Edition Historische Romane

Friedrich Meister

Hrsg. Peter Frey

»Spuk auf der Hallig« ist der zweite Band aus der Reihe der neu gefassten Erzählungen von Friedrich Meister. In der Neufassung nimmt Peter Frey leichte Veränderungen am Originaltext vor, die der Lesbarkeit und der Übertragung in die heutige Zeit geschuldet sind. Ziel ist es, den Charakter des Originals so weit wie möglich zu erhalten. Im alphabetisch geordneten Glossar finden sich Erläuterungen zu Fachbegriffen aus der Seefahrt.

Peter Frey arbeitet als freier Journalist und Autor in Süddeutschland.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Spuk auf der »Hallig«

Eine Seegeschichte von Friedrich Meister

Neufassung und Digitalisierung von Peter Frey

Copyright © 2016 Peter Frey

Herstellung und Verlag

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 9783741277825

Friedrich Meister

Friedrich Meister wurde 1848 in Baruth in Brandenburg geboren und starb 1918 in Berlin. Er war ursprünglich ein Seefahrer der alten Schule. Zu seiner Zeit wurde der überseeische Handelsverkehr zum größten Teil noch durch Segelschiffe besorgt. Auf solchen Segelschiffen fuhr Friedrich Meister zehn Jahre lang durch alle Meere - die Polarmeere ausgenommen - und bei Sonnenschein und Sturm erlebte er manches Abenteuer. Dabei lernte er fremde Länder und Völker kennen. Er bereiste China, Siam, Japan und den Südsee-Archipel bis zur Küste von Neu-Guinea und nördlich davon, die Philippinen. Er war in Westindien, Nord- und Südamerika, England, Italien und Griechenland. Er sah die »Sultansstadt am Goldenen Horn«, das heutige Istanbul, und die Westküsten des Schwarzen Meeres. In Japan erkrankte er an einem Augenleiden, das ihn schließlich dazu zwang, den Seemannsberuf aufzugeben. An Land wusste er zunächst nicht, wovon er leben sollte. Er versuchte dies und das und gelangte schließlich zur Schriftstellerei. Friedrich Meister ist Autor zahlreicher Jugendbücher.

Aus dem Vorwort von »Burenblut«

Inhalt

Erstes Kapitel

Das Pfarrhaus zu Westerstrand. - Im Rettungsboot.

Die Schiffbrüchigen.

»Hast du soeben den Kanonenschuss gehört, Vater? Noch einer! Und noch einer! Da ist ein Schiff aufgelaufen. In diesem Nordweststurm kann es nur auf den Muschelsand geraten sein, und wenn es da ist, dann ist es verloren. Adieu, liebste Mutter, ich muss mit in das Rettungsboot! Halte alles bereit für die Schiffbrüchigen, die wir an Land bringen werden!«

»Paul, bleib hier!«, flehte die Mutter. »Es sind genug Leute da, auch ohne dich! Bleib hier, der Sturm ist fürchterlich!«

»Wieder ein Schuss! Ich muss hinaus! Adieu alle!«

Paul umarmte seine Mutter, riss hastig Ölzeug und Südwester von der Wand und eilte hinaus in die Sturmnacht, aus der in diesem Augenblick nochmals ein Schuss windverweht herüberdröhnte.

In den letzten Tagen des Jahres 1892 wütete in der Nordsee ein schreckliches Unwetter, das am Altjahresabend am verderblichsten tobte. An den Küsten und auf den Inseln von Schleswig und Ostfriesland ist jene Sturmzeit noch heute unvergessen.

Wenn im Winter der Orkan mit Schnee über die mächtige See schnaubt, an den Türen und Fensterläden rüttelt und klappert, durch den Schornstein herabfährt und Rauch und Funken aus dem offenen Herd in die Wohnungen der Menschen treibt, dann erinnert sich mancher wohl noch des Silvesterabends von 1892, an dem man im trauten Familienkreis vor dem prasselnden Feuer des weiten Kamins gesessen und auf die Mitternachtsschläge vom Turm des Kirchleins gewartet hatte, um mit einem guten Wort das alte Jahr zu beschließen und mit gegenseitigen Segenswünschen das neue zu beginnen.

Draußen auf der See aber kämpfte zur selben Zeit gar manches Schiff im wilden Schneesturm mit dem schwarzen Verhängnis, und noch ehe der Morgen ausbrach, hatten viele brave Seeleute ihre letzte Ruhe tief unter den zornigen Wogen gefunden.

