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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind über

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Alle Rechte auf Text und Bild vorbehalten

2014 Christa Bohlmann

Covergestaltung: Alfred Rozenvalds

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH.

Norderstedt

ISBN 9783735715104

www.bod.de

Inhaltsverzeichnis

Mein Dank gilt lieben Menschen, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Ob es um Korrekturlesen, die technische Umsetzung oder die Aufnahme des Coverfotos ging – sie alle waren mir gleich wichtig. Ihre Namen in alphabetischer Reihenfolge:

Alfred, Biene, Brigitte, Eckhard, Heinz, Susanne und Rosi.

Vorwort

Gisela Koch? Eine Frau mit diesem Namen mag es geben, aber vermutlich keine, die „Ma belle Giselle“ genannt wird. Diese, meine Gisela Koch habe ich frei erfunden. Deren Leben wird auf den Kopf gestellt, als sie unfreiwillig in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wird und ins „Immergrün“, einer idyllischen Anlage für betreutes Wohnen am Stadtrand von Bassum umzieht. Zu plötzlicher Untätigkeit verdonnert und ohne Kontakt zu Freunden oder ihrer Familie muss Gisela schnell einsehen, dass ihre Entscheidung mehr als falsch war. Die ziemlich tranigen Mitbewohner meiden sie und so liegt es an der kreuzunglücklichen Gisela, ihr Leben zu ändern. Der erste Schritt, ihre Nichte Gaby zu kontaktieren, wird ein voller Erfolg. Als sie sich mit dem Neuankömmling Otto Clemens anfreundet kommt neue Frische in Giselas Leben. Mit ihm plant sie, eine Senioren-WG zu gründen.

Doch dann geschieht ein Mord im „Immergrün“ … Gisela ist erschüttert, dass eben dieses Verbrechen vertuscht werden soll und sie setzt alles daran, den wahren Mörder mit der Hilfe des Ermittlers Kalle Korn, Gabys Partner, zu finden und zu überführen. Schlussendlich kommt alles anders und Gisela findet ein ideales Zuhause in Osterbinde. Hier stößt sie auf perfekte Voraussetzungen für die Gründung einer Senioren-WG. Happy End, denn sie findet unter all den Bewerbern auch ihren Traummann.

Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder bereits verstorbenen Menschen wäre rein zufällig. Ebenso gibt es auch nicht das „Immergrün“ an Stadtrand von Bassum oder das Anwesen der Lindemanns in Osterbinde.

Bittersüß

Aufrecht stand sie vorm Spiegel, Gisela Koch. Sie trug ein elegantes dunkelblaues Kostüm, dazu eine zartrosa Bluse. Größe 40, wie schon seit Jahren. Nach wie vor hatte sie eine gute Figur, ihre Proportionen stimmten. Obwohl das Thermometer 28 Grad zeigte, verzichtete sie nicht auf das Tragen einer Strumpfhose, denn das gehörte für sie eben zum perfekten Aussehen. Die dunkelblauen Pumps ließen ihr Äußeres vollkommen erscheinen. Wie immer hatte sie sich dezent geschminkt. Ihre Haare trug sie halblang, Strähnchen belebten die Farbe und setzten Lichtreflexe, denn das Grau wollte sich mehr und mehr durchsetzen.

Fast lautlos murmelte sie vor sich hin, gab sich Befehle: Rücken gerade, aufrecht stehen. Schultern nach hinten, Kopf locker, frei schwebend und das „I-Gesicht“ machen. An den Vokal „I“ denken.

„I“ wie was? Wie Italien? Wie Immergrün? Wie Ingeborg oder Ilse? „I“ wie Insulin? Wie Igittigitt?

Diese Haltung hatte sie früher immer eingenommen, bevor sie das Büro ihres Chefs betrat. Das hatte sie vor vielen Jahren einmal auf einem Seminar gelernt, denn es sollte das Selbstbewusstsein stärken. Hatte wohl auch gewirkt, aber das war einmal. Selbstbewusst war sie damals gewesen – Gisela Koch. In Stresssituationen nannte ihr Chef sie Gisela. War seine Laune gut, rief er „Gila“. Wenn er ganz besonders gut drauf war, nannte er sie „Giselle“ oder sogar „Ma belle Giselle“. Dabei war er nie zum vertrauten „Du“ übergegangen. An den feinen Abstufungen ihres Namens konnte sie jederzeit die Laune ihres Chefs erkennen. Zwischen beiden bestand ein gutes, ehrliches Vertrauensverhältnis.

Sie lächelte bitter. Vierzig Jahre lang hatte sie für ihren Chef gearbeitet. Zunächst als Sekretärin, dann dreißig Jahre lang als Chefsekretärin in seiner Anwaltskanzlei. Vierzig Jahre lang hatte sie ihn vergöttert, hatte ihn heimlich geliebt. Doch diese Liebe war nie erwidert worden, denn der Herr Rechtsanwalt und Notar von Horn war glücklich verheiratet und niemals wäre es Gisela in den Sinn gekommen, diese Ehe zu zerstören.

