Die Branntweinpest

 

Der Reisegefährte

Auf meiner Reise von England machte ich eines Tages angenehme Bekanntschaft, in einem Gasthof, mit einem liebenswürdigen jungen Herrn. Er fiel mir eben so sehr auf durch seine männliche Schönheit und durch Anmut seines Betragens, als durch sein niedergeschlagenes Wesen. Er sprach wenig. Als er aber zufällig hörte, dass ich ein Schweizer sei, reichte er mir mit traurigem Lächeln die Hand, nannte mich Landsmann, und lud mich zuletzt sogar ein, ihm bis in die Schweiz Gesellschaft, in seinem bequemen Reisewagen, zu leisten. Ich nahm es mit Vergnügen an.

Unterwegs erfuhr ich, dass er Fridolin Walter heiße, und Arzt sei. Er hatte einen reichen Lord und dessen Familie vier Jahre lang auf Reisen durch Europa begleitet, und war durch dessen Dankbarkeit und Freundschaft nicht nur im Besitz eines unabhängigen Vermögens, sondern auch eines lebenslänglichen Jahrgehaltes. Er hatte dem Lord und einer Tochter desselben, durch seine Kunst, das Leben gerettet.

»Da Ihr das gekonnt habt, lieber Doktor,« sagt' ich: »so könntet Ihr mir vielleicht auch helfen.« Ich klagte ihm, dass ich seit geraumer Zeit Beschwerden des Magens, schlechte Verdauung, öfters am Morgen Reiz zum Erbrechen verspüre. – Meine Klage gab zu einem sonderbaren Gespräch Anlass. Denn er sah mich eine Weile mit seinen schwarzen Augen fest an, als wollt' er mich durch und durch schauen; dann sagte er ganz trocken: »Es kann mit Euch, Herr Landsmann, noch ärger kommen!«

– Das verhüte Gott! – rief ich erschrocken: Ich weiß nicht, was Schuld daran ist.

Er antwortete: »Aber ich weiß es schon seit einigen Tagen, da wir mit einander reisen. Der Schnaps, den ihr zuweilen nehmt, ist schuld, wiewohl Ihr, Herr Landsmann, eben nicht zu viel trinkt, z. B. nur Morgens nüchtern etwa ein Gläschen Rum; nach dem Mittagessen ein Glas Kirschwasser zum Kaffee; Abends noch einmal zum Schlaftrunk eins.«

– Ei, Ihr treibt wohl Euern Spaß mit mir Doktor! entgegnete ich: ein Glas guten Likörs zuweilen kann nicht schaden, da ich sonst einfach zu leben gewohnt bin. Das bringt mir ein leichtes Wohlbehagen; stärkt und wärmt mir den Magen; regt meine Lebensgeister etwas an, und Alles geht zehnmal besser von statten. Ich schwör' Euch, die ganze Welt sieht nach einem mäßigen Schnaps viel freundlicher aus, als vorher.

Der Doktor erwiderte: »Ganz recht! Das ist allezeit die gute und die erste Wirkung von gebrannten Wassern. Darum liebt man dies Getränk auch allgemein. Aber die unfehlbare, zweite Wirkung ist nicht so gut; es macht Euch hintennach schläfrig, schlaff und abgespannt; schwächt Magen und Eingeweide; überreizt dabei die Nerven; zersetzt endlich das Blut in den Adern, dass es mit der Zeit wie geronnen wird; macht bei herrschenden Fiebern und Seuchen im Lande den Körper für dieselben weit empfänglicher, und wenn den Menschen irgend einmal eine Krankheit befällt, wird sie gefährlicher, als bei andern Leuten, die keiner hitzigen Getränke gewohnt sind.«

– Ei, ei, Doktor, Ihr müsst es nicht zu arg machen! rief ich: das mag bei Trunkenbolden der Fall sein.

