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Andrea Paluch, geboren 1970 in Hannover, hat als Kolumnistin, Dozentin und Lernberaterin gearbeitet und zahlreiche Romane, Jugend- und Kinderbücher (u. a. „Zwischen den Jahren“ und „Zwei Wege in den Sommer“) veröffentlicht.

Viele davon zusammen mit Robert Habeck, geboren 1969 in Lübeck. Robert Habeck war sechs Jahre lang stellvertretender Ministerpräsident und Umweltminister in Schleswig-Holstein und wurde 2018 zum Bundesvorsitzenden der Grünen gewählt. 2019 wurde das erste gemeinsame Kinderbuch der beiden, „Ruf der Wölfe“, bei Edel Kids Books neu aufgelegt. Das Paar hat vier Söhne und lebt in Flensburg und Berlin.

Inhalt

Geheimnisvolle Briefe

Ganz andere Geburtstagspost

Schreibe mir bald

Liebe Ska

Bis bald

Eine andere Welt

Dorotheenstraße 64

Das Mädchen mit der Maske

Ich will Meer

Die roten Schuhe

Das blaue Schiff

Die weiße Leiter

Der braune Hund

Die grauen Wale

Die grünen Diamanten

Die weiße Möwe

Könige der Welten

Der Ritterschlag

Der fremde Junge

Verdrehte Zeit

Positionstausch

Die Erde dreht sich um ihre Achse

Ein grauer Tag

Zweierlei Ritter

Ich bin du, und du bist ich

Sophia

Karl

Wer schreibt das Diktat?

Nur keine Angst

Ganz schön nett, ganz schön gemein

Ich bin ich

Zurückgezaubert

Geheimnisvolle Briefe

Ganz andere Geburtstagspost

Per sitzt im Wohnzimmer auf dem Fußboden. Um ihn herum liegt alles voller Papier. Geschenkpapier. Dazwischen liegen Schleifen und Geburtstagspostkarten. Und zwischen dem Papier und den Postkarten liegen die Geschenke, die Per von seinen Freunden bekommen hat. Eine Piratenpistole, ein Raumschiff zum Selberbauen, für das sich vier Freunde zusammengetan haben, ein Kartenspiel, ein Buch über Roboter, eine Krimi-CD. Pers Mutter kommt aus der Küche und setzt sich zu ihm.

„Na, war es ein schöner Geburtstag?“, fragt sie.

„Der beste!“, sagt Per.

Seine Mutter hatte für ihn und seine Freunde eine Schnitzeljagd vorbereitet. Sie führte quer durch den Park, in das Gebäude, in der die Firma seiner Mutter ist, wieder raus, rüber über drei Straßen und quer über seinen Schulhof. Auf dem Schulhofspielplatz mussten sie dann einen Schatz suchen, der ungefähr einen Meter tief in der Erde verbuddelt war. Danach gab es zu Hause ein Geburtstagsessen, Schokolade und Kuchen, so viel man wollte, und Limonade! Und dann haben sie in der Wohnung Verstecken gespielt. Dabei ist alles unordentlich geworden, und das Geschenkpapier ist quer durch Raum geflogen. Hier sitzt Per nun. Seine Freunde sind weg. Und ihm ist es ganz schwindelig vor lauter Geburtstagsfeiern.

„Deine Uroma kommt nachher noch“, sagt seine Mutter.

„Oh“, entfährt es Per. Es klingt nicht fröhlich. Das ist Per auch nicht. Seine Uroma mag er nicht besonders gern. Sie ist sehr streng. Ganz anders als seine Oma. Aber die wohnt weit weg, und Per sieht sie nur selten. Ihre Mutter, also seine Uroma, lebt dagegen nur ein paar Straßen weiter.

Wenn sie da ist und Per fernsieht oder YouTube-Videos anschaut, dann sagt sie immer: „Dieses Zeug ist ja fürchterlich. Und überhaupt ist Fernsehen nicht gut. Du solltest lieber Sport machen.“

Wenn Per mit seinem Roller fährt, dann sagt sie: „Diese neue Mode ist ja fürchterlich. Neulich hat mich jemand fast umgefahren!“

Und dass Computerspiele deshalb so toll sind, weil man in ihnen eine Geschichte erleben kann, das kann seine Uroma nicht verstehen.