Auch im Pfarrhaus der Insel Westerstrand hatte an jenem Abend der Pastor Krull mit seiner Frau, seinen beiden Töchtern und seinem Sohn Paul, einem kräftigen jungen Mann von über sechzehn Jahren, vor dem Kaminfeuer in der weiten Küche gesessen, die, nach der alten Sitte an der Wasserkante, vielfach zugleich als Wohnraum diente. Obwohl die Jahreswende Anlass genug zu allerlei Betrachtungen bot, wollte eine Unterhaltung nicht recht zustande kommen, da alle mit Besorgnis dem donnernden Tosen der Brandung und dem Geheul und Geschmetter des Sturmwindes lauschten, der das alte Haus in seinen Grundfesten zu erschüttern schien. Dann kamen die Schüsse und Paul eilte hinaus. Der Pastor versah sich gleichfalls mit Ölzeug und Südwester, und nun schritten beide, mit aller Macht gegen den Sturm ankämpfend, zum Strand hinab, wo eine Anzahl Männer bereits im Begriff war, das Rettungsboot zu Wasser zu bringen. Draußen in der schwarzen Finsternis über der See, in der Gegend des Muschelsandes, zeigte sich ein gelbes, verwehtes Licht, das Notsignal eines Fahrzeugs.

Als der Pastor und sein Sohn sich dem Bootsschuppen näherten, erweiterte sich ihr Sehkreis ein wenig, weil der schneeweiße Schaum der Brandung einen gewissen Lichtschein verbreitete, der um so merkbarer war, als sich die Gischtmassen der donnernden Fluten bis weit in die See hinaus erstreckten.

Ein Teil der Rettungsmannschaft, die aus lauter Freiwilligen bestand, hatte seefertig ihren Platz in dem auf der Gleitbahn stehenden Boot eingenommen. Auch die Masten waren bereits aufgerichtet, was unter dem Dach des Schuppens nicht hatte bewerkstelligt werden können.

»Ein Mann fehlt noch!«, rief der Bootssteuerer.

»Er kommt gerade!«, antwortete Pauls kräftige Stimme, »er ist schon da!«

»Wer ist das?«, rief der Bootssteuerer zurück.

»Der Paul, der Sohn vom Pastor!«, antworteten mehrere aus der Menge der am Strand Stehenden gleichzeitig.

»Das ist gut, beeil dich ein bisschen, Paul!«

Paul fasste die Hand seines Vaters.

»Auf Wiedersehen, lieber Vater«, sagte er, »wir werden bald wieder zurück sein. Da, sieh, es ist nur eine kurze Strecke bis zu dem Schiff.«

»Es geht um Leben und Tod, mein Sohn. Gott behüte dich!«

Gleich darauf saß Paul an seinem Platz im Boot. Jetzt rief der Bootssteuerer vorschriftsmäßig: »Alle Mann an Bord?«

»Alle Mann an Bord!«, kam die kräftige Antwort.

»Alle Korkwesten an?«, war die nächste Frage.

»Alle an!«

»Segel klar zum Heißen?«

»All klar!«

»Unterleine klar?«

»All klar!«

»Dann in Gottes Namen - los!«

Unter dem Heck des Bootes stand ein Mann bereit, das Seil durchzuschneiden, welches das Fahrzeug noch an der Kette festhielt.

»Los is!«, schrie der Mann.

Man hörte das Klirren der fallenden Kette, das Boot begann zu gleiten, erst langsam, dann schneller, endlich sauste es in rasender, aber geräuschloser Fahrt die Gleitbahn hinunter, während zu gleicher Zeit einige der Männer die Fock setzten. Die Übrigen hielten sich bereit, an der Unterleine zu holen, sobald das Boot sich im brandenden Wasser befinden würde. Die dicht gereefte Fock schlug und flatterte, als müsse sie demnächst in dünnen Fetzen davonfliegen, während die Rah am Mast emporstieg. Der Sturm schmetterte gellend in die betäubten Ohren der Besatzung. Eine Wolke brüllenden Schaumes umtoste sie, als das Boot in die Brandung hineinschoss. Im nächsten Moment saßen alle Mann knietief im Wasser, dann sprang das Boot auf die Höhe des nächsten Wellenrollers, unwiderstehlich vorwärtsgerissen von den eisernen Fäusten der Männer von Westerstrand, die mit Macht an der Leine holten, die an dem weit draußen im tiefen Wasser liegenden Anker befestigt war. Inzwischen war auch das dicht gereefte Großsegel gesetzt worden. Die Männer ließen die Ankerleine los, und das Boot schoss dicht am Wind über Backbordbug in die wilde See hinaus. Lange vorher schon war das Boot den Blicken des Pastors und der anderen am Strand stehenden Leute in der Finsternis entschwunden gewesen. »Lasst uns nach der Leeseite des Bootsschuppens gehen und dort den Herrgott bitten, unsere Leute gesund wieder an Land zu bringen und auch den Schiffbrüchigen beizustehen«, sagte der Pastor zu den anderen.

»Ja, Herr Pastor, das müssen wir«, war die Antwort, und die kleine Schar, alte Männer, Frauen und Knaben, folgte ihm. Der Pastor sprach auf der windgeschützen Seite des Schuppens ein kurzes Gebet für die Bootsmannschaft und für alle Seefahrer, die in dieser schrecklichen Nacht um ihr Leben rangen.