»Nein, gar nicht, Herr Landsmann!« versetzte er: »es ist wirklich schon bei Euch der Fall. Der Himmel verhüte, dass die Cholera kommt; Ihr wäret wahrscheinlich ihr Opfer. Zu London starben von den Cholerakranken sieben Achtel unrettbar weg, und zwar von denen, die sowohl in den höheren Ständen als in der ärmeren Volksklasse, täglich gern ihren Schnaps nahmen. Ihr könnt Euch darauf verlassen und die Erfahrung hat es bewiesen, dass von zehn jungen Männern, die vom zwanzigsten bis dreißigsten Jahre alltäglich nie mehr, als ein oder zwei Spitzgläser Likör trinken, nach Verlauf von zehn Jahren über die Hälfte gestorben sind und die andern vor der Zeit kränklich werden.«

– Aber, bester Doktor! rief ich: Es gibt doch nicht nur Trinker, sondern Säufer, die bei ihrem Branntweinglase alt und grau geworden sind!

Der unerschütterliche Doktor erwiderte: »Dies alte Vieh aber, seht es nur recht an, hat sich nicht nur um die besten Leibeskräfte, sondern auch um die Verstandeskräfte gebracht. Seht ihren verworrenen, starren Blick; das Zittern ihrer Hände! Diese Einzelnen machen eine Ausnahme von den Frühsterbenden, aber keine Ausnahme von den Folgen ihrer Sünde. Was dem saufsüchtigen Vater nicht geschieht, das müssen die Kinder büßen. Betrachtet die Kinder! Sie sind schwächlich, gliedersüchtig, bleich; haben Drüsengeschwülste und andere Leibesschaden. Machen sie es mit dem Branntwein dem Vater nach, so sterben sie vor dem dreiundzwanzigsten Jahr.«

– Nun, nun! sagt' ich: da habt Ihr freilich Recht. Ich kenne dergleichen. Aber man muss Gebrauch vom Missbrauch unterscheiden.

»Allerdings, Herr Landsmann!« antwortete er: »Auch ist der Gebrauch gebrannter Wasser häufiger, als der sogenannte Missbrauch. Darum aber hören beide nicht auf, ihre schädliche Wirkung für den menschlichen Leib zu äußeren, wie Ihr schon an Euch selber verspüret. Branntwein ist unter allen Umständen Gift. Merkt Euch das! Er dient nicht, als Getränk, zur Löschung des Durstes; sondern umgekehrt, er vermehrt den Durst. Er dient nicht zur Nahrung, denn er hat durchaus keine nährenden Teile; sondern umgekehrt, er schwächt Euch offenbar Magen und Eingeweide. Er nützt also nichts zur Erhaltung unserer Gesundheit, sondern hilft zur Zerstörung derselben. Schon die Gesichter der Trinker, wenn Ihr ein wenig aufmerksam darauf seid, verraten das. Die, welche in der ärmeren Volksklasse nur Branntwein von Korn, Erdäpfeln, Reiß trinken, haben ein blasses, missfarbenes, schwächliches Ansehen. Wohlhabendere, die Kirschwasser, Franzbranntwein, ausländische, starke Weine und Liköre genießen, bekommen davon ein rötliches, aufgetriebenes, kupferiges Gesicht. Gott zeichnet die Sünder.«

– Doktor, sagt' ich: Ihr macht mir fast bange für mein hübsches Gesicht. Ich meine, das Schädliche im Wein und Branntwein sei der Missbrauch und bleibe dabei. Nur Missbrauch macht ihn zum Gift.

»Nein, Landsmann, der nicht allein!« rief der Doktor: »sondern der Weingeist ist das Gift! Mit einem bis zwei Trinkgläsern voll reinen Weingeistes kann man einen gesunden Menschen, der sonst keine starken Getränke nimmt, geradezu töten. Vermischt mit Anderem, setzt der Weingeist Krankheitsstoffe im Leibe an. Wein und Bier, sehr mäßig getrunken, sind weniger nachteilig, als bloßer Branntwein, weil sie weniger Weingeist enthalten. Denn in hundert Maß Bier sind höchstens nur bis 2 Maß Weingeist; in unsern Landweinen enthalten 100 Maß etwa 4 bis 8 Maß Weingeist; aber gute französische Weine gleicher Menge haben 10 bis 19 Maß jenes Giftes; spanische und portugiesische aber 19 bis 25 Maß; hingegen Branntwein, Likör, Kirschwasser, Zwetschgen-, Erdäpfelbranntwein und Rum haben, in 100 Maaß, 24 bis 53 Maß Weingeist. Das macht einen Unterschied!«

– Ihr glaubt also im Ernst, Doktor, der Weingeist sei das Verderbliche, oder Giftige? Und doch braucht man ihn ja sogar zu Arzneien?