„Uroma will dir doch auch zum Geburtstag gratulieren. Und sicher hat sie ein Geschenk für dich“, sagt die Mutter.

„Bestimmt selbst gestrickte kratzige Wollsocken“, antwortet Per.

In dem Moment klingelt es. Die Mutter besteht darauf, dass Per aufmacht. Der rappelt sich auf und trottet zur Tür.

„Wer ist da?“, fragt er durch die geschlossene Tür. Natürlich weiß er genau, wer da ist.

Die Urgroßmutter fängt im Treppenhaus an, aus voller Brust ein altes Geburtstagslied zu schmettern. Schnell macht Per die Tür auf. Alle Menschen, die er kennt, singen Happy birthday to you – nur seine Urgroßmutter singt irgendein Lied, das vor hundert Jahren aus der Mode gekommen ist, weil Happy birthday ja Englisch ist und also zu modern. Sie singt es so, als sei sie bei den Pfadfindern und sein Geburtstag ein Wandertag.

„Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Per!“, sagt die Urgroßmutter nun und streckt die Hand aus. Auch das findet Per total komisch, dass sie ihm immer die Hand gibt, statt ihn zu umarmen, so wie seine Oma. Per nimmt die Hand und drückt sie fest. Dabei sieht er seiner Urgroßmutter in die Augen. Das ist ihr sehr wichtig, ein fester Händedruck und dabei in die Augen sehen. Sie ist eine kleine, schmächtige Frau, kaum größer als er. Man würde ihr gar nicht zutrauen, dass sie so laut singen kann. Sie hat ihre weißen Haare zu einem Dutt nach hinten gebunden und trägt einen grauen Mantel. Sie ist sehr braun. Wann immer das Wetter es zulässt, sitzt sie im Park und liest dort ihre alten Bücher. In dem braunen Gesicht blitzen ihre Augen hell.

„Danke“, sagt Per und schielt auf das große Paket, das seine Urgroßmutter unter dem Arm trägt.

„Bleib ein anständiger Junge!“, sagt sie.

„Hmhm“, macht Per.

„Bitte schön!“ Sie gibt ihm das Paket. Per nimmt es und flitzt ins Wohnzimmer, vorbei an seiner Mutter, die jetzt der Urgroßmutter die Hand gibt. Sie ist wirklich sehr altmodisch.

Per reißt das Papier von dem Geschenk. Socken sind es schon mal nicht. Ein Karton kommt zum Vorschein. Per öffnet ihn, während er seine Urgroßmutter sagen hört: „Oh, wie sieht es denn hier aus?“

„Wir hatten Kindergeburtstag und sind noch nicht zum Aufräumen gekommen“, gibt die Mutter schnell zurück.

Per sieht, dass in dem Karton jede Menge Schachteln und ein großes Album sind. Er holt sie heraus. Vielleicht sind es diese Sticker, die alle in seiner Klasse sammeln? Oder Quartettspiele von Autos oder Flugzeugen? Er schlägt eine Kiste auf. Es sind – Briefmarken. Und ein leeres Briefmarkenalbum.

„Oh“, sagt Per wieder. Er hat keine Ahnung, was er mit einem Briefmarkenalbum anfangen soll.

„Das hatten früher alle Jungen!“, erklärt seine Urgroßmutter stolz.

„Danke.“ Per schiebt das Album beiseite und zupft eine Briefmarke aus der Kiste. Auf ihr ist ein Schiff zu sehen, ein merkwürdiges Schiff mit einem hohen Schornstein. „Sind die alt?“

„Ja. Die habe ich noch von früher.“

„Und sind die wertvoll oder was?“

„Der Wert ist, dass man sie sammelt“, sagt die Urgroßmutter bedeutungsvoll. Per hat keine Ahnung, was sie ihm damit sagen will. Vielleicht so etwas wie Früher war alles besser?

„Du kannst ja schon mal alle Geschenke in dein Zimmer bringen. Ich räume das Papier weg“, rettet seine Mutter die Situation.

„Kann der Junge das Papier nicht selbst wegräumen?“, fragte die Urgroßmutter.

„Bestimmt. Aber heute braucht er es nicht. Es ist ja sein Geburtstag“, sagt die Mutter fest.

