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Fantastisch – Mystisch - Spannend

Hundsgemein

1. Teil

„Ich geh mit Fury noch eine Runde Gassi! Willst du mit?“, rief Frau Obermüller durch die Wohnzimmertür ihrem Mann zu, der sich im Fernsehsessel lümmelte.

„Ne, jetzt nicht mehr! Es kommt Fußball, das siehst du doch!“, brummte er und trank mit großen Schlucken aus einer Flasche Bier. Frau Obermüller verdrehte die Augen. Immer das gleiche mit dem Mann. Das typische Samstag drei F Abendprogramm - Fernsehen, Fußball, Faulenzen. Vermutlich ging es nicht ohne Alkohol, um dem langweiligen Sport seine Würze zu geben, resümierte Frau Obermüller. Aber das behielt sie für sich.

Als kluge Gattin trat sie den Rückzug an und schritt in den Flur.

„Na schön! Komm Fury, lass uns um die Ecken gehen!“ Frau Obermüller lächelte ihren Hund an, der genau wusste um was es ging. Ein alter Rottweiler erhob sich aus seinem XXL-Korb und mit steifen Beinen wackelte er dem Frauchen hinterher in Richtung Haustüre.

Eigentlich hatte sich die Enkelin der Obermüllers sehnlich ein Pferd gewünscht und das sollte genauso eines sein, wie Fury aus den Kinderbüchern. Das lag bereits über ein Jahrzehnt zurück. Es war damals nicht mehr auszuhalten mit ihrem Pferdetick. Doch der Geldbeutel erlaubte nur ein kleineres Tier, welches zumindest ebenso vier Beine und ein schwarzes Fell besaß. Der Welpe erhielt den Namen Fury. Von da an musste der Hund täglich der kleinen Anna die Geschichten vom schwarzen Hengst lauschen.

Frau Obermüller schnappte die lederne Hundeleine. Draußen wartete ein warmer Spätsommerabend auf die Gassi Gesellschaft. Fury trabte sofort an die Hofeinfahrt, hob das Bein und pinkelte an den Jägerzaun. Frau Obermüller steuerte die ruhig gelegene Villengegend an. Nach 23 Uhr war kaum noch ein Mensch unterwegs und der Hund konnte frei herumlaufen. Als sie um die nächste Ecke bog erschrak sie über ein grelles, kreisendes Blaulicht.

„Fury, komm her!“ Augenblicklich legte sie den Hund an die Leine. „Was ist denn da los?“ Wie ein Magnet zogen sie die Lichter an. Mit eiligen Schritten näherte sie sich dem Spektakel. Sie wandte ihren Kopf, um die Situation einschätzen zu können. Es standen mehrere Polizeiautos und ein Rettungswagen vor dem Anwesen der Familie Achentaler. In der Einfahrt entdeckte sie einen weiteren Rettungswagen. Polizisten und Sanitäter liefen eilig durcheinander. Frau Obermüller trat bis an die Absperrung heran. Eine rot weise Plastikbande hatte man provisorisch zwischen Tatort und Außenwelt gespannt, um die sich eine Hand voll Schaulustiger drängte. Frau Obermüller gesellte sich zu ihnen.

„Guten Abend Frau Hölle! Was ist denn da passiert?“ Frau Hölle gehörte zu den Hundebekanntschaften, die man zu allen Tages- oder Nachtzeiten irgendwo traf. Ihr Foxterrier und Fury beschnüffelten sich im Kreisverkehr.

„Servus Frau Obermüller! Keine Ahnung, aber es muss was Schreckliches passiert sein! So viele Polizisten und Rettungswagen!“

Das eisig blaue Licht kreiste über die Anwesenden und tauchte für sekundenschnelle ihre Gesichter in blutleere Wesen. Es stimulierte die eh schon angespannte Stimmung.

„Kann man diese Discobeleuchtung denn nicht abstellen?“, beklagte sich eine andere Dame. Niemand antwortete ihr. Die Aufmerksamkeit aller hing an dem Treiben des Einsatzkommandos, denn hier wurde ein gewöhnlicher TV-Krimi zur Wirklichkeit. Die Zuschauer standen nah genug um zu erkennen, wie in den hell erleuchteten Rettungswagen Menschen herumfuchtelten.

„Mein Gott, da gibt es wohl Schwerverletzte! Hat es die Achentalers erwischt?“ Frau Hölle zuckte die Achseln.

Die Hunde jaulten. Frau Obermüller blickte nach unten und musste Fury aus einem Leinengewirr befreien. Frau Hölle riss ihren Foxterrier zu sich heran, stellte ihn zwischen ihre Beine und hielt ihn fest.

„Jetzt ist aber Schluss!“, befahl Frau Obermüller ärgerlich und drohte dem massigen Rottweiler mit dem Zeigefinger. Ha, von wegen! Furys Aufmerksamkeit fokussierte bereits einen altbekannten Feind. Sein böses Knurren steigerte sich in lautes, tiefes Bellen.

„Schauen sie, da ist auch der Tierarzt! Was macht der denn hier?“ Frau Obermüller hatte nun große Mühe Fury zu halten. Der Hund war außer sich und stemmte sich mit allen Kräften gegen die Leine. Vermutlich steckten die wöchentlichen Aufbauspritzen dahinter, die der Arzt dem Hund ins Hinterteil jagte. Eine wahrhaft erfolgreiche Therapie – vielleicht sollten wir die Dosis reduzieren, schoss es ihr in den Sinn.

Der Tierarzt verließ gerade die Villa und trug ein graues Bündel in seinen Armen. Damit marschierte er zu seinem Jeep und legte den Haufen in den Kofferraum hinein.

„Herr Doktor, der Kommissar will sie sprechen!“, rief ein Beamter ihm nach.

Fury bellte immer noch mit voller Lungenkraft und strapazierte seine Stimmbänder aufs äußerste. Da näherte sich ein anderer Feind. Einem Polizisten ging dieses vorlaute Gebelle auf die Nerven. Streng befahl der uniformierte Mann Frau Obermüller diesen zu Ort verlassen, denn hier gäbe es nichts zu sehen! Vermutlich hätte Fury aus diesem blassen Spargeltyp Hackfleisch gemacht. Dem Beamten war überhaupt nicht bewusst, dass diese Frau sein Leben in den Händen hielt.

„Still jetzt!“, fauchte sie Fury an. Widerwillig beruhigte sich der Hund. Die umstehenden Personen fanden diesen Zwischenfall recht erheiternd und grinsten ungeniert. Frau Obermüller nutzte die Gelegenheit und fragte ganz direkt: „Ach Herr Schutzmann, sagen sie uns bitte, wer ist denn verletzt?“

„Aber Herrschaften, das geht jetzt wirklich zu weit! Die Presse ist auch schon da. Lesen sie morgen in der Zeitung nach. Und bitte, gehen sie endlich!“ Ein Brummen ging durch die Menge.

So ein Blödmann, dachte jeder. Plötzlich startete ein Rettungswagen, schoss rückwärts aus der Einfahrt, drehte kurz und setzte die Sirenen ein. Alles was im Weg stand sprang zur Seite.