Vielleicht kannte Gisela ihren Chef sogar besser als seine eigene Ehefrau Ingeborg. Schließlich verbrachten Herr von Horn und Gisela an den Wochentagen zehn bis zwölf Stunden miteinander. Sie wusste, wann er einen starken Kaffee brauchte und hielt Kopfschmerz- oder Magentabletten für ihn bereit. Wenn Herr von Horn mal wieder nicht daran gedacht hatte, besorgte sie Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenke für Frau von Horn. Jahrelang war sie sein wandelnder Terminkalender gewesen, ein hübscher dazu. Zuverlässigkeit, Diskretion, Loyalität waren nur einige ihrer Stärken.

Vor einem Jahr hatte Herr von Horn ihr von seinen Plänen erzählt. Er wollte die Kanzlei an einen jüngeren Kollegen übergeben und den Ruhestand mit seiner Frau vorwiegend auf Lanzarote genießen. Schließlich wurde er bald 65. Sie, Gisela, war fünf Jahre jünger. Für sie brach eine Welt zusammen. Sicher war sie sich ihres Alters bewusst, doch hatte sie sich bis jetzt wenig Gedanken um Ihre Zukunft gemacht. Finanzielle Sorgen würde sie keine haben, zumal Herr von Horn ihr eine stattliche Abfindung zahlen wollte.

Aber die Arbeit in der Kanzlei, ihr Chef – das war ihr Leben gewesen. Sie konnte einfach nicht verstehen, dass sich ihr Leben so plötzlich grundlegend ändern sollte. Von 150 % Power runter gefahren auf null, auf nichts. Mit ihrem äußeren Erscheinungsbild konnte sie durchaus zufrieden sein, aber ihre Seele rebellierte. Wie oft waren ihr in den letzten Tagen immer wieder die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen. Vieles war ihr erst jetzt bewusst geworden. Auf ihrem Grabstein könnte durchaus stehen: „Müh und Arbeit war dein Leben – Ruhe hat dir Gott gegeben“. Gab es überhaupt jemanden, dem ihr Tod eines Tages nahe gehen würde? Ihre Eltern waren vor Jahren verstorben, ihre einzige Schwester lebte im Bayerischen Wald. Deren Tochter, ihre Nichte Gaby, wohnte in der Nähe von Hamburg, also auch in Norddeutschland. Jahrelang pflegte sie weder Kontakt mit der Schwester noch mit der Nichte. Nicht etwa, dass sie Streit miteinander hatten. Alle waren ihre eigenen Wege gegangen. Vielleicht sollte sie doch einmal Verbindung aufnehmen, denn die Gaby könnte ihre potentielle Erbin sein.

Gisela Koch war mit sich selbst nicht im Reinen. Dass sie unter Depressionen litt, wollte sie nicht wahr haben. Manchmal war sie ihrem Chef zutiefst dankbar für vierzig wundervolle Jahre gemeinsamer Arbeit, denn sie hatte so viel von ihm und durch ihn gelernt. Im Laufe der Jahre kannte sie die Gesetze fast ebenso gut wie er. Sie wäre ohne weiteres in der Lage gewesen, ihn zu vertreten. Wegen des fehlenden Jura-Studiums gab es allerdings keine Berechtigung für sie. Wie sehr vermisste sie den Kontakt zu den Mandanten, auch wenn sie auf einige von ihnen nur zu gut verzichten konnte.

Schnell schlug ihre Stimmung wieder um, und sie klagte Robert von Horn an. Robby hatte sie ihn insgeheim genannt. Auch jetzt: „Vierzig Jahre meines Lebens habe ich dir geopfert. Habe fast rund um die Uhr für dich gearbeitet. Mit Geld konntest du das nicht aufwiegen. Mir blieb nicht einmal die Zeit, einen Freundeskreis aufzubauen. Ich war so blöd und hab mir Arbeit mit nach Hause genommen und sie dort auch noch nach zwanzig Uhr erledigt. Habe dir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Habe funktioniert! Sogar für deine eifersüchtige Ingeborg musste ich neulich auf deinen Wunsch hin ein Negligee als Geburtstagsgeschenk besorgen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh mir das getan hat. Wie gern hätte ich mich dir darin präsentiert. Meinst wohl, ich hätte ein Herz aus Stein!

