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Die Autoren

Prof. Dr. phil. Dr. med. Serge Sulz ist als Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut in eigener Praxis in München niedergelassen. Er ist Gründer und Geschäftsführer eines Europäischen Forschungsinstitutes für Psychotherapie, Erziehung und Humanwissenschaften (EUPEHS) und seit 2008 Honorarprofessor für Verhaltensmedizin und Grundlagen der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Dr. med. Ute Gräff-Rudolph ist Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Supervisorin und Selbsterfahrungsleiterin Verhaltenstherapie.

Serge K. D. Sulz Ute Gräff-Rudolph

Supervision in der Verhaltenstherapie

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034234-7

E-Book-Formate:

pdf:     ISBN 978-3-17-034235-4

epub:  ISBN 978-3-17-034236-1

mobi:  ISBN 978-3-17-034237-8

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Vorwort der Reihenherausgeber

 

 

 

Supervision wird seit vielen Jahren in therapeutischen, sozialen, pädagogischen, ärztlichen und organisatorischen Handlungsfeldern eingesetzt. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Richtungen ergeben. In der Kohlhammer-Reihe Supervision im Dialog sollen die wichtigsten methodischen Auffassungen berücksichtigt werden: Psychodynamische, systemische, kognitiv-verhaltenstherapeutische und humanistische Ansätze werden einbezogen, wobei es viele Überschneidungen in den supervisorischen Vorgehensweisen gibt.

Auch die Anwendungsfelder von Supervision haben sich seit der ersten Anfängen in der Psychoanalyse und in der Sozialen Arbeit ausdifferenziert. Die Buchreihe Supervision im Dialog widmet solchen Einsatzbereichen und Handlungsfeldern je einen eigenen Band, um ein lebendiges und praxisnahes Bild der spezifischen Aufgaben und Bedingungen zu vermitteln. Therapien und Beratungen für Einzelpersonen, Paare, Familien, Gruppen und Organisation sind die wichtigsten Einsatzbereiche von Supervision. Neben der berufsbegleitenden Anwendung ist Supervision auch einer der wichtigsten Bausteine in vielen Ausbildungen, sei es zum Psychotherapeuten, Facharzt oder in der Sozialen Arbeit. Es gibt auch Gebiete, in denen die Einführung bzw. verstärkte Durchführung regelmäßiger Supervisionen ein Desiderat darstellt, wie etwa in Lehr- und Betreuungseinrichtungen und Krankenhäusern.

Die Besonderheit der Reihe ist der Dialog. Jeder Band wird von mindestens zwei Autoren gestaltet, die unterschiedliche Positionen vertreten und diese nach jedem Hauptkapitel miteinander vergleichen. So lernen Leser nicht nur die wichtigsten Themen, Hintergründe und Kontroversen kennen, sondern erleben dabei auch einen lebendigen Austausch zweier engagierter Fachvertreter. Die Diskussion in Dialogform dient dem Zweck, den zuvor abgehandelten Text aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, die Essenz noch einmal zu benennen, offene Fragen, Probleme und Verbesserungsvorschläge zu diskutieren.

Wir hoffen, durch diese dialogische Präsentation des in Bewegung befindlichen Kompetenzfeldes der Supervision auch die Leser unserer Reihe zum Austausch anzuregen.

Andreas Hamburger

Wolfgang Mertens

Inhalt

 

 

 

