Charles W. Leadbeater

Träume

Charles W. Leadbeater

Träume

Das Wirken der höheren Körper
des Menschen

1. Auflage 2020

© Aquamarin Verlag

Voglherd 1 • D-85567 Grafing

Übersetzung aus dem Englischen: Günter K. Wagner

Umschlaggestaltung: Annette Wagner

Satz: Sebastian Carl

ISBN 978-3-96861-052-8

Inhalt

TEIL I

I. Der Mechanismus

1. Der physische Mechanismus

2. Der ätherische Mechanismus

3. Der astrale Mechanismus

II. Das Ego

1. Das Gehirn

2. Das ätherische Gehirn

3. Der Astral-Körper

4. Das Ego

Träume

Nachtrag

TEIL II

III. Die Seele und ihre Hüllen

Die menschlichen Prinzipien

Alle Leser dieser Zeilen haben geträumt, wahrscheinlich haben viele von ihnen die Gewohnheit, häufig zu träumen. Sie werden sich deshalb für einen Versuch interessieren, die Traumerscheinungen im Licht der theosophischen Untersuchungsmethode zu betrachten und zu erörtern. Die geeignetste Behandlungsweise wird wohl Folgende sein: Zuerst eingehender den physischen und astralen Mechanismus zu betrachten, durch den Eindrücke auf unser Bewusstsein übertragen werden; sodann zu sehen, wie das Bewusstsein seinerseits diesen Mechanismus beeinflusst und benutzt; drittens den Zustand des Bewusstseins und seines Mechanismus während des Schlafes anzugeben; und endlich viertens, zu untersuchen, wie die verschiedenen Arten Träume, welche die Menschen erleben, dadurch hervorgerufen werden.

TEIL I

I. Der Mechanismus

1. Der physische Mechanismus

Wir haben in unserem Körper eine große Zentralachse, aus Nerven-Materie bestehend, welche in das Gehirn übergeht. Von dieser Achse laufen durch den Körper Nervenfäden nach jeder Richtung aus. Diese Nervenfäden sind es, welche der modernen wissenschaftlichen Theorie nach alle Eindrücke von außen mittels ihrer Schwingungen dem Gehirn zuführen; und dieses letztere übersetzt nach dem Empfang dieser Eindrücke dieselben in Gefühle und Empfindungen. Wenn ich meine Hand auf einen Gegenstand lege und fühle, dass er heiß ist, so ist es eigentlich nicht meine Hand, welche fühlt, sondern mein Gehirn, das auf die Benachrichtigung reagiert, welche ihm durch die Schwingungen übermittelt wurden, die an den Telegrafendrähten, den Nervenfäden, entlanglaufen. Es ist wichtig, sich auch dessen zu erinnern, dass alle Nerven der Konstitution nach gleich sind und das besondere Bündel, welches wir den optischen Nerv nennen, das dem Gehirn Eindrücke der Retina, des Auges, überbringt und uns so befähigt zu sehen, von den Nerven der Hände und Füße sich nur dadurch unterscheidet, dass es im Laufe langer Zeitalter der Entwicklung sich dahin spezialisiert hat, wenige besondere Arten von äußerst schnellen Schwingungen sehr geschickt zu empfangen und zu übermitteln, welche dann für uns als Licht sichtbar werden. Dasselbe gilt auch für unsere anderen Sinnesorgane. Die Gehör-, die Geruchs-, die Geschmacksnerven unterscheiden sich voneinander und von den übrigen nur durch diese Spezialisierung, dem Wesen nach sind sie dasselbe. Ihre Arbeit, dem Gehirn Schwingungen zu übermitteln, verrichten sie in genau derselben Weise. Unser Gehirn nun, welches der große Mittelpunkt unseres Nerven-Systems ist, wird selbst durch leichte Schwankungen unseres Gesundheitszustandes sofort angeregt, ganz besonders durch solche, welche einen Einfluss auf den Umlauf des Blutes in demselben ausüben.