Frau Obermüller entschied sich für den Rückzug, denn Furys Nerven lagen blank. Aber das plötzliche Auftauchen von Frau Achentaler ermunterte sie einen Moment länger zu bleiben. Frau Achentaler verließ die Villa in Begleitung einer Ärztin und Beamtin, die sie von beiden Seiten stützten. Als die Ärztin mit ihr gerade in den Notarztwagen steigen wollte, rief die Frau Doktor einem nahe stehenden Mann zu: „Nein, Frau Achentaler ist jetzt nicht vernehmungsfähig! Sie steht unter Schock und bleibt die Nacht in der Klink! Sie können morgen nachfragen, ob sie stabil ist!“ Der Herr war offensichtlich verärgert darüber, drehte ab und nahm mit dem Tierarzt vorlieb.

„Komm Fury, wir gehen jetzt! Gute Nacht Frau Hölle!“ Diese winkte kurz zurück und ratschte mit einer anderen Dame weiter. Folgsam trabte Fury an der Seite seines Frauchens nachhause. Mit ein paar Wuffs, so als wollte er sich räuspern, schien er in einem inneren Monolog die Erlebnisse nach seinem Rechtsempfinden gerade zu rücken. Frau Obermüller verstand seine Aufregung und tätschelte ihn ein paar Mal auf den flachen Schädel. „Ist jetzt alles gut, mein Hundi!“

Die Uhr zeigte bereits 0.10 Uhr als Frau Obermüller das Wohnzimmer betrat. Ihr Mann schnarchte friedlich im Sessel, während der Fernseher vor sich hin plapperte. Er bemerkte ihr Kommen nicht und sie ließ ihn dort ruhen.

Diese Nacht fand sie keinen richtigen Schlaf. Zu sehr erregte sie die Frage, wer in den beiden Rettungswagen um sein Leben gekämpft hatte. Am nächsten Tag stand nicht viel im Münchner Merkur. Nur dass in einem Privathaushalt eingebrochen wurde und dies zwei Schwerverletzte und einen toten Hund zur Folge hatte. Schnell wurde bekannt, dass Herr Dr. Achentaler eines der Opfer war.

2.      Teil

1. Kapitel

14 Monate zuvor:

„Isa!“ Dr. Josef Achentaler stand hilflos vor dem offenen Kleiderschrank, in dem sich die grauen und blauen Anzüge akkurat aneinander reihten. Er suchte eine bestimmte Krawatte, und weil seine Gattin nicht reagierte, rief er gereizt: „ISAAA! Wo ist denn diese Krawatte? Jetzt hilf mir bitte!“

Währenddessen schaltete Isa die Kochplatte runter und stöhnte leise.

„Isa, wo ist denn...?“, äffte sie ihn nach. „Nie findet der Mann seinen Kram!“ Mit schnellen Schritten verließ sie die Küche und steuerte auf die Ankleide zu.

„Welche suchst du denn?“, fragte sie genervt.

„Na die mit der Ente! Du weißt schon, meine Lieblingskrawatte! Mensch, ich habe es eilig und kann mich damit nicht lange aufhalten!“

„Du meinst sicherlich die Krawatte mit dem Erpel!“

„Ja, jetzt werde nicht kleinlich!“

„Als Jäger solltest du den kleinen Unterschied kennen!“ Josef bewahrte Contenance und erwiderte nichts darauf. Isa griff in das Bündel von Krawatten, die allesamt auf einem Bügel herabhingen und zog die besagte Entenkrawatte hervor.

„Also, ich versteh das nicht, warum du nie deine Sachen im  Kleiderschrank findest! Wie kann das denn sei? Wenn du im Bauch einer Frau operierst, schreist du doch auch nicht herum und fragst, Schwester Gisela, wo sind denn die Eierstöcke?“ Isa war nach Streit zu mute. Josef atmete tief durch, so wie er es immer tat, wenn er eine höchst schwierige Patientin zu behandeln hatte.

„Vielen Dank! Spar dir deine giftigen Bemerkungen, das macht  nur hässlich!“

„Mpf!“, entwich es Isa. Die Bemerkung traf sie wie ein Faustschlag in den Magen. Es war mal wieder typisch. Der stets über allem erhabene Doktor ließ seine Gattin am offenen Kleiderschrank stehen und verschwand im Bad. Einst schätzte Isa ihn so sehr wegen seiner unerschütterlichen Souveränität, die aber nach elf Jahren Ehe in Verachtung umgeschlagen war.

Sie wischte sich die schweißigen Hände an der Kochschürze ab und eilte zurück in die Küche. Dort drehte sie die Kochplatte wieder hoch. Auch in ihr brodelte es.

„Immer muss ich alles liegen und stehen lassen, wenn der Herr ruft! Immer stehe ich für alle in Rufbereitschaft!“, protestierte sie im Stillen. Aber nur im Stillen, wie so oft.

Josef machte sich nicht die Mühe in die Küche zu gehen, um sich zu verabschieden. Gedämpft hörte sie ihn rufen: „Tschüß, ich fahr jetzt! Bis Montag!“, und die Haustür fiel mit einem Rums ins Schloss. Gleichzeitig klappten Isas Augen für einen Moment zu. Erleichtert und gleich darauf tief verletzt, registrierte sie die Ruhe in der extravagant ausgestatteten Villa. 

Josef gab vor, eine hochkarätige Veranstaltung für Gynäkologen in Nürnberg über das Wochenende besuchen zu wollen. Ganz gewiss fand diese besondere Veranstaltung auch mit dem Austausch von Körpersäften in einem Swingerclub statt. Diese Vorstellung schmerzte sie jedes Mal, denn sie wusste von seinen Rudelbums Vorlieben. Schon seit Jahren war der Sex aus dem Schlafzimmer gezogen und hielt sich hartnäckig versteckt. Begonnen hatte dies alles nach der Geburt ihrer Zwillingstöchter. Natürlich entband damals Josef seine geliebte Isa, als junger Oberarzt der gynäkologischen Abteilung. Ihr Glück schien unantastbar, doch dann kam alles anders.

Sie machte sich viele Gedanken, wie es zu dem Verlust des Liebeslebens hatte kommen können. Aber sie wusste keinen Rat und holte sich auch keinen. Manchmal glaubte sie, dass genau ihre Entbindung ihn traumatisiert habe, und deshalb keine Lust mehr für sie empfand. So was hatte sie schon des Öfteren in Fachzeitschriften gelesen.

Eigentlich unverständlich, denn als sie sich kennen lernten, damals in der Asklepios-Stadtklinik, entflammte die Begierde bereits beim ersten Blickkontakt. Wenn sie als medizinisch technische Assistentin Nachtdienst hatte, erschien Dr. Josef Achentaler regelmäßig mit auffallend vielen Blutproben im Labor. Seine Liebesgeständnisse zwischen Urinbechern und summenden Zentrifugen, hütete sie wie einen Schatz in ihrem Gedächtnis. Es war die schönste Zeit ihres Lebens. Und nun saß sie das Wochenende mal wieder alleine zuhause. Ihre neunjährigen Töchter Eva und Nadine befanden sich auch auf einer Klassenfahrt.