  1. Vorwort der Reihenherausgeber
  2. 1 Einführung – Erste Supervisionen in der Verhaltenstherapie
  3. 2 Strategisch-Behaviorale Supervision als Integration von Selbstregulation, Selbstorganisation und Selbstentwicklung
  4. 2.1 Annahmen
  5. 2.2 Ein Selbstregulationsmodell als Basis supervisorischen Handelns
  6. 2.3 Ein Entwicklungsmodell der Supervision in der Therapeutenausbildung
  7. 2.4 Das Supervisionskonzept der therapeutischen Entwicklung
  8. 2.5 Taxonomien – Lernziele und Leitlinien
  9. 3 Praxis der Supervision
  10. 3.1 Erstgespräch des Supervisors mit dem Therapeuten
  11. 3.2 Der Kontrakt – Supervisionsvertrag
  12. 3.3 Die Supervisionssitzung
  13. 3.4 Die supervisorische Beziehung
  14. 3.5 Videoaufnahmen in der Supervision
  15. 3.5.1 Die Aufnahme des Therapievideos
  16. 3.5.2 Das Speichern des Videos der Supervisionssitzung
  17. 3.5.3 Das Betrachten des Videos in der Supervisionssitzung
  18. 3.6 Dokumentationen der Supervision
  19. 3.7 Evaluation der Supervision
  20. 3.8 Supervisionszeugnis für die Ausbildung
  21. 4 Themen der Supervision
  22. 4.1 Eine einzelne Therapiesequenz
  23. 4.1.1 Der Bericht des Therapeuten über das therapeutische Problem
  24. 4.1.2 Die Betrachtung des Therapievideos
  25. 4.1.3 Die gemeinsame Analyse des Problems
  26. 4.1.4 Das Sammeln von Lösungsmöglichkeiten
  27. 4.1.5 Die Entscheidung für eine Lösung (Ziel) und den künftigen Umgang mit dem Problem (Weg)
  28. 4.1.6 Die Prozessbetrachtung des künftigen Vorgehens (wie?)
  29. 4.1.7 Ausprobieren des künftigen Vorgehens im Rollenspiel
  30. 4.1.8 Planung des künftigen Vorgehens
  31. 4.1.9 Dokumentation des künftigen Vorgehens
  32. 4.1.10 Berichterstattung und Videoanalyse in der nächsten Supervisionssitzung
  33. 4.2 Eine ganze Therapiesitzung
  34. 4.2.1 Die Vorbereitung der Therapiesitzung
  35. 4.2.2 Der Beginn der Therapiesitzung
  36. 4.2.3 Die Zeiteinteilung in der Therapiesitzung
  37. 4.2.4 Die Handhabung des heutigen Themas der Therapiesitzung
  38. 4.2.5 Die Reflexion der stattgefundenen Therapiesitzung
  39. 4.2.6 Die Messung wichtiger Prozessvariablen der Therapiesitzung
  40. 4.3 Eine ganze Therapie – Therapiestrategien in der Kognitiven Verhaltenstherapie
  41. 4.3.1 Der Therapiebeginn – die ersten fünf Sitzungen
  42. 4.3.2 Der Therapieverlauf
  43. 4.4 Der Therapiefall – Supervision der Fallkonzeption
  44. Zum Schluss: Das Charakteristische einer verhaltenstherapeutischen Supervision
  45. Literatur
  46. Stichwortverzeichnis

1          Einführung – Erste Supervisionen in der Verhaltenstherapie

 

 

 

Der erste Verhaltenstherapeut, der systematische Supervision durchführte, war Wolpe (1972). Er arbeitete mit Vier-Personen-Gruppen. Themen waren Anfängerprobleme, Probleme bei verschiedenen psychischen Störungen, Therapieplanung, aber auch Vernachlässigung der Fallgeschichte oder die Rolle der Angst vor Erfolg. In einer 90-minütigen Supervisionssitzung war für jeden Supervisanden 20 Minuten Zeit verfügbar. Natürlich war seine Supervision durch sein individuelles Verständnis von Verhaltenstherapie geprägt. Spätere Ausarbeitungen verhaltenstherapeutischer Supervision orientierten sich an der jeweils vorherrschenden Konzeption, z. B. der BASIC-ID von Lazarus (1978), dem Selbstmanagementansatz (Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 2012) oder dem SBT-Ansatz (Sulz, 2007a).

Das heißt, die Art zu supervidieren ähnelte der Art zu therapieren (Lieb, 1993, Zimmer, 1996 und Schmelzer, 1997). Dagegen stellt Rzepka-Meyer (1997, S. 13) fest: »Supervision kann zwar therapieähnliche Elemente beinhalten, ist aber grundsätzlich ein Prozess, der sich von Therapien unterscheidet. … Durch Beschränkung auf die schulenzugehörige therapeutische Methodik werden nicht alle erforderlichen Kompetenzen gleichermaßen angesprochen.«

Das Differentielle Entwicklungsmodell von Hogan (1964) unterscheidet Entwicklungsstufen in der Entwicklung von Therapeuten. Die erste Stufe: Abhängigkeit, die zweite Stufe: Abhängigkeits-Autonomie-Konflikt, die dritte Stufe: bedingte Abhängigkeit und die vierte Stufe: Meister.

Ausgangspunkt und Ziel der Supervision sind auf den verschiedenen Entwicklungsstufen völlig verschieden, weshalb der Supervisor sich auf jede Stufe neu einstellen muss.

Stufe 1: Abhängigkeit

Zu Beginn der Psychotherapieausbildung ist der Supervisand hoch motiviert, sehr unsicher, hält sich genau an Vorgaben und ist sehr abhängig vom Supervisor. Dieser ist unterstützend, beruhigend und hilft, die grundlegenden Skills zu erwerben. Er leitet an, gibt Beispiele und ist Modell.

Stufe 2: Abhängigkeits-Autonomie-Konflikt

Der Supervisand bringt eigene Ideen ein, sucht seinen ihm gemäßen eigenen Weg, probiert diesen aus und befreit sich immer wieder von vorgegebenen Methoden. Das hält er aber nicht durch, er ist verunsichert und lehnt sich wieder an den Supervisor an. Dieser gibt Raum für eigenes Entdecken und Erproben, hält sich mit Anleitungen zurück und ermutigt andererseits dort, wo wieder Unsicherheit entstanden ist. Auf diese Weise bringt er Stabilität in das Oszillieren zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit.

