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Deutsche Erstausgabe (ePub) Dezember 2019

 

Für die Originalausgabe:

© 2015 by Annabeth Albert

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Served Hot«

Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA

 

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Ramona Thäle

 

ISBN-13: 978-3-95823-794-0

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Robby betreibt einen kleinen Kaffeewagen in Portland und kann mit seinem charmanten Lächeln eine Menge Kunden für sich gewinnen. Einer davon hat es ihm allerdings besonders angetan: Buchhalter David, der jeden Tag zur gleichen Zeit den gleichen Kaffee bei Robby bestellt. Als Robby irgendwann all seinen Mut zusammennimmt und den ersten Schritt macht, entwickelt sich bald eine zaghafte Beziehung zwischen den beiden Männern. Doch je mehr Robby über David herausfindet, desto mehr Geheimnisse entdeckt er hinter dessen professioneller Fassade und muss feststellen, dass er sich an diesem Mann ordentlich die Finger verbrennen kann. Aber sind Liebe und auch nur die kleinste Chance auf eine gemeinsame Zukunft nicht jedes Risiko wert?

 

 


 

 

 

 

 

Für Edie Danford, der an dieses Buch und an mich geglaubt und nach mehr verlangt hat, bis ich keine andere Wahl hatte, als zu gehorchen.

Und für Travy Timmons-Gray, deren Anzeige in den Gay Romance Northwest-Foren diese Geschichte inspiriert hat und deren unermüdliche Einsätze für das GRNF eine Inspiration für die gesamte LGBT-Romance-Community sind.


 

 

 

Danksagung:

 

 

Dieses Buch wäre ohne meine großartige Agentin Saritza Hernandez, meinen Lektor Peter Senftleben und die Twitter-Unterhaltung, die die beiden zusammengebracht hat, nicht möglich gewesen. Ihre Mühen halfen mir, diese Reihe zu formen, ebenso wie die Arbeit mit meinen großartigen Beta-Lesern und Rezensions-Partnern.

Es war unglaublich, mit der gesamten Kensington-Crew zu arbeiten und ich bin dankbar, ein Teil davon sein zu können.

 

Ein Dank gilt auch meiner Familie, weil sie mich mit Recherche-Tipps zu verschiedenen Gegenden in Portland – und einer ganzen Menge Kaffee – unterstützt hat.

 


 

Juni: Vanilla Latte

 

Kapitel 1

 

 

Mein Mittagskunde war spät dran. Na ja, genau genommen kam David immer um elf Uhr fünfzig. Unter der Woche kaufte David P. Gregory jeden Tag zuverlässig um zehn vor zwölf einen Vanilla Latte von meinem Kaffeewagen im Old Emerson Building in Portland. Ich kannte seinen Namen nur, weil er mit seiner Kreditkarte bezahlt hat, und die Zeit hatte ich mir so gut eingeprägt, weil im Atrium gegenüber eine große, altmodische Messinguhr hing.

Ich wusste, dass David sein Geld bei einer Lokalbank einzahlte, wusste, dass er irgendwo arbeitete, wo er eine Krawatte tragen musste, wusste, dass sich bei seinem Lächeln kleine Fältchen um seinen Mund bildeten, wenn ich ihm seinen Kaffee reichte, und wusste, dass er hervorragendes Trinkgeld gab.

Was ich nicht wusste, war, ob er hetero war oder nicht. Wir führten diesen seltsamen Tanz schon seit Monaten auf – er kommt wegen seines Kaffees, steif und unbehaglich, entspannt sich ein wenig bei Small Talk, während ich sein Getränk zubereite, und nimmt sich den Kaffee anschließend mit zu einem der Metalltische im Atrium, um dort Mittag zu essen, das er in einer blauen Tüte mitbringt. Es hatte mir gefallen, ihm beim Essen zuzusehen, weil er sich vollkommen darauf konzentrierte – kein Handy oder ein anderes Gerät, keine Zeitung oder Buch, kein Ordner von der Arbeit.

Ein paar Mal hatte ich ihn dabei erwischt, wie er in meine Richtung gesehen hatte. Aber sein Blick lag nie lange auf mir und entweder war mein Flirten während der Zubereitung seines Kaffees subtiler, als ich dachte, oder er war einfach immun dagegen.

Heute war David spät dran. Unerwartet machte sich Enttäuschung in mir breit und verdarb mir das Koffein-Hoch. Es war ein guter Tag – ein stetiger Kundenstrom an meinem Wagen und florierende Geschäfte für den Pizzaladen und die vegane Sandwichbar auf der gegenüberliegenden Seite des Atriums. Das hundert Jahre alte Bürogebäude wurde renoviert, um ein paar kleinen Restaurants in dem neu hinzugefügten und Licht durchfluteten Atrium Platz zu bieten. Für mich gab es also viel zu sehen, aber mein Blick wanderte immer wieder zu den Doppeltüren, die hinaus auf die Ninth führten.

