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Heimat-Heidi
– 30 –

Geli hat sich entschieden

Ein Irrtum des Herzens?

Stefanie Valentin

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74090-682-5

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»Hat die Roswitha endlich gesagt, was Sie als Hochzeitsmenü für die Geli haben will? Es sind mal grad’ noch drei Wochen, da gibt’s kein Hinauszögern mehr.« Luise sah ihre Schwiegertochter fragend an.

»So war die Roswitha schon immer«, antwortete die Heidi, »mal so und mal so. Gleich auf Anhieb paßte ihr nie was, immer wieder hat sie in letzter Minute alles umgeschmissen.«

Luise schüttelte den Kopf. »Eine schöne Verwandtschaft hast du. Wie seid ihr eigentlich genau miteinander verwandt?«

»Sie ist eine Cousine zweiten Grades«, antwortete Heidi. »Mein Großvater und ihre Großmutter waren Geschwister.«

»Die Geli ist ja wirklich ein nettes Madel«, sagte Luise, »und daß grad’ sie den Grundner-Max kriegt, freut mich für sie.«

»Wieso? Ist der Max in deinen Augen eine solch gute Partie?« Heidi sah ihre Schwiegermutter fragend an.

Die zuckte mit den Schultern. »Wie er menschlich ist, da kann ich nix gegen oder für ihn sagen, weil ich ihn einfach zu wenig kenn’. Aber er ist doch eine erstklassige Partie, wenn man sieht, was er mal erben wird. Seinem Onkel gehört die Sägemühl’ in Fischen, und auch sonst wird dem Buben mal ein großes Vermögen gehören.«

Heidi nickte. »Schon, das sagt aber nix über seine menschliche Qualitäten aus.«

»Du sagst das so, als wenn du mehr über ihn und das, was man seinen Charakter nennt, wüßtest?« Luise sah ihre Schwiegertochter fragend an.

Die wiegelte den Kopf. »Wissen würd’ ich es net nennen.«

»Aha…!«

»Ich hab’ den Max mal erlebt«, berichtete Heidi, »auf der Fuxen-Alm war’s. Da war er mit einigen Spezln und da ist er sehr großspurig, um net zu sagen großmäulig aufgetreten.«

»Oha.« Luise verzog das Gesicht. »Sollte sich die Geli haben blenden lassen? Ein großes Vermögen macht schon mal das netteste Madel schwach.«

Heidi zuckte mit den Schultern. »Möglich wär’s schon. Vor allem, wo die Roswitha garantiert ständig auf das arme Hascherl eingeredet hat.«

»Hat sie das?«

»Da bin ich sicher«, erwiderte Heidi. »Der Roswitha geht der Schein über alles. Sie will bei den anderen gut dastehen.«

»Zapperlot noch einmal«, Luise lächelte dünn, »du läßt an deiner Verwandtschaft, auch wenn’s nur eine Cousine zweiten Grades ist, kein gutes Haar net.«

»Die Roswitha und ich, wir sind nie gute Freundinnen gewesen«, antwortete Heidi, »zu unterschiedlich waren unsere Interessenlagen.«

»Und trotzdem will sie die Hochzeit ihrer einzigen Tochter da bei uns feiern…?« Luise sah erstaunt drein.

»Sie weiß von deinen Kochkünsten«, erwiderte Heidi, »und es ist inzwischen offenbar schick, auf dem Land zu feiern, und wir genießen da, ohne übertreiben zu wollen, einen gewissen Ruf.«

Luise lachte. »Na ja, den wollen wir uns auch erhalten. Und wenn deine nachgeordnete Cousine sich net bald meldet, um mit mir

die Menüfolge durchzusprechen, dann werd’ ich auftischen, was ich will oder sie müssen sich was anderes suchen. Ich hoffe, daß ist so in deinem Sinn?«

»Du darfst der Roswitha deinen Standpunkt darlegen«, erwiderte Heidi, »und wenn du es für geboten hältst, dann darfst auch deine Meinung sagen.«

»Das tät’ ich sowieso«, murmelte Luise, dann zeigte sie aus dem Fenster. »Heut’ ist Dienstag und damit Ruhetag, wer verirrt sich denn grad’ heut’ hierher?«

»Wir werden es gleich wissen«, antwortete Heidi.

Auf den Parkplatz war ein Kleinwagen gefahren, dessen Fahrer jedoch nicht ausstieg.

»Es wird sich wohl wer verfahren haben«, sagte Luise, »jetzt sitzt er in seinem Wagen und studiert die Karte.«

»Ich glaub’ net, daß sich jemand verfahren hat«, erwiderte Heidi.