Du hast nicht einmal bemerkt, wie sehr ich dich geliebt habe. Du hast mich nur benutzt. Und jetzt? Abgenutzt, abgeschrieben, abgeschoben! Soll dir deine Ingeborg doch jetzt die Croissants besorgen. Ich nicht mehr! Aus mit Ma belle Giselle.“

Sie war immer noch nicht fertig und jammerte verzweifelt weiter:

„Ich habe dir nicht einmal erzählt, dass ich vor zehn Jahren Diabetikerin wurde. Meinen Urlaub habe ich geopfert, um mich in der Klinik medikamentös einstellen zu lassen. Fast ein halbes Jahr konnte ich das geheim halten. Du hast nichts, aber auch gar nichts gemerkt. Dir war nur deine Karriere wichtig. Wie sehr ich dich dabei unterstützt habe, wolltest du wohl nicht sehen. Du bist ein gefühlloser Klotz, ja das bist du. Und weißt du, was du noch bist? Ein Egoist wie aus dem Lehrbuch. Ja, um dich abends beim Essen mit Mandanten zu begleiten, dazu war ich gut genug. Konntest dich ja auch gut mit mir sehen lassen. Lass dich doch jetzt von deiner Ingeborg nerven, 24 Stunden lang!“

Das hatte ihr erst einmal Luft verschafft. Wenn da nicht noch das nächste große Ärgernis wäre. Gisela kaufte vor einigen Jahren eine wunderschöne helle Eigentumswohnung in Bremen. Damals schätzte sie den kurzen Weg zur Arbeit. Im letzten Jahr wurde ein Autobahnzubringer fast neben dem Grundstück gebaut. Triste Lärmschutzwände sollten aufgestellt werden. Die Verantwortlichen warteten noch mit der Errichtung des geplanten Super- und des Baumarktes gleich nebenan. Tolle Nachbarschaft! Die Wohnqualität wurde durch diese Baumaßnahmen sehr beeinträchtigt.

Robert von Horn war es gewesen, der ihr geraten hatte, sich mit dem Thema „Betreutes Wohnen“ zu befassen. Gisela war zunächst skeptisch gewesen. Was sollte sie dort als 60-jährige? Doch musste sie ihm auch Recht geben. Sie konnte dort eigenständig leben und war dennoch nicht allein. Eine gute Köchin war sie nie gewesen. Sie könnte sich dort morgens und abends selbst versorgen. Mittags würde sie sich bedienen lassen. Diabetikergerecht. An den Finanzen konnte der Wohnungswechsel nicht scheitern. Ohne weiteres könnte sie sich in eine solche Anlage einkaufen. Als sie im letzten Jahr Urlaub in Italien machte, hatte sie zum ersten Mal einen Zuckerschock erlitten. In letzter Minute wurde sie gerettet. Herrn von Horns Vorschlag schien einleuchtend zu sein. In einer solchen Anlage war sie nicht allein und im Notfall könnte man ihr dort rechtzeitig helfen.

Drei verschiedene Objekte sah sie sich an, bevor sie sich für das „Immergrün“ entschied. Dabei handelte es sich um eine gepflegte Jugendstil-Villa am Stadtrand von Bassum. Frau Winter, die Leiterin dieser Anlage, war eine freundliche, intelligente etwa 40-jährige Dame. Beide schienen sich gleich sympathisch zu sein. Schnell einigten sie sich über den Kaufvertrag. Damals bezeichnete Gisela es als Glück, dass sie ihre Eigentumswohnung innerhalb von drei Monaten zu einem guten Preis verkaufen konnte.

„Soviel Selbständigkeit wie möglich, soviel Hilfe wie nötig“ – so lautete die Devise des Hauses. Das Leben in dieser betreuten Wohnanlage bot den Vorteil, dass sie hier in den eigenen vier Wänden ihre Privatsphäre hatte. Andererseits konnte sie sicher sein, im eventuellen Notfall schnell fachgerechte Hilfe zu erhalten.

Seit vier Wochen wohnte Gisela jetzt im „Immergrün“. Von der Terrasse ihrer 60 qm großen Wohnung fiel ihr Blick auf die zartblauen Blüten des Immergrüns. Vor ihrem Einzug hatte sie der grünblaue Blätter- und Blütenteppich begeistert. Jetzt nervte sie der Anblick, denn sie hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Damals hoffte sie auf viele interessante Gespräche mit Frau Winter. Inzwischen hatte sie erkennen müssen, dass die Leiterin ihre Verpflichtungen ernst nahm und da blieb kaum Zeit für ein Schwätzchen.

Beim Blättern in der Tageszeitung fiel Giselas Blick auf das Horoskop. Glück versprach es ihr für die kommende Woche. Glück? Was bedeutete eigentlich Glück? Sie war zum einen viel zu pessimistisch, um zurzeit an ihr Glück zu glauben. Zum anderen hatte sie nie einem Horoskop viel Bedeutung beigemessen. Sie sah das Glück eher nüchtern, so wie die Mediziner. Ein kurzer Ekstase-Kick, wenn der Körper die Botenstoffe Dopamin und Serotonin ausschüttete und somit die Botschaft „sei glücklich“ verbreitete. Schokolade, ein Kuss, ein Sieg – all das konnte wirken. Schokolade gab es nicht für sie – höchstens diabetikergeeignete. Ein Kuss? Es gab jetzt keinen Mann in ihrem Leben, mit dem sie hätte Küsse austauschen wollen. Ein Sieg? Wen sollte sie besiegen? Ja, als sie noch im Berufsleben stand, gab es ausreichend Erfolge oder Siege, an denen sie irgendwie teilhaben konnte.

