cover

Gaby Krensel

TEXAS

Eine Liebeserklärung

Edition Forsbach

Edition Forsbach

Der Verlag für Bücher mit Herz

© Edition Forsbach, Bamberg 2019

Coverbild: © luzitanija – Adobe Stock

Fotos: © Erwin Krensel

Printed in Germany

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

WIDMUNG

Dieses Buch widme ich
unseren langjährigen Freunden Beverly & Marc und Sara & Doug,
meiner Familie,
dem Bundesstaat Texas
und
den Texanern

INHALT

Vorwort von Dr. Renée Moore

Prolog: TEXAS – My Happy Place (1993-2018)

Mein Traum-Tagebuch

Jahreszeiten – Seasons of Texas

Spring Picnic

Städte: Dallas, Fort Worth, Amarillo, Waco

Add-on: Fixer Upper oder: Kennen Sie die Gaines?

Summer Time

Städte: Houston, Schulenburg, Galveston, Beaumont

Add-on: Sweet and Salty – Kulinarisches aus Texas

Autumn Colors

Städte: Austin, Gruene, Fredericksburg, New Braunfels

Add-on: Celebrity – Artist Beverly Penn

Winter Impressions

Städte: San Antonio, Boerne, Bandera, Corpus Christi

Add-on: Jingle Bells – Weihnachten in Texas

Bonus Track 1: Texas History

Bonus Track 2: Texas Arts and Crafts

Bonus Track 3: Texas Outdoor

Bonus Track 4: Texas Specialties

All that glitters, is not Gold

Hameln – Texas – That‘s my life

Goldene Hochzeit – DREAM BIG

Epilog: Believe in miracles

Kleines Texas-ABC

Ein großes Dankeschön

Zum Weiterlesen

Zur Autorin

VORWORT VON DR. RENÉE MOORE

Gaby Krensel hat mit Texas – Eine Liebeserklärung ihr erstes Buch geschrieben. Durch meine Verlegerin Dr. Beate Forsbach habe ich die Autorin kennengelernt, die ihr Buch während ihres letzten Schuljahres als Förderschullehrerin erstellt hat. Dabei wollte sie gar kein Buch schreiben, sondern hat sich „zufällig“ von dem Motto „Bücher schreiben mit Herz“ inspirieren lassen und eines Nachts von ihrem Buch geträumt. Daraufhin hat sie mit Dr. Beate Forsbach Kontakt aufgenommen, ein Autoren-Seminar besucht und ein Autoren-Mentoring gebucht – und das Ergebnis liegt heute vor Ihnen.

Eine solch großartige Leistung konnte Gaby Krensel nur erbringen, weil sie eine ganz große Liebe im Herzen hat: die Liebe zu Amerika und den Wunsch, dort den „American Way of Life“ kennenzulernen.

Ich freue mich sehr, dass es gerade Texas war, das Gaby Krensel vor 25 Jahren entdeckte, und von dem sie sagt:

Das ist MEIN TEXAS! Das ist MEINE FREIHEIT! IMMER! Und jedes Mal wieder!! BIS HEUTE!

Denn ich selber stamme aus Texas und ich bin glücklich, dass Gaby Krensel so über mein Land schreibt. Als Texanerin bin ich stolz auf mein Land: in Texas ist alles größer und eine Texanerin ist etwas ganz Besonderes!

Und so bewundere ich Gaby Krensel, dass sie ihr Buch nicht nur ihren texanischen Freunden und ihrer Familie widmet, sondern dem Bundesstaat Texas und den Texanern. Ihr Buch ist ein Dankeschön an Texas und sie möchte erreichen, dass sich die 28,1 Millionen Texaner darüber freuen!

Dieses Vorhaben ist wirklich großartig und ich wünsche Gaby Krensel einen großen Erfolg dabei.

Für Sie, liebe Leser in Deutschland, hat dieses Buch eine wichtige Botschaft:

„Habe den Mut, einen scheinbar verschollenen Traum auch nach vielen Jahren noch zu verwirklichen! Höre auf Dein Herz und tue Dinge, die Dir Freude und Spaß bringen. Damit erhöht sich Dein Energielevel und vieles, was Dich anstrengt, geht Dir jetzt leichter von der Hand.“

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

Ihre Renée Moore, geboren und aufgewachsen in Kerrville (Nähe Austin), Texas

Dr. Renée Moore, Internationale Keynote-Speakerin, „Deutschlands führende Motivations-Expertin“ (RTL), „The New Global Leader“ (Huffington Post) und Autorin des Bestsellers „Be Unstoppable in deinem Business!”

www.reneemoore.com

PROLOG: TEXAS – MY HAPPY PLACE (1993-2018)

„WO fliegst du hin? Nach TEXAS???? Was willst du denn DA????”

