Carl Hauptmann: Panspiele

 

 

Carl Hauptmann

Panspiele

Im goldenen Tempel-Buche verzeichnet

Der Antiquar

Frau Nadja Bielew

Fasching

 

 

 

Carl Hauptmann: Panspiele. Im goldenen Tempel-Buche verzeichnet Der Antiquar Frau Nadja Bielew Fasching

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

ISBN 978-3-7437-0499-2

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-0485-5 (Broschiert)

ISBN 978-3-7437-0486-2 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: München (Callwey), 1909. Uraufführung der Einakter »Tempelbuch«, »Antiquar« und »Frau Nadja Bielew« am 22.10.1910, Stadttheater, Köln. Uraufführung von »Fasching« im November 1912, Lessing- Gesellschaft, Hamburg, durch Laienspieler.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Carl Hauptmann: Panspiele. München: Verlag von Georg D.W. Callwey, 1909.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Im goldenen Tempel-Buche verzeichnet

(Nach einer japanischen Skizze)

Dichtung in drei Vorgängen

(Hinter Schleiern zu spielen)

Personen

Der Kaiser.

 

Giwau, dessen Geliebte.

 

Tozi, Giwaus Mutter.

 

Ginyo, Giwaus jüngere Schwester.

 

Hotoke, eine junge Sängerin.

 

Diener.

 

Dienerin.

 

Die Handlung spielt im kaiserlichen Palast im Lande des Sonnenaufgangs.[3]

 

Erster Vorgang

Der vordere Raum der Bühne ist rechts und links je durch eine Wand mit Tür, nach der Tiefe durch einen kostbaren, zweiteiligen Vorhang begrenzt. Wenn sich der Vorhang auseinander breitet, sieht man Stufen, die zu einer freien Terrasse mit Säulen und Gewinden führen. Dort oben stehen ein paar vornehme Ruhebetten. Durch die Säulen sieht man in die Gärten des Kaisers, darüber der Abend sich legt. Der Vorhang ist halb geöffnet.

 

Tozi und Ginyo, Giwaus Mutter und Schwester, kommen von links aus der Tür. Gleich danach erscheint aus der rechten Tür eine Dienerin.

 

DIE DIENERIN.

Oh! in der jachen Unrast unsrer Stunden

ein Weilchen Frieden, Herrin! Deine Tochter

schmückt sich. Die stille Abendfeier, wo

der kaiserliche Herr, ganz hingegeben,

dem Laut aus Giwaus keuschen Lippen lauscht

und des verzückten Reigens brünstigem Zwange

nachstarrt, ist nicht mehr weit. Sie summt schon leise

die Lieder, die der Kaiser gerne hört.[5]

DIE MUTTER.

Nur sage Giwau, dass die Mutter und

die Schwester Ginyo zu ihr kam. Sie möchte

sich ja beeilen, eh die blauen Blüten

im Tanze vor dem Kaiser niederwirbeln

aus ihrem vollen Haarkranz. Abendstrahlen

umfluten schon den Weg. Die Sonne taucht

in Busch und Wipfel ein mit goldnen Säumen.

Und Mutterliebe will die Schleierstimme

der Tochter nicht nur träumen, wirklich trinken,

wie reichen Seelenlaut im Garten Gottes.

 

Die Tür zur Rechten hat sich geöffnet, und Giwau ist kindlich bewegt erschienen, in Freude über ein köstliches Perlengeschmeide, das sie im Begriff ist sich umzulegen.

 

GIWAU.

Du Mutter! sieh nur, sieh die seidigen Perlen,

die mir der Kaiser gestern umhing. Oh,

er liebt mich, Mutter, liebt mich ohne Mass.

Wie reiner Morgen liebt den weiten, dunklen,

lautlos erstorbnen See der Traurigkeit,

darin in goldner Flut die Nacht versinkt.

