Für die „Ermutiger“

Inhaltsverzeichnis

Vorwort:

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

Die Region und den See der Handlung gibt es. Das Titelbild zeigt den Schrecksee im Hintersteiner Tal, das zur Gemeinde Bad Hindelang im Oberallgäu gehört.

Einige wenige Schauplätze ‐ wie z.B. Hütten ‐ wurden aus dramaturgischen Gründen dazu erfunden oder geändert. Das gleiche gilt für einige Firmennamen, Personen in diversen Firmen und Straßennamen in der Region.

1. Kapitel

Max Lemper und Nicole Hanke waren in großer Vorfreude. Das aus dem Raum Ulm stammende Pärchen war auf der Fahrt ins Allgäu. Im beschaulichen Kurort Bad Hindelang wollten sie ihren ersten gemeinsamen Urlaub verbringen. Sie hatten eine Ferienwohnung für eine Woche im Ortsteil Bad Oberdorf angemietet. Für beide war es nicht der erste Aufenthalt im Allgäu. Die Liebe zur Natur, den Bergen und der traumhaften Landschaft hatte sie schon öfters hierher geführt. Dieser Urlaub war jedoch für beide was Besonderes. Sie waren erst seit einem Jahr liiert und dieser gemeinsame Urlaub sollte auch eine Prüfung für ihre Beziehungsfähigkeit sein. Sie hatten sich in einem Bistro in der Altstadt von Ulm kennengelernt und wohnten noch getrennt voneinander. Über eine gemeinsame Zukunft hatten beide schon häufiger gesprochen. Max, dreiunddreißig Jahre alt, Einrichtungsberater in einem großen Möbelhaus und Nicole, sechsundzwanzig Jahre, Studioleiterin in einem Fitnessstudio. Es war Ende Mai an Christi Himmelfahrt, als die beiden sich nachmittags auf der Fahrt befanden. „Hast du genügend Proviant für die morgige Tour eingekauft Schatz?“, fragte er die vor sich hin träumende Nicole.

„Natürlich“, entgegnete sie, „ich will ja nicht, dass mein hungriger Bär mit knurrendem Magen im Gebirge unterwegs ist. Das reicht locker für zwei Tage. Ich habe eher eine andere Befürchtung.“

„Welche denn?“, fragte er.

„Vielleicht ist es noch ein paar Wochen zu früh für die Tour zum See. Immerhin liegt der See auf 1800 Meter, bei dem strengen Winter dieses Jahr kann dort noch einiges liegen, vor allem an den nordseitigen Passagen.“

„Und auch wenn es so sein sollte, dann brechen wir halt früher ab. Wir müssen ja nicht unbedingt den Jubiläumsweg gehen.“