Dann kamen lange und bange Stunden des Wartens. Nur wenige verließen den Strand. Die meisten blieben in Lee des Bootsschuppens und lauschten den Worten der alten Fischer, die gegenseitig ihre Vermutungen darüber austauschten, wie das Rettungsboot wohl mit dem Sturm fertig werde, welche Gefahren es zu bestehen habe, ob es überhaupt an das Schiff herankommen könne und ob zuletzt nicht alles doch vergebens sein werde.

Endlich begann es im Osten zu dämmern. Der erste Morgen des neuen Jahres brach an. Das Boot war noch immer nicht zurück. Bald tönte die Glocke des Kirchleins durch den Wind. Pastor Krull hielt den Frühgottesdienst ab. Die andächtige Gemeinde war nur klein, einige alte Fischer und die Frauen derer, die im Rettungsboot auf der stürmischen See waren. Gerade als der Segen gesprochen wurde, kam ein Mann mit schweren Stiefeln und triefendem Ölzeug eilig in die Kirche herein, und rief mit schallender, freudiger Stimme: »Das Boot ist zurück! Es sind alle an Land!«

Da wurde es lebendig in dem sonst so stillen Gotteshaus. Einige Bänke fielen polternd um, und alle eilten in größter Hast hinaus. Der Pastor folgte schnellen Schrittes. Im Bootsschuppen kam Paul auf ihn zugesprungen und fasste seine Hand.

»Prosit Neujahr, lieber Vater!«, rief der junge Mann atemlos. »Weißt Du, wen wir geborgen haben? Keppen Jaspersen, mit dem ich die letzte Reise gemacht habe. Ein glücklicher Zufall bei all dem Unglück, nicht wahr?«

»Ist sonst niemand gerettet?«, forschte der Pastor bestürzt. »Ja, noch ein Matrose. Keppen Jaspersen ist bedenklich verletzt, wie ich fürchte. Er hat eine böse Kopfwunde. Lass ihn nur vorsorglich ins Pfarrhaus schaffen. Wenn ich etwas gegessen habe, erzähle ich dir alles. Der Matrose ist einer von der rechten Sorte. Ohne ihn lebte der Kapitän jetzt nicht mehr. Auch er muss mit heim zu uns.«

Eine halbe Stunde später befand sich der Verwundete, Kapitän Jasper Jaspersen, Führer des gestrandeten Vollschiffes Hammonia, in einem sauberen Bett und wohldurchwärmtem Zimmer unter der sachkundigen und liebevollen Pflege der Frau Pastorin und ihrer älteren Tochter Gesine. Auf Westerstrand gab es keinen Arzt. Daher hatte schon mancher kranke oder verletzte Schiffbrüchige in dem gastlichen Pfarrhaus Hilfe und treue Pflege gefunden. Der andere Überlebende, ein ostfriesischer Matrose namens Towe Tjarks, fühlte sich bald bei Speise und Trank in der Küche sehr wohl. Paul hatte den Mägden mitgeteilt, dass dieser des Kapitäns Lebensretter sei, und so bewunderten sie in dem kraushaarigen, rotbärtigen, kräftig gebauten Mann, der etwa dreißig Jahre zählen mochte, einen Helden.

Zweites Kapitel

Warum der Matrose Towe einen Eierhandel anfangen will.

Wie der Pastorsohn ein Schiffsjunge wurde.

An Bord des »Senator Merk«

Eine Woche lang schwebte Kapitän Jaspersen in großer Gefahr. Der von Husum herbeigeholte Arzt erklärte sich außerstande zu sagen, ob er wieder genesen würde. Unter gewöhnlichen Umständen wäre die Kopfwunde nicht gefährlich gewesen. Der Patient hatte jedoch so lange Zeit in der bitteren Kälte und der salzigen Flut zubringen müssen, dass die Verletzung einen bösartigen Charakter angenommen hatte. Für Towe Tjarks aber war diese Woche eine Reihe von Festtagen. Der Pastor hatte in dem Gasthaus des Ortes ein Stübchen für ihn gemietet, in dem er sich wie ein Fürst vorkam, wenn er diesen behaglichen Aufenthalt mit dem dunklen, unsauberen und engen Matrosenlogis an Bord der unlängst in Trümmer gegangenen Hammonia verglich. Trotzdem aber brachte er den größten Teil seiner Zeit in der Küche des Pfarrhauses zu. Einen Vorwand, dorthin zu steuern, hatte er stets, musste er sich doch täglich nach dem Befinden seines Kapitäns erkundigen. Paul aber und der Pastor kamen bald dahinter, dass der ehrliche Towe ein großes Wohlgefallen an Katje, dem netten Hausmädchen gefunden hatte. Als endlich von der Reederei der Hammonia ein Schreiben einlief, in dem der Vollmatrose Towe Tjarks aufgefordert wurde, sich im Kontor zu Hamburg einzufinden, um seine Aussage über den Schiffbruch zu Protokoll zu geben, da suchte er den Pastor auf und erklärte ihm, dass er Katje heiraten wolle und diese damit einverstanden sei.