Nein, Mutter! Grenzen nicht der Huld und Gnaden

erkennt er noch. Erhöhen! Nur erhöhen!

von Tag zu Tage mehr, ganz ungestüm.[6]

Sein Wink häuft Schätze mir und Euch ... und Schönheit,

so dass ich wirklich wie von Genien

behütet bin. Und seine dunkle Stimme

rühmt unablässig mich – nur mich! – nur mich!

»Du, Giwau«, sagt er – –

DIE MUTTER zärtlich drohend.

Schatz, rühm dich nicht selbst!

Des Liebeswahnes heisse Worte irren

und zücken bandenlos, wie helle Blitze

in Wolken zücken. Und schon ist es Nacht.

Lass selige Liebesworte nur dein Auge

sanft hellen, ganz von ferne, wie ein Blick,

der ungehört vergeht und Lächeln macht.

Und sprich sie höchstens einmal leis, in Glücke,

wenn du mit dir allein bist, so nur hin –:

wenn du, erschauernd von dem jungen Wein,

das höchste Gut ermessend, noch tief sinnst.

Doch ja nicht laut der Liebe Stammeln, Kind,

und nicht vor andern! Ach, die Zeit ist Flucht!

GIWAU.

Nein, Mutter! nicht doch! – Nein, so flüchtig ist[7]

die Glut der Liebe meines Kaisers nicht.

Nein, allzu kleinmütig ist meine Seele

noch nicht geworden. Ach, es ist so süss,

so Tag um Tag und Jahr um Jahr geborgen

am selben Baume ruhen, an derselben

kristallnen Quelle meinen Durst zu stillen.

Oh Mutter! Huldvolle! nur preise fröhlich

mit mir das junge Licht, das sonnenflutend

mein winziges Leben einhüllt! Rühm mich hoch,

dass meiner Schönheit züchtiger Tulpenbaum

so ewig Gaben vor den Kaiser hinstreut.

Du liebe Schwester Ginyo, Morgenschein

ist nicht so sanft, wie du. Und sanfte Mutter,

du hohe Hüterin! – Dass ihr mir lebt!

Mein Gott! Der Kaiser kommt den Myrtenweg,

im Schatten wandelnd. Der Geliebte kommt!

Ein Sinnen um die Lippen. Und ein wenig

schon Ungeduld. Er kann es nicht erwarten,

mich anzusehen mit den saugenden,

geliebten Blicken. Oh! Zeit, stehe still!

Er kommt verlangend. Roten Blumenkelch

schwenkt er in lässigem Tändelspiele immer

nur auf und nieder mit der schlanken, weissen,

beringten Hand.

 

[8] Giwau küsst eilig Mutter und Schwester, indem sie sie zur linken Tür geleitet.

 

Geliebte, nehmt nur mit euch

so viel, als eure Seele fassen mag

vom heiligen Wunder Liebe, das ich lebe.

 

Mutter und Schwester gehen mit zärtlichen Blicken auf Giwau ab. Giwau ist ganz leicht auf Zehen wieder zur rechten Tür hinübergeschlichen, immer in beglückt lauschender Haltung. Dort steht sie, im Begriff in die Tür zu gehen, gespannt den Kopf leicht nach dem Garten rückgewendet.

 

DER KAISER ist vom Garten her auf Terrasse und Stufe erschienen und schlägt achtlos eine Vorhangfalte zurück.

Nun, Giwau! Seele meiner Seele! – Du! –

So zärtlich aufgereckt! – Der Abend kam.

Die Blüten allenthalben in den Büschen

verschenken Duft, der Sehnsucht weckt. Und drüben,

dort, wo im Teiche sich die weissen Säulen

des Tempels spiegeln, klagen schon die Schwäne,

und ziehen Nebel aufwärts. Und ich komme ...

GIWAU.

Ganz nur von ferne, vielgeliebter Mann!

der du ja Kaiser bist, mir zu gebieten!