Der Weg, den Max nannte, war ein beliebter und bekannter Höhenweg zwischen dem Tannheimer Tal, der auf der angrenzenden österreichischen Seite lag, und dem Hintersteiner Tal auf Allgäuer Gebiet. Eines der Highlights auf dieser Route war der Schrecksee, ein malerischer Hochgebirgssee, der schon auf unzähligen Motiven verewigt wurde. Der See war ein Blickfang und hatte im Vergleich zu anderen Bergseen noch eine kleine Insel. Max und Nicole waren sehr vitale, konditionsstarke Tourengeher, aber in dieser Ecke waren sie noch nie unterwegs gewesen. Als sie nach gut neunzig Minuten in Bad Hindelang ankamen, fanden sie mit Hilfe ihres Navis sofort ihre Unterkunft. Wie mit ihrem Vermieter ausgemacht, lag der Schlüssel ihrer Wohnung versteckt unter einem großen Pflanzenkübel, unweit des Türeingangs. Sie kamen um 17.00 Uhr an und wie mit den Vermietern vereinbart, wollten diese gegen Einbruch der Dunkelheit sich kurz bei dem jungen Pärchen vorstellen. Als sie ihr Auto abstellten, waren sie schon begeistert von der wunderbaren ruhigen Lage, wo sie waren. Sie sahen das Imberger Horn, das nur knapp dreihundert Meter von ihrer Wohnung viele Wanderer per Gondel in die Höhe brachte. Daneben und dahinter die höheren, noch teilweise schneebedeckten „2000er“ des Allgäuer Alpenkammes, die das prächtige Panorama noch schöner zur Geltung brachten. Die 60 Quadratmeter große Wohnung machte einen gemütlichen, rustikalen Eindruck in dem sonst leeren Haus. Die anderen beiden Wohnungen waren nicht belegt, trotz der guten Ferienzeit und der prächtigen Lage. Als die Sonne hinter dem Imberger Horn verschwand, legte sich der Schatten auf den Ortsteil Bad Oberdorf. Max und Nicole genossen auf dem Balkon die untergehende Sonne und saßen bei Spagetti und Rotwein gemütlich auf den Korbsesseln. Als sie die ersten Kerzen anzündeten, kam gegen 20.00 Uhr die Eigentümerin der Wohnung vorbei. Frau Koch, eine Frau Anfang fünfzig, kam mit Schäferhund an der Leine. Sie stellte sich freundlich vor und bestellte artig Grüße von ihrem Mann, der es vorzog, noch in den Biergarten zu gehen. Die Temperaturen luden dazu ein. Es hatte noch zweiundzwanzig Grad Lufttemperatur und nur eine leichte Windbrise streifte über den kleinen Kurort im Oberallgäu. Nach kurzer Unterredung verabschiedete sich Frau Koch und teilte dem Paar mit, dass sie mit ihrem Mann nur hundert Meter entfernt beim Kurpark wohnen würde. Dann trottete sie mit ihrem Hund weiter in die mittlerweile dunkle Nacht. Nicole und Max packten für den nächsten Tag ihre beiden Rucksäcke und hörten kurz vor Mitternacht noch leichte Regentropfen an dem Fenster ihres Schlafzimmers.

„Hoffentlich ist es morgen schön sonnig und trocken“, sagte Nicole und gab ihrem Freund noch einen Gute Nacht Kuss. Danach schliefen beide ein und ahnten noch nicht, dass es ihre letzte ruhige Nacht in ihrem Urlaub sein sollte.

2. Kapitel

Als sie am Morgen um 7.00 Uhr aufwachten, war der Himmel wolkenverhangen. Der Wetterbericht tags zuvor hatte gutes Wetter prognostiziert. Beim Frühstück machte Max sein Smartphone an. Als er einen Schluck aus seinem Kaffee nahm, meinte er zu Nicole: „Also laut meiner Wetter‐App für diese Region, müsste ab dem späten vormittag sonniges Wetter über dem ganzen Tal hier sein. Wollen wir mal hoffen, dass die sich nicht irren.“ Sie guckten auf den dunklen Himmel und sahen die noch nassen Straßen vom Fenster aus. Sie frühstückten zu Ende und verstauten noch zwei gekühlte Getränke in ihren beiden Rucksäcken. Dann gingen sie zum Auto und verstauten diese mit ihren Wanderstöcken im Kofferraum ihres VW Golf. Ihre Ferienwohnung im Hindelanger Ortsteil Bad Oberdorf lag fünf Kilometer vom Ausgangspunkt des nächsten Ortsteils „Hinterstein“ entfernt. Sie hätten zwar unweit ihrer Wohnung auch einen Bus nehmen können, entschieden sich aber für den eigenen Pkw. Über die Gästekarte die sie von ihrer Vermieterin erhielten, waren eh alle Parkgebühren im Ortsbereich frei. Ganz ohne Bus gings dann aber doch nicht. Um den Aufstiegs– und Wanderweg zu verkürzen, verkehrte vom letzten großen Parkplatz in Hinterstein eine Buslinie, die das Tal in regelmäßigen Abständen abfuhr. Diese Straße bis Talende war für den normalen Verkehr gesperrt. Nicole und Max stellten ihr Auto ab und holten die restlichen Sachen aus dem Kofferraum. Der Andrang von anderen Ausflüglern um 9.00 Uhr beim Buseinstieg hielt sich in Grenzen. Der bewölkte Himmel hatte doch einige Wanderer abgeschreckt. Zehn nach neun startete der halb volle Bus ins Tal hinein. In zehn Minuten war die Haltestation beim E‐Werk erreicht. Bis hierher hätten die beiden schon über drei Kilometer erlaufen müssen. Vom Bus aus sahen sie schon einiges der Oberallgäuer Alpen. Mit ihnen stieg nur noch ein älteres Paar und ein einzelner jüngerer Mann ihres Alters aus. Auf der Vorderseite des Wasserwerkes sahen sie schon mit Interesse die ganzen Hinweise, wie mit dem Wasser des Taufersbaches die Energie gewonnen wird. Auch was der Schrecksee hier für eine Bedeutung hat und wie sich das Bild dort die letzte Jahrzehnte verändert hat, erfuhren die interessierten Gäste. An den Wanderschildern vom Halteplatz, stand eine Zeitdauer von zweidreiviertel Stunden zum Schrecksee. Sie schulterten ihre Rucksäcke auf, stellten ihre Stöcke ein und liefen gemütlich los. Die anderen drei waren schon zügig vorausgeeilt. Es war noch bedeckt und die Temperaturen lagen bei etwa zwölf Grad, als sie auf leicht schmierigen Pfaden den Weg einschlugen, der anfänglich viel durch den Wald verlief. Durch den leichten Regen in der Nacht waren einige Passagen mit nötiger Vorsicht zu genießen, da es sonst eine unangenehme Rutschpartie geben konnte. Nach einer Stunde entdeckten sie einen kleinen Stausee auf 1300 Meter Höhe, versehen mit einem kleinen Gebäude und Staumauer der E‐Werke. Danach wurde das Gelände offener und der Wald lichtete sich immer mehr. Nach einer kurzen Getränkepause sahen die beiden die ersten Löwenzahnwiesen und auch Arnika war immer häufiger zu entdecken.