»Eine kleine Weile kann das ja noch dauern, Herr Pastor«, fügte er in seinem besten Hochdeutsch hinzu. »Denn sehen Sie, ich habe ja schon ein bisschen Geld auf der Sparkasse, aber zu einem Hühnerhof reicht das noch nicht. Wir haben uns das nämlich überlegt, so ein Eierhandel ist ein gutes Geschäft, dabei verdient man ein gutes Stück Geld, mehr als bei der Seefahrt. Wenn ich nun noch eine Reise mache, dann habe ich so viel zusammen, dass wir heiraten könnten.«

Darauf dankte er dem Pastor warm und treuherzig für alles Gute, das dieser ihm und seinem Kapitän erwiesen hatte, verabschiedete sich von Paul, der Frau Pastorin, den Töchtern und zuletzt von Katje und machte sich von Husum aus auf die Eisenbahnfahrt nach Hamburg. Vierzehn Tage später war auch Kapitän Jaspersen so weit wiederhergestellt, dass er sich zur Abwicklung seiner Geschäfte zur Reederei begeben konnte. Beim Abschied von seinen Wohltätern war sein männliches Auge feucht von Tränen. Man nahm ihm das Versprechen ab, ehe er seine nächste Fahrt antreten würde, das Pfarrhaus auf Westerstrand noch einmal zu besuchen. Dann sollte Paul mit ihm gehen, um unter seinem Kommando die dritte seiner Seereisen zu machen.

Paul war des Pastors einziger Sohn. Auf Westerstrand geboren, war in dem Herzen des Jungen schon früh die Liebe zur See erwacht. Der Vater ließ nichts unversucht, ihn davon abzubringen. Er gab ihn tief im Binnenlande in die Pension und ließ ihn dort die Schule besuchen. Allein diese Verbannung fachte die Sehnsucht des Jungen nach dem freien blauen Meer, dem windigen, schaumumkränzten Strand mit all den Booten und Fischkuttern nur noch heftiger an. Endlich gab der Vater nach. Er sagte sich, dass Paul auf der See ebenso gut sein Glück machen und ein tüchtiger Mann werden könne wie in jedem anderen Beruf, und dass das Vaterland gerade jetzt, wo die deutsche Marine einen so gewaltigen Aufschwung zu nehmen im Begriff war, gar nicht genug Seeleute haben könne.

Er fuhr mit dem Sohn nach Hamburg zu einem ihm bekannten Reeder, der Paul auf einem seiner Schiffe unterbrachte, zunächst als Kajütsjungen. Die erste Reise ging nach Valparaíso, die zweite, unter Kapitän Jaspersen, nach Kapstadt und über Westindien wieder heim. Während dieser Fahrt, die er als Decksjunge machte, hatte der Schiffer ihm viel Wohlwollen und Freundlichkeit gezeigt. Ein Junge wie Paul würde im ganzen Leben nicht die Güte vergessen, die ein Vorgesetzter ihm in der harten Lehrzeit entgegengebracht hat; ebenso wenig aber auch die schlechte Behandlung, die er etwa hat erfahren müssen. Daher war auch Pauls Freude so groß, als er zur Rettung seines guten Kapitäns hatte beitragen dürfen.

Nach einigen Wochen traf Kapitän Jaspersen wieder im Pfarrhaus auf Westerstrand ein. Er war ein hochwillkommener Gast. Gleich am ersten Abend hatte der Pastor eine lange Unterredung in seinem Studierzimmer mit ihm.

»Die Reederei hat mir im nächsten Jahr ein neues Schiff versprochen, das ich als Kapitän führen soll«, berichtete der Schiffer im Lauf des Gesprächs.

»Bis dahin ist eine Kapitänsstelle für mich nicht frei. Binnen kurzem aber wird die Senator Merk seeklar sein.

Die Senator Merk war eine feine Bark, die auch Eigentum der Reederei war. Die brauchte einen ersten Steuermann, da habe ich mich entschlossen, als solcher anzumustern. Die Reise geht nach Melbourne. Ohne Zweifel hätte ich bei einer anderen Reederei einen Kapitänsposten gefunden. Ich wollte aber meiner alten Firma, der ich nun schon seit meiner Schiffsjungenzeit diene, nicht untreu werden.«

»Das macht Ihnen Ehre, Kapitän Jaspersen. Und Sie meinen, dass Paul auch unter diesen veränderten Umständen zu Ihnen an Bord kommen könnte? Soll ich an die Reederei schreiben?«

»Das wird nicht nötig sein, Herr Pastor. Es wäre mir eine große Freude, Paul wieder bei mir an Bord zu haben. Ich habe bereits mit den Herren im Kontor darüber gesprochen und ihnen erzählt, welchen Anteil Paul an unserer Rettung gehabt hat. Ich denke, Sie werden in den nächsten Tagen ein Schreiben von der Firma erhalten.«

Dann brachte Jaspersen die Stellung zur Sprache, die Paul an Bord einnehmen sollte.