»Ganz gewiss. Landsmann, so gut, wie man Quecksilber zu Arzneien gebraucht, aber nicht zur Nahrung, oder zum täglichen Gebrauch. Weingeist ist und bleibt Gift, wie Quecksilber; durchdringt Blut und Knochen, wie Quecksilber; wird von allen Teilen, die er angreift, abgestoßen und verworfen, wie Quecksilber; und geht zum Teil unverändert wieder ab und bleibt zum Teil unverändert im Leibe, wie Quecksilber.«

– Der Henker hole alle Weingeist- und Quecksilberkuren! schrie ich: Was ratet Ihr mir für meinen Magen, und gegen mein Übelbefinden. Ich muss doch trinken. Verschreibt mir etwas.

»Nichts,« rief der unbarmherzige Arzt: »Ihr dürfet wohl bescheidener Weise Wein und Bier trinken; besser aber noch, für Eure Gesundheit gutes, reines Wasser. Um Euch wieder kerngesund zu machen, nehmt Morgens nüchtern einige Gläser frischen Wassers und eben so viel Abends vor Schlafengehen; und zwar alle Tage. Trinket keinerlei gebranntes Wasser, denn es ist ein künstlich fabriziertes Getränk, kein natürlicher Trank. Ich verspreche Euch, Landsmann, Ihr sollt schon nach einem halben Jahre wieder gesunden Magen, gesunde Eingeweide haben und die besten Wirkungen davon für Eure Gesundheit empfinden. Ich bitte, folgt meinem Rat. Unsere Vorfahren waren stärkere Leute. Sie tranken den Branntwein nicht, weil sie ihn nicht hatten und nicht kannten. In den Apotheken fand man ihn unter dem Namen aqua vitae, d. h. Lebenswasser. Er diente zum Heilmittel Jetzt heißt er bei den Wilden in Amerika Tollwasser, und die Wilden haben Recht.«

Ich merkte mir's, wie es Herr Fridolin Walter gesagt hatte. Aber ich füge noch, zur Ermunterung vieler Tausende, die über dass ich, von dem Tage an, des Doktors Rat befolgte; Morgens und Abends ein Paar Glas frischen Wassers nahm, und nur bei Tisch Bier oder Wein; dass ich schon nach einem Vierteljahr die guten Wirkungen für meine Gesundheit davon mit Freuden spürte, und dass ich seitdem in meinem Hause alle gebrannten Wasser abgeschafft habe und sie gänzlich meide. Seit drei Jahren brauch' ich weder Doktor noch Apotheker.

Zwei traurige Briefe

Wir beide, Fridolin und ich, wurden auf der Reise täglich vertrauter. Er war ein herziger Mann. Doch seine Traurigkeit blieb dieselbe. Nichts konnte ihn zerstreuen. Doktor Walter schien viel zu edel, um ein böses Gewissen zu haben. Was konnte ihm also bei seinem erworbenen Wohlstand, bei seiner blühenden Gesundheit. in der vollen Frische seines Lebens, so sehr am Herzen nagen? Gewiss, dacht ich, hat er in England eine fehlgeschlagene Liebschaft gehabt. Denn dass er unverheiratet war, hatte ich schon herausgebracht.

Ich machte ihm eines Tages, als wir im Wagen beisammen saßen und schnell dahin flogen durch die schönen Landschaften, wegen seines Trübsinns freundschaftliche Vorwürfe. »Ihr könntet und solltet der glücklichste Mensch unter Gottes Sonne sein!« sagt' ich: »öffnet mir Euer Herz; vielleicht kann ich ebenfalls Euer Arzt werden.«

»Das könnet Ihr nicht!« sagte er mit unterdrücktem Seufzer. »Ich bin unglücklich. Mir hilft Niemand. Doch kann ich Euch wohl die Ursache meines Grams entdecken. Vielleicht tut mir's gut, wenn ich wenigstens mit einem teilnehmenden Freunde von meinem traurigen Schicksal sprechen kann. Da, lieber Landsmann, leset selber, was mich so schnell nach Hause ruft.«

