Christoph Nesgen, Jahrgang 1965, hat Bankkaufmann gelernt und Psychologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften studiert. Als Managementtrainer und Unternehmensberater arbeitet er für internationale Konzerne und war bisher in mehr als dreißig Ländern beruflich tätig. Darunter sind Länder wie Iran, Indien, Sudan, China oder Südafrika. Der Kontakt mit unterschiedlichen Kulturen und deren Menschen haben ihn stark geprägt.
Christoph Nesgen hat drei Kinder und ein Enkelkind, und er bemüht sich, ein begehrenswerter Lebensgefährte zu sein, der an guten Tagen Orientierung, Halt und Zuversicht versprüht. Daneben versucht er sich die Leichtigkeit und den Humor zu bewahren, Sinn und Unsinn ungefragt von sich zu geben und nach Möglichkeit nichts davon zurückzunehmen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2017 Nesgen, Christoph
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7431-8621-7
Seit der letzten Veröffentlichung, buchstäblich ungereimtheiten, sind wieder ein paar Jahre ins Land gezogen. Was ist seitdem passiert? Auf der einen Seite scheint sich die Erde schneller zu drehen, was sich darin zeigt, dass sich zum Atemholen kaum jemand Zeit nimmt. Auf der anderen Seite konfrontieren wir uns insgesamt auf einmal mit Themen, die gesellschaftlich schon lange als überwunden galten.
Dafür sind regelmäßige Windows- oder iOS-Updates auf einmal völlig normal. Aber trotz aller persönlicher Betriebssysteme sind Papier und Stift zur Betrachtung der kleinen Feinheiten des Augenblicks weiterhin einfach nicht wegzudenken – wohlgesonnene Konstanten am Wegesrand des Weltenlaufs.
In den Texten zu den »reifegraden« haben mich die Widerhaken des Alltags wieder motiviert, Momentaufnahmen zwischen den Zeilen zu verorten. Dieses Mal mehr gereimt als sonst – ob die ungereimten Kanten langsam abgeschliffen sind? Nicht unbeeinflusst hat mich beim Montieren der Texte für dieses Buch, dass sich einige Parameter meines Lebens entscheidend verändert haben.
So schließt sich der Gedankenzyklus von auf der suche über die buchstäblich(en) ungereimtheiten bis hin zu den reifegraden.
Nachdenklich macht mich allerdings in mancher Nacht, in der ich schweißgebadet aufwache, dass die Galaveranstaltung »Leben«, die uns hier unten bis zum Letzten in Atem hält, leider endlich ist. Es ist fast zu schön auf unserer Scholle, um wahr zu sein. Insbesondere wenn der Blick in den Pass verrät, dass der Zenit langsam überschritten ist.
Daher genieße ich es bis auf weiteres, mit den ausgesprochenen und unausgesprochenen Gedankenfetzen täglich jonglieren zu dürfen. Und diese auch weiter zum Besten zu geben.
Eitorf, November 2016
Christoph Nesgen
Die Ouvertüre ist der kompositorische Teil, der zur Eröffnung oder als Auftakt dient. Die Ouvertüre wird gewissermaßen bei geschlossenem Vorhang gespielt. Der Leser wird mit dem Grundtenor des zu Erwartenden vertraut gemacht und kommt in Kontakt mit besonderen Charakterzügen der Dichtung.
Ein Kaltstart, der nach dem Öffnen des Buchdeckels hoffentlich neugierig macht. Ein leichtes Geplänkel in der Buchstabensuppe.
ich mag die abendmaschinen
nach txl
wenn müde manager
ihre meeting-gewaschenen köpfe
in die lehnen pressen
der flieger halbvoll
melancholie in fünfundvierzig minuten
endlich zeit zwischen
tomatensaft – mit salz und pfeffer?
und
kaffee – mit zucker und milch?
den engen rock
der stewardess
gespannt
zu betrachten
die passagiere dösen
das klicken der
laptoptasten
klavierkonzertartig – saitenlos
… die obligatorische linkskurve
im landeanflug auf txl
schon setzen wir auf
vorbei ist der rausch
weißt du
wie viel sternlein stehen?
weißt du
wie viel ungeschehen
zieht vorbei an meiner hand?
weißt du
wie viel uhren gehen
nach und nach so mit der zeit?
weißt du
wie viel tage drehen
kreise im vorübergehen?
weißt du
wie viel augen sehen
heute trübe schon ins leere?
weißt du
wie viel ohren hören
doch kein rauschen rauer meere?
weißt du
wie viel doch trotz allem schon
zu viel sein kann?
bad hersfeld im regen
am ende der westlichen republik
bad hersfeld im regen
zeichen der zeit als replik
die grenze fiel leise
die mauer kracht laut
das leben zu billig
die straße kost’ maut
der regen tropft leise
auf nackte haut
bad hersfeld im regen
ist nicht mal mehr laut
Die Exposition stellt das Hauptmaterial des thematischen Siedepunktes vor. Würde man die strengen Regeln einer Komposition anwenden, so gliederte sich besagtes thematisches Material in Hauptthema, Überleitung und Seitenthemen, die sich im Schlussakkord zusammenfinden. Es mag dem Leser überlassen sein, die Grundtonart für sich zu akzeptieren und die verborgenen Harmonien zu erkennen.