Und so sieht Per seine Urgroßmutter erst wieder, als sie sich verabschiedet. Während sie mit seiner Mutter in der Küche gesessen hat, hat er erst die Pistole unter sein Kopfkissen gelegt, dann das Raumschiff zusammengebaut. Und dann hat er die Briefmarke, die er aus der Kiste gezogen hat, in das Album gesteckt. Nun zieht Per einen Stapel Briefe hervor. Auf ihnen kleben ebenfalls Briefmarken. Und die Schrift auf ihnen sieht aus wie eine Geheimschrift. Griechen schrieben so ähnlich, weiß Per, oder Ägypter. Er nimmt die Briefe und geht in die Küche. Dort nimmt er sich eine Schere aus der Schublade. Seine Mutter kommt mit einem Berg voll Geschenkpapier im Arm aus dem Wohnzimmer und fragt: „Was machst du?“

„In dem Paket waren noch so Briefe drin. Ich schneide die Marken aus und löse sie ab.“

„Zeig mal“, bittet ihn die Mutter, und Per hält ihr fragend die Briefe hin. „Ist das Griechisch?“

„Nein, das ist Sütterlin“, schmunzelt seine Mutter.

Per blickt sie verwundert an. Er hatte mal eine Krankheit und durfte vierzehn Tage nicht in die Schule gehen. Seine Urgroßmutter hat auf ihn aufgepasst, als seine Mutter beim Arbeiten war. Es war fürchterlich. Die Krankheit hieß so ähnlich wie die Schrift. Er hat das Wort schon wieder vergessen.

„Uroma kann die bestimmt noch lesen“, sagt seine Mutter.

„Na und?“, meint Per.

„Bevor du die Briefe zerschneidest, frag sie doch mal, was da drinsteht.“

„Uroma hat gesagt, der Wert kommt vom Sammeln.“

„Ja, aber nicht das Papier macht den Wert, sondern die Geschichten, die es erzählt“, sagt die Mutter. Und das versteht Per. Vielleicht sind Briefmarken wie ein Computerspiel.

Schreibe mir bald

Per fährt mit seinem Roller durch die Stadt. Von der Wohnung, in der er und seine Mutter leben, zu der Wohnung von seiner Urgroßmutter dauert es eine Viertelstunde, wenn man zu Fuß geht. Aber mit dem Roller schafft Per es in zehn Minuten. Er kennt den Weg. Die erste Hälfte geht er jeden Tag zur Schule. Und die zweite führt direkt an einem Kanal entlang. Per trägt einen Rucksack auf dem Rücken, darin ist der Karton mit dem Album und den Briefmarken.

Gestern hat er mit seiner Mutter zumindest noch die Jahreszahlen auf den Briefen entziffern können: 1932, 1934 steht dort. Als Per die Zahlen ansah, wurde ihm klar, wie alt die Briefmarken tatsächlich waren. Heute steht ja eine Zwei ganz vorn bei den Jahreszahlen. Die Briefmarken sind aus dem letzten Jahrtausend!

„Ist Uroma schon tausend Jahre alt?“, hat er seine Mutter gefragt, obwohl er eigentlich wusste, dass das nicht sein kann. Seine Mutter lächelte und sagte, dass die Urgroßmutter zweiundneunzig sei.

Nun durchquert er den Park, der zum Kanal führt. Ihm ist es etwas mulmig zumute. Es ist lange her, dass er seine Urgroßmutter zu Hause besucht hat. Da hört er jemanden seinen Namen rufen. Er dreht sich um und bremst.

Da sitzt seine Urgroßmutter auf einer Parkbank, das Gesicht zur Sonne gewendet, ein Buch auf dem Schoß.

Per könnte über den Rasen direkt zu ihr fahren, aber er hat Angst, dass seine Urgroßmutter schimpft, wenn er mit den Rädern tiefe Spuren im Gras hinterlässt. Deshalb wählt er den Weg, der weit außen um die Wiese herumführt.

Als er bei ihr ist, reicht er ihr die Hand. „Guten Tag“, sagt er.

Sie drückt sie fest. Dabei sehen sie sich in die Augen.

„Deine Schnürsenkel sind auf“, sagt sie und blickt missbilligend auf seine Turnschuhe.