»Und wieso?«

»Weil ich den Wagen kenn’.«

»Aha, und wem gehört der?«

»Wenn mich net alles täuscht, der Geli.«

»Unserer Geli?« fragte Luise. »Ich meine, dem Madel, das da bei uns in drei Wochen seine Hochzeit feiern will?«

Heidi nickte. »So ist es. Aber wieso kommt sie net herein? Ich tipp’ mal, daß sie was hat.«

»Wie meinst du, daß sie was hat?«

»Es stimmt was net mit ihr«, antwortete Heidi. »Und es muß was Schwerwiegendes sein. Die Geli ist kein Madel, das an einem Frosch im Hals erstickt.«

»Dann geh hinaus und schau nach«, schlug Luise vor. »Net, daß sie sich net hereintraut.«

»Sie wird sich schon trauen«, murmelte Heidi, »man muß da ein bissel mit Fingerspitzengefühl hantieren. Net, daß sie sich überrumpelt fühlt. Überrumpelt fühlen wird sie sich bei ihrer Mutter oft genug.«

»Da, schau, sie steigt aus«, sagte Luise, die am Fenster stehengeblieben war. »Tatsächlich, es ist die Geli.«

»Sie schaut net gut aus«, sagte Heidi, die inzwischen wieder neben Luise stand.

»Sie kommt her zu uns«, sagte Luise, »aufschließen wirst aber müssen, schließlich ist Ruhetag.«

Heidi nickte, nahm den Schlüssel vom Haken und ging zur Tür. »Ich verschwind’ mal zu mir nach oben, wenn’s recht ist«, sagte sie im Hinausgehen, »das nur, daß du net wartest.«

»Ist schon recht«, erwiderte Luise, »nachher kommst eh und suchst Rat.«

Heidi lachte. »Ja, das kann schon sein...!«

*

Geli Tauber war ein ausnehmend hübsches Mädchen mit braunen Haaren, wunderschönen Augen und einem sehr lieben, schmalen Gesicht. Ihre Haare trug sie oft hochgesteckt, dann wieder zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, was sie noch jünger als dreiundzwanzig erscheinen ließ, so alt war sie nämlich in der vergangenen Woche geworden.

Geli lebte mit ihrer Mutter in einem kleinen Haus, das ihr Vater, der Kommunalbeamter in Oberstdorf gewesen war, gebaut hatte. Nicht viel später war er dann ganz plötzlich verstorben, und Roswitha Tauber, sie war schon damals im Fremdenverkehrsverband des Oberallgäus beschäftigt gewesen, hatte allein für alles aufkommen müssen.

Zuerst hatte Roswitha, es war nun zehn Jahre her, nicht gewußt, wie es weitergehen sollte, doch dann hatte sie die Not zur Tugend gemacht und sich der Aufgabe gestellt. Es hatte auch noch den einen oder anderen Mann in ihrem Leben gegeben, aber eine dauerhafte Beziehung war sie nicht mehr eingegangen.

Roswitha hatte schon als Mädchen und dann später als

Teenager stets die Nase hoch getragen, was nichts anderes heißt, als daß sie versucht hatte, sich über die anderen zu stellen. Sie hatte immer die angesehensten Freundinnen, sie saß in der Schule neben dem Mädchen, das gerade am ehesten in war, und später hatte sie jene Burschen um sich geschart, deren Väter einflußreich waren.

Daß sie schließlich Ludwig Tauber geheiratet hatte, lag daran, daß sie sich in ihn verliebte. Sie sträubte sich zwar dagegen, schließlich waren ihre Gefühle jedoch stärker und sie heiratete ihn, letztendlich vielleicht auch deshalb, weil Geli unterwegs war.

Daß sie an der Seite ihres Mannes ein eher bescheidenes Leben führen mußte, schien sie all die Jahre nicht zu stören. Als er aber plötzlich starb, tat sie jedoch alles für ihre Tochter, und sie versuchte, Geli das zukommen zu lassen, was das Leben, so meinte sie, ihr verweigert hatte.

Roswitha hatte Geli schon früher zu beeinflussen versucht, wen diese als Freundin akzeptieren sollte, auch welches Mädchen bei Klassenfahrten mit Geli das Zimmer teilte, bestimmte ihre Mutter, und als Geli schließlich in dem passenden Alter war, da lancierte sie jene Burschen an Gelis Seite, die ihr adäquat erschienen.