Diese Frage hörte ich im Familien- und Freundeskreis in unterschiedlichen Variationen immer wieder, bevor im Winter 1993, genauer gesagt am 26.12.1993, ein unglaublich großer Traum in Erfüllung ging: meine erste Reise nach Amerika!

Sehnlichst davon geträumt im Teeniealter, sehnlichst erhofft und gewünscht nach dem Abi ‘80, jedoch nie verwirklicht bis zu jenem Weihnachten, das letztlich durch den Flug über den großen Teich mein Leben veränderte. Es sollte nämlich ein gut verpacktes, besonderes Geschenk beinhalten, von dem ich nichts ahnte. Welches mir aber bis heute geblieben ist.

Doch der Reihe nach: Geboren im Sommer 1960 in einer niedersächsischen Kleinstadt am Rande des Harzes, erlebte ich die typische Kindheit der so genannten „Baby-Boomer”.

Deren Eltern hatten den 2. Weltkrieg mit- und überlebt. Deutschland fing sich wieder, baute auf und freute sich nach Jahren der Ängste, des Elends und Kummers über ein beginnendes kleines und dann sich steigerndes Wirtschaftswunder, das in neuen Möbeln und Elektrogeräten, Tanzveranstaltungen, Bohnenkaffee (endlich!!) und der häufig zitierten Italienreise im „Käfer” gipfelte. Eine Reise in den Süden …! Zur Not tat‘s auch die „Vespa”, man genoss das Dolce Vita zwischen Pizza, Pasta, Zitronensorbet und Asti Spumante.

Nach den Zeiten der Unsicherheit entwickelte sich eine deutsche Recht- und Ordnungsgesellschaft, es wurde viel und fleißig gearbeitet. Von Kindern erwartete man eher Anpassung als Diskutierfreude. Ungehorsam war verpönt. Also war ich meistens brav.

Meinen Hang zu Abenteuern erlebte ich eher in Büchern. Glücklicherweise hatte ich das Talent, schnell lesen zu lernen. Und so fing ich schon früh an, die Helden und Heldinnen meiner Kindheit und Jugend in meiner Phantasie zu begleiten. Ich schlüpfte in ihre Geschichten und liebte es, mit ihnen gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen. Sie waren mutig, vorwitzig und trauten sich etwas zu.

Sie blieben neugierig, unternehmungslustig und voller Träume. Hindernisse, die es gab, wurden mit Herz und Hirn überwunden, am Ende stand stets das Happy End.

Meine unbändige Leselust hielt auch in der Oberstufenschulzeit an, auch wenn sie sich zum Bedauern meiner Eltern nur selten auf derzeitig angesagte Schulbücher bezog. Erste Berufspläne wurden geschmiedet und wieder verworfen. Alles schien möglich: Bibliothekarin, Diplomatin im Auswärtigen Amt, Schriftstellerin (wegen kürzester Familien-Kurzgeschichten, die ich im Grundschulalter bei den Großeltern liebend gern schrieb), ebenso Kriminalkommissarin. Ach, und ein Café auf Barbados hätte ich (aus damals aktuellem Anlass) auch gern eröffnet. Die Backleidenschaft ist mir übrigens bis heute geblieben, und wo immer ich Cupcakes entdecke, muss ich sie probieren. Um dann, falls möglich, eine Masterclass für’s Know How zu besuchen oder mir wenigstens mit einem Großeinkauf den Abflug aus Amerika zu versüßen. Auch die Firma Wilton mit ihren vielfältigen und oft phantasievollen Backaccessoires hat mich oft auf dem Rückflug begleitet. Der Zoll grinste, aber meine heimischen Küchenschränke sind dadurch bis heute bestens bestückt …

Doch zurück zur Oberstufe mit ihren neuen Verlockungen. Plötzlich war der heißersehnte Geburtstag da: Sweet Sixteen und ich erinnere mich genau, wie sich das Leben plötzlich zu öffnen schien in unglaublich verheißungsvolle Möglichkeiten. Es gab neben vielen kleinen Freiheiten, wie Bahn fahren in die nächst gelegene Großstadt mit Freundinnen, Feten und Diskobesuchen auch die erste Zigarette (Ernte 23, natürlich heimlich geraucht mit ziemlich schlechtem Gewissen und immer Pfefferminz dabei). Die erste große Liebe kam und ging, der Liebeskummer ebenso. In der Tanzstunde hatten wir „Benimm” zu lernen und freuten uns unbändig auf das erste große Fest in unserem jungen Leben – den Abschlussball – in der Hoffnung, den Abend ohne größere körperliche Blessuren zu überstehen.