„Hast du die kleinen Thermokissen mit?“ fragte Max als er einen schönen Rastplatz auf einem Felsblock unweit des Baches entdeckte. „Klar doch“, meinte Nicole und wischte sich die ersten Schweißtropfen von der Stirn. Am Himmel waren jetzt immer mehr Lücken zu entdecken, durch die sich die Sonne langsam durchkämpfte.

„Juhu, die Sonne kommt!“, frohlockte Nicole schon in bester Laune. Am Taufersbach entlang ging es immer steiler werdend, jetzt in etwas schroffigeres Gelände nach oben. An einigen Felswänden sahen sie bereits leichte, kleine Wasserläufe, die sich ihren Weg nach unten brachen. Die weißen Spitzen der höheren umliegenden Berge waren schon greifbar nahe. Auf 1600 Meter Höhe angekommen, beschlossen beide noch eine kurze Pause zu machen, um die wunderbare Aussicht und Stille zu genießen.

„In gut einer dreiviertel Stunde müssten wir oben am See liegen“, meinte Max. Nicole nahm ihr Fernglas aus dem Rucksack und machte einen Rundumblick. „Vielleicht entdecke ich ja ein Murmeltier“, sagte sie und schaute, ob sie auch ihre Kamera griffbereit hatte. Sie nahmen noch einen Schluck aus ihrer Flasche und wanderten weiter. Dann auf rund 1700 Meter Höhe ein überraschender Anblick: Große und weite Schneeflächen säumten immer mehr den Weg. Nicole schüttelte verwundert den Kopf: „Erstaunlich! Das noch Reste vorhanden sind, war mir klar, aber dass noch so große Mengen hier liegen.“

„Ja, jetzt wissen wir, warum hier so wenige Leute unterwegs sind“, entgegnete Max.“

„Hoffentlich wird’s am See weniger, sonst können wir auf keinen Fall den Jubiläumsweg gehen“, meinte sie. „Der liegt ja noch höher als der See.“

Sie gingen weiter und merkten, dass sie immer tiefer einsanken. Bis auf Schafthöhe ihrer knöchelhohen Wanderschuhe lag jetzt immer mehr der Schnee. Den letzten Kilometer bis zum See hatten dann beide noch einiges zu kämpfen. Dann war es soweit. Ähnlich wie in einem Krater lag der See auf einmal vor ihnen. Ein ungewöhnlicher Anblick, es war nämlich gar kein Wasser zu sehen, sondern der circa 400 x 300 Meter große See war eine einzige Eisfläche! Trotz der milden Temperaturen, die hier oben auch mittlerweile bei fünfzehn Grad lagen, war das Gewässer noch fast vollständig zugefroren.