Doch weil du in dem Reiche meiner Gnade[9]

ein Nichts dich dünkst, Herr Kaiser! will ich wagen

zu bitten –: Nur von ferne sollst du jetzt

in stummer Feier Giwaus Stimme lauschen

und nicht das Traumbild ihres Liedes stören

durch Ungestüm! – – Nur später! – später – wenn

der Mondstrahl lautlos fällt, die bleichen Rosen

der dunklen Wasser ihren Schoss auftun

dem mitternächtigen Licht im weiten Raum,

da wollen wir ins Dämmer-Flüster-Reich

der seidnen, reichbesternten Wasser gleiten

und in das Flüsterreich der Liebesschwüre

weit fortziehn ohne Zeit. – – Nur manchmal noch

vom Boote wie im Traum die Hand eintauchen,

die heisse Wange mit der Flut zu kühlen.

DER KAISER ist lachend, während zwei Diener den Vorhang auseinander gebreitet, zu einem der Ruhebetten hingegangen.

Hier sitzt sich's gut. Nun also, Giwau, singe!

GIWAU die noch zögert.

Bist du schon herrisch? Willst du nicht mehr hören,[10]

was meine Seele dir noch eben sanft

in Lüfte hingemalt?

DER KAISER lacht.

Ganz nur von ferne.

GIWAU unterdessen um sie Dienerinnen mit Schleierwerk, Harfe und einem Kranz aus blauen Kelchen erschienen sind, steigt langsam die Stufen empor.

Bis – ach! – der Mond im Flutgeriesel auf

und nieder tanzt mit blanken Silbersternen!

und du von meinen willenlosen Lippen

Feuer und Duft und Atem saugst der Liebe.

 

Sie hat während dieser Worte gedankenlos den Kranz ergriffen und sich ins Haar gedrückt. Der Kaiser ist in ihren Anblick versunken. In diesem Augenblicke hört man von links eine sanfte, aber heitere.

 

STIMME.

Nein, nein! lasst mich nur zu ihm, ihm zu tanzen

und ihm zu singen! denn ich bin Hotoke!

Hotoke! Ruhm und Preis ist mein! Hotoke!

Nicht süssere Lieder sang ein Mädchenmund

jemals in diesem Lande. Also loben

die Dichter meinen holden Seelenlaut.[11]

Und meiner Tänze reiche Linienspiele

malt nicht die Sonne in die klaren Wellen

des Baches, malen Wolken nicht auf Wiesen,

wenn schöne Wolkenschattenleiber langsam

auf Erden hinziehn. – Oh lasst mich zum Kaiser!

 

Hotoke ist, von Dienern zurückgehalten, hereingestürmt und steht an den Stufen vor dem Kaiser, der sich wie ermannt, fragend Giwau ansieht und dann ein achtlos strenges Gesicht Hotoke zuwendet.

 

HOTOKE die ihre lieblichste Miene zeigt, verbeugt sich tief vor dem Kaiser.

Oh! – Kaiser! – Ich bin deiner Hoheit Magd!

Ein lieblich Mädchen bin ich – – bin Hotoke!

DER KAISER streng.

Hotoke? – Wer? – Wer ist denn nur Hotoke?

Gerühmt im ganzen Land? – Weil ihre Brauen,

Sammetbändern gleich, die weisse Stirne zieren?

der Stimme Wohllaut tief und lieblich tönt?

und weil du deinen jähen, schlanken Leib

sanft schlingen kannst, wie Ranken um den Stab,

so um den Harfenklang? Was willst du hier?[12]

HOTOKE.

Dir Lieder singen, Kaiser! – – von den schönsten,

die je ein Herz ersann! – – Dir tanzen, Kaiser!

den tiefsten, süssesten, geheimsten Schmerz,

der je in jungem Leibe Seligkeit

und Schönheit wurde – Kaiser –.

DER KAISER.

Nur schweig still! – –

Du, Giwau – Lieblichste, – du Gläubige!

Du Gnadenspenderin, vergib der Frechen

die sich herzudrängt!

 

Mit einem harten Blick auf Hotoke.

 

Fort von hier!

 

Nun ganz nur Giwau zugewandt.

 

Oh Giwau!