Viele spannende Dinge „passierten” also zum ersten Mal und unter den meisten meiner Freundinnen und Klassenkameraden entwickelte ein spezielles Gefühl:

HALLO LEBEN, ICH BIN BEREIT FÜR DICH. LASS UNS PLÄNE SCHMIEDEN!!

Es fühlte sich an wie AHOI-Brausepulver im Herz und besaß jugendliche unbekümmerte Leichtigkeit. Und es rief uns zu: ALLES IST MÖGLICH!! Werdet volljährig, macht Abi und dann raus in die Welt!!

Und genau das wollten wir. HOTEL MAMA kam in unserem Plan nicht vor. Wir wollten Freiheit erleben und selbstbestimmt in Richtung Zukunft die Welt erobern. Auch ich konnte dieses Lebensgefühl stark in mir spüren, von daher war es aus heutiger Sicht nicht verwunderlich, dass ein Buch meinen Weg kreuzte, ausgeliehen von einer Mitschülerin (Danke Petra)!

Es hieß: HUMMELCHEN REIST NACH AMERIKA. Ein Buch, welches mich so in seinen Bann zog, dass ich fast das Abi hätte sausen lassen, um wie die Titelheldin nach Amerika zu gehen, dann dort zu heiraten und Amerikanerin zu werden. Das Amerika von damals versprach Freiheit und die Chance, mit Fleiß, Engagement und Kreativität erfolgreich zu werden.

Meine Eltern waren von den Spontanplänen ihrer eigentlich „vernünftigen Großen” überhaupt nicht begeistert. Und selbst das Ziel, statt im Englisch-Leistungskurs dann lieber „richtiges” Englisch zu lernen, konnte sie nicht wirklich überzeugen. Sie hielten Amerika für eine Laune, die sich schon wieder legt, „wenn das Kind seinen Weg gefunden hat … hier in Deutschland”. Am liebsten hätten sie das Buch konfisziert, merkten aber, wie sehr sich dessen Gedankengut schon so in meinem Kopf festgesetzt hatte, dass sich dieses Unterfangen als sinnlos herausgestellt hätte. Außerdem war das Buch nur geliehen.

So begnügte sich mein Vater mit der Aussage: „Solche Rosinen im Kopf – von mir hast du das nicht!!” Unglücklicherweise fiel der Satz meines Vaters mit leicht vorwurfsvollem Blick auf meine Mutter, die ebenso jegliche „Schuld” von sich wies und das absolut zu Recht. Meine Eltern haben mir viele positive Eigenschaften mitgegeben, das „Abenteuer- und Reise-Gen” aber gehörte definitiv nicht dazu. Die erlebten Kriegsgeschichten waren mit Sicherheit „Abenteuer” genug für ihr Leben.

In unserer Familiengeschichte fand sich niemand, dem ich mein „Ich-bin-so-gerne-unterwegs-Gen“ hätte zuordnen können. Alle waren ehrbare Bürger, gingen einer geregelten, häufig auch einer Beamtentätigkeit nach. Dem Horoskop nach soll‘s am Jupiter im Schützen liegen und damit der Lust am Suchen nach dem heiligen Gral, der blauen Blume. Das hört sich spannend und zumindest ein bisschen passend an.

Nach einem so richtig schwarzen Schaf in der Sippe suchte ich (leider) vergebens. Also schrieb ich in meiner Phantasie die „Amerika-Flausen” kurzerhand meiner verschollenen Urgroßmutter mütterlicherseits zu, taufte sie Agathe-Amalie und ließ sie um die Jahrhundertwende 1900 mit einem Schiff nach Amerika auswandern. Trotz intensiver Recherche ihre wahre Geschichte betreffend konnte mir keiner in der Verwandtschaft auch nur ansatzweise über ihren Verbleib Auskunft geben. Tatsache ist, dass sie ihre Tochter, meine Großmutter Käthe, als Halbwaise im Kinderheim zurück ließ. Ich hoffe, sie hatte einen guten Grund dafür.