»Er fährt nun länger als zwei Jahre«, sagte er, »und hat in dieser Zeit schon so viel vom Schiffsdienst gelernt, dass er jetzt als Leichtmatrose anmustern kann. In einem weiteren Jahr ist er Vollmatrose, und wenn er fünfundvierzig Monate Fahrzeit aufzuweisen hat, kann er auf die Navigationsschule gehen. Hat er diese hinter sich und das Examen bestanden, dann ist er berechtigt, den Steuermannsdienst auf deutschen Kauffahrtschiffen jeder Größe zu verrichten und als Einjähriger in der Marine zu dienen.«

»Und wann kann er Kapitän werden?«, fragte der Pastor.

»Wenn er vierundzwanzig Monate als Steuermann gedient haben wird.«

»Nun, mögen Gott ihn und uns das erleben lassen«, sagte der Pastor.

Die Reederei schrieb ihm, wenn er willens sei, auf der Senator Merk anzumustern, so möge er sich bereithalten. Die Bark werde Ende der Woche in See gehen. Dann folgten Worte der Anerkennung für sein Verhalten beim Schiffbruch der Hammonia.

Paul reichte den Brief seinem Vater.

»Nett von den Herren«, sagte er. »Hoffentlich geben sie dem Koch auch die Weisung, mir zu Ehren jeden Sonntag extra ein paar Hände voll Pflaumen in den Kuchen zu tun.«

Jaspersen reiste nach wenigen Tagen wieder ab, da der erste Steuermann an Bord sein muss, sobald das Einnehmen der Ladung beginnt. Er muss genau wissen, wo alles verstaut wird, und dabei hat er noch vielerlei andere Dinge zu überwachen, wie das Unterbringen der Proviantvorräte, der neuen Segel, des Tauwerks und all der anderen für die Reise notwendigen Waren und Gegenstände.

Die nächsten Tage verstrichen allen Bewohnern des Pfarrhauses sehr schnell. Die Zeit vor einem Abschiednehmen scheint immer Flügel zu haben.

Schließlich reiste Paul nach Hamburg und begab sich an Bord der Senator Merk.

Es war gegen acht Uhr morgens, als der Schleppdampfer das Schiff aus der Elbe hinausbugsierte. Die Trossen waren losgeworfen und er wandte sich zur Rückfahrt. Eine günstige Brise füllte die Segel der stolzen Bark, die auf westlichem Kurs in die Nordsee hinausfuhr.

Es gibt kaum einen schöneren Anblick als den eines Vollschiffes, das unter allen Segeln mit einem frischen Backstagswind über die leicht bewegte See dahin rauscht. Auf der weißen, schimmernden Leinwand die lichte Morgensonne und jede Leine, jedes Stag und jede Pardune in der frostklaren Atmosphäre scharf abgezeichnet auf dem Hintergrund der hellen Luft. Die Passagiere eines vorbeikommenden großen Ozeandampfers hatten Verständnis dafür, sie standen in langen Reihen an der Reling und folgten dem Schiff mit bewundernden Blicken, solange es deutlich in Sicht war.

Die Senator Merk hatte einen Rauminhalt von tausendsechshundert Registertonnen und führte eine Besatzung von achtzehn Vollmatrosen, zwei Leichtmatrosen und zwei Jungen. Einer der Leichtmatrosen war Paul. Er, Towe Tjarks und noch sieben andere Matrosen gehörten zur Backbordwache, die von dem Obersteuermann befehligt wurde.

Das Schiff hatte das im Monat Februar seltene Glück, die Nordsee und den Kanal mit einem stetigen Nordostwind und bei bestem Wetter zu passieren, und da die Brise auch dann noch günstig blieb, gelangte es bald aus dem rauen nordischen Klima in eine wärmere Gegend. Hier änderte der Wind jedoch nach Süden herum und man musste die Rahen scharf anbrassen, die Bulinen ausholen und ›bei dem Wind‹ segeln.

Die Mannschaft bestand fast gänzlich aus Seeleuten von der nordischen Wasserkante, nämlich aus Hamburgern, Schleswig-Holsteinern, Friesen und Pommern, dazu kamen noch ein Norweger und ein Grieche. Man hoffte auf eine einvernehmliche und gemütliche Reise. Aber man kann auch nie wissen, wie sich die Dinge an Bord gestalten werden, ehe man nicht einige Wochen in See ist, denn dann erst beginnen sowohl die Offiziere wie auch die Leute einander recht zu verstehen und zu beurteilen.

Obersteuermann Jaspersen behandelte Paul genauso wie alle anderen und ließ durch nichts erkennen, dass er ihm näher stand. Nur zur Nachtzeit, wenn Paul seine zwei Stunden am Ruder zu stehen hatte und das Wetter es erlaubte, plauderten sie von dem lieben Pfarrhaus und Westerstrand und allen seinen Bewohnern, wobei der Steuermann oft wie ganz zufällig das Gespräch auf Gesine, seine treue Pflegerin, zu bringen wusste.