Gisela öffnete die Tür ihres Kleiderschrankes. Dicht an dicht hingen graue, dunkelblaue und schwarze Kostüme und Hosenanzüge. Hinter einer weiteren Tür fanden die meist weißen oder pastellfarbenen Blusen in rosa, gelb oder blau ihren Platz. Es handelte sich um ihre frühere Arbeitskleidung. Wütend riss sie ein paar Blusen aus dem Schrank, warf sie zu Boden und trampelte wie besessen darauf herum. Was sollte es – mit dieser Kleidung war sie hier „overdressed“. So passte sie nicht zu den anderen Bewohnern, denen sie jeweils beim Mittagessen begegnete.

Gisela war verzweifelt und deprimiert. Sie verspürte auch keine Lust, sich neu einzukleiden. Wenn wenigstens Frau Winter sie begleiten würde, aber die hatte ja keine Zeit für sie. War wohl mit ihrem Job verheiratet. Die auch?

Die alte Villa auf einem parkähnlichen Grundstück mit altem Baumbestand wurde vor vier Jahren zur Anlage „Immergrün“ umgebaut. Bremen war etwa 30 km von ihrem neuen Domizil entfernt.

Wenn auch die Bewohner sehr unterschiedlich waren, hatten sie eines gemeinsam – sie waren alle gut betucht. Fünf Wohnungen wurden von Ehepaaren bewohnt. Noch weitere Zwei-Personen-Appartements gab es nicht. Acht Wohnungen waren für Einzelpersonen vorgesehen, von denen sechs belegt waren. Weiter gab es in der oberen Etage eine Pflegestation, oft der letzte Platz für alte kranke Menschen. Wie viele Bewohner hier untergebracht waren, wusste Gisela nicht. Mit ihren 60 Jahren war sie die Jüngste in der Residenz. Für sie sollte die Pflegestation in weiter Ferne liegen, am liebsten würde sie dort niemals landen. Für die Pflegefälle garantierte die Heimleitung Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Zu wissen, dass es jemanden gab, der ihr bei einer eventuellen Unterzuckerung Hilfe leisten konnte, beruhigte sie sehr, als sie den Vertrag unterzeichnete.

Nach vier Wochen in der neuen Umgebung dachte sie anders über vieles. Auch ihre derzeitige seelische Verfassung hatte sie zum „Umdenken“ gebracht. Meistens blieb sie sehr lange im Bett und verzichtete auf das Frühstück. Gar nicht gut bei Diabetes. Sie kannte die Problematik, aber es war ihr egal. Lieber hing sie ihren trüben Gedanken nach.

Bevor sie um zwölf Uhr zum Essen ging, machte sie sich perfekt zurecht. Nach dem Duschen schlüpfte sie in eines ihrer Kostüme oder in einen Hosenanzug. Dezent geschminkt erschien sie Tag für Tag schlecht gelaunt im Speisesaal.

Die Ehepaare saßen gemeinsam an einem großen Tisch. An diesem Tisch waren die Gäste immer fröhlich und gut gelaunt. Sie plauderten angeregt miteinander und lachten viel. In den ersten Tagen bemühte Gisela sich, dort einen Platz zugeordnet zu bekommen. Dieser Wunsch wurde ihr nicht erfüllt, denn die eingeschworene Gemeinschaft war nicht bereit, sie aufzunehmen. Das war sehr enttäuschend für Gisela. Seitdem ging sie diesen gutgelaunten Menschen aus dem Weg.

Anders verhielt es sich an einem weiteren Tisch, der für die Einzelbewohner vorgesehen war. Die Heimleitung legte Wert darauf, dass diese Gäste gemeinsam an einem Tisch saßen. Und da fand man eine eigenartige Gesellschaft:

Ilse Knauer, Witwe, 72 Jahre alt, die sich als Boss aufspielte. Sie betonte mindestens einmal beim Mittagessen: „Damals, als wir noch arm waren“ oder: „Früher, als wir noch nicht reich waren.“ Es interessierte Gisela nicht die Bohne, auf welche Art Ilse zu Reichtum gelangt war, doch Ilse erzählte gern, viel und laut. Bereits am ersten Tag wollte sie sich mit Gisela verbrüdern. Höflich aber bestimmt bestand Gisela darauf, mit Frau Koch angesprochen zu werden. Das brachte ihr in Ilses Augen natürlich die ersten Minuspunkte ein.

Weiter saß an diesem Tisch Lydia Baumann, eine bescheidene Dame. Ihr Sohn, ein offensichtlich erfolgreicher Restaurantbesitzer, ermöglichte seiner Mutter den Aufenthalt im „Immergrün“. Lydia Baumann war 75 Jahre alt und stand ganz unter Ilses Fuchtel. Wenn Ilse einmal nicht dabei war, konnte Gisela sich gut mit der netten, gebildeten Frau Baumann unterhalten.