Er zog jetzt eine prächtige Brieftasche hervor und richte mir daraus zwei Papiere. Das eine war ein Brief seiner Mutter. Der lautete also:

»Wenn du dieses Schreiben empfängst, lieber Fridolin, bin ich schon lange eine verlassene Witwe. Komm zurück, liebes Kind, und werde die Stütze deiner unglücklichen Mutter. Dein Vater lebt nicht mehr. Ein Schlagfluss raffte ihn schnell aus der Welt. Schon im Herbst vorigen Jahrs hatte er einen Anfall davon. Ich schrieb dir nichts darüber, um dich nicht zu ängstigen. Der Arzt hatte ihm vergebens mehr Enthaltsamkeit empfohlen beim Weinglase. Er ergab sich leider dem Trunk! Das ward sein und unser Unglück. Gottes Wille geschehe! Ich hatte die letzten zwei Jahre großes Hauskreuz; denn ich sah, wie es mit unserm Vermögen immer mehr zurück ging. Unser kleines Gut ist ziemlich verschuldet. Vermutlich wird kaum mehr gerettet, als mein Eingebrachtes. Ich fürchte, unser Haus muss verkauft werden. Komm also schnell zurück, du mein letzter Trost!«

»Noch bereite dich auf einen harten Schlag des Schicksals. Im Hause unsers Nachbars Thaly hat sich vor mehr denn sechs Wochen ein über alle Beschreibung entsetzliches Ereignis zugetragen; furchtbarer, als das unsrige. Ich sage dir nur, Thaly lebt nicht mehr. Seine Tochter Justine, die dir so lieb war, ist verschwunden, niemand weiß, wohin? Alle Nachsuchungen sind vergebens geblieben. Der alte Thaly hat schändlich gehandelt; viele Leute betrogen; auch uns. Sein Vermögen reicht nicht hin, die vielen Schulden zu zahlen. Das arme Mädchen dauert mich. Lieber Fridolin, säume nicht. Verlass Alles und eile mir zum Beistand.

»Deine tiefbetrübte Mutter.«

Der andere Brief, den mir Fridolin gab, war ebenfalls von einer weiblichen Hand geschrieben, aber ohne Datum und ohne Angabe des Orts. Er lautete:

»Erschrick nicht, mein ewig teurer Fridolin, wenn ich dir melde, dass dieser Brief der letzte ist, welche ich dir schreien darf und will. Zwar hange ich an dir noch mit heißem Herzen. Aber mag dies Herz brechen; deine Verlobte, deine Braut kann ich nicht mehr sein. Es ist gut, dass sich deine Eltern unserer Vereinigung widersetzten. Denn ich habe das Schauderhafteste erleben müssen, was der Mansch erleben kann. Schreiben mag ich's nicht. Du wirst es nur zu früh erfahren. Vergiss mich! Ich entlasse dich aller deiner Versprechungen. Der Ring, den ich von dir bisher trug, soll für dich in die Hand deiner Mutter zurückkommen. Gib ihn einer glücklicheren Tochter, die deiner würdiger ist. Ich lebe und leide fern von deiner und meiner Heimat. Im Wohlstand erzogen, bin ich jetzt zur Dienstmagd geworden. Für mich hat die Welt keine Freude mehr. Für mich ist Alles Nacht und Tod.«

»Lebe wohl, lieber, Vergiss mich! – Nun hab' ich das Schwerste vollbracht; nun den ewigen Abschied von dir genommen. Vergiss mich! Forsche nicht nach meinem Aufenthalt; und wenn du ihn fändest, würdet du ihn vergebens gefunden haben. Ich sehne mich zu sterben. Vielleicht erbarmt sich meiner bald der Tod. Leb' wohl! leb' wohl!«

»Justine Thaly.«

Ein Unglücklicher

Als ich die Briefe gelesen hatte, saß ich lange in großer Bestürzung da; denn zwei dergleichen, das fühlt' ich wohl, waren hinreichend, einen jungen Mann, der ein Herz, wie mein Freund, im Busen trug, zur Verzweiflung zu treiben. Ich konnte mir jetzt wohl seine Scheu vor starken Getränken erklären. Denn er hatte durch Schuld derselben seinen Vater und einen guten Teil seines Vermögens eingebüßt. Besonders aber erschütterten mich die Zeilen dieser Justine Thaly. Es lag darin ein schreckliches Mut hatte, selber zu gestehen. Was hatte sie verbrochen? War sie verführt? War sie entehrt? – Nun, dann war die Leichtsinnige der Vergessenheit wert. Für ein verführtes Weib gibt es keine Entschuldigung; jede Jungfrau muss die Hüterin ihrer eigenen Ehre sein; es kann es kein Anderer werden.