 

Die warme Herbstsonne strahlte durch die gläserne Schiebetür direkt auf den antiken Esstisch. Isa stellte den Gemüseauflauf auf einen Topfuntersetzer und löffelte sich eine Portion auf den Teller. Das sanfte Licht und der Duft der Kräuter erhellten ein wenig ihr Gemüt. Mit einem vollmundigen Spätburgunder spülte Isa schließlich die Speisereste hinunter und griff nach der Süddeutschen Zeitung, die eigentlich Josefs Lektüre ausmachte.

Sie versuchte sich auf einen Artikel zu konzentrieren, der schilderte, warum die Deutschen immer weniger, älter und dicker werden. Aber die langen und komplizierten Sätze stahlen ihr die Freude am Weiterlesen. Desinteressiert blätterte sie den restlichen Wust an Papier durch. Das einzig nützliche schien das Fernsehprogramm zu sein, und legte es auf die Seite. Bei den Kontaktanzeigen machte sie Halt.

„Solche arme Menschen! Wie sie sich anbieten!“ Isa breitete den Bogen Papier aus und beugte sich drüber. Das wollte sie sich genauer ansehen und mit einem Schmunzeln las Isa die Werbetexte beider Geschlechter.

„Ist es Not oder Spaß, was die Leute dazu bewegt auf diese Art Kontakt zu finden?“, fragte sie sich ernsthaft. „Wahrscheinlich beides!“ Die Männer schienen besonders anspruchsvoll. Ihre Partnerin sollte neben körperlicher Vollendung auch intelligent, beruflich eigenständig, kunst- und politikinteressiert sein, sowohl den Kochlöffel als auch den Golfschläger perfekt schwingen können und stets gut gelaunt sein. Als Lohn gäbe es dann einen Akademiker, der einfach nur vielseitig interessiert ist und mit einem Zweitwohnsitz in Südeuropa lockt.

„Was wollen die eigentlich? Kein Wunder, dass sie keine Frau im wirklichen Leben finden!“ Isa schüttelte den Kopf und blieb bei einer Kontaktanzeige hängen, die sich von allen anderen abhob.

Da suchte ein Mann Anfang 40, 190 cm groß, sportlich muskulös, mehrsprachig, studiert und sensibel, eine Frau deren Alter, Beruf und Herkunft völlig unbedeutend waren! Jeder Mann hatte eine ganz genaue Vorstellung von seiner Kontaktanzeigen-Traumfrau, nur dieser nicht! Außerdem investierte er zwei Spalten mit wenig Text für seine Herzensdame. Isa fand viel Gefallen an den Kurzgeschichten, wobei die geleerte Rotweinflasche ihres dazu tat.

Plötzlich drückte die Harnblase. Mit kleinen seitlichen Ausfallschritten suchte sie das Gäste-WC auf. Ausgerechnet hier zog sie nun Bilanz ihres bisherigen Lebens. Isa stützte die Ellenbogen auf die nackten Knie und legte den Kopf in die offenen Handflächen.

„Eigentlich bin ich ziemlich einsam – opfere mich für den Haushalt und meine Familie auf! Und die haben alle was Besseres zu tun. Ach, macht doch was ihr wollt!“ Sie winkte ab und lallte schon ein wenig. Es entwich ihr ein kleiner Rülpser und sie überlegte weiter nach. Selbst den Kontakt mit den Tennisdamen hatte sie eingestellt, denn dieses ewige Society-Geschwätz nach dem Spiel ging ihr fürchterlich auf die Nerven. Natürlich auch die Streitereien, ob der Ball nun im Aus war oder nicht.

„Es musch was passieren! ...neue Leute kennen lernen!“, nuschelte sie vor sich hin und riss zu viel Toilettenpapier ab.

Da fasste Isa einen Entschluss. Wer außergewöhnlichen Leuten begegnen will, muss außergewöhnliche Wege gehen! Dieser Mann, der keine Ansprüche stellte, dem wollte sie antworten.

„Jawohl!“ Entschlossen drückte sie die Spültaste und ging erleichtert in die Küche zurück. Aus einem Haken löste sie eine Schere und schwankte zum Esstisch. Mit großer Sorgfalt schnitt Isa die Anzeige aus. Den restlichen Bogen Zeitungspapier steckte sie sogleich in die grüne Tonne. Josef würde diese Seite sowieso nicht vermissen.

In ihrem Zimmer, welches gleichzeitig Arbeits- und Schlafzimmer darstellte, schaltete sie den Computer ein. Während dieser hochfuhr läutete das Telefon. Isas Herz sprang vor Freude. Vielleicht rufen die Kinder an!

„Achentaler!“, sang sie in den Hörer.

„Grüß dich Isar! Ich bin`s Traudl! Stör ich?“

„Öh, ne, du störst nicht!“, versicherte Isa, und bat sie zum igsten Mal, sie doch nicht immer mit dem Fluss ihrer Heimat zu benennen.

„Ach, reg dich ab! Die Isar ist doch wunderschön. Wohnst doch selbst an ihr! Nimm es als Kompliment!“ Isa wusste zwar nicht was sie mit einem Fluss gemeinsam hatte, aber Traudl besaß besondere Ansichten. Sie plapperte auch gleich weiter.

„Du, Morgen, das klappt nicht mit unserem Treffen! Meine Mutter ist gestürzt und liegt jetzt in der Klinik. Diesmal hat sie ihren persönlichen Wettkampf mit den Krücken verloren.“

„Was ist denn passiert?“

„Mei, einfach nur deppert! Ohne Gehhilfen ist sie die Stufen in den Garten hinunter gestolpert und hat sich einen Oberschenkelhalsbruch zugelegt. Tja, jetzt haben wir den Salat!“

„Oje, das tut mir aber leid! Dann sehen wir uns ein anderes Mal!“, bedauerte Isa die Absage. Es schmerzte sie, weil jetzt auch noch die Freundin keine Zeit für sie übrig hatte.

„Richte deiner Mutter gute Besserung aus!“ Isa bemühte sich klar und deutlich zu sprechen.

„Ja danke, des werd schon wieder! Aber das Zweitschlimmste ist, ich muss mich um ihren Hund kümmern. Sie würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihn ins Tierheim gäbe!“

„Ach, ich wusste gar nicht, dass sie einen Hund hat! Was ist das denn für einer? Es wird ja nicht gerade ein Dobermann sein, oder doch?“ Bei dieser Familie konnte man nie wissen.

„Iwo, der Hubertus ist ein Rauhaardackel älteren Semesters. Meine Kinder lieben ihn. Trotzdem wird die ganze Arbeit an mir hängen bleiben, das sehe ich schon kommen!“, klagte Traudl.

„Also, wenn du Hilfe brauchst, ich bin für dich da! Übers Wochenende sind sowieso alle ausgeflogen. Wenn was ist, melde dich, okay?“

„Ja, das ist gut zu wissen!“, bedankte sich Traudl und legte auf.

 

Der Cursor blinkte geduldig auf dem Bildschirm.