Ursel Tiedemann war in Giselas Augen eine eingebildete dumme Pute. Diverse Ringe schmückten ihre welken Finger. Gold und Brillianten sah man an ihrem faltigen Hals, an den Handgelenken und an den lang gewordenen Ohrläppchen. Trotz ihrer 78 Jahre war Ursel Tiedemann stets bunt und schrill gekleidet. Es schmeichelte ihr nicht gerade, dass sie ihre Garderobe mindestens eine Konfektionsgröße zu klein trug. Sie kassierte nach ihren eigenen Angaben eine stolze Million von der Lebensversicherung, als ihr Mann das Zeitliche segnete.

Wenn Gisela die nächste Tischpartnerin, Käthe Weniger, ansah, musste sie unwillkürlich an Udo Jürgens’ Song „Aber bitte mit Sahne“ denken. Käthe war fett, aber das machte ihr offensichtlich nichts aus. Sie verdrückte Unmengen mit gutem Appetit. Früher war sie wohl ein gemütlicher Typ gewesen. Gisela fiel auf, dass sie sich häufig wiederholte, denn mehrfach stellte sie die gleichen Fragen. Anscheinend war das ein Anzeichen für Demenz. Gisela tat das sehr leid, doch sie hatte eigene Sorgen. Auch Frau Weniger war keine Gesprächspartnerin für Gisela.

Einer fehlte noch aus dieser Runde, das einzige männliche Wesen: Gustav Schumann, 76 Jahre alt.

Er war spindeldürr, seine zu langen, dünnen weißen Haare hingen ungeordnet vom Kopf. Früher besaß er ein Juweliergeschäft. Von sich behauptete er, ein unwiderstehlicher Frauentyp zu sein. Die anderen Damen ließen ihn vermutlich abblitzen und so suchte er sich Gisela als nächstes Opfer aus und hoffte, bei ihr mit seinem angeblichen Charme landen zu können. Lautstark verkündete er, jetzt seine Traumfrau gefunden zu haben. Die Sympathie beruhte keineswegs auf Gegenseitigkeit, denn Gisela bekam schon Gänsehaut, wenn sie seine hohe Fistelstimme hörte. Allein der Gedanke an eine Berührung durch seine knochigen Finger, ließ sie erschaudern. Igittigitt!

Gustav Schumann fand kein Verständnis für Giselas ablehnende Haltung. Er, der sich allzeit für unwiderstehlich hielt, lauerte Gisela täglich auf, wenn sie zum Mittagessen ging. Es sah schon ziemlich albern aus, wenn er mit einer langstieligen roten Rose in der Hand auf sie wartete.

Nein, es machte Gisela wahrlich keinen Spaß, sich mit diesen Menschen zu umgeben. Wie sehr wünschte sie sich eine Vertraute, um einmal ihr Herz ausschütten zu können. Eine starke Schulter zum Anlehnen oder Ausheulen fehlte ihr.

Nach dem Essen zog Gisela sich meistens in ihr Reich zurück. Sie versuchte zu lesen, war aber viel zu fahrig, um das Gelesene zu verarbeiten. Fernsehen mochte sie auch nicht. Manchmal surfte sie im Internet oder vertrieb sich die Zeit mit Spielchen am Computer. Sie war fast sicher, dass sie die einzige Bewohnerin war, die über einen Internet-Anschluss verfügte. Eventuell noch eins von den Ehepaaren, aber das konnte sie nicht einschätzen. Das war und blieb eine Gruppe für sich, die keinem Fremden Eintritt gewährte. Vielleicht verspürten die Frauen Angst, man könne ihnen die Männer ausspannen.

Manchmal versuchte Gisela das BGB auswendig aufzusagen. Es wurmte sie, dass sie sich nicht auf andere Art sinnvoll beschäftigen konnte. Lust, einmal in die Stadt zu fahren oder die neue Umgebung kennenzulernen, hatte sie ebenfalls nicht. Seit ihrer Ankunft stand ihr Wagen, ein dunkelblauer Opel Astra, unbewegt auf dem Stellplatz. Obwohl Gisela wusste, dass es kein Dauerzustand sein dürfte, ließ sie sich die wenigen Lebensmittel für Frühstück und Abendessen ins Haus liefern

Ihr Spiegelbild sagte ihr schon seit einiger Zeit, dass sie dringend einen Friseur aufsuchen sollte, doch sie verschob es weiter von Tag zu Tag.

Gisela verfiel mehr und mehr in Selbstmitleid. Häufig grübelte sie darüber nach, ob es richtig gewesen war, sich im „Immergrün“ einzukaufen. Sicher war es gut, die Eigentumswohnung nach den veränderten Wohnverhältnissen zu verkaufen, aber sie hätte eine bessere Zukunftslösung finden sollen.

Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren trüben Tagträumen.

„Hallo, ma belle Giselle. Wie geht es Ihnen, meine Liebe?”