»Armer Fridolin!« sagt' ich und drückte seine Hand: »Hier kann ich keinen Trost geben. Solche Wunde muss allein die Hand der Zeit und die der Religion heilen.«

Er trocknete von seinen Augen die Tränen. Er schloss krampfhaft meine Hand in die seinige und rief: »Ich bin auf viele Jahre, vielleicht auf immer elend gemacht. dass er Schulden hinterließ, – – ich könnte, so hart es ist, das Schicksal mit männlichem Mut ertragen. Der Tod ist aller Menschen endliches Loos; Niemand ist auf Erden unsterblich. Die Zerrüttung des häuslichen Vermögens sollte für meine gute Mutter lange kein Kummer sein. Sie weiß nicht, dass ich von der freigebigen Dankbarkeit des Lords und seiner Familie für die Zukunft so ziemlich aller Nahrungssorgen enthoben bin. Aber die arme Mutter! sie hatte »Hauskreuz,« schreibt sie; einige Jahre lang Hauskreuz! Mich quälen böse Ahnungen. Wer machte die fromme, gute Frau jahrelang zur Dulderin? – Ach, und die unglückliche Justine! Dieser Engel, diese Heilige, was ist aus ihr geworden? Warum musste sie flüchten? Warum will sie mir nun entsagen?«

Hier schwieg er und schluchzte lautweinend. »Freund,« sagte ich: »entweder ist sie an der unheilvollen Begebenheit unschuldig, derentwillen sie entfloh, – –«

»Halt! kein Oder!« schrie Fridolin: »Sie ist rein, sie ist schuldlos! Ich kenne sie von frühester Jugend her. Wir waren Nachbarskinder, unzertrennliche Gespielen. Als ich von der Hochschule zurückgekommen war, gelobten wir uns Treue und Liebe bis zum Grabe, obgleich sich unsere Väter hassten und mit einander beständig in Streit und Prozess lagen. Ich nannte sie meine Verlobte und Braut, ungeachtet unsere Väter uns den Umgang mit einander verboten hatten, und unsere Vereinigung mit ihrem Fluch bedrohten. Wir hofften das Bessere von der Zeit. Darum hatte ich den Antrag des Lords willig angenommen, ihn einige Jahre lang auf seinen Reisen zu begleiten. Und jetzt, nun unserer Verbindung kein Hindernis mehr im Wege stände, jetzt entsagt sie mir! Noch in dem Briefe. den ich von ihr, wenige Wochen vor diesem schrecklichen, letzten hier, empfangen hatte, beschwor sie mich mit zärtlicher Heftigkeit, bald in die Heimat zurückzukehren. Sie war immer tugendhaft, fromm und treu, mutvoll und entschlossen; – und nun, wie hat das Schicksal sie gebeugt! Warum verhehlt sie mir, die doch sonst mir nichts verhehlte, das schwarze Geheimnis, das uns auf immer trennen soll? Was ist aus ihr geworden?«

So sprach er noch lange. Ich konnte mich bei seinem Jammer der Tränen nicht enthalten. Justines Brief lautete so dass wir uns vergeblich in Vermutungen darüber erschöpften. Im Stillen aber zweifelte ich bei mir nicht, das Mädchen sei, während seiner langen Abwesenheit, leichtsinnig und treulos geworden. Doch wagt' ich meinen Argwohn nicht zu äußeren, um den jungen Mann nicht zu beleidigen. Allein dergleichen Vorfälle sind nur gar zu gewöhnlich.

Ein unerwarteter Unfall brach plötzlich unser Gespräch ab. »Justine Thaly.«

Neues Unglück