„Was soll ich nur schreiben…, und vor allem, wie fange ich an?“ Wie gelähmt saß Isa vor dem PC. Neben der Tastatur lag der kleine Zeitungsausschnitt. Sie las ihn nochmals durch und dann legten die Finger los:

Grüß Gott, lieber Unbekannter, irgendwie spricht mich Ihre Kontaktanzeige in der Süddeutschen an. Ich tue so was zum ersten Mal. Mein Name ist Isabella und ich bin 36 Jahre alt. Ein Bild möchte ich noch nicht beifügen, denn ich weiß ja auch nicht wie Sie aussehen. Aber vielleicht reicht Ihnen folgende Beschreibung. Meine pechschwarzen Haare lasse ich seit der Geburt meiner Zwillingstöchter kurz schneiden – das unterstreicht meinen sportlichen Typ. Bei einer Größe von 175 cm bringe ich 58 Kilo auf die Waage. Also über meine Figur kann ich nicht klagen. Viele glauben ich stamme aus Südeuropa, wenn da nicht die stahlblauen Augen wären, die ich von meinem Großvater geerbt habe. Zu meinen Hobbys zählen Joggen, Bogenschießen und Kochen. Ich verwöhne gerne und freue mich über Gäste im Haus.

Nun, warum schreibe ich Ihnen? Ich wünsche mir einfach einen neuen Kontakt, der mir frischen Wind ins Leben bringt!

Wenn Isa in diesem Moment geahnt hätte, welchen Sturm sie mit diesem Brief auslösen würde, hätte sie keine einzige Silbe an diesen Mann verschwendet. Aber die Frustration trieb sie an.

Sie äußern keine konkreten Vorstellungen, wie eine Frau zu sein hat, und genau deshalb möchte ich auf Ihre Anzeige antworten. Ich bin neugierig und würde mich über eine Antwort freuen. Bitte nutzen Sie meine Handynummer oder Emailadresse.

Mit freundlichen Grüßen.  Isabella!

„So, das reicht!“ Zig mal hatte sie den Text geändert und versuchte locker zu schreiben. „Na ja, der meldet sich eh nicht! Ich muss ja verrückt sein!“ Isa speicherte die Worddatei und schaltete den PC aus. Dann torkelte sie ins Bad. Die Flasche Rotwein entfaltete sich vollends in ihrem Denken und der Motorik. Der Alkohol durchströmte mit voller Fahrt alle Körperzellen. Im Prinzip verabscheute sie betrunkene Menschen. Aber heute verzieh sie sich den Absturz.

Der Radiowecker zeigte 22.35 Uhr, als sie die Bettdecke bis ans Kinn zog. Es wäre wohl zu viel verlangt, auf einen Anruf des Gatten oder der Kids gehofft zu haben. Mit der Frage, was sie in all den Jahren hätte besser machen können, schlief sie ein.

 

Drei Stunden später schreckte sie aus einem Traum hoch. Auf dem Weg in die Küche, um den quälenden Durst zu löschen, kreisten verschwommen die Traumbilder in ihrem Kopf umher. Sie sah Josef nackt mit seiner Erpel-Krawatte erdrosselt daliegen. Um ihn herum wälzten sich nackte Paare und bemerkten den Toten gar nicht. Aber das Schlimmste war, dass sie über ihm kniete und die Krawatte in den Händen hielt.

„Puh!“, stieß sie vor dem Kühlschrank aus. „Was war das nur für ein Fusel, den ich getrunken habe – das ist ja mörderisch!“ Sie setzte die Wasserflasche so gierig an den Mund, dass ein Rinnsal seitlich die Wange hinunter lief. Den Rest wischte sie über die Backe weg und trottete barfuß ins Schlafzimmer zurück. Isa versuchte erneut Nachtruhe zu finden, und es gelang ihr auch gedanklich niemanden mehr umzubringen.

2. Kapitel

Am nächsten Morgen stand Isa wie gerädert im Bad. Eine kalte Dusche und eine sojaaktive Hautcreme verpassten ihr ein besseres Aussehen. Bei der zweiten Tasse Kaffee entschied sie sich bei klarem Bewusstsein, das Antwortschreiben auszudrucken und abzusenden. Dreimal überprüfte sie die Richtigkeit der Chiffrenummer.

„Hoffentlich leiten die verantwortlichen Personen das auch korrekt weiter!“, bangte Isa ein wenig, denn mit einem einsamen Rentner oder Lesbe, wollte sie keinen Kontakt aufnehmen.

 

Der Vormittag bot sich als Kurz- und Kontrollbesuch bei ihrer Mutter an. Die 72 jährige Frau entwickelte zunehmend seltsame Denkmuster. Obwohl der Aldi nur zwei Gehminuten von der komfortablen Einliegerwohnung entfernt lag, weigerte sich ihre Mutter dort weiterhin einzukaufen. Denn sie war fest davon überzeugt, dass demnächst vor oder im Aldi eine Bombe hochgehen würde.

„Ich sag dir Kind, der Aldi ist das nächste Ziel von Terroranschlägen! Die ganzen Islammisten kaufen dort ein!“

Diese Wahnidee schien sich zu intensivieren. Überall erkannte sie Selbstmordattentäter, und jede Alditüte verkörperte eine Sprengstofftüte. Vielleicht sollten wir zum Arzt, dachte Isa auf der Fahrt zu ihr.

Die beiden begrüßten sich herzlich. Frau Willibald legte sehr viel Wert auf gepflegtes Äußeres und ließ sich immer Samstagmorgens um 8 Uhr beim Friseur die Haare machen.

„Ah, meine liebe Isabella! Schön, dass du mich besuchen kommst! Geht’s dir nicht gut? Du bist blass!“

„Nur schlecht geschlafen!“, Isa winkte ab.

„Aber du schaust gut aus, Mutti! Bist du immer noch bei deinem alten Friseur?“

„Nein, du weißt doch, dass ich das Einkaufszentrum mit samt dem Aldi meide. Ich will noch ein paar Jahre leben!“ Isa seufzte. Es hatte keinen Sinn mit ihr über Aldi-Bomben zu reden.

„Tja, mein Kind, da kommen noch ganz andere Probleme auf euch zu. Ich werde es nicht mehr erleben! Aber eines Tages haben wir mit unserer Liberalität eine islamische Protestpartei mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten im eigenen Land sitzen. Du hälst mich jetzt für verrückt, aber du wirst noch an mich denken! Dann darfst du  auch im Sommer eine Mütze tragen, oder irgendwas über den Kopf ziehen. Die Kruzifixe in den Schulen sind bereits fort. Unglaublich welch eine dumme Generation das Land regiert! Es ist wahrlich die Zeit der Deppen!“ Frau Willbald holte Luft um fortzufahren. Isa nutzte ihre Chance.

„Ich fahr ins Kaufland! Soll ich dir was mitbringen?“ Demonstrativ wechselte sie das Thema.

„Oh ja, mein Liebes!“ Für Frau Willibald waren Gedankensprünge sowieso ein Leichtes. Mit zittriger Hand reichte sie ihrer Tochter ein Stück Papier.

„Hier ist meine Einkaufsliste!“ Isa überflog die sauber geschriebenen Wörter und erkannte nichts Unsinniges. Vorsichtshalber suchte sie das Bad auf, um zu sehen, ob hier noch etwas fehlte. Im Spiegelschrank fand sie zehn Packungen Zahnseide. Was soll denn das!

„Mutti! Du hast einen halben Kilometer Zahnseide im Badezimmerschrank! Wozu?“, fragte Isa fast mütterlich.