David schob sich um zwölf Uhr fünfundvierzig durch die schweren Türen, als ich gerade einen Karamell-Soja-Latte für ein Goth-Mädchen fertigstellte, das in dem Juweliergeschäft auf der gegenüberliegenden Straßenseite arbeitete. Ich verbarg mein Lächeln hinter der Espressomaschine. Begeistert, weil er an der Reihe war, tippte ich mit den Zehen auf das Linoleum.

»Das Übliche?« Ich dachte mir, dass es ihn erschrecken würde, wenn ich erwähnte, dass mir sein Zuspätkommen aufgefallen war.

»Hmm.« Er musterte meine Tageskarte. Ich hatte eine Kreidetafel in einen silbernen Rahmen geklebt, den ich auf der Hawthorne in einem Secondhandladen gefunden hatte, und das Ganze auf eine silberfarbene Staffelei gestellt. Eleganz für wenig Geld.

Heute gab es einen Tuxedo Mocha – weiße Schokolade mit dunklen Schokoladenwirbeln – zum halben Preis. David hatte das Schild noch nie zuvor beachtet, aber heute starrte er lange darauf und beim Überlegen zuckten seine Mundwinkel hin und her. Gott, ich liebte seinen Mund – volle, pinke Lippen und einen Hauch von Stoppeln über der Oberlippe, als hätte er beim Rasieren eine Stelle vergessen.

Nach ein paar Sekunden zuckte er mit den Schultern, sodass sein Baumwollhemd durch die Bewegung seiner breiten Schultern Falten warf. »Ja. Das Übliche.«

»Klar doch.« Ich schnappte mir einen Becher für seinen kleinen Vanilla Latte.

»Warte.« Er hob eine Hand, als ich gerade anfangen wollte. »Mit Eis. Draußen ist es glühend heiß.« Er hatte die Ärmel seines blütenweißen Hemds nach oben gerollt, sodass muskulöse Unterarme und eine schwere, silberne, antik aussehende Uhr zum Vorschein kamen.

»Soll heißen, in Portland sind es fast dreißig Grad und alle drehen durch. Du weißt schon… Es ist gut, ab und zu etwas anderes auszuprobieren.«

»Das werde ich im Hinterkopf behalten.« Sein Mund zuckte. Während seine braunen Augen oft undurchschaubar waren, bot sein ausdrucksstarker Mund häufiger einen Blick in seine Emotionen. »Aber mein Tag war schon aufregend genug. Ich bin nicht sicher, ob ich im Moment mit so viel Neuem umgehen kann.«

Verdammt. Es würde mir nichts ausmachen, ihm etwas Neues zur Verfügung zu stellen. »Anstrengender Vormittag?«

»Haushaltskrise.« Ein Seufzen drang über seine Lippen, drückte seine Schultern nach unten und sorgte dafür, dass er die Unterlippe nach vorn schob. Meine Arme spannten sich unter dem Bedürfnis an, ihn zu umarmen. Natürlich wollte ich weitaus mehr tun, als ihn nur zu umarmen. Ich wollte an seiner Lippe knabbern, mit der Zunge in seinen Mund eintauchen…

»… also muss die Arbeit von drei Monaten noch mal gemacht werden.«

Himmel. Er hatte weitergeredet und ich hatte einen Teil davon verpasst, während ich fantasiert hatte.

»Das ist scheiße.« Auf mehr als eine Art. Ich wusste, dass er ein Firmentyp war, aber herauszufinden, dass er ein Zahlenmensch war, der für große Summen verantwortlich war, machte ihn noch unerreichbarer für mich.

»Ja. Ich war nicht mal sicher, ob ich heute meine Koffeindosis bekomme.«

Ich hob den Blick und hoffte, eine verräterische Röte auf seinen Wangen zu erkennen. Verlangen. Irgendetwas, das mir ein winziges bisschen Hoffnung schenkte. Aber sein Gesicht, das blasser war als sonst, zeigte nur Erschöpfung, was die feinen Linien an seinem Mund und seinen Augen, die mir zuvor nicht aufgefallen waren, betonte.

»Zumindest hast du das Wochenende, um dich zu erholen, oder?«

»Hah.« Durch sein gezwungenes Ausatmen wurden die braunen Haare zerzaust, die ihm in die Stirn fielen. »Wenn ich Glück habe.«

Während der vergangenen Monate konnte ich sehen, wie sein Haarschnitt einen Zyklus durchlief – kurz geschnitten, um seine natürlichen Locken zu verbergen, Wellen, die mit viel Gel gezähmt wurden und schließlich ein verwildertes Chaos, das sich gegen jegliche Bändigung wehrte. Mein Favorit war auf jeden Fall die letzte Frisur – meine Finger zuckten mit dem Verlangen, in seine Haare zu fassen und sie nie wieder loszulassen – aber ich wusste, dass seine Haare in ein paar Tagen wieder kürzer sein würden. Fluffig und kuschlig hielt bei ihm nie lange an.