Drittes Kapitel

Vom Glasenschlagen. - Ein Dieb im Logis.

Vor Gericht. - Das Urteil.

Nach einer Fahrt von vier Wochen gelangte die Senator Merk in den Nordostpassat. Der Wind war mäßig. Trotzdem lief das Schiff, das jetzt alle Leesegel stehen hatte, eine gute Fahrt, und jeder Tag brachte es in wärmeres Wetter.

Paul und Towe hielten zusammen wie Kletten, was eigentlich auch nicht verwunderlich war. Während der Nachtwachen, in denen es, solange man in der Passatgegend ist, fast nichts zu tun gibt, hockten sie fast immer beieinander, entweder auf der Back oder auf der Vorluk oder auf den Reservespieren an der Reling. Towe wurde nie müde, von den schönen Tagen zu reden, die er im Pfarrhaus verlebt hatte, und dabei kam er auf dem kürzesten Weg stets auf Katje und die Hühnerzucht, die er mit ihr betreiben wollte, wenn sie erst verheiratet waren.

So saßen sie auch in einer sternklaren Nacht auf dem vorderen Ende der Spieren auf der Steuerbordseite. Es war in der ersten Wache von acht bis zwölf und soeben hatte es drei Glasen geschlagen.

Zur Erläuterung des Ausdrucks Glasen sei hier folgendes eingeschoben: Glas ist ein Schlag an die Schiffsglocke, der den Ablauf einer halben Stunde seit Beginn der Wache bedeutet und für den Dienst an Bord maßgebend ist. Die Wache dauert vier Stunden, ist also um acht Glasen zu Ende. In früherer Zeit dienten Halbstunden-Sandgläser als Zeitmeter, daher rührt der Name.

Die Glockenschläge waren kaum verhallt, da sahen die beiden einen Mann aus der Logisklappe kommen, dessen Gebaren ihnen auffiel. Er sah sich suchend und wie scheu um, schlüpfte mit langen hastigen Schritten zum Ankerspill und versteckte etwas unter einer Palle. Towe stieß Paul an und flüsterte ihm zu, sich schlafend zu stellen. Der tat, wie ihm geheißen, obwohl er nicht wusste, was Towe im Sinn hatte. Der Mann stieg dann auf die Back hinauf und fragte den am Fockstag stehenden Ausguck, ob es schon drei Glasen geschlagen habe. Als er Bescheid erhalten hatte, sagte er mit stark ausländisch klingender Betonung: »Ich habe nichts gehört und um vier Glasen beginnt mein Rudertörn. Ich habe auf der Vorluk geschlafen. Jetzt will ich mir noch eine Pfeife anzünden, ehe ich achteraus muss.«

Er sprang von der Back herab und ging wieder ins Logis.

»Junge, Junge!«, sagte Towe und schlug sich erregt auf das Knie. »Das war der verdammte Grieche! Ich habe mir das gedacht. Ich wollte aber nichts sagen, ehe ich nichts Genaues weiß.«

»Was hast du?«, fragte Paul erstaunt.

»Das erzähle ich dir, wenn der Kerl achteraus ist. Du musst aber immer noch so tun, als ob du schläfst, damit er nichts merkt.«

Als es vier Glasen schlug, wurden der Mann am Ruder und der auf dem Ausguck abgelöst.

»Jetzt ist es Zeit«, sagte Towe und stand schnell auf. »Mensch Paul, ich habe das schon lang gewusst! Du wirst sehen, ob ich nicht recht habe.«

»Mensch Towe, du sprichst in Rätseln.«

»Ach was, du mit deinem Hochdeutsch! Weißt du nicht ebenso gut wie ich, dass, so lange wir hier auf See sind, beinahe ein jeder von uns etwas verloren und nicht wiedergefunden hat. Heute der und morgen jener? Weißt du nicht, wie oft es deswegen zum Streit gekommen ist? Zuerst war der goldene Ring von dem Schleswiger weg, dann verlor der Flensburger sein englisches Taschenmesser und am Ende war noch die feine nickelige Tabaksdose von dem anderen beim Teufel. Da dachte ich mir, dass einer die Sachen stehlen muss.«

»Und du meinst ...?«, begann Paul.