Oft besteht zwischen den Themen der Exposition ein charakterlicher Kontrast. Dieser wird auch Themendualismus genannt.
Bitte sehr!
auf einmal liegt das leben
wie glasscherben vor unseren füßen
was es war, ist mit lautem knall
– nicht zerstört –
schillernd gleich tausend facetten
glitzernder sonnenstrahlen
in dunklen wolken reflektierend
auf einmal liegt das leben
wie glasscherben vor unseren füßen
aus der form sowie aus dem rahmen gefallen
– unwiederbringbar –
verlockende scherben im spiel der farben
begründen sie scheinbar lieblich
die tiefsten schnittwunden aus blut und schmerz
auf einmal liegt das leben
wie glasscherben vor unseren füßen
das zusammenkehren alleine überfordert
– vermischt mit dem staub der zeit –
es verwischt unsere bohrende frage
nach dem »wer hat den ersten stein geworfen?«
zu einem »wie konnte ich es zulassen,
alles auf zwei schultern tragen zu wollen?«
»das unmögliche zu denken,
um das mögliche zu erreichen«
einer jener hundert motivationssprüche
– besser klingend als funktionierend –
die tiefe des augenblicks
in der die zwangsläufige erkenntnis
dass endlich alles richtig ist
von grund auf besitz ergreift
erweitert den eigensinnigen horizont
um das unmögliche
als ich an den stolpersteinen
des alltäglichen ins straucheln geriet
kamen wir uns fast abhanden
in der so plötzlich aufkommenden
sprachlosigkeit des schlecht
synchronisierten herzschlags
die liebe war nie in gefahr
weil sich die frage nie stellte
allein die gebrauchsanleitung ließ
interpretationen zu im
vermeintlich kleingedruckten
auf des messers schneide drohte
der tanz unserer eitelkeiten als
requiem des gemeinsamen
zu scheitern
im schutz der nicht mehr
endenden nacht entwich der
fluch des endgültigen einem
zauber des immerwährenden
benommen vom schmerz
des gewesenen entpuppte sich
der kern unserer liebe als unverletzbar
treibende kraft
noch brennen die wunden
unfassbar schleicht sich schmerz zwischen
jeden atemzug, der zu uns gehört
wie das irgendwann vernarbt sein
lass mich wieder wachsen an deiner
liebe, so herrlich getragen in den tagen
des nicht endenden sommers
wärst du ein loderndes feuer
ich würde mich verzehren lassen von deiner flamme
wärst du ein stürmisches gewitter
ich würde mich bis auf die haut nassregnen lassen
wärst du ein morgen im sommer
deine strahlen würden in meine haut einbrennen
wärst du ein reißender fluss
ich würde in deinen strudeln ertrinken
um herauszufinden, wie es wohl weitergeht
nach der zeit ohne raum, lautloses gleiten
nur den mut im marschgepäck
den aufprall vor augen
den stich noch im herzen
ohne raum und zeit
Als ich mit dir durch Bukarest zog
Der Stadt wahren Wurzeln entdecken
Mein Blick auch an deinen Augen nur hing
Erwartend deine Küsse zu schmecken
Der Schmelztiegel alt, die Geschichte ist jung
Im architektonisch, postkommunistischen Schein
Trotz aller Tristesse dieser verdammten Zeit
Wollt ich nur in deiner Nähe sein
Wir schauten zuerst den Piata Unirii
Mit seinen gigantischen Bauten
Wir folgten der Straße weiter hinab
Auf die kleinen Kostbarkeiten wir schauten
Die Geschichte der Stadt ist ziemlich verzwickt
Ich lief mir die Fußsohlen wund
Zum Piata Romana lenkt’ ich den Weg
Und tat meinen Wunsch dir dann kund
»Meine Holde«, so begann ich verlegen den Satz
»Wir können noch stundenlang schlendern
Doch bevor uns vor Müdigkeit Morpheus besiegt
Möcht ich das Ambiente schon ändern!«
Nachdem wir fast alles historisch geseh’n
Auch vom Neuen ließt du dich berühren
Doch jetzt lass uns endlich ins Hotelzimmer geh’n
Damit ich dich kann endlich verführen
leere –
wo dein herz an meiner
seele lebensader war
kälte –
wo statt deiner wärme
eisiger wind um unsere häuser weht
ich wollte dich nie verlieren
du bist mir zwischen den fingern zerronnen
manchmal fürchte ich
mich vor meinem inneren
abgründen
wenn gletscherspalten
in mir klaffen
und kein ende sichtbar
angst beschleicht mich
wie eine zeitenwende
versickert geschaffenes
im nichts