„Ach ja? Ist das wirklich so viel? Die waren im Angebot, da musste ich zugreifen! Kannst gerne welche mitnehmen!“ Zufrieden widmete sich Frau Willibald wieder mit dem Bewässern ihrer Pflanzen.

„Ist gut. Bis später!“

„Ach Isabella! Bitte kaufe mir nicht so einen Salat aus dem Zuchthaus! Ich will einen vom freien Feld. Weißt du, so wie wir ihn früher aus unserem Garten geerntet haben!“

Isa schmunzelte: „Natürlich, kaufe ich dir keinen Salat, der was ausgefressen hat!“, und zog die Tür hinter sich zu. Ihre Mutter rief noch hinterher: „Nein, auch keinen angefressenen!“

 

Auf dem Beifahrersitz lag der Brief an den Unbekannten. „Jetzt aber schnell weg damit, bevor ihn Mutter in die Hände kriegt, und sich irgendwelche Katastrophen ausdenkt.“

Neben dem Eingang zum Supermarkt hing ein Briefkasten. Sie klappte den Schlitz auf und stutzte noch mal. Tun oder nicht tun? Eine innere Stimme tadelte sie: „Du warst schon immer zu verhalten im Leben!“ Energisch warf Isa den Brief ein. Mit Erleichterung löste sie einen Einkaufswagen aus der Kette. „Ich habe es getan!“, lobte sie sich heimlich.

In Gedanken versunken schob sie den Metallwagen in die Gemüse und Obstabteilung. Wann würde er ihr frühestens antworten? Das müsste Dienstag oder Mittwoch geschehen.

„Grüß Gott, Frau Achentaler! Gut dass ich sie treffe. Ist denn die Praxis ihres Mannes über die Herbstferien geschlossen?“ Eine unbekannte Frau fragte sie über Bananen und Kiwihaufen hinweg. Isa überkam sofort das Gefühl, dass alle anderen Damen in der Nähe die Ohren spitzten und mit Interesse die Öffnungszeiten des Lieblings-Gynäkologen verfolgten.

„Nein, nicht dass ich wüsste! Erst Weihnachten machen wir zu!“ Freudig nickte die korpulente Lockenkopfdame und verschwand bei den Fertiggerichten.

„Das war ja noch harmlos!“, dachte Isa und hoffte, dass sonst niemand auf die Idee käme sie nach dem Befund der Mammographie zu fragen, oder wohin es heuer in den Urlaub ginge. Manche Leute sind einfach unverschämt neugierig oder geschwätzig. Trotz ihrer beklagten Einsamkeit, mochte sie das Geplauder auf den Straßen oder in Geschäften nicht leiden. Isa fand es schrecklich, wenn die Damen beim Metzger, oder sonst wo sich laut unterhielten, den Weg versperrten und man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.

 

Als sie damals die Prachtvilla bauten, haben sie das Gebäude bewusst in die Mitte des großen Anwesens platziert, umgeben von haushohen Tannen, Eichen und dichtem Buschwerk. Wenigstens die Privatsphäre sollte geschützt bleiben. Nach außen hin zeigte sich die Familie Achentaler mit tadellosen Manieren und klatschfrei. Selbst die Kinder bekamen von dem schiefen Haussegen nichts mit. 

3. Kapitel

Sonntagabend kehrten die Zwillinge wieder heim. Ihre gesamte Wäsche stank nach verfaulten Eiern. Der Grund seien die blöden Jungs gewesen, die den Mädchen Stinkbomben in die Reisetaschen gelegt hatten. Aber das gäbe noch Rache, versicherte Nadine.

Während schon alle schliefen, schlich sich Josef nach Mitternacht in sein Zimmer. Es blieben ihm nur ein paar Stunden Schlaf, bis die neue Arbeitswoche begann. Noch bevor die restliche Familie aufstand, hatte er ohne Frühstück das Haus auch schon wieder verlassen. Isa und die Kinder waren es gewohnt,  den Tag ohne Papa zu beginnen. Diesmal steckte Isa nicht die Nase in seine Wäsche, um den Duft eines Damenparfüms zu erschnüffeln. Kurzerhand stopfte sie seine Garderobe mit der Stinkbombenwäsche in die Waschmaschine und der Alltag nahm seinen gewohnten Lauf.

 

Als nach über einer Woche der Fremde nichts von sich hören ließ, hakte Isa die Kontaktanzeigenaktion ab. Ein wenig war sie schon enttäuscht. Immerhin hatte sie sich dazu überwinden können und fühlte sich abgelehnt. Am Abend schaltete sie ihren Computer ein und wollte eigentlich nach einem neuen Rezept für Lammbraten suchen, entschied sich aber zuerst die Emails abzurufen. Schlagartig schoss ihr Puls in die Höhe. 

Es wartete tatsächlich eine Email von einem unbekannten Herrn in ihrem Postfach. Das muss er sein! Hastig klickte sie die elektronische Nachricht zum Öffnen an und verschlang die wenigen Sätze. Mit Verwunderung las sie diese noch Mal:

Liebe Isabella, über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut und möchte Dich näher kennen lernen! Damit mir das gelingt, bitte ich Dich mir Deine Postanschrift mitzuteilen. Ich habe zwar Deine Handynummer, aber ich kann Dich nicht anrufen – warum das nicht geht, möchte ich Dir gerne in einem Brief erklären. Diese Mail hat ein guter Freund für mich abgeschickt. Es blieb mir nur diese eine Wahl. Bitte schreibe mir bald, Du bist mir sehr sympathisch! Es wartet ein außergewöhnlicher Mann auf Dich. Bis bald hoffentlich, Rudi

 

„Was ist denn das?“, rief Isa aus.

„Wieso kann dieser Mann nicht anrufen? Und eine Email kann er auch nicht schreiben! Ist er etwa behindert?“ Vor ihrem inneren Auge sah sie so eine Art Christopher Reeve im Rollstuhl sitzen.

„Ach du liebe Zeit, was habe ich da nur an Land gezogen?“ Isa atmete tief durch. Ihr Instinkt sagte ihr, dass hier was nicht stimmte. Das Kaff in dem er wohnte, hatte sie noch nie gehört, und die Postleitzahl machte den Eindruck, als sei dieser Ort weit entlegen. Kurz flackerte der Gedanke auf, die Sache hiermit ad acta zu legen. So ein Flop!

Isa fummelte an ihrer Nase herum. Das tat sie immer, wenn sie eine Entscheidung treffen wollte. Obwohl sie keine Erfahrung mit Kontaktanzeigen-Bekanntschaften hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass dies nicht der Regel entsprach. Aber ihre Sehnsucht und  Abenteuerlust drängten sie zum Weitermachen.

„Nein, jetzt bleib am Ball und zieh die Sache durch! Er kann  mir ja zumindest den Grund erklären!“, plädierte sie in seinem Sinn.

„Nur, welche Anschrift gebe ich ihm? Die Hausadresse auf keinen Fall! Vielleicht die vom Ferienhaus im Ebersberger Forst – nein, das ist zu weit weg, um nach Post zu schauen!“ Isa knabberte an einem Kugelschreiber, als ihr die Lösung kam.