Meine Eltern überzeugten mich währenddessen, das Gymnasium zu beenden, weil … „Mit dem Abi in der Tasche steht dir doch das Leben offen! Und du kannst überall dein Glück versuchen, du hast dann alle Möglichkeiten!”

Wie ich bereits erwähnte: Ich war brav und NATÜRLICH machte ich das Abitur. Die vielfältigen Möglichkeiten reduzierten sich allerdings aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge ziemlich fix. Für das Studium des Bibliothekswesens in Bayern war ich nicht bayerisch genug, für die heimische Polizei ohne Brille zu blind, tja und ob ich tropentauglich genug fürs Auswärtige Amt gewesen wäre, wollte ich erst gar nicht testen lassen.

Im Café auf Barbados hätte mich kaum jemand aus Deutschland besucht und meine Deutschnote im Abi verhieß auch erst mal keine erfolgversprechende Autorenkarriere. Leider! Nur Novalis-Gedichtinterpretationen gelangen mir ziemlich überzeugend, denn: „Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken.” Und auf mein Gehör konnte ich mich immer verlassen. Aber reichte das aus für die Schriftstellerei? Es erschien mir zu einseitig, zumal ich mit meinen Lyrik-Ausführungen lediglich meinen Deutschlehrer begeisterte. So löste sich ein Berufswunsch nach dem anderen in Wohlgefallen auf.

Und ich wurde langsam nervös. Der Traum vom Jahr in Amerika wurde überdeckt von der intensiven Suche nach dem nun wirklich RICHTIGEN Beruf und der Frage: Wie geht‘s jetzt weiter?

Einmal mehr entpuppte sich mein Vater als richtungsweisend. Beim sonntäglich gemeinsamen Frühstück und Gesprächen über die Zukunft der Tochter hörte ich ihn plötzlich sagen: „Werd‘ doch Lehrerin! Du kannst gut mit Kindern, die Pädagogische Hochschule ist sozusagen gleich um die Ecke, da kannst du hier weiter wohnen und als Beamtin weißt du: Dein Geld kommt. Die Ferien auch.”

In dem Moment damals fing sich alles in meinem Kopf an zu drehen und ehrlich gesagt, nicht aus purer Freude über diesen väterlichen Gedankenblitz.

Mir fielen meine eigenen Lehrer ein, nicht immer eine Zierde ihres Berufsstandes. Selten hatten sie damals ein aufmunterndes Wort, eher schienen sich einige zu freuen, wenn nicht alles gelang. Manchmal führten sie die Schüler richtig vor, was zum einen zu Gelächter innerhalb der Klasse und zu roten Köpfen samt demoralisiertem Selbstbewusstsein bei den Betroffenen führte. Lehrer warfen mit nassen Schwämmen und mit Schlüsselbunden, manche liebten Scherze auf Kosten der Schüler oder ganzer Gruppen („Mädchen gehören an den Kochtopf und nicht in den Physikunterricht”). Kurzum, die Schulzeit in den Siebzigern lief nach dem Motto: „Was uns nicht umbringt, macht uns härter.” Wenn man da nicht mit einem robusten Naturell und am besten einem stabilen Selbstvertrauen ausgestattet war, plagte man sich doch ziemlich. Auch entspannte Eltern waren eindeutig von Vorteil …

Gleichzeitig lief eine in Bruchteilen von Sekunden durchgeführte wenig verheißungsvolle Selbstreflexion: ICH soll Lehrerin werden? Kann ich das? Will ich das?? Ich muss dann vor einer Klasse stehen, den Ton angeben, Grenzen setzen, die Vorturnerin sein. Bestimmen. Regeln festlegen. Mich zeigen. MICH ZEIGEN???

Ganz schwieriges Thema. In den Gymnasialschuljahren meldete ich mich nur, wenn ich mir meiner Antwort hundertprozentig sicher war. Ansonsten blieb ich im Hintergrund, war zurückhaltend und oft froh, übersehen zu werden. Vor der Klasse etwas vorzustellen, Referate zu halten oder mich zu präsentieren, war immer angstbesetzt und ich entspannte mich erst, wenn bei solchen Aufgaben andere Namen aufgerufen wurden.