„Ein faszinierender Anblick“, meinte Max. „Als ob wir in einer Antarktis‐Expedition sind. Und das um halb eins mittags und bei strahlendem, ungetrübten Sonnenschein. Gott sei Dank gibt`s hier entlang des Ufers mehr Grün als Schneeflächen, dann können wir uns noch ausgiebig sonnen, bevor wir zurücklaufen.“

„Max, gehen wir da rüber zu der Hütte auf der Anhöhe, oberhalb des Wasserauslaufes?“, fragte Nicole und zeigte mit ihrem Arm zu der großen Holzhütte oberhalb des Sees. Als sie näher an die Hütte traten, sahen sie, was diese für einen Zweck erfüllte. Nach hinten ging ein dickes Stahlseil, das einer Materialseilbahn diente. Hier wurde vom Werk aus gesteuert, wieviel Wasser die Trasse nach unten durchlässt. Außerdem diente das Gebäude vermutlich als Materiallager und Werkzeugschuppen. Als Max und Nicole an die Hütte traten, sahen sie auch zwei Fenster am Gebäude. „Wahrscheinlich ist da häufig ein Mitarbeiter, um die Abläufe nach unten zum Tal zu steuern“, meinte Nicole, nachdem sie in das Fenster guckte und auch eine Bank und einen Tisch entdeckte. Dreißig Meter unterhalb der Hütte sah Max einen schönen Rastplatz. „Hier machen wir unsere Sonnenpause“, meinte er und steuerte darauf zu. Sie legten ihre Sachen ab, und Nicole holte die Thermomatten aus ihren Rucksäcken. Dann breiteten sie diese auf dem noch feuchten grasigen Untergrund aus. Als sie saßen, holte Nicole Kamera und Fernglas hervor. Max war für die „Abteilung Proviant“ zuständig.

„Wirkt schon bissl unheimlich hier“, meinte er und nahm einen Schluck seines isotonischen Getränks. „Keine Menschenseele und der See ist eine riesige bläuliche Eisscholle.“

„Vielleicht können wir uns ja die kleine Insel kaufen“, sagte seine Freundin grinsend und gab ihm ein Bussi auf die Wange. „Es hat ja auch seine Vorteile, dass niemand da ist. Wir können uns etwas entkleiden und ich oben ohne sonnen.“

„Ja, warm genug wär‘s ja und windstill“, meinte er und sah auf seine Outdoor‐Uhr. „16,5 Grad zeigt meine Uhr an und 1815 Meter Meereshöhe.“

„Aber bevor ich mich ausziehe, mach ich erst ein paar Aufnahmen“, sagte sie und stand auf. „Dort drüben auf der anderen Seite geht das Paar, das wir auch im Bus gesehen haben. Die werden doch wohl nicht den Weg weitergehen Richtung Prinz‐Luitpold‐Haus?“

„Wär schon sehr mutig von den beiden, zumal der Höhenweg oft oberhalb der Zweitausender Marke verläuft.“

Nicole nahm ihre Kamera in die Hand und machte ein paar Schnappschüsse mit ihr über dem See, auf die umliegende Bergwelt. Sie fotografierte auch das Paar auf der anderen Seite.

„Da drüben läuft auch einer den schneebedeckten Berghang hoch“, meinte sie, als sie den Wanderer im Sucher der Kamera sah.

Max studierte seine Karte. „Ja, das müsste der Kastenkopf mit 2129m sein, den ich hier auf der Karte sehe. Einer von fünf Gipfeln die über 2000 Meter liegen, hier direkt um den See rum. Aber die heben wir uns für ein anderes Mal auf, das Risiko müssen wir jetzt nicht unbedingt eingehen, zumal der Typ auch Schneeschuhe an hat.“

Nicole hing sich ihre Kamera um den Hals und nahm ein paar Taschentücher in die Hand.