Ihr erklärter Favorit war von Anfang an Max Grundner. Der gab sich überall locker, war bei vielen gut angesehen, und er würde einmal über ein beträchtliches Vermögen verfügen, was sein Onkel für ihn bereithielt, denn der hatte keine Kinder.

Roswitha gelang es dann schließlich, ihre Tochter Geli dem Grundner-Max nicht nur vorzustellen, sondern ihm quasi symbolisch die Verantwortung für ihre Tochter zu überlassen.

»Wenn du bei der Geli bist«, hatte sie einmal zu ihm gesagt, »dann fürcht’ ich net, daß ihr was zustößt.«

Der Max war ein netter Bursche, aber nicht gerade mit sehr viel Intellekt ausgestattet, so daß er nicht merkte, was die Roswitha im Sinn hatte.

Irgendwann hielt er sich dann für Gelis Burschen und die Geli hatte sich, so schien es zumindest, auch mit ihrem Schicksal abgefunden.

Als der Max sie einmal mit nach Hause nahm, er wohnte im Haus seines Onkels, da unterzog der sie einer gründlichen Inspektion. Er stellte allerhand Fragen, vor allem, wer sie war und warum ihre Mutter nach dem Tod ihres Vaters nicht wieder geheiratet habe.

»Da müssen S’ meine Mutter schon selbst fragen«, hatte Geli ein wenig patzig geantwortet, »wahrscheinlich, weil sie es ohne Mann auch geschafft hat.«

Der Onkel hatte weiter nichts dazu gesagt, doch er war mit der Wahl seines Neffen einverstanden gewesen. Danach behandelte er die Geli ausgesprochen freundlich und im Laufe des knappen Jahres, als die beiden als Paar galten, gestaltete sich Gelis Beziehung

zum Onkel sogar ausgesprochen freundschaftlich.

Vor zweieinhalb Monaten dann hatte Onkel Ludwig zum ersten Mal Roswitha eingeladen, und bei ihrem Besuch hatte er vorgeschlagen, daß sein Neffe Max und die Geli heiraten sollten.

Da war Roswitha am Ziel ihrer Träume gewesen. Allein, wenn sie sich umsah, und ahnte, wie der Onkel lebte, all das hatte sie sich als junges Mädchen schon für sich erträumt, aber nicht verwirklichen können.

Roswitha hatte genickt und gemeint, wenn Geli und Max das genauso sehen, dann sollte der Max bei ihr um Gelis Hand anhalten.

Onkel Ludwig hatte gegrinst. »Da bist ganz und gar altmodisch, oder?«

Roswitha hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

»Ja«, sagte sie, »wenn du es so nennen magst. Aber ich nenn’ es nicht altmodisch. Das Gegenteil wär’ dann neumodisch. Müßt’ dann die Geli bei mir um Max’ Hand anhalten?«

Es hatte einen Augenblick gedauert, dann war Ludwig Grundner aufgestanden und hatte einen hausgebrannten Hochprozentigen geholt.

»Der paßt zu dir«, hatte er gesagt, »ich hab’ zuerst meine Zweifel gehabt, deinetwegen und der Geli wegen auch. Aber ich hab’ mich belehren lassen. Du hast heut’ meine letzten Zweifel zerstreut. Du hast es net einfach gehabt, seit dein Mann vor zehn Jahren so plötzlich verstorben ist. Man hat dich jedoch nie klagen hören, und das gefällt mir.«

Eine Woche später war der Max bei Roswitha erschienen. Im Trachtenanzug und mit zwei Blumensträußen. Einen gab er Geli, den anderen Roswitha. Dann hielt er bei ihr um Gelis Hand an.

Roswitha hatte ihn Platz nehmen lassen und dann darlegen lassen, wie er der Geli mal ein angenehmes Leben bieten wolle.

Max hatte mit den Schultern gezuckt und gemeint, er erbe mal alles vom Onkel.

»Ist das so festgelegt?« hatte Roswitha wissen wollen.

Max hatte genickt. »Schon seit Vaters Zeiten. Der hat damals einen Erbvertrag mit dem Onkel gemacht. Daß ich mal alles erben werd, das steht fest.«

Das war die Auskunft gewesen, die die Roswitha haben wollte. Nach einigem Hin und Her, was sie aber nur zum Schein veranstaltet hatte, hatte sie schließlich eingewilligt, daß Geli den Max heiratete.

»Den Termin«, hatte Max gesagt, bevor er gegangen war, »den mußt’ mit dem Onkel ausmachen, da legt er großen Wert drauf.«