Herr von Horn erschien bestens gelaunt am anderen Ende der Leitung. Überschwänglich schwärmte er von seinem neuen Leben in der neuen Wohnung auf Lanzarote. Der ganze Berufsstress schien von ihm abgefallen zu sein und das genoss er offensichtlich.

Gisela gelang es nicht, die Tränen zurückzuhalten, sie heulte hemmungslos in den Hörer und dann berichtete sie dem Menschen, der ihr so viel bedeutet hatte, alles, was sie bewegte.

Damit hatte Herr von Horn nicht gerechnet. Er war ganz bestürzt von dem, was Gisela ihm erzählte.

„Gila, es tut mir so leid. Soll ich kommen und mit Ihnen nach einer anderen Lösung suchen? Was ist bloß aus meiner treuen Giselle geworden?“

Es tat ihr so gut, sich endlich einmal aussprechen zu können. Den Besuch von ihrem Ex-Chef lehnte sie dennoch ab. So, in dieser Verfassung, sollte er sie niemals sehen. Er würde sie, die sich immer selbstbewusst gezeigt hatte, nicht wiedererkennen. Über einen Besuch zu einem späteren Zeitpunkt würde sie sich aber bestimmt freuen, so auch über zukünftige telefonische Kontakte. Sie flunkerte jetzt ein wenig, als sie Herrn von Horn verriet, dass sie bald Besuch von ihrer Nichte bekommen würde.

Von Horn versprach, sich in den nächsten Tagen wieder zu melden.

Dieser Anruf weckte Giselas Lebensgeister ein wenig. Endlich gab sie sich einen Ruck und suchte die Telefonnummer ihrer zehn Jahre älteren Schwester Lotte. Die wunderte sich nicht schlecht, als sich Gisela bei ihr meldete. Nur ganz nebenbei erwähnte sie etwas von ihrer derzeitigen Situation im „Immergrün“. Ihr Interesse galt einzig und allein der Telefonnummer ihrer Nichte Gaby. Im Grunde war es traurig, dass ihr diese Daten nicht einmal bekannt waren.

Nachdem sie die Telefonnummer erhalten hatte, fehlte ihr nur noch der Mut, bei Gaby anzurufen. Diese Zahlen auf dem Zettelchen erschienen ihr wie eine Kostbarkeit.

Entschlossen meldete sie sich abends bei ihrer Nichte. Auch in diesem Gespräch klagte Gisela nicht über ihre Lage. Sie erzählte lediglich, dass sie jetzt im Ruhestand viel Zeit hätte und schlug ein Treffen vor.

Gaby Wohlers war sehr überrascht vom Anruf ihrer Tante. Die beiden Frauen führten ein gutes Gespräch und plauderten fast eine Stunde lang. Es war gut, dass sie sich viel zu sagen hatten.

Gisela erfuhr, dass Gabys Sohn und Schwiegertochter mit im Haus wohnten. Sie selbst habe nach dem frühen Tod ihres Mannes wieder einen lieben Partner gefunden. Beide, Sohn und Lebenspartner, seien Kollegen, sie selbst arbeitete halbtags in einer Arztpraxis.

Aus ihrem Leben gab es ja nicht so viel aus der Vergangenheit zu berichten. Gisela erzählte von ihrem Lebensinhalt, der Arbeit in der Kanzlei von Horn. Wohlweislich erwähnte sie keine Einzelheiten aus dem „Immergrün“.

Beide vereinbarten, sich bald einmal zu treffen. Der Termin blieb zunächst offen. Gisela tat gut daran, Gaby nicht zu drängen, aber ihr blieb ein gutes Gefühl nach diesem Telefonat. Gaby speicherte gleich die Telefonnummer ihrer Tante und versprach, sich bald zu melden.

In der kommenden Nacht schlief Gisela wesentlich ruhiger als sonst. Hatte sie sich ein Türchen in eine bessere Zukunft geöffnet?

Jeder Tag verging im Immergrün wie die anderen zuvor. Allerdings erkannte Gisela, dass die Ampel bereits auf gelb stand. Achtung – sie musste aufpassen, dass sie nicht weiterhin in Depressionen verfiel. Sie selbst musste sich helfen.

Die Ehepaare mieden sie, sowie auch die anderen Einzelpersonen. Ihre Tischnachbarn gingen ihr auf den Geist, besonders der dürre Gustav Schumann.

Zumindest fragte Gisela Frau Winter nach einem guten Friseur in der Nähe und vereinbarte dort telefonisch einen Termin. Frau Winter wollte Gisela eine kurze Wegbeschreibung geben: „Ein wenig kennen Sie sich in Bassum ja schon aus: Dann fahren Sie bis zum Zentrum…“ Gisela unterbrach Frau Winter mit der Frage: „Welches Zentrum meinen Sie? Ich glaube, da gibt es zwei!“ Nachdem das geklärt war und der Friseur ihr eine neue Frisur verpasst hatte, sah sie im Spiegel eine gepflegte, aber unendlich traurige Gisela Koch.