Trotzdem, durch die Äußerung meines Vaters „Werd’ doch Lehrerin” war die Idee auf einmal in der Welt und dort blieb sie auch. Sie begann in meinem Kopf zu schwirren und ich fing an, mich mit ihr zu beschäftigen. Es bedeutete leider auch, dass mein Traum vom Jahr in Amerika zunehmend in den Hintergrund rückte. Die Pädagogische Hochschule war greifbar und fünf Autominuten entfernt, Amerika nicht. Das Studium bedeutete konventionelle Sicherheit, Amerika nicht. Die finanzielle Situation meiner Eltern erlaubte Studieren mit Wohnen daheim, Amerika nicht. Meine eigenen Unsicherheiten und Ängste ließen eher „die Lehrerin” zu, Amerika nicht. Und so verabschiedete sich mein Amerikatraum nach letztem Aufbegehren still und leise ins Unterbewusstsein, wo er zwar präsent blieb, es mich aber nicht merken ließ. Er schlummerte dort etliche Jahre in der Hoffnung, sich eines Tages doch zeigen zu dürfen.

Währenddessen startete ich mein Lehramtsstudium an der nahen Pädagogischen Hochschule, die sich zügig bemühte, eine richtige Uni zu werden und das letztendlich erfolgreich. Während der ersten Semester Grund- und Hauptschulpädagogik zeichnete sich – bedingt durch die schwierige finanzielle Lage Niedersachsens – ein Einstellungsstopp für Lehrer ab. Also tagte der Familienrat erneut, wenn auch ohne Ergebnis. Rettung nahte in Form einer Nachbarin, ihres Zeichens Lehrerin an einer Sprachheilschule. Sie erzählte mir von ihrer Tätigkeit, ich ihr von meinen Befürchtungen. Erneut fiel ein Satz, den ich in abgewandelter Form schon kannte: „Werd’ doch Sonderschullehrerin! Hier werden noch Leute gebraucht.” Während der Teil meiner pädagogischen Verwandtschaft entsetzt reagierte („Sonderschule? Da werfen sie mit Leberwurstbroten, tu dir das nicht an!!!”), hatte ich mehr Sorge bezüglich eventuell drohender Arbeitslosigkeit.

Die Frage „weiter Lehrerin oder was?“ stellte sich glücklicherweise nicht. Mittlerweile hatte ich die ersten Unterrichtserfahrungen lebend und sogar erfolgreich überstanden, mir gefiel das Unterrichten und besonders der gute Draht zu meinen Schülern, also ließ ich mich von jener Sonderschul-Nachbarin zu einer Hospitation in ihre Klasse einladen.

Zur Beruhigung aller kann ich bestätigen, dass keine Leberwurstbrote im Unterricht umherflogen. Auch keine Käsebrote. Es flog überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil:

Es lief ein toller Unterricht, schülerzentriert, handlungsorientiert und in harmonischer Atmosphäre. Es gab Zeit und die Möglichkeit der intensiven Unterstützung für die Schüler, die alle auf spezielle Weise Sprachprobleme hatten. In der kleinen Klasse wurden die Schüler gesehen und auf jeden konnte man Rücksicht nehmen. Selbst im Kollegium, ähnlich klein, herrschte eine durchaus familiäre Atmosphäre.

Kurz gesagt, ich fühlte mich am richtigen Platz und die Entscheidung, von Grundschul- auf Sonderschullehramt zu wechseln, fiel entgegen meiner sonstigen Gewohnheit leicht und schnell. Von der kleinen Uni ging es jetzt nochmal fünf Semester auf eine große mit all ihren Vor- und Nachteilen. Dann war es geschafft, ich hielt das Zeugnis des ersten Staatsexamens in den Händen und durfte weiter ins Referendariat. Auch hier war mir das Glück hold, ich bewarb mich dafür an eben jener kleinen Schule meiner Nachbarin und wurde genommen. Nach eineinhalb Jahren hieß es auch hier: alles perfekt, Prüfung bestanden.

Ich war tatsächlich staatsexaminierte Förderschullehrerin. Und nun auf der Suche nach meiner ersten Vollzeitstelle. Wie ich bereits erwähnte, waren die Zeiten dafür anders als heute ziemlich ungünstig. In den niedersächsischen Landeskassen herrschte Ebbe und plötzlich hieß es: Einstellungsstopp für Lehrer. Damit hatte nun keiner gerechnet, weder die frischgebackene und hochmotivierte Sonderschullehrerin noch ihre Eltern. Guter Rat war teuer, ich mittlerweile Mitte Zwanzig und wieder einmal bereit fürs Leben, in diesem Fall fürs Arbeitsleben.