»Ja, ich meine, Herr Krull«, spottete Towe. »An Bord von deutschen Schiffen ist man nicht gewohnt, seine Seekiste zuzuschließen, das machen die Engländer, die Spanier oder wer. Der Spitzbube hat es daher bei uns bequem gehabt!«

»Und du meinst, der eben sei der Spitzbube?«

»Das meine ich nicht, das weiß ich.«

»Dann lass uns nachsehen, was er da auf dem Spill versteckt hat.«

»Lass noch ein bisschen, Paul. Wir müssen noch einen Zeugen haben. Ich gehe und hole Heik Weers, der gerade vom Ausguck gekommen ist. Zu ihm sagte der Grieche doch, dass er auf dem Vorluk geschlafen habe.«

Heik Weers erschien an Deck, und jetzt gingen die drei zum Unterspill. »Nun schau mal unter den Pallen«, sagte Towe zu Paul, »vielleicht findest du da etwas?«

Paul tastete hin und her, dann rief er mit unterdrückter Stimme: »Hier habe ich etwas!«, und brachte eine silberne Taschenuhr zum Vorschein. »Das ist die von Julius Lassen«, sagte Heik Weers. »Probiere mal, ob da nicht noch mehr verstaut ist.«

Nach kurzem Suchen holte Paul noch eine Uhrkette, einen Ring und mehrere andere Gegenstände hervor.

»Habe ich das nicht gesagt?«, rief Towe. »Was machen wir nun mit diesem Menschen?«

»Aufhängen!«, entschied Heik Weers.

»Über Bord werfen«, sagte Towe.

»Wenn ich hier raten kann, dann berichten wir die Sache dem Obersteuermann. Der mag mit dem Kaptein darüber reden«, sagte Paul.

Man kam überein, die Gegenstände vorläufig wieder unter die Palle zu legen. Dann sollte Paul achteraus gehen und dem Steuermann mitteilen, was er wusste.

Jaspersen stand bei der Besanwant und schaute in Gedanken versunken über die nächtliche See hinaus. »Nun, was gibt es?«, fragte er, als Paul in zwei Sprüngen die Achterdeckstreppe heraufkam. Dann hörte er ruhig an, was dieser ihm zu berichten hatte.

»Hm«, sagte er, »Towe müsste eigentlich wissen, was da zu tun ist. Er kennt doch das Verfahren, das in solchen Fällen zur Anwendung kommt. Durch solch ein Volksgericht an Bord wird dem Kerl viel wirksamer Ehrlichkeit beigebracht, als durch ein Jahr Gefängnis an Land. Ein Dutzend oder zwei mit dem Tamp und dann für den Rest der Fahrt das Großboot als Koje. Natürlich muss zuvor seine Schuld durch ein regelrechtes Verhör festgestellt werden.

»Das wird Towe schon einrichten«, nickte Paul.

»Wartet damit aber, bis es Tag geworden ist«, gab Jaspersen dem Abgehenden mit auf den Weg. »Während der Nacht will ich keinen Lärm an Deck haben.«

Paul setzte die beiden Matrosen, die ihn auf der Vorluk sitzend erwarteten, von dem Vorschlag des Steuermannes in Kenntnis.

»So ist es gut und richtig«, sagte Heik Weers befriedigt. »Und Julius Lassen, dem die Uhr gehört, der soll der Richter werden, und die anderen sind die Geschworenen. So kommt alles in die Reihe.«

Dem Griechen sollte, wenn er um acht Glasen vom Ruder kam, nichts von dem gesagt werden, was über ihm schwebte. Julius Lassen aber wurde geweckt und aufgefordert, in seiner Kiste nachzusehen, ob ihm etwa seine Uhr fehle.

»Meine Uhr?«, fragte er und klappte den Deckel auf. »Wahrhaftig Leute, sie ist weg! Junge, Junge! Zwanzig Jahre fahre ich nun schon zur See, und noch nie hat mir einer etwas gestohlen! Der Grieche, sagt ihr, ist das gewesen? Dem breche ich alle Knochen, sobald er kommt!«

»Nee, Julius«, sagte Towe, »das lass man, bleib mal ruhig bis morgen früh um sieben, dann wird Gerichtssitzung abgehalten. Dann wirst du zu deinem Recht kommen.«

Die ganze Steuerbordwache war damit einverstanden. Nach Ablauf seines Rudertörns kam der Grieche in das Logis. Er ahnte nicht, wovon hier soeben noch geredet worden war, und kroch mit größter Seelenruhe in seine Koje. Hier tastete er eine Weile am Kopfende des Lagers herum, wo er, nach Matrosenart, allerlei von seinen Habseligkeiten verstaut hatte. Endlich stieß er eine Verwünschung aus und sagte: »Da hat mir einer meinen Tabak gestohlen, ein ganzes Pfund! Hören die Diebereien an Bord dieses Kastens denn gar nicht auf? Ich wollte nur, ich könnte den Kerl fassen! Der sollte noch lange an mich denken!«

»Morgen früh kannst du uns mehr davon erzählen, Maat«, knurrte Towe. »Jetzt wollen wir schlafen!«

Gleich darauf schnarchten alle Mann der Backbordwache in schönster Harmonie. Kurz vor sieben Glasen wurden sie durch Julius Lassens grimmige Stimme, der wie ein wütender Löwe im Logis herumrumorte, aus dem Schlaf geweckt.