Wenn der Strom durch die Blutgefäße des Kopfes normal und regelmäßig läuft, befindet sich das Gehirn und damit das ganze Nerven-System in der Lage, in normaler, ordentlicher und wirkungsvoller Weise zu arbeiten; aber jede Änderung in dieser normalen Zirkulation, sei es in Betreff der Menge, der Beschaffenheit oder der Geschwindigkeit, ruft sofort eine entsprechende Wirkung auf das Gehirn hervor und durch dieses auf alle Nerven im ganzen Körper. Wenn dem Gehirn zu viel Blut zugeführt wird, so tritt eine Überfüllung der Gefäße ein, und damit werden sofort Unregelmäßigkeiten in seiner Tätigkeit hervorgerufen; wenn zu wenig, wird das Gehirn (und damit auch das Nervensystem) zuerst überreizt und dann schlafsüchtig (lethargisch).

Die Qualität des zugeführten Blutes ist ebenfalls von großer Wichtigkeit. Während es durch den Körper rinnt, hat es zwei Aufgaben zu vollbringen – Sauerstoff zuzuführen und den verschiedenen Organen Nahrung zu liefern. Wenn es nun unfähig ist, eine dieser Funktionen normal zu erfüllen, erfolgt eine Störung. Ist die Zufuhr von Sauerstoff zum Gehirn ungenügend, so wird es mit Kohlensäure überladen – und Schwere und Schlafsucht stellen sich bald ein. Ein gewöhnliches Beispiel hiervon ist das Gefühl der Dumpfheit und Schläfrigkeit, welches uns häufig in einem überfüllten und schlecht belüfteten Raum überkommt. Infolge der Erschöpfung des Sauerstoffes in dem Raum durch die fortgesetzte Atmung zahlreicher Menschen erhält das Gehirn nicht seine nötige Zufuhr, und es ist daher unfähig, seine Funktion ordentlich zu verrichten. Die Geschwindigkeit, mit welcher das Blut durch die Adern rinnt, beeinflusst die Tätigkeit des Gehirns. Ist sie zu groß, so ruft sie Fieber hervor, ist sie zu langsam, tritt Schlafsucht ein. Es ist daher einleuchtend, dass unser Gehirn (durch welches, wie man sich erinnern wird, alle physischen Eindrücke hindurchgehen müssen) sehr leicht gestört und durch scheinbar unbedeutende Veranlassungen in der richtigen Ausführung seiner Aufgabe mehr oder weniger behindert werden kann. Veranlassungen, welchen wir selbst in der Zeit des Wachens meistens gar keine Aufmerksamkeit schenken, von denen wir aber während des Schlafes sicher nichts bemerken.

Bevor wir weitergehen, muss noch auf eine Besonderheit dieses physischen Mechanismus hingewiesen werden. Dies ist seine bemerkenswerte Neigung, automatisch Schwingungen zu wiederholen, auf die es sich gewöhnt hat, zu reagieren. Dieser Eigenheit des Gehirns sind alle jene körperlichen Gewohnheiten und Manieren zuzuschreiben, welche vollständig unabhängig vom Willen und oft sehr schwer abzulegen sind. Wie man gleich sehen wird, spielen diese Gewohnheiten in unserem Leben während des Schlafes eine noch wichtigere Rolle als im Wachen.

2. Der ätherische Mechanismus

Bisher hatten wir nur das Gehirn in Betracht gezogen; aber nicht nur durch dieses empfängt der Mensch Eindrücke. Genau ihm entsprechend und seine sichtbare Form durchdringend ist sein ätherischer Doppelkörper oder Linga Sharîra; und auch dieser hat ein Gehirn, welches in Wirklichkeit nicht weniger materiell ist als das erstere, wenn es auch aus einer Materie besteht, die noch feiner als die gasförmige ist. Es wird vielleicht angebracht sein, hier ein Wort der Erklärung in Bezug auf den Linga Sharîra einzuflechten.

Es war in der theosophischen Literatur üblich, das astrale Gegenstück zum menschlichen Körper mit diesem Namen zu bezeichnen, indem man alles, was jenseits der Grenzen des den physischen Sinnen Erreichbaren liegt, »astral« nannte. Als nähere Untersuchungen uns jedoch befähigten, im Gebrauch der Ausdrücke genauer zu sein, mussten wir zugestehen, dass ein großer Teil des Unsichtbaren wirkliche physische Materie sei, und sahen uns deshalb veranlasst, den Linga Sharîra nicht länger als den astralen, sondern als den ätherischen Doppelkörper zu bezeichnen.