„Ich eröffne ein Postfach! Genau!“ Sie fand sich selber klasse. Gleich morgen würde sie zur Post marschieren und entsprechendes veranlassen. Zufrieden nahm sie einen großen Schluck Rotwein. Und wie gewünscht streichelte der Traubensaft ihre aufgewühlte Seele glatt. Sie fand sogar ein wenig Gefallen an der Geheimnistuerei. Völlig unbedarft antwortete sie ihm sogleich:

Lieber Rudi, über die Email habe ich mich sehr gefreut, aber auch gewundert! Das ist schon ungewöhnlich, weshalb Du mich nicht anrufen kannst! Aber ich will Dir die Möglichkeit geben, es mir zu erklären. Ich gestehe, ich bin sehr gespannt auf Dein nächstes Schreiben. Bitte verstehe, da ich nicht weiß, wer Du wirklich bist, kann ich Dir nur eine anonyme Adresse aushändigen. Mehr möchte ich Dir im Moment nicht von meinem Leben mitteilen. Liebe Grüße Isabella.

Bei aller Neugier schaltete ihre Vernunft einen Gang runter.

„Gemach, gemach!“, ermahnte sie sich. Sie fand es spannend einem unbekannten Menschen zu schreiben und das gleich per Du! Es verlieh ihr das Gefühl mit einem Phantom befreundet zu sein. Im Moment erfüllte dieser unsichtbare Freund alle Leere. Dennoch wollte sie nichts übereilen.

Isa nahm den letzten Schluck Rotwein und schaltete den PC aus. Die Kinder lagen bereits im Bett und die Müdigkeit zog sie auch dort hin. Josef war wie immer unterwegs. Entweder saß er mit den Jägern am Stammtisch zusammen, oder er diskutierte mit seinen Ärztekollegen beim Qualitätszirkel. Nun, das waren ja noch anständige Vermutungen. Es konnte auch gut sein, dass er was ganz anderes trieb. Eigentlich verbrachte ihr Mann maximal sechs Stunden Schlaf in seinem Haus. Wozu hatte er eine so beneidenswerte Villa bauen lassen, wenn er weder das Schwimmbad noch die Sauna nutzte? Oder in dem eigens für die Mädchen eingerichteten Spielzimmer keine Minute mit ihnen verbrachte? Seit Jahren zog es ihn woanders hin.

Über ihr Auseinanderleben hatten sie nie richtig gesprochen. Isa wusste, dass dies ein fataler Fehler war. Ihr Josef hörte sich jeden Tag das Leid und Gejammer von unglücklichen Patientinnen an. Sollte sie da abends auch noch ein Fass aufmanchen? Oft hatte sie sich dieses Gespräch vorgenommen und im Geist alles zurechtgelegt, wie sie anfangen und argumentieren würde. Dann wartete sie auf eine passende Gelegenheit. Aber Josef glich einem Fisch, einfach nicht fassbar, und sie war nicht vehement genug, ihn an sich zu reißen. Schließlich gab sie auf und blieb still. Dieses Schweigen praktizierte sie seit Jahren.

„Ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern und will neue Wege gehen!“ Mit diesen Gedanken verdrängte Isa ihr schlechtes Gewissen und stieg ins kalte Bett.  

4. Kapitel

„Mutti, holst du uns heute von der Voltigierstunde ab?“, fragte die kleine Eva beim Frühstück.

„Na selbstverständlich!“, erwiderte Isa und strich der Tochter sanft über die dunklen Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren.

„Auf Kinder, wir müssen los! Da klebt noch Marmelade am Mund!“, ermahnte sie die beiden.

Der Tagesplan stand fest. Kinder zur Schule fahren, einkaufen, auf die Post gehen, kochen, Essen in die Praxis fahren, Kinder wieder abholen, Haushalt auf Vordermann bringen. Das Allerwichtigste war jedoch, den Brief an Rudi abzuschicken. Sie versteckte sorgfältig die geheime Post in ihrer Handtasche. Niemand durfte davon Wind bekommen. Schon gar nicht die Kinder, die bei erstbester Gelegenheit direkte Fragen stellen würden.

Bereits drei Tage später fand sie in ihrem Postschließfach ein dickes Kuvert. Die Fülle des ungeöffneten Briefumschlags ließ die Spannung in die Höhe schießen. Das Öffnen des Kuverts versetzte Isa kurz in ihre Kindheit zurück, wenn unter dem Weihnachtsbaum die Geschenke lagen und der Inhalt die Phantasie ankurbelte. Zuhause machte sie es sich auf dem Sofa bequem, öffnete das Kuvert und faltete das Briefpapier glatt. Der Brief war mit einer akzeptablen Handschrift geschrieben und ein frischer Herrenduft stieg von dem Bündel Papier in ihre empfindliche Nase.

„Hm, ein guter Duft!“, stellte sie fest.

Der unbekannte Rudi ließ ordentlich die Hosen runter und erschütterte Isa gleichermaßen mit abschreckenden, aber auch anziehenden Worten. In einfacher Ausdrucksweise, begleitet von einigen Rechtschreibfehlern, gestand Rudi auf sechs DIN A 4 Seiten, dass er seit zwei Jahren im Gefängnis saß, wegen Steuerbetrugs. Sein sehr bewegtes Leben hat bislang drei Kinder von drei Frauen gezeugt. Als Börsenmakler machte er millionenfachen Gewinn und erlaubte ihm, jede Art von Luxus auszukosten. Nur sein letzter Deal war nicht ganz astrein und eine undichte Stelle hatte ihn verpfiffen, deshalb sitzt er nun. Sehr früh hat er sein gutbürgerliches Elternhaus verlassen und er wüsste, was es heißt mit gar nichts da zustehen. Rudi meinte, er kenne die Menschen besser als irgendein anderer und habe durch seine Berg- und Talfahrten im Leben die ungewöhnlichsten Situationen gemeistert. Es gäbe nichts, worüber er sich noch wundern könnte. Das einzig Positive an seiner Inhaftierung sei, dass sich jetzt die wahren Freunde zeigten. Er fühle sich jedoch recht einsam und wünscht den Kontakt mit einer ehrlichen Frau. Denn alle hätten ihn nur wegen seines vielen Geldes geliebt. Für ihn zählt einzig der Kern eines Menschen, alles andere sei völlig unwichtig. Deshalb habe er die Anzeige ohne konkrete Vorstellungen formuliert.

Dann ging er auf ihre Zeilen ein. Vorsichtig beschrieb er ihr Persönlichkeitsprofil. Das imponierte Isa, wenn auch mit einer Gänsehaut, denn er traf einiges ins Schwarze. Sie sei ein ängstlicher, kritischer Typ, aber sehr intelligent. Deshalb verheimliche sie noch vieles, denn wo kommen die Töchter her? Lebst Du alleine? Wenn nicht, warum schreibst Du mir? Von was lebst Du?

Plötzlich attackierte er sie mit direkten Fragen. Sanft beendete er den Brief mit der Gewissheit, dass er ihr in allen Lebenslagen helfen könne und sie ganz offen mit ihm kommunizieren solle. Es würde ihm unsagbar Leidtun, wenn sie aufgrund der Umstände den Kontakt abbräche. Er versuche ein geeignetes Foto von sich das nächste Mal beizufügen. Sie möge ihm bitte auch eines schicken, obwohl er es ahne, dass sie eine Schönheit sei. Herzlichst Dein Rudi! P.S.: Frage mich, was immer Du wissen willst!