Stufe 3: bedingte Abhängigkeit

Auf der dritten Stufe hat der Supervisand schon ausreichend Erfolge gehabt und hat ein relativ sicheres Gefühl für seine Behandlungskompetenz. Es geht nicht mehr darum, sich von der Abhängigkeit zu befreien und es betont anders zu machen, als der Supervisor vorschlug. Für ihn ist der Supervisor nicht mehr die große Autorität, vielleicht weniger, als es den Tatsachen entspricht. Er kann die noch bestehende Abhängigkeit vom Supervisor für sich nutzen oder falls er dies für seine Selbstwertregulation braucht, als unbedeutend einstufen. Seine Haltung ist deutlich stabiler als auf der vorausgehenden Stufe. Er kann die Behandlungsfälle in ihrer Komplexität differenzierter sehen. Die Rollen haben sich geändert. Es ist mehr eine Diskussion von zwei Fachleuten, die durchaus konfrontativ sein kann.

Stufe 4: Meister

Jetzt ist der Supervisand nicht mehr auf den Supervisor angewiesen, um seine Therapien erfolgreich zu Ende führen zu können. Er hat alles gelernt, was es zu lernen gibt, und weiß um das immer wieder Unvorhersehbare in der Behandlung neuer Patienten. Gerade deshalb kann er Supervision und Supervisor wieder mehr schätzen. Er weiß, was er von diesem noch bekommen kann und was er sich selbst erarbeiten muss. Umgekehrt kann er die Wertschätzung des Supervisors für seine Expertise gern annehmen.

Stoltenberg und Delworth (1987) fügen noch den Aspekt der Selbstaufmerksamkeit hinzu. Anfänglich führt die Unsicherheit des Supervisanden noch dazu, dass er in seiner Aufmerksamkeit mehr bei sich ist als beim Patienten, darauf bedacht, alles richtig zu machen und Fehler zu verhindern. Auf jeder Stufe kann die Aufmerksamkeit mehr auf den Patienten und auf das gerichtet werden, was im Therapieprozess nächste Schritte sind.

In der Supervision geht es darum, neue Sichtweisen zu finden, gegen die aber zunächst ein Sträuben besteht. Alte Sichtweisen zu verlassen, bedeutet vorübergehende Instabilität. Je mehr persönliche und fachliche Autorität dem Supervisor zugeschrieben wird, umso eher kann seiner Sichtweise gefolgt werden (Strong, 1986).

Der Selbstmanagementansatz (Schmelzer, 1997) hat die Supervision systematisiert und professionalisiert. Kanfers Personzentrierung innerhalb der Verhaltenstherapie steht auch in der Selbstmanagementsupervision im Zentrum. So wenig, wie der Patient »behandelt« wird, so wenig wird der Supervisand »belehrt«. Selbstbestimmung und Selbstständigkeit des Supervisanden werden durch eine Beziehung »auf Augenhöhe« bewahrt und gefördert.

Der Strategische Supervisionsansatz (Sulz, 2007a) beschreibt einerseits ein Entwicklungsmodell der Supervision, das fünf Entwicklungsstufen des Supervisanden in einer Ausbildungssupervision erkennbar werden lässt. Andererseits geht er vom Prinzip der impliziten Strategie menschlichen Erlebens und Handelns aus. Damit wechseln die Betrachtungs- und Vorgehensweisen zwischen stabilisierender »strategischer« Selbstregulation und Homöostase einerseits und veränderungsimmanenter Selbstorganisation andererseits. Hier begegnen sich Systemtheorien und systemische Theorien – Kybernetik erster und zweiter Ordnung.

Kommentar von Ute Gräff-Rudolph

Einige Verhaltenstherapeuten wie Wolpe waren früher Psychoanalytiker oder haben sich im Lauf ihrer Berufslaufbahn viel psychodynamisches Gedankengut angeeignet. Sie haben implizit ihr psychodynamisch gebliebenes Fall- und Beziehungsverständnis für die Supervision genutzt. Was ihnen bei ihren verhaltenstherapeutischen Supervisanden und deren Therapieberichten auffällt, sind deshalb oft unbewusste Hintergründe, deren Erkennen das Fallverständnis vertiefen und auch erkennen lassen, weshalb die therapeutische Beziehung gerade an einem eventuell sehr schwierigen Punkt angekommen ist.

Der Aspekt der Entwicklung erscheint mir eine ebenso wichtige Erweiterung der verhaltenstherapeutischen Supervision zu sein. Hogan (1964), Stoltenberg und Delworth (1987) und Sulz (2007a) beschreiben ganz ähnliche Entwicklungsstufen, die eine wertvolle Heuristik für den Supervisor sind, da er durch sie erkennen kann, welcher Teil des vorgebrachten supervisorischen Problems einfach dadurch erklärbar ist, dass bei dem Supervisanden gerade der Schritt auf die nächste Entwicklungsstufe erfolgte. Und vor allem kann er die Änderung der supervisorischen Beziehung besser verstehen, wenn der Supervisand gerade dabei ist, seine Autonomie zu entfalten. Wichtig erscheint mir auch, dass der Übergang auf die nächsthöhere Entwicklungsstufe Instabilität bedeutet und deshalb eher vermieden wird.