Doch man ließ mich nicht. Ich unternahm alles Mögliche und reiste quer durch die Republik; ich fuhr bis nach Bayern, um eine Stelle zu ergattern, leider ohne Erfolg. Selbst die daheim oft zitierte Hallig (Vater: „Sollte dir die Hallig Hooge eine Stelle anbieten, gehst du dorthin, da gibt es kein Vertun!“) bot keinen Arbeitsplatz. Allerdings existierte dort auch keine Sonderschule, die mich hätte einstellen können. Heute gibt es dort nur acht Schüler, wie mir eine Freundin erzählte, die unlängst vier Wochen dort verbrachte. Aber ein ehemaliger Sonderschullehrer war dort immerhin bis Sommer 2018 Bürgermeister. Wer weiß, welche Karriere mir auf dem Eiland vielleicht beschieden worden wäre, wenn es mich denn dorthin verschlagen hätte.

Nein, das Schicksal verweigerte mir auch die Hallig. Es hatte anderes mit mir vor und erwartete als erstes mal Geduld von mir und besonders auch von meiner Mutter. Der Druck, ihre Älteste trotz bestem Examen ohne Stelle zu sehen, lastete schwer auf ihr. Wenn sie ihn dann in dunklen Stunden an mich weitergab, musste ich manchmal davor fliehen und ausweichen, um nicht selbst in Verzweiflung zu verfallen. Natürlich jobbte ich in Behörden und Geschäften, aber die heißersehnte Lehrerstelle wollte sich einfach nicht zeigen. Und mein 30. Geburtstag rückte bedrohlich näher.

In dieser Zeit wurde die Bowlingbahn zu meinem Trostort. Hier konnte ich erfolgreich sein! Die schwere Kugel leicht aufsetzen, die Pins genau ins Visier nehmen und mit entsprechendem Drive den Strike hinbekommen. Mit meinem Team gewann ich die interne Hausliga, in der gleichen Saison auch den Pokal als „Beste Dame”. Immerhin etwas zur Ablenkung, aber eine Stelle hatte ich trotzdem nicht.

Ich durchforstete weiterhin Stellenanzeigen in der örtlichen Presse, las das Schulverwaltungsblatt und stolperte dort eines Tages über ein Stellenangebot: „Deutsche Lehrer/innen für Schulen in Texas, USA gesucht”. Das hörte sich sehr spannend an, klang nach ein bisschen Abenteuer, nach Aufbruch in mein eigenes Leben. Das „Hummelchen-Buch” fiel mir wieder ein und damit mein Traum von Amerika. Ich überlegte, mich zu bewerben.

Allerdings beging ich den Fehler, mehreren Freunden, Freundinnen und der geneigten Verwandtschaft davon zu erzählen, in der Hoffnung, ermutigt zu werden. Leider war das Gegenteil der Fall. Sie wollten mich nicht gern ziehen lassen und im besten Fall hieß es: „Was willst du denn da? Da gibt‘s nur braunes Land und Cowboys. Viiel zu gefährlich!!! Bleib lieber hier!”

Nun darf geraten werden, was passierte: richtig, nämlich nichts. Ich bekam Angst vor meiner eigenen Courage und traute mir wieder einmal nicht zu, mein Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Das Einzige, was ich nahm, war – mit leisem Bedauern – Abstand von der Bewerbung. Und der Traum von Amerika versickerte langsam aber sicher wieder einmal im Untergrund.

Dank vieler weiterer Bemühungen um eine Stelle und der Tatsache, dass so ein Lehrer-Einstellungsstopp auch große Nachteile mit sich bringen kann, nämlich die schon damals zum Teil mangelnde Unterrichtsversorgung an etlichen Schulen noch zu verschärfen, wurden von der Regierung sogenannte Feuerwehrstellen geschaffen und besetzt. Diese befristeten Arbeitsplätze in den Schulen waren damals heiß begehrt, ging man damit dann doch einer geregelten Tätigkeit nach und wurde bezahlt, wenn auch deutlich schlechter als die verbeamteten Kollegen. Und das Feuerwehrprinzip war – wie schon der Name sagt – auch nicht immer erbaulich. Es bedeutete, an irgendeiner Schule, die den dringendsten Bedarf angemeldet hatte, eingesetzt zu werden. Diese Verträge starteten sehr kurzfristig, liefen oft nur über ein paar Monate und das Erreichen der Schulen war meist mit längeren Fahrzeiten verbunden. Trotzdem jubilierte ich, als endlich so ein Vertretungsvertrag in meinem Briefkasten landete und tatsächlich ein zweiter hinterher.