Wie man es macht, man kann ihr nichts recht machen, denkt Per, als sie sagt: „Ich freue mich, dass du mich mal besuchen kommst.“

Für Per klingt es vorwurfsvoll.

„Oder wolltest du gar nicht zu mir?“, hakt die Urgroßmutter nach.

„Doch. Klar. Schon, meine ich. Ja, also, es ist wegen der Briefe …“, sagt Per.

„Wegen der Briefe?“

„Ja, in dem Karton mit den Briefmarken, da waren auch noch Briefe.“ Per setzt sich, stellt den Roller neben die Bank und nimmt seinen Rucksack ab. Er zieht das Paket hervor.

„Wusstest du das nicht?“, fragt er. Aber er kann die Antwort sehen. Seine Urgroßmutter wiegt das Paket in der Hand hin und her und schaut es verwundert an.

„Mama sagt, die Schrift heißt Safarin, und nur du kannst sie lesen.“

„Sütterlin. Ja, ich konnte sie mal lesen. Weißt du, so habe ich schreiben gelernt. Aber das ist schon so lange her. Ich habe seit vielen Jahren nicht mehr Sütterlin gelesen.“

„Willst du es probieren? Vielleicht stehen da ja spannende Geschichten drin?“, fragt Per.

Die Urgroßmutter blickt ihn an. Sie blickt ihn komisch an, findet Per. Sonst strahlen ihre hellen Augen immer und funkeln, fast wie Katzenaugen sehen sie aus, irgendwie angriffslustig. Aber jetzt sind sie ganz groß. Sie sehen eher wie Kinderaugen aus.

„Ich kann es mal probieren …“, sagt die Urgroßmutter. Dann nimmt sie den obersten Brief und zieht vorsichtig einen Briefbogen aus dem Umschlag. Sie setzt ihre Brille auf und hält ihn aus dem Sonnenlicht. Per denkt im ersten Moment, sie macht das, um ihn vor der Strahlung zu schützen. Aber dann sieht er, dass das Papier ganz dünn ist und die Tinte sonst von der Rückseite durchscheint.

„Mein lieber vermisster Freund“, fängt die Urgroßmutter an. Sie setzt ab. Dann liest sie weiter, mit stockender Stimme.

„Ich würde gern mal wieder Regen sehen. Hier ist alles trocken und staubig. Und es ist heiß. Man kann mittags nicht nach draußen gehen. Habt Ihr Schnee in Deutschland? Oder ist es schon Frühling geworden? Gehst Du noch immer an der kleinen Kastanie vorbei, an der wir uns immer getroffen haben? Ich bin hier ganz allein. Eine Farm weiter lebt ein Junge. Aber er ist viel älter und spricht auch kein Deutsch. Mutter gibt mir Unterricht. Aber sie hat wenig Zeit. Immer muss sie nach den Rindern schauen. Und sie muss die Arbeiter anweisen. Wir haben viele auf der Farm.

Und ihre Familien leben auch hier. Mutter hat wirklich viel zu tun. Aber es ist besser, sie kümmert sich um alles, als Vater. Er schimpft ganz viel.“

Die Urgroßmutter dreht die Seite um. Per lauscht ihrer Stimme nach. So weich hat ihre Stimme noch nie geklungen. Sie klingt wie, wie – wie große Augen, findet Per. Wie eine Märchenstimme.

„Ich habe mich auf Afrika gefreut. Ich habe gedacht, das wird ein großes Abenteuer. Aber das ist es nicht geworden.

Es gibt die Sonne, und ich habe auch Giraffen und Nashörner und einen Löwen gesehen.

Den hat Vater geschossen. Das war sehr traurig. Da kommt schon mal ein Löwe zu uns, und Vater erschießt ihn. Aber ich würde lieber wieder zurück. Erzählst Du mir von Dir? Habt Ihr die neue Fibel der Schule? Hast Du die Zinnsoldaten bekommen, die Du Dir gewünscht hast? Und wer ist in die Wohnung neben Euch gezogen?