Du Trank aus eines Alabasterbechers

verborgener Kühle! – ja – wess' Lieder glichen

den deinen? – oder wessen Tänze glichen

dem Wunder deiner keuschen Gliederspiele?

 

Nun wieder hart und achtlos gegen Hotoke geredet.

 

Nur fort! – Ich hab nicht Sehnsucht.

 

Hotoke steht tief beschämt.[13]

 

GIWAU sanft zu ihr gewandt.

Geh, Hotoke!

 

Während Hotoke scheu und zögernd der Tür zuschreitet, redet Giwau freundlich in sie ein.

 

Ich will den Herrn sanft machen!

 

Hotoke ist jetzt scheu verschwunden.

 

Oh, mein Kaiser!

Sie ist ein heller Vogel, der in Lüften

frei hinzieht, möwengleich – – ein Schwall im Meere,

der sich mit feuchtem Tang und Perlenschaum

bekrönt nur herdrängt ohne Arg. – Geliebter!

Sie dachte nicht, dass Schmach und Rutenstreiche

dort lauern, wo der Kaiser wohnt.

DER KAISER.

Ja, Giwau?

Ich sprach zu hart mit ihr?

GIWAU.

Nein, wirklich hart!

Meinst du, dass sie gescheucht, beschämt, mit Tränen

hinweg sich stähle, wenn du sie gerühmt?

DER KAISER.

Nun! – – nicht gerühmt, nein, nein![14]

GIWAU.

Ruf sie zurück!

 

Der Kaiser geht unschlüssig zum Ruhebett zurück. Dann gibt er einen Wink.

Hotoke wird von Dienern wieder hereingeführt. Sie wagt nicht aufzublicken.

 

EIN DIENER zu der Zögernden.

Der Kaiser wünscht, dass du vor ihm erscheinst.

HOTOKE.

Du Gott der Lieder! meine Seele bangt noch,

erzittert noch ohn' Halt. Du musst vergeben,

Du gütige, reine Fraue, wenn mein Lied

ganz eingeschüchtert jetzt und traurig hinströmt.

GIWAU.

Du brauchst nicht furchtsam sein, Hotoke, hörst du!

HOTOKE spricht psalmodierend.

Ich war wie Wind,

flüchtig und leicht.

Sonne hat nie

mein Haar gebleicht.[15]

Mondstrahl hat

meine Lippen gekühlt,

der Liebe

blühende Wunde.

Oh, meine traurigste Stunde,

wo mich der Kaiser geschlagen!

Klagen – nur Klagen

entströmen aus meinem Munde.

 

Sie hat ganz verschämt innegehalten und sagt entschuldigend.

 

Oh – ich bin noch in Schreck – ich finde nicht

die Worte, die erfreuen.

DER KAISER.

Singe weiter!

HOTOKE spricht psalmodierend.

Ich bin die Nacht,

traurig und schwer.

Keine Sterne scheinen.

Und finster her

ziehen nur, dunkle Gewande,

die Wolken über die Lande.

Kein Mondstrahl mehr

meine Lippen kühlt.[16]

Oh! meine traurigste Stunde!

Ich habe so brennend, so brennend gefühlt

den Zorn, der mich hart geschlagen.

Klagen – nur Klagen

entströmen aus meinem Munde.

DER KAISER ist ganz in Hotokes Anblick versunken.

 

HOTOKE.

Ich bin eine Löwin,

schmiegsam und kühn,

 

Die es bemerkt hat, beginnt leidenschaftlicher ihren Ton zu heben.

 

treibe in Wildnissen,

wo die dunklen Rätselblumen blühn,

ruhe in Schattennacht,

spiele im Sonnenschein,

rufe und rufe nach Einem! – –

Mein Herz ist toll,

ist von der Sehnsucht übervoll! – – –

Ach, wie ein Rauch in die Lüfte zieht,

ist meine Blume Sehnsucht verblüht – –

 

Sie hat ihrem Vortrag allmählich und besonders zum Schluss freie Tanzbewegungen hinzu gefügt, steht plötzlich still, atmet tief auf und sieht Giwau sieghaft an.[17]

 

GIWAU die zu Anfang gelächelt hatte, ist während des Gesanges immer mehr erstarrt, hat in Gedanken den Kranz von ihrem Haar in die Hand genommen und dann achtlos ihrer Hand entgleiten lassen.