Eine feste Stelle zogen auch diese ersten Unterrichtszeiten nicht nach sich, aber wenigstens die Aussicht auf eine Planstelle im äußersten Norden von Norddeutschland. Doch zu früh gefreut! Der dortige Personalrat sorgte sich, dass ich als nicht so richtiges Nordlicht ihre heiligen Hallen vielleicht nicht richtig zu schätzen wüsste und – nach erfolgter Verbeamtung – zügig die Flucht Richtung Heimat eintreten würde. Er legte sein Veto ein und meine Enttäuschung war riesig, zumal es eine Grundschul-Studienfreundin auch in dortige Gefilde verschlagen hatte. Wir schmiedeten bereits Pläne, sie suchte auch schon nach einer Wohnung für mich und nun hieß es wieder: „April, April, es klappt nicht.“

Wäre ich nicht so frustriert gewesen, sondern hätte darauf vertrauen können, dass dies alles einen Sinn hat, wäre es mir sicher insgesamt besser gegangen. Getreu dem Ausspruch von SØren Kierkegaard: „Leben kann man nur vorwärts, das Leben verstehen nur rückwärts” sind mir aus heutiger Sicht manche Entwicklungen klar. Damals aber nicht, ich steckte einfach fest. Murphys Gesetz folgend ging ziemlich zeitgleich dann auch meine mehrjährige Partnerschaft in die Brüche, da hätte mir ein Ortswechsel gut getan. Aber nein, es schien nicht vorgesehen. Ich musste dort noch ein weiteres Weilchen ohne große Perspektive ausharren.

Eine gefühlte Ewigkeit später, nach circa einem halben Jahr, wurde der Einstellungsstopp aufgehoben und ein Dezernent auf mich aufmerksam, der wenige, aber immerhin ein paar Planstellen zu vergeben hatte. Er lud mich zum Einstellungsgespräch, welches eine Zigarettenlänge (eine lange EVE) dauerte, und auch er steckte sich eine an (ja, so etwas war zu der Zeit noch möglich …). Nach Überprüfung meiner fachlichen Kompetenz verriet er, dass zwei Orte im Weserbergland zur Debatte stünden und entließ mich mit den hoffnungsvollen Worten: „Sie hören von mir!” Ich konnte meine Neugier nicht bremsen, schaute mir beide Orte an. Einer kristallisierte sich heraus, der mir gefiel. Aber – bin ich ehrlich – den anderen hätte ich auch nicht abgelehnt.

So nahm denn das Schicksal an einem trüben Januarmorgen seinen Lauf, als tatsächlich mein Telefon klingelte, jener Dezernent einen guten Morgen wünschte und mir die sprichwörtlich frohe Botschaft der Planstelle im favorisierten Städtchen Hameln überbrachte. Ich hätte ihn küssen können vor lauter Glückseligkeit und brüllte das auch laut in den Hörer. Er lachte hörbar, nahm Anteil, freute sich mit mir und wurde dann wieder sachlich. Alles andere wäre seiner Karriere auch sicherlich nicht zuträglich gewesen. Aber Herz bewies er in dieser Situation, ich bin ihm bis heute dankbar dafür, obwohl ich noch nicht einmal weiß, ob er noch lebt.

Im Februar ‘90, am Tag der Zeugnisausgabe, trat ich offiziell meinen Dienst an als Sonderschullehrerin z. A. Ganz neu war mir das Gebäude nicht, während der Ausbildung hatte es auch dort die ein oder andere Hospitationspflicht gegeben. Übrigens hörte ich das Schicksal hörbar kichern, als meine oben erwähnte Studienfreundin, deren Heimatort Hameln war, nach Ende ihres Referendariats aus dem hohen Norden abberufen wurde, um in HAMELN, ja, Sie lesen richtig, ihre erste Stelle anzutreten. So waren wir dann hier wieder vereint und ich dem nordischen Personalrat für sein Veto im Nachhinein doch sehr verbunden!

Mein neues Kollegium erwies sich als eine feierfröhliche sympathische Truppe, der das Wohl ihrer Schüler sehr am Herzen lag. Ich wurde in allem unterstützt und übernahm nach den Sommerferien meine erste eigene 3. Klasse. Es war herrlich, jetzt Klassenlehrerin zu sein und die Kinder auf einem Teil ihres Weges, der oft nicht einfach war, zu begleiten. Meine Klasse wuchs mir schnell ans Herz, es blieb Zeit, sich um jeden Einzelnen zu kümmern, ihn zu motivieren und Fortschritte zu beobachten. Oft mangelte es den Kindern an Selbstbewusstsein, auch wenn sich einige zeitweise provozierend benahmen. Sie waren in ihrem jungen Leben häufig schon Erlebnissen ausgesetzt gewesen, um die man sie nicht beneidete.