 

Mit so was hatte Isa nicht gerechnet und ließ das Bündel von duftendem Papier auf ihren Schoß sinken. Sie wusste im Moment nicht was sie davon halten sollte. Sie las den Brief noch einmal. Seine Worte klangen höflich und auskunftsfreudig, das gefiel ihr. Ganz offensichtlich bemühte er sich um sie. Ihr wurde jetzt erst bewusst, wie sehr sie unter mangelnder Anerkennung litt, und seit ewiger Zeit von niemand verwöhnt wurde. Dieser Unbekannte würde jede ihrer Entscheidung akzeptieren. Er schenkte ihr Respekt und machte ihn noch sympathischer.

„ABER ER SITZT IM GEFÄNGNIS! Er ist ein VERBRECHER, ein BETRÜGER!“, schallte eine Stimme in ihrem Kopf.

„Ist er deshalb ein schlechterer Mensch, als die, die frei herumlaufen? Mein Mann betrügt mich auch, wenn auch anders!“ 

„Aber Betrug bleibt Betrug!“, konterte die drohende Stimme. Isa  stopfte den Brief ins Kuvert zurück und erhob sich.

„Egal, ich muss mich ja nicht gleich entscheiden!“, versuchte sie sich zu beruhigen. Ein Blick auf die Uhr, riss sie aus dem inneren Dialog. „Die Kinder!“

Mit ihrem Mercedes M-Klasse Wagen rauschte sie durch die idyllische Auenlandschaft, wo Ex-Bundespräsident von Weizäcker und Industrielle wie Flick residieren. Die schmale Landstraße führte sie überwiegend an grasenden Kühen vorbei. Das friedliche Bild wurde umrahmt von der Benediktenwand und weit in der Ferne ragten ein paar Gipfel des Karwendels in den blauen Himmel. Die bayrischen Voralpen mit ihren top gepflegten Bauernhöfen und geranienbehangenen Balkonen registrierte sie gar nicht. Stattdessen tauchten vor Isas innerem Auge  Szenen von Spielfilmen mit Betrügern auf. Egal welcher ihr auch einfiel, es endete nie mit einem Happy End. Ihr Unterbewusstsein suchte nach einer Lösung. Sie riss sich zusammen und konzentrierte sich auf das Überholmanöver eines vor sich herträumenden Radfahrers. 

Als Isa in den exklusiven Reiterhof einfuhr, zogen von Norden  kommend dunkle Wolken in den Isarwinkel ein. In München regnete es bestimmt. Bald würde es auch hier runter prasseln.

„Von Norden kommt halt nichts Gutes!“, dachte Isa und schlug die Autotür zu.

Einige junge Pferde tollten auf einer nahe gelegenen Weide und wieherten vor Übermut. Die nahende Schlechtwetterfront schien sie nicht zu stören. Isa schritt durch die Stallgassen. Den Geruch von Schweiß, Mist und Heu mochte sie gerne. Im Zickzack wich sie den Pferdeäpfeln aus. Es herrschte reger Betrieb. Durch die Metallstäbe der einzelnen Boxen sah sie Mädchen Pferde striegeln oder Mist aufsammeln. Mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein und kräftiger Stimme, gab eine kleine Göre ihrem großen Pferd Anweisungen, endlich den Huf zu heben. Isa schmunzelte.

Ihre Töchter fand sie im nächsten Stall, als die beiden gerade einen verschwitzten Haflinger mit Stroh trockenrieben.

„Können wir los?“, begrüßte sie sie.

„Hallo, Mami! Du kommst zu spät. Ich bin heute das erste Mal auf dem  Max gestanden und der ist ganz schnell getrabt. Und Evi ist runter gefallen!“, prahlte Nadine.

„Du Petze! Dafür durfte ich heute auf dem Quadsch mitfahren!“

„Auf dem was?“ Isa kannte Evas eigenen Wortschatz, aus dem man nicht gleich schlau wurde, aber dieser Ausdruck war ihr neu.

„Sie meint das Quad von dem Stalljungen!“, erklärte Nadine abfällig.

„Aber dich hat er nicht mitgenommen! Bäh!“ Bevor die Streiterei losging, scheuchte Isa die Kinder aus dem Stall.

„Versprochen! Das nächste Mal schau ich euch beiden beim Voltigieren und Quadfahren zu, okay?“

Dann rannten die drei über den gepflasterten Hof zum Auto. Es regnete so stark, dass in  kurzer Zeit die Haare in dicken Strähnen auf Kopf und  Stirn klebten. Isa startete den Motor. Sie stutze, ein süßlich beißender Geruch stieg ihr in die Nase.

„Sagt mal, was habt ihr da in den Tüten? Das ist doch nicht etwa Pferdemist?“

„Ähm, schon...! Wir brauchen es für den Biounterricht... morgen in der Schule!“ Diese Ausrede konnte auch nur von Nadine stammen, die Gerissene, dachte Isa und musterte ihre Tochter im Rückspiegel. Nadine schubste sachte ihre Schwester, was Isa nicht entging. Irgendwas heckten die beiden aus. Aber sie bohrte nicht weiter nach. Ihre Töchter sollen auch ein Geheimnis bewahren dürfen.

„So so, für den Biounterricht! Wollt ihr etwa Würmer züchten? Na ja, egal! Zuhause geht ihr gleich in die Badewanne, abgemacht?“

„Ja!“ Die Zwillinge schienen zufrieden.

 

Wieder verging ein nichts sagender Tag, und Isa saß wie so oft alleine zu hause. Das einzige Highlight machte tatsächlich Rudis Post aus. Isa antwortete ihm sogleich und legte die Karten offen auf den Tisch.

Ohne viel Umschweife berichtete Isa über ihre unglückliche Ehe. Sie gestand, was sie gerade tue, ihrer Familie gegenüber nicht fair sei. Aber sie wünsche auch keine Affäre oder dergleichen! Sie wolle lediglich eine nette Bekanntschaft für gemeinsame Unternehmungen und zum Reden haben. Aber das sei ja leider mit ihm nicht möglich.

Isa blickte auf und überdachte erneut die ganze Situation.

„Eigentlich ist diese Aktion zum Scheitern verurteilt!“ Während dem Schreiben hatte sich Frust aufgebaut. Isa schaute am Bildschirm vorbei auf die beiden Fotographien, gehalten in silbernen Jugendstilrahmen. Während der Heilewelt Ehe hatten Josef und Isa diese Prachtstücke auf einem Trödelmarkt in Wien entdeckt. Das eine Foto zeigte die beiden auf dem Gipfel des Ayers Rock. Das andere ihre Töchter auf einem Oberländer Kaltblut sitzend.

„Oh Gott, was tue ich da eigentlich?“, überkam es sie.

„Meine Familie! Sie ist doch das Allerwichtigste!“ Isa rieb sich die brennenden Augen. Plötzlich wollte sie diesen Brief und  ihre Missetat nur noch schnell beenden.

Mit den Worten, dass dies alles keinen Sinn mache, und sie ihm viel Glück für die Zukunft wünsche, glaubte Isa einen Schlussstrich gezogen zu haben. Ihr Anstand veranlasste sie sich offiziell zu verabschieden. Als sie den Brief einwarf, fühlte sie sich erleichtert.