Kommentar von Serge Sulz

Der Entwicklungsaspekt ist sehr anspruchsvoll und nicht einfach auf den Therapieprozess zu übertragen. Da stellt sich die Frage, ob einem Supervisanden, der diesen Ansatz nicht kennt, mit dieser Heuristik geholfen werden kann. Oder soll er sich in das Denken des Supervisors eindenken? Trotzdem ist ein wichtiges Faktum, dass Entwicklung gleich Änderung bedeutet und dass diese Änderung durch Selbstorganisation erfolgt, während Selbststeuerung versucht, Stabilität und Homöostase herzustellen, also Widerstand gegen Veränderung aufbringt.

2          Strategisch-Behaviorale Supervision als Integration von Selbstregulation, Selbstorganisation und Selbstentwicklung

2.1       Annahmen

Drei Annahmen über die Funktionsweise der menschlichen Psyche liegen zugrunde:

1.  Die Strategische Supervision geht von der kognitiv-affektiven Entwicklungstheorie aus (Sulz, 2017b). Das heißt, dass unser Denken, Fühlen und Handeln weitgehend automatisch und autonom (ohne ständige bewusste Entscheidungen) abläuft – das ist die autonome Psyche oder der implizite Teil unserer Hirnaktivität (Grawe, 1998, 2004). Funktionsprinzipien sind die der Selbstregulation und Homöostase (Kybernetik 1. Ordnung), durch die die Stabilität des Systems gewährleistet wird, und der Selbstorganisation (Kybernetik zweiter Ordnung), die Änderung und Entwicklung ermöglicht (Haken & Schiepek, 2005). Diese beiden Prinzipien entsprechen Piagets (1978, 1995) Konstrukten der Assimilation (Einfügen neuer Erfahrungen in das bestehende psychische System) und Akkommodation (Anpassen des psychischen Systems an neue Erfahrungen mit der Umwelt). Daraus resultiert auch, dass unsere Lebens- und Beziehungsgestaltung weitgehend dem Prinzip der Konstruktion im Sinne der Palo-Alto-Schule (Watzlawick et al., 1986, Watzlawick, Weakland & Fisch, 1974) stattfindet und weit weniger nach dem Prinzip der Kausalität.

2.  Die Psyche des Menschen entwickelt sich lebenslang weiter. Dies geht mit neurobiologischen Veränderungen einher. Piaget (1978, 1995) und Kegan (1986) bieten eine Entwicklungstheorie, die sich als Heuristik anbietet. D. h., dass neues Verhalten und Veränderungen des Verhaltens und Erlebens weder allein auf Konditionierungen noch auf Lernen durch Einsicht zurückgeführt werden können. Durch die Entwicklung von einer Entwicklungsstufe auf die nächsthöhere entsteht neues Erleben und Verhalten. Auf jeder Entwicklungsstufe entsteht ein qualitativ neuer Mensch und eine qualitativ neue Welt.

3.  Die neurobiologische Wissenschaft des Gedächtnisses und der Emotionen führt zu einer notwendigen Ergänzung und Schwerpunktverlagerung zur kognitiv-behavioralen Betrachtungsweise menschlichen Verhaltens (Damasio, 2003, 2017). Die Affekte und die Affektregulierung treten in den Vordergrund, da sie das Regelmäßige psychischer Funktionen determinieren (autonome Psyche, implizites (emotionales) System). Die bewussten gedanklichen und steuernden Prozesse der willkürlichen Psyche (explizites (kognitives) System) treten nur dann in Aktion, wenn die automatischen Prozesse einer außergewöhnlichen und neuen Situation nicht gerecht werden können.

2.2       Ein Selbstregulationsmodell als Basis supervisorischen Handelns

Wir können die primäre somatopsychische Homöostase des Kleinkindes von der sekundären psychosozialen Homöostase des Erwachsenen unterscheiden. Obwohl vom Reifegrad seiner Hirnfunktionen noch gar nicht in der Lage, muss das Kleinkind bei seiner Selbstregulation die Wünsche und Forderungen der Eltern berücksichtigen, um mit diesen emotional überleben zu können. Da es noch keine kognitive Steuerungsfähigkeit hat, müssen ihm aversive Gefühle wie Angst, Schuldgefühl oder Scham dabei helfen. So entsteht ein selbstunsicherer oder ein dependenter oder ein histrionischer Mensch mit Eigenschaften, die der Besänftigung der sozialen Umwelt dienen, aber auf Kosten eigener Bedürfnisbefriedigung gehen. Das kann ein Leben lang gut gehen – oder bis zum Ende einer Karriere, bis zum Ende einer Partnerschaft. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Die Anpassung erfolgt so lange, bis das psychische System wiederum überfordert ist und als Notfallmaßnahme das psychische oder psychosomatische Symptom erfindet.