Herr von Horn erkundigte sich zwischendurch mehrfach nach Giselas Befinden. Es gelang ihr, sich zusammenzureißen und leidlich gute Laune vorzuspielen.

Es brach ihr fast das Herz, wenn die anderen Gäste Besuch von ihren Familienangehörigen bekamen. Kinder und Enkelkinder brachten frischen Wind in die alte Villa. Bildete sie es sich ein, oder tuschelten die anderen schon darüber, dass Gisela keinen Besuch bekam.

In ein paar Tagen hatte sie ihren 61. Geburtstag und gerade vor diesem Tag graute ihr schon. Dann gab es für das Geburtstagskind immer eine Torte von der Hausleitung als Geschenk. Der Geburtstag war also nicht geheim zu halten, den anderen würde das nicht entgehen. Zu allem Überfluss musste sie dann auch noch den Nachmittag mit den Tischnachbarn verbringen.

Gisela war Jungfrau. Das heißt, sie war im Zeichen der Jungfrau geboren. Aber Jungfrau war sie nicht geblieben – das hätte so gar nicht zu ihrem aparten Erscheinungsbild gepasst. Schon als junges Mädchen gab es für sie genug Freunde, Verehrer und Liebhaber. Die ersten Flirts und Liebschaften waren nicht von längerer Dauer. Der erste feste Freund nistete sich bequem bei ihr ein. Er studierte noch mit 30 Jahren – ein Ende war nicht abzusehen. Dabei lebte er gut und gern von Giselas Geld. Als sie 22 Jahre alt wurde, beendete sie diese Beziehung.

Später war Werner ihr Begleiter. Lange Zeit gelang es ihm, die Existenz von seiner Frau und zwei Kindern zu verheimlichen. Also war auch Werner nicht der Mann fürs Leben.

Mit dem nächsten Freund, Walter, hätte sie sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen können, doch der verunglückte tödlich bei einem Motorradunfall. Es dauerte sehr lange, bis sie über seinen Tod hinweg gekommen war. Danach zog sie es vor, mit der Kanzlei verheiratet zu sein.

Gisela ließ die Erinnerungen an diese Männer Revue passieren, als das Telefon klingelte. Ihr Herz hüpfte wie wild, als sie Gabys Stimme hörte. Zu ihrer Überraschung kündigte sie einen Besuch an.

„Tante Gisela, hast du nicht am 30. Geburtstag? Passt es dir, wenn ich vorbeischaue? Was wünscht du dir?“

Na und ob es Gisela passte! Erfreut sagte sie zu und konnte diesen Tag plötzlich kaum erwarten.

Wie Gaby wohl aussah? Es waren bestimmt zwanzig Jahre seit ihrer letzten Zusammenkunft vergangen.

Am 30. August rief Robert von Horn bereits morgens um neun Uhr an, um zu gratulieren. Außerdem hatte er einen großen Strauß bunter Sommerblumen liefern lassen. Frau Winter gratulierte freundlich und nahm sich ein wenig Zeit, um mit Gisela zu sprechen. Deren schlechte Verfassung war ihr natürlich nicht entgangen. Frau Winter vermutete, dass es sich um Eingewöhnungs schwierigkeiten handelte und verwies auf die Vorteile der geschmackvoll eingerichteten Wohnung in der schönen Umgebung. Gleichzeitig unterbreitete sie Gisela einen Vorschlag, über den diese recht erstaunt war. Es sollte ein neuer Prospekt für das „Immergrün“ erstellt werden. Frau Winters Wunsch war es, darin ein paar Fotos von Gisela erscheinen zu lassen. Gisela Koch als strahlender Vorzeigegast. Die Angesprochene bat sich Bedenkzeit aus.

Frau Winter unterbrach die Gedanken, die Gisela spontan durch den Kopf gingen und meinte etwas zynisch: „Sie sollten dann aber etwas freundlicher dreinschauen. So wie damals, als wir uns kennenlernten.“

Gisela bestand auf Bedenkzeit und das war auch gut so.

Nachdem sich Frau Winter verabschiedet hatte, fiel Gisela noch einiges dazu ein. Sollten doch die ewig gutgelaunten Ehepaare auf die Fotos. Sie selbst war doch kein Vorzeigegast, sie war ein Fremdling in dieser Anlage. Klar, mit Lydia, Ilse, Ursel, Käthe und Gustav ließ sich rein äußerlich nicht so gut werben. Doch das waren Menschen, die sich hier wohl fühlten, die das „Immergrün“ als ihr neues Zuhause anerkannt hatten. Sie nicht! Noch nicht oder nie?

Die Tischnachbarn gratulierten Gisela mittags zu ihrem Geburtstag und stellten, wie üblich, neugierige Fragen. Gustav ließ sich nicht lumpen und überreichte ihr einen weiteren prächtigen Blumenstrauß. Anscheinend hatte er die Hoffnung auf eine Beziehung noch nicht aufgegeben.