DER KAISER ist ganz versunken.

HOTOKE wendet sich zögernd zum Gehen.

Nein, nein, ich kann nicht weiter – nichts gelingt.

DER KAISER blickt Hotoke an und jedem ihrer zögernden Schritte nach, sieht scheu zu Giwau hin, deren Blick ganz in die Ferne der Gärten gerichtet ist.

HOTOKE ist langsam nach der Tür gegangen.

DER KAISER hastig.

Hotoke! – – bleibe! – – bleibe!

HOTOKE sich sanft, aber überlegen dehnend.

Nein, nein, Herr!

Lass mich nur fort von hier! – Denn sieh nur, Giwau,

die gütige, schönste Frau ist ganz erstarrt.[18]

DER KAISER blickt scheu zu Giwau.

HOTOKE die einige Schritte vorgetreten war, zögert Schritt um Schritt zurück.

DER KAISER.

Stört Giwau dich, Hotoke?

GIWAU hat sich zum Gehen erhoben.

DER KAISER sanft.

Gehe, Giwau!

HOTOKE.

Du brauchst ihr nichts zu sagen. Oh, sie geht.

GIWAU ist in hoheitsvollem Gange nach rechts verschwunden.

HOTOKE steht hoch aufgerichtet und doch scheu.

DER KAISER ruft.

Hotoke!

 

Hotoke sieht jetzt unverwandt, aber innerlich immer noch streng gebunden, den Kaiser an.[19]

 

Personen

Der Kaiser.

 

Hotoke.

 

Giwau.

 

Eine Kammerfrau.

 

Ein Diener.

 

Vier Sklavinnen.

 

Die Handlung spielt im Palast des Kaisers wie im ersten Vorgang.[21]

 

Zweiter Vorgang

Der Vorhang zur Linken ist so weit vorgezogen, dass vorn zwischen ihm und der linken Tür ein Raum entsteht, den man von den Ruhebetten auf der Terrasse aus nicht übersieht. Es ist alles noch wie im ersten Vorgang eingerichtet.

 

Hotoke kommt Schritt um Schritt, lässig, verhärmt, vom Garten, vor sich hintändelnd, bis auf die Terrasse, indes die Kammerfrau zögernd hinter ihr drein geht. In gemessener Distanz von der Kammerfrau zögern vier Sklavinnen hinterdrein, von denen eine einen goldenen Becher, die andere eine Schale mit üppig getürmten Früchten, die dritte ein kostbares, mächtiges Buch mit Edelsteinen und goldenen Schliessen, die vierte ein Kästchen mit Juwelen trägt.

 

HOTOKE die jetzt auf der Terrasse steht und unruhig immer wieder nach dem Garten zu ausblickt, redet nebenher unwillig.

Nein – bringt mir nichts! – wenn es ihn nicht gereut

um jede Stunde, die er ferne bleibt –

um jeden Laut der demutvollen Liebe,

die das verzehrte Herz ihm ewig zollt –

und nimmer müde wird. – Nur geht – ich lache[23]

der Sorgfalt seiner Gaben so von ferne,

wo nur die Sklavin tut, was er nicht tut,

weil's längst zur Last ihm ist –

DIE KAMMERFRAU.

Oh, Herrin – nein,

Nehmt doch ein Stück Melone! – Diese Frucht,

so kühl und duftig – Herrin, tut es doch!

tut es dem Kaiser doch zuliebe – hört Ihr!

HOTOKE hüllt sich, müde und gequält, in die kostbare Brokatdecke und streckt sich achtlos auf das Ruhebett, wobei ihr die Kammerfrau behilflich ist.

Warum lässt er mich heut allein? – nun? – sprich!