Bitte schreibe mir bald, Ska.“

Die Urgroßmutter lässt den Brief sinken. Auch Per sagt nicht gleich etwas. Wenn er einen Film sieht und der plötzlich zu Ende ist, dann gibt es so eine komische Sekunde, in der man nicht weiß, ob man noch im Film ist oder vor dem Fernseher sitzt. So fühlt sich Per in diesem Moment. Die Vergangenheit und die Gegenwart stoßen zusammen. Und mitten in dem Aufprallen sitzen Per und seine Uroma und blicken sich an.

„Du kannst das wirklich gut lesen“, sagt Per.

„Ja, man erinnert sich wieder …“, sagt sie.

Aber Per meinte gar nicht die Schrift. Er meinte, dass seine Uroma diese merkwürdige Stimme gehabt hat. Sie war jung und hell. Wenn man die Augen zugemacht hätte, hätte man sich vorstellen können, dass Ska selbst da sitzt.

„Sollen wir noch einen Brief lesen?“, fragt die Uroma.

Per überlegt. Eigentlich würde er schon gern wissen, was in den anderen Briefen steht. Aber dann sagt er etwas, das ihn selbst fast überrascht. „Lieber nicht. Ich komme morgen wieder, und du liest mir dann den nächsten Brief vor, okay?“ Vorhin hatte er noch so gar keine Lust, sich mit seiner Urgroßmutter zu treffen, und jetzt verabredet er sich für morgen schon gleich wieder.

„Okay?“, fragt die Uroma und zieht die Stimme hoch.

„Okay – das sagt man so. Es heißt in Ordnung“, erklärt Per.

Da lächelt seine Urgroßmutter.

„Ich weiß doch, was okay heißt“, sagt sie. „Und ja: Das ist voll okay!“ Sie grinst Per an. Per grinst zurück. Dann hüpft er auf seinen Roller und sagt: „Tschüss, bis morgen!“

Liebe Ska

Die Sonne scheint Per direkt auf das Ohr. Der Himmel hinter der Sonne ist blau wie der Lack seines Rollers. Weit oben treiben ein paar kleine weiße Wolken vorbei. Und weil die Glasscheibe keine Luft herauslässt und keine Luft hinein, ist es im Klassenraum sehr heiß. Per ist in der zweiten Klasse. Im ersten Schuljahr haben sie alle Buchstaben gelernt. Jetzt sollen sie einen Aufsatz schreiben. Einen Aufsatz hat Per noch nie geschrieben. So genau weiß er gar nicht, was ein Aufsatz ist. Und die Klassenlehrerin, Frau Bauer, ist dabei auch keine große Hilfe. Erst tut sie so, als ob ein Aufsatz etwas ganz Tolles sei und man erst richtig in die Schule gehe, wenn man Aufsätze schreiben dürfe. Und dann erklärt sie nicht, wie das eigentlich geht, Aufsätze zu schreiben.

„Schreibt einfach, was euch einfällt, das, was ihr gerade denkt. Es ist auch gar nicht wichtig, dass ihr alles richtig schreibt. Wichtig ist, dass ihr schreibt!“, hat sie eben nur gesagt.

Per denkt an sich, dass er in der Klasse sitzt mit der Sonne auf dem Ohr, der heißen Luft, fast wie in Afrika. Und plötzlich, wie ein Blitz, weiß Per, was er schreiben wird. Denn er muss an Ska und an die Briefe aus Afrika denken.

„Liebe Ska“, schreibt Per. „In Deutschland ist es fast so heiß wie in Afrika. Heute Morgen im Radio haben sie gesagt, dass es dieses Jahr vielleicht wieder eine Dürre gibt, so wie letzten Sommer schon.“ Per weiß nicht genau, wie man die Wörter alle schreibt, aber Frau Bauer hat ja gesagt, dass es egal ist, wie man schreibt, Hauptsache, man schreibt.

„Gestern bin ich mit dem Roller zu meiner Uroma gefahren. Die hat mir Deinen Brief vorgelesen. Komischer Name: Ska. Ist der afrikanisch? Ich heiße Per. Der Name hat auch nur drei Buchstaben. Aber er ist skan… di… navisch.“

Per weiß auch nicht, wie man skandinavisch schreibt. Seine Mutter sagt das Wort immer. Es meint die Länder Dänemark, Norwegen, Island, Finnland und Schweden. Pers Vater hieß Peter. Das ist zwar auch nicht besonders lang, aber immer noch die Langform von Per.