Um 15 Uhr war es endlich soweit, denn Gaby erschien pünktlich. Die Familienähnlichkeit war verblüffend. Kaum zu glauben: Da standen sich zwei Menschen gegenüber, die zwanzig Jahre lang keinerlei Kontakte gepflegt hatten und doch waren sie sich jetzt so nah. Tante und Nichte umarmten sich herzlich. Gisela konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, dieses Mal waren es Freudentränen. Ein bisschen steckte sie Gaby an, die sich verstohlen die Augen wischte.

Als Geschenk brachte sie ein gutes Buch und etwas Diabetiker-Konfekt mit. In einem Umschlag befand sich noch eine weitere Überraschung: zwei Karten für einen Musical-Besuch in Hamburg. Zwei!! Das bedeutete: Eine für Gisela und eine für Gaby, die damit zeigte, dass sie für weitere Kontakte offen war. Noch erfuhr Gisela nichts von Gabys großer Überraschung.

Schon lange nicht war Gisela so gerührt wie an diesem Tag. Gaby nahm sich viel Zeit für ihre Tante. Als die beiden an die gedeckte Kaffeetafel gingen, hörten sie schon von weitem die Stimmen der anderen.

Ilse war am lautesten: „Von der Torte esse ich nichts. Hab ich etwa Zucker?“

Käthe beschwichtigte: „Ist doch egal. Torte ist Torte. Dann esse ich eben dein Stück.“

Ursel warf ein: „Den Rest kann die eingebildete Zicke ja auch morgen essen.“

Und Gustavs feines Stimmchen: „Seid endlich einmal friedlich. Sie hat doch Geburtstag. Was hat sie euch eigentlich getan?“

Gisela und Gaby versuchten, die Äußerungen einfach zu überhören und machten gute Miene zum bitterbösen Spiel. Noch ein wenig Small Talk nach dem Kaffee, dann zogen sich die beiden in den Park zurück.

Sie setzten sich auf eine Bank und Gaby begann: „Tante Gisela, sag mal ehrlich, du fühlst dich hier doch nicht wohl?! Entschuldige, aber ich kann deine Entscheidung, hier zu leben, nicht gut heißen. Bitte verzeih mir meine Offenheit.“

„Gaby, hör zu. Erstens möchte ich dir vorschlagen, das „Tante“ wegzulassen. Sonst fühle ich mich so unglaublich alt. Und zweitens sprichst du mir aus der Seele. Ja, ich bin hier kreuzunglücklich. Es war gewiss nicht die richtige Entscheidung. Wohl überlegt hatte ich es mir und alles so schön vorgestellt. Aber was soll ich tun? Schließlich habe ich mich für viel Geld hier eingekauft. Es ist richtig, ich hatte Angst vorm Alleinsein. Und Angst, bei einem erneuten Zuckerschock ohne Hilfe zu sein. Ach Gaby, du hast ja so recht, es war ein Irrtum. In fünfzehn oder zwanzig Jahren könnte so eine Anlage der richtige Platz für mich sein.“

Endlich konnte sie das, was sie seit Wochen wusste, auch aussprechen.

„Gisela, lass dir ein wenig Zeit und halte durch. Wenn du magst, sollst du bald meine Familie kennen lernen. Ob Michael, Nadine oder auch mein Kalle -alle sind bodenständige Menschen, die mitten im Leben stehen und auf die du dich verlassen kannst. Wenn du es willst, helfen wir dir, eine ideale Lösung für dich zu finden. Es muss auch geklärt werden, ob du aus deinem Vertrag aussteigen kannst.“

„Das sollte kein Problem sein. Dabei wird mich Herr von Horn bestens unterstützen. Eigentlich war es sogar seine Idee, hier her zu ziehen. Dann hat er noch etwas wieder gutzumachen.“

„Vielleicht finden wir eine nette Wohngemeinschaft für dich. Was hältst du davon?“ Darüber hatte Gisela noch gar nicht nachgedacht.

Tante und Nichte unterhielten sich angeregt über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dann platzte Gaby mit einer Neuigkeit heraus, die Giselas Herz höher schlagen ließ.

„Es ist zwar noch nicht in trockenen Tüchern aber, wir planen zusammen einen Umzug nach Syke.“

Dann erzählte sie von Kalles und Michaels beruflichen Veränderung: „ Die Verträge stehen kurz vor dem Abschluss und ein geeignetes Haus haben wir in Syke auch schon gefunden, ideal für zwei Familien. Auch ich habe eine Aussicht auf einen Halbtags-Arbeitsplatz bei einem Syker Internisten. Ich bin sicher, dass auch Nadine einen Job finden wird. Wir haben oft genug über diesen Schritt diskutiert und das Für und Wider erwogen, doch dann haben wir uns für den Umzug entschieden. Im alten Haus gibt es immer noch zu viele Erinnerungen an meinen verstorbenen Mann. Ich meine, dass das nicht gerade förderlich für eine neue Beziehung ist. “