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Abb. 2.1: Strategisches Modell der Selbstregulation (verändert nach Sulz, 2017b)

In Anlehnung an Grawe (1998) können wir ein Modell der menschlichen Psyche zeichnen (image Abb. 2.1): Wir begegnen der Welt und einer konkreten Situation zunächst durch unsere Wahrnehmung, die Information an alle Ebenen unserer Psyche gibt. Wir können uns deren Organisation als Mehrebenensystem vorstellen. Ganz oben sorgt die Systemebene für Stabilität und Homöostase, so dass eine stabile Identität entstehen kann. Darunter kommt die Prinzipienebene, die die homöostatischen Sollwerte bezüglich Bedürfnissen, Beziehungen, Normen und Werten festlegt und steuert. In konkreten Situationen können motivationale Schemata auf der Programmebene rasch zur Verfügung gestellt werden, seien es positive Zuwendung oder Wut und Angriff oder Angst und Flucht. Auf der Sequenzenebene, der Motorikebene und der physiologischen Ebene entstehen dann Reaktionen (Gefühle, Gedanken und Handlungen). Damit sind wir bei der Antwort auf die anfängliche Wahrnehmung gestoßen. Diese wirkt auf die Menschen der sozialen Umwelt ein, die wiederum antworten. Es kann aber auch sein, dass deren Reaktionen keine Antwort auf unser Verhalten sind, sondern ein Ausdruck derer Wünsche, was für uns Anreiz oder Forderung darstellt.

Diese Heuristik können wir auf alle interaktionellen Prozesse anwenden: der Patient und seine soziale Umwelt, der Patient und sein Therapeut, der Therapeut und sein Supervisor.

Zu Beginn seiner Psychotherapieausbildung kann der Therapeut noch keine psychotherapeutische Identität haben. Ein großer Teil seiner Energie wird durch den Prozess der Identitätsbildung absorbiert. Vorerst fühlt er sich deshalb selbstunsicher und nicht ausreichend kompetent. Er achtet mehr auf sein eigenes Handeln als auf den Patienten. Sein Fehler ist, dass er Fehler vermeiden will. Das hindert ihn daran, sich ein ausreichend komplexes Bild des Patienten zu machen. Für solche neuen Situationen sind noch keine motivationalen Schemata verfügbar. Er will vom Supervisor so schnell und so viel wie möglich lernen und ist dankbar für alle Hinweise, die ihm helfen, sich in einer völlig neuen Rolle in dieser völlig neuen Welt zu bewegen.

2.3       Ein Entwicklungsmodell der Supervision in der Therapeutenausbildung

Entwicklung ist Veränderung und Veränderung folgt dem Prinzip der Selbstorganisation (Haken & Schiepek, 2005). Selbstregulation will Veränderung verhindern und Stabilität herstellen. Beide Prinzipien sind also gegenläufig, und so lange Selbstregulation (Assimilation) Veränderung verhindern kann, sind keine Veränderungen zu erkennen. Dann auf einmal, wenn die Kräfte der Selbstorganisation diejenigen der Selbstregulation übertrumpfen, kommt eine plötzliche und völlige Veränderung (Akkommodation). Das ist der qualitative Sprung. Das alte System gibt es nicht mehr, das neue ist entstanden.

Die Entwicklungsstufen Piagets (1978, 1995) und Kegans (1986) bilden diese Prozesse ab. Auf einer Entwicklungsstufe ist das Selbst stabil. Es begegnet der Welt auf einer konstant durch situativ verfügbare Schemata unterstützte Weise. Beim Übergang auf die nächsthöhere Entwicklungsstufe geht diese Stabilität verloren. Die Selbstregulation der alten Stufe wird insuffizient, kann ihre Sollwerte nicht mehr einhalten und endet. Assimilation ist nicht mehr möglich. Durch Selbstorganisation jenseits von Hierarchien und Sollwerten entsteht qualitativ Neues (Akkommodation). Dieser Übergang kann fulminant und krisenhaft ablaufen und er kann scheitern, so dass die nächsthöhere Stufe nicht erreicht wird.

Es kann aber auch sein, dass die Selbstregulation zu einem rigiden System geführt hat, das Entwicklung von vornherein ausschließt. Das ist der Fall, wenn sich eine Form des »Gerade-noch-Überlebens« eingestellt hat, die unbedingt beibehalten werden muss, z. B. dysfunktionale Persönlichkeitszüge, wie selbstunsicher, dependent, zwanghaft, passiv-aggressiv, histrionisch, schizoid, narzisstisch oder emotional-instabil. Das ist emotionales Überleben um den Preis der Entwicklungsstagnation. Da diese dysfunktionalen Persönlichkeitszüge sehr häufig sind, müssen wir davon ausgehen, dass Erwachsene nur »partiell entwickelt« sind (McCullough, 2000, 2007). Wenn bestimmte Konfliktlösungen erst auf der nächsthöheren Entwicklungsstufe möglich werden, muss zuerst der Entwicklungsschritt auf diese Stufe stattfinden. Tabelle 2.1 zeigt die Entwicklungsschritte mit dem Wechsel von Assimilation und Akkommodation.