»Dunnerlüchting, Mann, was soll das bedeuten?«, rief ihm einer der anderen ärgerlich zu. »Halt deinen Mund, sonst kriegst eins an den Kopf!«

»So? Meinen Mund soll ich halten, wenn einer von der Backbordwache meine gute silberne Uhr gestohlen hat?«, entgegnete Lassen giftig.

»So? Einer von der Backbordwache sagst du? Kann das nicht auch einer von der Steuerbordwache gewesen sein? Dort ist der Grieche, dem haben sie heute Nacht ein Pfund Tabak gestohlen, wie er behauptet. Das kann doch nur in der Zeit gewesen sein, in der er den Rudertörn wahrnahm. Er sagt auch, er wüsste, wer es gewesen ist.«

»Dann sei so gut, Gazzi, und sag uns, wer es ist!«, wandte sich Lassen an den Griechen. »Meine Frau hat mir die Uhr mitgegeben, darum muss ich sie wiederhaben. Also wer ist es gewesen?«

»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Gazzi. »Ich habe nur so einen Verdacht.«

»Du, Julius«, nahm jetzt Towe Tjarks das Wort, »ich kenne den Spitzbuben!«

»Wer ist es?«, riefen alle auf einmal.

Towe sprang mit einem langen Satz auf den Griechen zu, packte ihn am Hals und zog ihn aus der Koje. »Der ist es!«, rief er.

Gazzi riss sein Messer aus der Scheide, ehe er aber davon Gebrauch machen konnte, hielt Heik Weers ihm den Arm fest.

»Nee, mein Junge«, sagte er. »So etwas ist auf deutschen Schiffen nicht Mode.«

Man band ihm die Hände zusammen und stieß ihn die Treppe hinauf an Deck, wo sich inzwischen die gesamte Mannschaft versammelt hatte.

Eine umgekehrte Waschbalje diente als Richterstuhl, auf dem Julius Lassen, als der am meisten Geschädigte, Platz nahm.

»Man führe den Gefangenen vor!«, befahl er ernst und streng.

Zwei Matrosen brachten den Delinquenten herbei.

»Bekennst du dich schuldig oder nicht schuldig?«, fragte der Richter.

Der Grieche schwieg verstockt.

»Na, mein Junge, wir werden dir die Zunge schon noch lösen. Towe Tjarks, mach’ deine Aussage.«

Towe berichtete, was er in der vergangenen Nacht beobachtet hatte. Darauf wurde der Ausguckmann vernommen und zum Schluss musste auch Paul sein Zeugnis abgeben.

»Ihr habt alles gehört, Maaten«, wandte sich der Richter jetzt an die Geschworenen, die im Halbkreis herumstanden. »Was sagt ihr? Ist der Angeklagte schuldig oder ist er nicht schuldig?«

»Schuldig!«, riefen alle wie aus einem Mund.

»Hast du das gehört, Maat?«, fragte der Richter den Delinquenten. »Deine Schiffsmaaten haben dich schuldig befunden. Jetzt muss ich dein Urteil sprechen. Am liebsten würde ich dich kielholen lassen, aber das darf ich nicht, und so verurteile ich dich hiermit zu drei Dutzend Schlägen, die dir mit dem Ende vom Klüvereinholer aufgezählt werden sollen. Außerdem darfst du dich niemals wieder im Logis sehen lassen. Wenn du aber gestehst, dann soll dir ein Dutzend erlassen werden.«

Er wartete auf die Antwort des Verurteilten, der aber blieb hartnäckig stumm. »Fort mit ihm, Maaten!«, rief der Richter. »Legt ihn über den Spill! Ich würde ihm gern mehr geben, er soll sich nicht mehr an unserem Eigentum vergreifen!« Der Grieche wurde von vier Matrosen gepackt, über das Ankerspill gezogen und darauf festgebunden. Jetzt ergriff ihn die Angst, er flehte laut jammernd um Gnade, er wolle auch in seinem ganzen Leben nie wieder stehlen.

»Aha«, sagte Lassen, »ich hab’ das doch gewusst, dass der Vogel noch ganz fein singen kann. Also weil er bekannt hat und auch nie wieder stehlen will, so soll ihm ein Dutzend erlassen werden. Was sagt ihr, Maaten?«

»Einverstanden!«, antwortete Towe für alle. »Zwei Dutzend sind reichlich genug.« Zwei Mann, die Matrosen Geert und Hajung, vollzogen die Bestrafung mit bestem Willen und Nachdruck. Der Grieche heulte erbärmlich, aber es half ihm nichts.

Darauf warf man sein Bettzeug und was ihm sonst noch gehörte aus dem Logis und befahl ihm, in dem mittschiffs stehenden Großboot, über dem die Jolle wie eine Art Dach festgezurrt war, Quartier zu nehmen.

Während der ganzen Zeit war der Kapitän mit dem zweiten Steuermann auf der Luvseite des Achterdecks auf- und abgeschritten. Beide hatten von dem, was da vorn vorging, gar keine Notiz genommen. Bei solchen Vorkommnissen wird die Mannschaft in ihrem Tun niemals gestört.