Vater - in der Region die ersten geprägten Goldmünzen ein.

Das Prägezeichen – ein Stier und ein Löwe – stand dabei nicht nur für die Symbole Lydiens und seiner Könige; es stand auch dafür, dass jede der etwas unförmig gegossenen Münzen eine feste Größe – und damit einen festen Wert hatten.

Die Münzen waren sogenannte Elektrons. Nein, hat nichts mit elektrischer Ladung zu tun, obwohl man mit einem ganzen Beutel voller Elektrons als ziemlich geladen angesehen wurde, hihi.

Diese Elektrons heißen so, weil es mit ihrer Beschaffenheit zu tun hat: Es waren nämlich Legierungen! Genau wie ich! Nur waren diese Legierungen natürlich nicht aus irgendwelchem Verbundmetall mit ein bisschen Kupfer vielleicht, sondern Legierungen aus Gold und Silber, die in dieser schon fertigen Verbindung den Flüssen und Bergen abgerungen wurden!

Und man nannte dies deshalb Elektron, weil man zuerst annahm, dass es sich um ein eigenes Edelmetall handelte.

Die gebräuchlichsten Münzen waren die Trite: Das war eine Münze aus etwa 4,71 Gramm Elektron und bezeichnete im Wert ein Drittel eines Strater, was soviel heißt wie Standard. Ein Strater war schon ganz schön viel wert: Ein ganzer Monatslohn war das, und so bedurfte es einer systematischen Abstufung, damit man sich zum Beispiel auch mal eine Tüte Obst kaufen konnte: Es gab dann immer kleiner werdend Sechstel, Zwölftel, 24tel bis hinunter zum 96tel-Strater: superkleine Minimünzen, aber alle aus der Edellegierung Elektron und mit der Prägung des Königs von Lydien.

Denn im Gegensatz zu heute stellten die Münzen damals mit ihrem reinen Materialwert auch gleichzeitig ihren Gegenwert im täglichen Zahlungsverkehr dar.

Natürlich gab es da auch noch größere Münzen als den Strater: Ist ja auch sinnvoll, wenn zum Beispiel ein reicher Händler seinem halbstarken Sohn einen neuen Streitwagen in der Cabrioletversion mit zwei oder gar vier PS spendieren wollte oder der Tochter als Mitgift eine Eigentumswohnung in Ephesus samt Meerblick und eigenem Aquädukt.

Diese Normierung des Zahlungsverkehrs führte dazu, dass der Handel auf angenehmste Weise erleichtert wurde – übrigens ähnlich wie in Europa mit Einführung von uns, den Euros! Man musste nichts mehr umrechnen, nicht mehr mehrere Geldbeutel für mehrere Währungen mit sich führen und war sich sicher, dass ein Strater auch im nächsten Jahr noch einen Strater wert ist!

Und da der nun noch mehr belebte Handel in Lydien natürlich auch mit Abgaben und Zöllen verbunden war, floss noch mehr Geld in die Staatskasse, die Krösus unter anderem im Immobilienbereich investierte – wir würden heute sagen: Betongold!

Er ließ sich einen prächtigen Palast in Sardes, der Hauptstadt des Lydierreiches, errichten, einschließlich turnhallengroßer Schatzkammern, denn der ganze Zaster musste ja irgendwo verwahrt werden und die Schweiz oder die Cayman Islands waren als Verwahranstalten noch nicht so bekannt.

Naja, aber wie wir wissen, lockt Scheiße die Fliegen an, und Geld diejenigen, die es gerne haben wollen – in Krösus’ Fall war dies Kyros II. von Persien.

Der hatte sich schon erfolgreich an Lydien heranerobert, als Krösus sich entschloss, den östlich gelegenen großen Nachbarn proaktiv anzugreifen.

Der Legende nach soll er als guter Heide zum Orakel von Delphi gegangen sein, um dort eine Prophezeiung zu seinem Feldzug zu empfangen. Die Antwort des Orakels:

„Wenn du den Halys überschreitest,
wirst du ein großes Reich zerstören
.“

Haha, einmal dürft ihr raten, was dann passiert ist: Das Lydierreich wurde von den Persern erobert und das lydische Geld erfolgreich in den persischen Wirtschaftskreislauf eingeflochten, denn ihr wisst ja (und das ist auch so eine Redewendung): Gutes bleibt!!

Oder wie wir Münzen sagen: Kreislauf!!