Tab. 2.1: Entwicklung als Selbstorganisation (aus Sulz, 2007a, S. 62)

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Stufe 1ÜbergangStufe 2ÜbergangStufe 3

Wir können nun versuchen, das Entwicklungsmodell auf die Supervision zu übertragen. Es wurde bisher vor allem auf die Entwicklung des Patienten in der Therapie (Sulz & Höfling, 2010, Sulz, 2017a, b, c), die Entwicklung der Familie (Sulz & Heekerens, 2002), die Entwicklung von Gruppen (Knickenberg & Sulz, 2002) und die Entwicklung von Teams (Hauke & Sulz, 2004) als Heuristik eingesetzt. In Tabelle 2.2 wird die stufenweise Entwicklung des Supervisanden zu sich selbst, zum Patienten und zum Supervisor dargestellt.

Auf jeder Stufe begegnet der Supervisor einem anderen Menschen und er wird diesem stufenadäquat begegnen und seine Interventionen auf dessen Entwicklungsstand abstimmen. Er ist sich bewusst, welche Intervention auf der betreffenden Stufe entwicklungsfördernd und welche entwicklungshemmend wäre (image Tab. 2.3).

Wer sich entwickelt, braucht eine einbindende Kultur. Entwicklung kann im beziehungslosen Raum nicht stattfinden. Für den Supervisanden ist der Supervisor einbindende Kultur mit definierten Aufgaben der Entwicklungsförderung.

Der Supervisor hält sich an die beiden von Kegan (1986) vorgeschlagenen Prinzipien der hilfreichen Begleitung des Übergangs auf die nächsthöhere Stufe (image Tab. 2.3):

•  Widerspruch, Grenzen setzen (damit es unbequemer wird auf der alten Stufe),

•  in der Nähe bleiben (Verständnis, Versöhnung), damit kein zu hoher Preis für die Entwicklung gezahlt wird.

Tab. 2.2: Entwicklungsstufen der psychotherapeutischen Entwicklung in der Beziehung zu sich selbst, zum Patienten und zum Supervisor sowie empfohlene supervisorische Interventionen (aus Sulz, 2007a, S. 67 f.)

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EntwicklungsstufeSelbstin Beziehung zum Patientenin Beziehung zum SupervisorEmpfohlene supervisorische Interventionen

Tab. 2.3: Entwicklungsförderung und -hemmung in der Übergangsphase (aus Sulz, 2007a, S. 70)

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StufenübergangEntwicklungsförderung durch Widerspruch, Grenzen setzenEntwicklungsförderung durch in der Nähe bleibenEntwicklungshemmung durch Zurück-, FesthaltenEntwicklungshemmung durch WegstoßenSupervisorische Entwicklungsförderung

Der Übergang kann sowohl zur Krise werden, wenn entwicklungshemmendes Verhalten der Personen der einbindenden Kultur1 massiv einwirkt, als auch, wenn der nächste Schritt wegen eigener Entwicklungsdefizite eine völlige Überforderung ist.

2.4       Das Supervisionskonzept der therapeutischen Entwicklung

a)            Entwicklungsspezifische Supervision

Ein Blick auf die letzte Spalte von Tabelle 2.2 zeigt uns, welche supervisorische Haltung und welche Intervention stufenspezifisch sind (image Tab. 2.2):

Aufnehmende Entwicklungsstufe (will Therapeut werden): Willkommensein und Zugehörigsein signalisieren, entängstigen, klare, einfache Anleitungen geben, jede Aktion loben

Impulsive Entwicklungsstufe (will Therapie machen): Schutz und Sicherheit signalisieren, verfügbar sein, jede gelungene Aktion loben, strukturierende Anleitungen geben

Souveräne Entwicklungsstufe (will Führung in der Therapie und der Therapeutengemeinschaft übernehmen): Kontrolle und Rivalisieren zulassen (keinen Machtkampf), bestätigen, dass er die therapeutische Situation gut im Griff hat, unterstützen, wo dies noch nicht so gut gelingt

Zwischenmenschliche Entwicklungsstufe (sucht gleichgesinnte Therapeuten): Zuneigung zeigen, Beziehungssensibilität validieren und fördern, für Lernprozesse auf der Ebene der Therapeut-Patient-Beziehung nutzen, wertschätzende Reflexion des qualitativen Sprungs von der souveränen zur zwischenmenschlichen Stufe

Institutionelle Entwicklungsstufe (vertritt seine Therapieschule nach innen und außen): Selbstbestimmung und Selbstständigkeit lassen, dem Bedürfnis nach gedanklicher und interpersoneller Ordnung folgen und Strukturierungen von Seiten des Supervisanden anerkennen, gemeinsam an Therapieoptimierungen feilen

Überindividuelle Entwicklungsstufe (reife Therapeutenpersönlichkeit): Gleichrangigkeit, Gleichwertigkeit, Ungebundenheit und Freiheit des Supervisanden als selbstverständlich nehmen, die neue Art des supervisorischen Auftrags einhalten, ohne in alte Lehrerrolle zu fallen

b)            Entwicklungsfördernde Supervision – Förderung des Übergangs auf die nächste Stufe

Zunächst müssen wir uns bewusstmachen, was eine Entwicklungsstufe kennzeichnet.