Heut – wo es draussen harte Tropfen träufelt

und über alle Welt die Trauer ausgiesst.

Noch müder schleicht mein Boot in finstrer Flut

dahin – ganz unterm Lastenhimmel der Enttäuschung.

Im Wachtraum meiner Sehnsucht dünkt mir Liebe

ein Lied des Wahns und nie stillbarer Schmerzen –

aus eines Kindleins weichem Lippenflaum[24]

hinausgesungen wie ein Sieggesang,

der nur die Herzen tört, die er zerbricht.

DIE KAMMERFRAU hat den goldenen Becher genommen, ihn Hotoke hinzureichen.

Nehmt einen Schluck nur aus dem Becher!

HOTOKE unwillig zu den Sklavinnen gewandt.

Fort!

Ich habe kein Begehr – so höre endlich!

Und schick sie fort – die Sklavinnen! Ich will es.

Ich kann das Wispern mit den Muschelketten

nicht hören – und den Ambraduft nicht leiden

aus ihrem Haare. – Störe mich nicht weiter

mit diesen Liebesgaben, die nichts gelten!

DIE KAMMERFRAU.

Auch nicht die Blätter, die der Kaiser sandte,

Euch zu erfreuen, wenn Ihr sie beschaut?

Liebliches Märchenwerk ist drauf gebildet,

die Schwermut und den Willen zu verscheuchen,

der Euch gebunden hält. Oh, Eure Seele

wird wie ein Kindlein werden, lachen wieder, so wie die Lerche lacht.

 

Hotoke hat ihr einen funklen Zornblick zugeworfen.[25]

 

DIE KAMMERFRAU zu den Sklavinnen.

Ihr seht es – geht!

 

Die Sklavinnen gehen durch den Garten zurück und verschwinden.

 

HOTOKE den Kopf ganz überrück, die linke Hand unruhig mit den Juwelenketten tändelnd, die um eine neben ihr stehende, hohe, goldene Vase nachlässig herumgeschlungen sind und herabhängen, plaudert hin.

Ist es nicht sonderbar, durch alle Zeiten

ist sie besungen – unsterbliche Liebe!

Oh Blütenkelch von schwermütigem Duft –

nicht lange, und du stirbst und hauchst Verwesung!

 

Sie nimmt einen ausgelassenen, fast drolligen Ton an. Lachend.

 

Was tu ich nur, wenn mir's so geht, wie Babbuk?

dem Buckligen, dem armen Schneiderlein,

dem Bruder des Barbiers – der ruhlos stichelt

auf seinem Schneidertisch – und wahrlich arg

die Finger sich zerstach –

DIE KAMMERFRAU.

Was war's mit ihm?

HOTOKE.

Du kennst den Babbuk nicht? – der in der Mühle[26]

am Fenster drüben nur einmal sie sah,

die schlimmen Zauber warf – die Müllerin.

Oh, Gott Gott Gott – der Narr, der schliesslich noch

als Esel eingespannt ins Rad der Mühle

bei Nacht das Mühlwerk umschwang – unterdessen

der Müller Trauben kostete bei ihr –

bei seiner Müllerin –

DIE KAMMERFRAU.

So muss es kommen!

HOTOKE.

Wer sagt mir, dass ich nicht ein Narr wie er?

der arme Babbuk? – Ja, wer sagt es mir,

ob ich mich nicht ganz hoffnungslos verzehre

nach einem Blick, nach einem sanften Laut,

dass nur der Kaiser einmal leise rufe:

Hotoke! – und in meine Augen lache.

Ich habe Zweifel. Zweifel quälen sehr.

Ich sehe nur zu oft, dass er Geschäfte

voranstellt aller Sehnsucht – rastlos ist –

und nur zum Zeitvertreibe flüchtig tut,

was mir ein Leben gilt – viel mehr als Leben.[27]

DIE KAMMERFRAU.

Ja, Herrin – das ist alt. Des Mannes Leben

ist Tun – nur immer Tun. – Sie dünken sich

in diesem ewigen Tun – und Macht erringen