Diese Bezeichnung ist übrigens nur annähernd richtig, da er aus verschiedenen Stufen dieser Materie besteht, welche die Wissenschaft »Äther« nennt, obgleich es sich bei näherer Untersuchung ergibt, dass es nicht eine bestimmte Substanz ist, wie gewöhnlich angenommen wird, sondern ein viel feinerer Aggregat-Zustand als der gasförmige, in welchen jeder physische Stoff übergeführt werden kann, wenn man die entsprechenden Kräfte auf ihn wirken lässt. Es wird deshalb in theosophischen Schriften zukünftig der Ausdruck »ätherischer Doppelkörper« anstatt Linga Sharîra gebraucht werden. Diese Änderung hat nicht nur das Gute, dass wir jetzt einen Namen haben, der den Charakter dieses Körpers sehr bezeichnend wiedergibt, sondern er wird uns auch von dem häufig wiederkehrenden Missverständnis befreien, welches aus der Tatsache entstand, dass in allen orientalischen Schriften eine vollständig verschiedene Bedeutung mit der früher gebrauchten Bezeichnung verbunden wird. Man muss aber nicht meinen, dass wir durch eine Änderung der Namensbezeichnung eine neue Auffassung proklamieren wollen: Wir ändern zum Zweck größerer Genauigkeit die Etikette für etwas tatsächlich in der Natur Vorhandenes! Wenn wir mit psychischem Sehvermögen den Körper eines neugeborenen Kindes untersuchen, so finden wir es nicht nur von astraler Materie in jedem Dichtigkeitsgrad durchdrungen, sondern auch von den verschiedenen Graden ätherischen Stoffes. Wenn wir uns die Mühe geben, diese inneren Körper bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, so finden wir im Betreff des letzteren, des ätherischen Doppelkörpers – die Form, in welche der physische Körper hineingebaut ist – dass dieser von den Gehilfen der Hüter des Karma gestaltet wird, während die astrale Materie von dem herabsteigenden Ego (natürlich nicht bewusst, sondern automatisch) beim Durchgang durch die astrale Ebene wieder aufgenommen wurde. Sie entspricht vollständig dem Grad der Entwicklung in dieser Ebene der Begierden, deren Saat während der Erfahrungen im Devachan (der Himmelswelt) im Schlaf lag, denn diese konnte auf letzterer Ebene nicht keimen, da ihr der für das dortige Wirken nötige feine Grad der Materie fehlte.

Nun ist dieser ätherische Doppelkörper oft das Vehikel von Prâna1 genannt worden, und jeder, der das psychische Sehvermögen entwickelt hat, kann genau sehen, wie diese Bezeichnung der Wirklichkeit entspricht. Er sieht, wie der Jivâ2, beinahe farblos doch intensiv leuchtend und aktiv, fortgesetzt von der Sonne in die Atmosphäre der Erde überströmt wird. Er sieht, wie seine Milz wunderbar funktioniert, diesen Jivâ des Weltalls in sich aufnimmt und ihn zu Prâna spezialisiert, so dass er besser vom Körper aufgenommen werden kann; wie er dann überall durch den Körper läuft, jeden Nervenfaden entlang in winzigen Kügelchen mit lieblich rosigem Schein, und bewirkt, dass die Wärme des Lebens, der Gesundheit und der Tätigkeit jedes Atoms des ätherischen Doppelkörpers durchdringt; wie die rosafarbenen Partikelchen absorbiert werden und das überschüssige Prâna endlich vom Körper nach jeder Richtung in bläulich-weißem Licht ausstrahlt. Wenn er die Tätigkeit dieses Prânas weiter untersucht, wird es ihm bald einleuchten, dass die Übermittlung der Eindrücke nach dem Gehirn mehr von dem regelmäßigen Strömen desselben in den ätherischen Teil der Nervenfäden abhängt, als von den bloßen Schwingungen ihrer dichteren und sichtbaren Teilchen, wie gewöhnlich angenommen wird. Es würde zu viel Raum in Anspruch nehmen, wenn wir alle die Versuche einzeln darlegen wollten, durch welche diese Theorie gestützt wird, aber die Erwähnung des einen oder andern wird genügen, um die Richtung anzugeben, in welcher sie angestellt worden sind.

Prâna