Vergleicht man sie mit der vorausgehenden Stufe, so finden wir

•  ein realistischeres Weltbild,

•  neue Fähigkeiten,

•  Unabhängigkeit von einem früher dominierenden Bedürfnis, wie Sicherheit,

•  keine Bedrohung mehr durch eine früher dominierende Angst, wie Existenzangst.

Nun finden wir stattdessen eine

•  Abhängigkeit von einem jetzigen stufentypischen Bedürfnis, wie Zuneigung,

•  Bedrohung durch eine jetzige stufentypische zentrale Angst, wie Verlustangst.

Beim Vergleich mit der nächsthöheren Stufe stellen wir fest:

•  ein zu einfaches Weltbild, das den Hinweis auf die komplexere Realität braucht,

•  eine fehlende Kompetenz, weshalb noch Unterstützung gebraucht wird.

Es findet also ein Übergang vom Nichtkönnen zum Können, von Abhängigkeit zu Unabhängigkeit, von Bedrohung zu Gefahrenfreiheit und vom illusionären zum realistischeren Weltbild statt. Dies führt dazu, dass bisher unlösbare Konflikte gelöst werden können.

Auf der nächsten Stufe können wir wieder diese vierfache Errungenschaft im Vergleich zur vorausgehenden Stufe und das vierfache Defizit im Vergleich zur nächsthöheren Stufe erkennen. Auf jeder Stufe scheitert der Mensch schließlich an Grenzen, die ihm Anreiz geben zur Weiterentwicklung auf die nächste Stufe.

Wir können die Entwicklungsaufgaben des jeweiligen Schrittes zur nächsthöheren Stufe so beschreiben:

»Beim Übergang von der aufnehmenden zur impulsiven Stufe muss die Illusion aufgegeben werden, dass untrennbares Einssein mit anderen (Patient, Supervisor) besteht, um die Fähigkeit zu erwerben, durch gezielte Impulse und Handlungen auf den anderen zur eigenen Befriedigung einzuwirken.

Beim Übergang von der impulsiven zur souveränen Stufe muss die Illusion aufgegeben werden, dass andere (Patient, Supervisor) gleich denken, fühlen, Gleiches wollen, d. h., das Verschiedensein anerkannt werden, um die Fähigkeit zu erwerben, die eigenen Impulse und damit die andere Person zu steuern und zu kontrollieren.

Beim Übergang von der souveränen zur zwischenmenschlichen Stufe muss die Illusion aufgegeben werden, dass andere (Patient, Supervisor) gänzlich kontrollierbar seien, um die Fähigkeit zu erwerben, eine dyadische Beziehung durch Selbstopfer zu pflegen und dadurch die eigenen Beziehungsbedürfnisse zu befriedigen.

Beim Übergang von der zwischenmenschlichen zur institutionellen Stufe muss die Illusion aufgegeben werden, dass alles, was für sich selbst gebraucht wird, durch die eine Beziehung zu erhalten ist, um die Fähigkeit zu erwerben, ein Netzwerk von Beziehungen durch kognitive Regeln zu organisieren, in dem Selbstbedürfnisse befriedigt werden können.

Beim Übergang von der institutionellen zur überindividuellen Stufe muss die Illusion aufgegeben werden, dass die soziale Welt durch Regeln und Normen verwaltbar ist, um die Fähigkeit aufzubauen, den anderen ein völlig abgegrenztes Individuum sein zu lassen und den Umgang mit ihm durch eine allgemeine menschliche Ethik zu gestalten.

Nun stellt sich die Frage nach dem jeweiligen entwicklungsfördernden Verhalten des Supervisors. Dieses kann bei den einzelnen Stufenübergängen so beschrieben werden (image Tab. 2.3, letzte Spalte):

»Übergang von der aufnehmenden zur impulsiven Stufe: weniger ungefragt an die Hand nehmen, selbst ausprobieren lassen, ohne Misserfolge zu provozieren, dabei präsent bleiben

Übergang von der impulsiven zur souveränen Stufe: sich steuern lassen, Steuerungsfähigkeiten fördern

Übergang von der souveränen zur zwischenmenschlichen Stufe: sich in ein von Zuneigung getragenes Beziehungsangebot einlassen, emotionale Investitionen in die Beziehung validieren

Übergang von der zwischenmenschlichen zur institutionellen Stufe: aus der nahen Beziehung herausgehen lassen, das Angebot der Beziehungsgestaltung über Umgangsregeln annehmen, auf die kühlere, rationalere und selbstbezogenere Art der Interaktion eingehen

Übergang von der institutionellen zur überindividuellen Stufe: Bestätigen wertorientierter Relativierung von Normen, Zulassen des Herauslösens aus der Verbindlichkeit institutioneller Beziehungsorganisation« (Sulz, 2007a, S. 66).