„Schatzi, ich mach von der Hütte oben ein paar Aufnahmen und such mir dann noch ein stilles Örtchen, sonst mach ich in die Hose. Send doch von deinem I‐Phone Bernd eine MMS zu und richte ihm schöne Grüße von mir aus.“

Dann ging sie los. Sie meinte Max besten Freund, der ihnen den Tipp gegeben hatte, hier zum See mal eine Tour zu machen. Er schoss mit seinem Handy einige Aufnahmen, schrieb ein paar Zeilen und sendete sie ihm. Der Empfang hier oben war sehr gut, vermutlich aufgrund des Werkes und der Bediensteten die hier öfter arbeiten, dachte er sich. Er sah auch, wie Nicole oben an einem Grashang über der Hütte noch einige Aufnahmen schoss.

Sie winkte und schrie: „So, jetzt noch etwas erleichtern, dann komm ich wieder!“ Dann verschwand sie hinter der Hütte. Max sah, dass das ältere Pärchen ebenfalls einen schönen Rastplatz auf der gegenüberliegenden Seite des Sees entdeckt hatte. Zehn Minuten verstrichen.

„Hat aber eine ganz schön lange „Sitzung“, murmelte er vor sich hin und stand auf. Er packte die Matten zusammen und verstaute sie im Rucksack. Er wollte mal raufschauen, wo sie solange blieb. „Mausi!“, schrie er dann Richtung Hütte. „Wo bleibst du denn?“

Keine Reaktion auf seine laute Stimme. Dann schulterte er seinen Rucksack um und ließ den seiner Freundin liegen. Er lief los zur Hütte. Die Sonne schien mittlerweile fast wolkenlos vom hellblauen Himmel. Die Eisschollen im See schmelzten immer mehr und ließen das türkisblaue Wasser erahnen, das darunter immer stärker hervorschimmerte. Dann stand Max vor der Hütte.

„Nicole, wo steckst du?“

Keine Antwort auf seine mittlerweile nervöse Stimme. „Verdammt, wo ist sie denn? Das gibt’s doch nicht“, murmelte er vor sich hin und legte seinen Rucksack vor der Hütte ab. Dann umlief er das acht mal fünf Meter große Gebäude. Er legte die Hand auf die Türklinke und drückte sie herunter. Verschlossen! Da konnte sie unmöglich sein. Zudem war die abgesperrte Tür noch zusätzlich mit einem Vorhängeschloss gesichert.

Er formte die Hände zu einem Trichter und legte sie an den Mund: „ Nicole!“, brüllte er so laut wie selten zuvor in seinem Leben. Keinen Ton konnte er vernehmen. Er trommelte mit seinen Fäusten gegen die Holztür. „Hallo, ist da jemand?“

Nur der Flügelschlag einiger Bergdohlen war zu hören, ansonsten Totenstille. Angstschweiß breitete sich auf der Stirn von Max aus. Gott im Himmel, sie konnte doch nicht auf einmal verschwunden sein, dachte er sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er trat auf den großen Grasrücken oberhalb der Hütte und brüllte erneut mehrfach ihren Namen. War sie den Abhang zur anderen Seite hinunter gestürzt? Aber dann hätte er doch einen Schrei gehört? So was passiert doch nicht lautlos. Sein Herz hämmerte immer schneller.

„Ist was passiert?“ hörte er eine männliche Stimme rufen. Das Ehepaar von der anderen Seeseite war aufgrund der lauten Rufe hellhörig geworden und in seine Richtung gelaufen. Er sah das ältere Paar Anfang sechzig auf sich zukommen.

„Meine Freundin ist plötzlich verschwunden“, klärte er die beiden auf. „Sie wollte sich erleichtern und noch paar Bilder machen, hier oberhalb der Hütte. Ich sah sie noch fotografieren, dann war sie kurze Zeit später auf einmal verschwunden. Ich bin fassungslos!“