 

Erst zehn Tage später, als ihr einfiel das Postfach zu kündigen, schaute sie zuvor hinein. Wie elektrisiert entnahm sie dessen Inhalt. Da lagen tatsächlich zwei dicke Umschläge.

„Dieser Rudi scheint viel zu sagen zu haben!“ Sie hätte am besten die Post ungeöffnet wegwerfen sollen. Aber die verdammte Neugierde hinderte sie daran. Sie musste einfach wissen, was den dicken Inhalt ausmachte.

 

Es war ein außergewöhnlich warmer Oktobernachmittag. Isa wollte nach den Besorgungen nicht gleich nachhause fahren und parkte das Auto am Fuße des Braunecks. Der milde Wind zog sie hinaus in die Natur auf einen langen Wiesenweg. In ihrer Tasche führte sie die Post von Rudi mit. Auf der erstbesten Bank setzte sie sich nieder und öffnete das dicke Kuvert. Das Bündel Papier war erneut mit einem frischen Herrenduft parfümiert. Gespannt las sie die Zeilen.

Rudolf machte ihr klar, dass er exakt der richtige Partner für ihre Bedürfnisse wäre. Er habe viel Zeit und würde sich liebend gerne um sie kümmern. Natürlich käme eine Liebschaft nicht in Frage – das sei auch nicht seine Absicht! Ihre unglückliche Situation könne er aufgrund seiner Lebenserfahrungen bestens nachempfinden, und sie solle doch bitte die Chance nutzen und erkennen, dass er, aus der Sicht eines Mannes viele gute Ratschläge parat habe. Alles was sie tun muss ist statt reden, eben schreiben. Ob das denn so schlimm wäre? Er wolle alles über sie erfahren, und überaus wichtig sei die Beschreibung ihres Mannes. Wie er ausschaut, womit er sein Geld verdient, welche Vorlieben, Hobbys er tätigt und vor allem auf welchen Frauentyp er stehe. Ihn interessiere einfach alles, sie sei ein ganz besonderer Mensch!

Wie kann man Dich nur so vernachlässigen? Bitte, bitte, brich den Kontakt nicht ab!, waren seine letzten Worte in dem seitenlangen Brief.

Unverzüglich öffnete Isa das zweite Kuvert. Diesen hatte er ein paar Tage später geschrieben. Ihm sei noch eingefallen, dass sie ihn auch gerne mal besuchen könne. Hierfür habe er ein Antragsformular bereits ausgefüllt, das sie nur noch ergänzen und unterschreiben müsste. Am 30. November hat er Geburtstag. Dieser würde auf einen Samstag fallen. Es wäre ganz grandios, wenn Du mich an meinem Geburtstag besuchen kämst, bat er. Überleg es dir! Heute habe ich Dir ein Foto beigelegt, damit du weißt, was dich erwartet. Wie gefalle ich Dir? Bitte ganz ehrlich antworten!!! Ach ja, es wäre auch super nett von Dir, wenn du mir ein paar Briefmarken schicken könntest. Ich habe keine mehr und darf erst wieder im November welche kaufen! So, auf Deinen nächsten Brief bin ich ganz besonders gespannt! Bitte, brich den Kontakt nicht ab und lass uns gute Freunde werden! Dein Rudi.

Isa griff noch mal in das Kuvert und zog ein Foto heraus. Seine Portraitaufnahme gefiel ihr auf Anhieb gut. Amüsiert studierte sie seine Gesichtszüge. Da steckte ein Schalk hinter dem Grinsen. Er erinnerte sie an die Sendung mit dem Monaco-Franze. Ganz der gleiche Typ. Nur die Nase war kleiner, aber sonst besaß Rudi eine verblüffende Ähnlichkeit mit Helmut Fischer. In diesem Moment erlag Isa dem Charme des unbekannten Rudis, der so erweichend schreiben konnte. Ihr Entschluss den Kontakt einzustellen, war wie lästiges Laub weggeblasen.

4. Kapitel

Dr. Josef Achentaler saß an einem freien Mittwoch Nachmittag zuhause in seinem sonnendurchfluteten Arbeitszimmer. Auf dem antiken Schreibtisch sprossen Prospekte von Luxussportwagen in die Höhe. Heute wollte er sich endlich für einen neuen Flitzer entscheiden und blätterte in den Hochglanzbroschüren. Keine Frage, der Porsche besaß einfach die schönsten Formen. Der Motor sollte natürlich PS-Zahlen von mindestens zwei Gestüten unter der Haube beherbergen. Der Preis eher nebensächlich, denn sein Verdienst stieg seit Jahren zu einer dauerhaften Erfolgswoge an.

In kurzer Zeit hatte sich Josef einen exzellenten Ruf in der Diagnostik der Mammographie verschafft, die bis über die Grenzen hinweg reichte. Aus halb Europa reisten die Damen an. Er selbst behandelte nur noch die Privatpatientinnen. Das allgemeine Volk erledigten seine drei Assistenzärzte. Er ahnte in Nullkommanichts, ob in der Brust bösartige Knoten heranwuchsen. Sein Blick auf einen blanken Busen, glich denen von Röntgenstrahlen. Eine gesicherte Diagnose stellte er mit 100%iger Trefferquote mittels der Mammographie fest. Er war ein Naturtalent. In besonders schwierigen Fällen führte er auch das Skalpell.

Das Telefon klingelte und riss ihn aus der Welt der Luxuskarossen.

„Achentaler!“ Seine tiefe, maskuline Stimme vermittelte sofort den Eindruck, dass man es hier mit einem Menschen zu tun hatte, der es gewohnt war zu delegieren.

„Grüß dich Sepp! Wie geht`s dir?“ Josef zuckte zusammen.

„Zefix, muss ausgerechnet jetzt diese Edeltraud anrufen!“, dachte er. Alle, aber wirklich alle Frauen himmelten ihn an, oder zeigten zumindest Respekt. Nur diese Edeltraud nicht! Ausgerechnet Isas beste Freundin bot ihm die Stirn. Auch diesmal klang es wieder so, als würde sie ganz sachte ihn mit Depp, statt Sepp ansprechen. Die beiden führten eine offene Antipathiebeziehung.

„Grüß Gott, liebe Edeltaube! Mir geht es hervorragend. Was machen denn die röhrenden Hirsche in dem abgelegenen Tal aus dem du stammst?“

„Wie gut, dass du mich fragst, Depp! Die rufen nach dir. Wo ist der größte Platzhirsch aus dem Isar-Winkel? Den machen wir hin!“

„Na wunderbar! Ich habe schon lange keinen kapitalen Hirsch mehr geschossen. Ich denke das wird eine Mords Gaudi. Danke für den Hinweis!“

„Untersteh dich du Bazi!“, schimpfte Traudl: „Bleib am besten da wo du bist und fummel die Weiber ab! Kann ich Isar sprechen, bitte!“

„Wenn sie da ist! Moment!“ Traudl hörte wie er die Türe zum Flur öffnete und Richtung Eingangsbereich schlenderte. Isa streifte gerade die Lederjacke ab, als ihr Mann um die Ecke bog. Erstaunt blickte sie ihn an.