2.5       Taxonomien – Lernziele und Leitlinien

Wir betrachten Aufgabenbereiche des Supervisors, Lern- und Kompetenzziele der Supervision, allgemeine supervisorische Vorgehensweisen und fallbezogene Supervisionsschritte.

Aufgabenbereiche des Supervisors

Bei der Betrachtung der Aufgabenbereiche gehen wir von einer Aus- oder Weiterbildungssupervision im Institut, in der Hochschule oder der Klinik aus. Die Aufgaben des Supervisors sind hier:

•  Verbindung zu und Einordnung in Ausbildungsinstitut/Hochschule/Klinik,

•  Verbindung und Einordnung in die Ausbildungsambulanz,

•  Verfolgung konsentierter Supervisionsziele,

•  Aufbau einer förderlichen Supervisand-Supervisor-Beziehung,

•  Fördern der Supervisionsmotivation der Therapeutin,

•  Supervision inhaltlicher Aspekte der Therapie,

•  Supervision prozessualer Aspekte der Therapie,

•  Berücksichtigen rechtlicher Aspekte der Therapie,

•  Einhalten ethischer Aspekte der Therapie,

•  Unterstützung im Aufbau der Patient-Therapeut-Beziehung,

•  Förderung der Entwicklung der Therapeutenpersönlichkeit.

Lern- und Kompetenzziele des Therapeuten

•  Der Therapeut muss Wissen und Können in folgender Hinsicht erworben haben, um von der Supervision profitieren zu können (Sulz, 2007a, S. 74 f.):

•  Wissenschaftliche Grundlagen kennen und auf die Therapie übertragen können.

•  Eine Metatheorie, eine allgemeine und spezielle Störungstheorie und eine entsprechende Therapietheorie strategisch umsetzen können.

•  Das System, in das Therapeut und Patient in Ausbildung und Therapie eingebunden sind, kennen und damit kompetent umgehen können.

•  Alle für das Fallverständnis erforderlichen diagnostischen Methoden beherrschen.

•  Das erarbeitete Datenmaterial zu einer zutreffenden diagnostischen Urteilsbildung bringen können.

•  Interpersonelle und emotionale Transaktionen wahrnehmen und kommunizieren können.

•  Eine förderliche Therapiebeziehung aufbauen können.

•  Eine Fallkonzeptualisierung mit Bedingungs- und Zielanalyse erstellen können.

•  Änderungs- und Entwicklungsmotivation beim Patienten aufbauen können.

•  Einen Therapieplan mit störungsspezifischen und personspezifischen Anteilen interaktionell erarbeiten können.

•  Die vereinbarten Therapieinterventionen wirksam einsetzen können.

•  Ein Prozessmonitoring der Therapiesitzung durchführen können.

•  Ein Prozessmonitoring des Therapieverlaufs durchführen können.

•  Störungen in der Therapie und Störungen der Therapie erkennen und beheben können.

•  »Widerstand« therapeutisch nutzen können.

•  Eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen und deren Wechselwirkung mit Patient und Therapie einschätzen können.

•  Eigene Schwächen und Stärken kennen und mit ihnen in der Therapie umgehen können.

•  Emotionale Belastungsfähigkeit haben bzw. aufbauen.

•  Seine Persönlichkeit so entwickeln, dass die notwendige professionelle fachliche und soziale Kompetenz deutlich sichtbar wird.

•  Sich mit dem berufsethischen und -rechtlichen Rahmen identifizieren und danach handeln können.

•  Therapiebegleitende Supervision, Intervision, Lehrveranstaltungen und Lektüre nutzen.

•  Die Therapieevaluation durchführen können.

Wie der Supervisor vorgehen soll

Bezüglich des Vorgehens des Supervisors können wir die von Schmelzer (1997, S. 122 f.) genannten Punkte auflisten. Der Supervisor

•  ist natürliche Fachautorität statt formale Autorität,

•  baut Supervisionsmotivation auf,

•  schafft eine fehlerfreundliche Lernatmosphäre,

•  denkt in der Betrachtung der Therapie verhaltenstherapeutisch. In der Betrachtung der Supervision denkt und arbeitet er auf der Basis des Selbstregulations- und Selbstentwicklungsprinzips und der neurobiologischen Emotions- und Gedächtnisforschung,

•  analysiert Probleme funktional, system- und entwicklungstheoretisch,

•  verbindet immer wieder Diagnostik und Intervention,

•  führt den Therapeuten zu Ziel- und Lösungsorientierung hin,

•  geht von der Pluralität und Individualität von Bedürfnissen, Zielen und Werten aus,

•  arbeitet zuerst auf emotional-motivationale Klärung und dann auf kognitiv-handelnde Bewältigung hin,

•  geht an Probleme interaktiv heran und hilft dem Therapeuten, sie flexibel-dynamisch zu lösen,