Im geschützten Rahmen der Sonderschule (die inzwischen Förderschule heißt und durch die sogenannte Inklusion verdrängt bzw. abgelöst wird) gab es die Möglichkeit, sie zumindest ein wenig Selbstwert und auch Selbstvertrauen aufbauen zu lassen. Nach all dem Scheitern, den Misserfolgen und der Versagerrolle gab es hier die Chance, Klassenbester zu werden oder wenigstens Rechenkönig. Natürlich haben es nicht alle geschafft, aber viele.

Mittlerweile hatte ich mich also sowohl in der Schule als auch im Städtchen gut eingelebt. Im Mai fand ich eine große bezahlbare Wohnung in der Nähe der Schule und zog um. Mein Vermieter erwies sich als warmherzig und großzügig. Wir mochten uns auf Anhieb und blieben uns bis zu seinem Tod recht verbunden.

Mit einigen Kollegen hatten sich auch private Kontakte entwickelt, einen davon heiratete ich einige Jahre später. Und mit ihm kam Amerika tatsächlich erneut in mein Leben – nur gänzlich anders, als ich es mir in meinen Teenieträumen ausgemalt hatte.

Der reiselustige Ehemann war und ist bis heute ein Globetrotter, wie er im Buche steht. Mit 21 das erste Mal als Austauschstudent in den USA ließ auch ihn das Land nicht mehr los. Er war es, der mich neugierig machte auf die Welt da draußen, auf exotische klingende Orte, wo ich bisher nur kleinste Reisen innerhalb Deutschlands und Europas unternommen hatte. Er war es, der mich mitnahm auf Reisen rund um den Globus, erst mal anhand phantastischer Fotos, für die er es auf sich nahm, neben dem Gepäck zusätzlich eine 5 Kilo schwere Fototasche mitzunehmen. Und er war es, der mir von seinem texanischen Freund erzählte, den er wieder mal gerne besuchen wollte. Irgendetwas triggerte mich an und diesmal, in verlässlicher Begleitung, war ich bereit, mich auf das Abenteuer Amerika einzulassen.

„In den Weihnachtsferien geht‘s nach Texas!!” Himmel, war ich aufgeregt!! Die Vorfreude, das Kofferpacken, das Gefühl von Abenteuer – es war wirklich etwas Besonderes.

Dabei war Amerika zu diesem Zeitpunkt nicht meine erste Fernreise. Im Jahr zuvor hatte Indien als mein Reisewunsch auf dem Programm gestanden – vier Wochen mit komplett neuer Kultur, größter Hitze und meinem verzweifelten Versuch, in Neu Delhi die vermeintliche Fußgängerzone auszumachen. Jeder, der Indien schon mal bereist hat, wird leise kichern oder laut lachen ob meiner Unbefangenheit. Ich aber stellte mir vor, dass eine Hauptstadt, welchen Landes auch immer, eine Fußgängerzone bereithält für seine Gäste. Indien hielt viel bereit – Unglaubliches, Schräges, Ungewöhnliches, Buntes, Faszinierendes, Traumhaftes, auch Bestürzendes, aber westlich orientierte Shoppingmalls oder die oben erwähnte Fußgängerzone waren nicht darunter.

Stattdessen war Indien ein guter Lehrmeister in Sachen Geduld, Dankbarkeit und Mut. Und es hatte etwas gemeinsam mit Texas: Es polarisiert!

Darüber hatte ich mir zum damaligen Zeitpunkt noch keine Gedanken gemacht. Diese Erkenntnis kam mir auch erst später. Für mich bediente Indien zunächst einmal mein Faible für ungewöhnlich Unkonventionelles. Von dem ich damals genauso wenig wusste, dass ich es habe. Niemand aus meiner Familie hatte je das Bedürfnis, Indien zu erkunden. Und um ehrlich zu sein, war ich auch nicht mehr komplett mit meiner Reiseentscheidung einverstanden, als es dann wirklich losging. Der reiselustige Ehemann hibbelte vor Freude, während ich im Flughafen stand und dachte: „Warum fährst du nicht wie alle gemütlich an die Nordsee? Aber nein, du musst ja nach Indien.”