»Das ist wirklich schade. Draußen ist es zu schön, um das ganze Wochenende eingesperrt zu sein.« Toll. Wir sprachen wieder über das Wetter, aber ich war glücklich, mich an irgendein Thema zu klammern, um die Unterhaltung weiterzuführen. Sonnenlicht flutete das Atrium, erhellte die großen Blumenkübel im Zentrum des Raums und brachte das Messing der Uhr zum Strahlen.

»Ich weiß. Ich werde versuchen, irgendwann rauszukommen.« Da war es: dieses seltene, halbe Lächeln, das bei jemand anderem flirtend gewirkt hätte. Bei ihm sah es eher aus, als wäre er von sich selbst überrascht, weil ein Witz seine übliche Ernsthaftigkeit durchbrochen hatte. »Was ist mit dir? Große Pläne fürs Wochenende?«

Dich. Eine Einladung lag mir auf der Zungenspitze, zog sich aber zurück, bevor ich den Mund öffnete. Ich war scheiße in so was. Obwohl ich meine Kunden und das, was ich tat, liebte, war ich nicht gut darin, das Geplänkel über die Oberflächlichkeit hinaus fortzuführen.

Ich war seit zwei Jahren mit niemandem mehr zusammen gewesen und mein letzter Freund, Brian, war derjenige, der auf mich zugekommen war, indem er mir seine Nummer zusammen mit einem Trinkgeld zugesteckt hatte. Anschließend hatte er eine Einladung ausgesprochen, die sich eher nach einem Befehl angefühlt hatte.

»Könnte man so sagen.« Ich lächelte nervös, weil ich nicht sicher war, wie viel ich preisgeben sollte. Ach, scheiß drauf. »Es ist Pride-Wochenende.«

»Ich wusste nicht, dass das ist.« Verdammt, seinen weit aufgerissenen Augen nach zu urteilen hatte er wirklich keine Ahnung. Na ja, zumindest beantwortete das meine Frage über ihn, selbst wenn es nicht die Antwort war, die ich wollte.

»Ist nicht so, dass ich dieses Jahr viel Spaß haben werde. Ich werde für einen Großteil des Festivals an einem Kaffeestand für meinen alten Boss arbeiten.« Ich zuckte mit den Schultern, als wäre Pride nur ein weiterer Arbeitstag, aber die Bewegung war so hölzern wie die Unterhaltung.

»Eh. Viel Spaß.« Davids Stimme war schwach. Er hustete auf diese unbehagliche, polternde Weise, wie Männer es tun, wenn jemand zu viele Informationen preisgegeben hat.

»Bitte schön.« Ich reichte ihm seinen Kaffee und sorgte dafür, dass mein Lächeln nicht gezwungen aussah.

Ich verfluchte mich selbst mit jeder beißenden Erniedrigung, die ich von meinem Navy-Dad gelernt hatte, während ich zusah, wie David ging. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich vor einem Kunden geoutet hatte, aber ich hatte es nicht zur Gewohnheit gemacht. Portland war eine der weltoffensten Städte, in denen ich je gelebt hatte, aber mein Wagen stand im Herzen des Geschäftsviertels und bei all den Anzugträgern, die hier ganz professionell herumrannten, schien es das Beste zu sein, die Dinge… professionell zu halten.

David ging direkt zu seinem üblichen Tisch und zog ein Sandwich und eine Tüte Chips hervor. Der Großteil der Mittag essenden Anzugträger holte sich einen Kaffee auf dem Weg zu einem der überteuerten Restaurants hier im Atrium. Ein Typ, der sich einen vier-Dollar-Kaffee holte, um sein tägliches Marmeladen-und-Erdnussbuttersandwich mit einer Tüte Kartoffelchips zu essen, hatte etwas Anziehendes. Da wurde mir ganz schwummrig. Sein spartanisches Mittagessen war der Hauptgrund für meinen Optimismus, dass er für mehr als nur Kaffee vorbeikam. Zu sehen, wie er dort in seinem weißen Hemd und mit der langweiligen Krawatte saß, während er tief in Gedanken versunken ein Mittagessen zu sich nahm, dass die meisten Leute seit der Grundschule nicht mehr angerührt hatten – na ja, es sorgte dafür, dass ich die Sache sein wollte, über die er nachdachte. Aber natürlich war es ziemlich unwahrscheinlich, dass ich der Grund für die Falte zwischen seinen Brauen und dem abwesenden Blick in seinen Augen war. Worüber zur Hölle dachte er also nach? Wahrscheinlich Zahlen. Budgets und Spalten und Tabellen.

Ich verlor mich in den Überlegungen, ob David Buchhalter oder eher der Manager-Typ war und dachte mir ein vollständiges Fantasie-Leben für ihn aus. Am Tag gab es lange Phasen, in denen ich keine Kunden und nichts anderes zu tun hatte, als zu warten und Leute zu beobachten. Normalerweise konzentrierte sich eine Hälfte meines Gehirns auf den Wagen, aber heute Nachmittag hörte ich das charakteristische Schnippen von Fingern, die mich aus meinem Tagtraum rissen.

Shelia lächelte mich breit an. Sie war eine weitere Stammkundin, eine Business-Frau mit kurzen, auberginefarbenen Haaren und einer Vorliebe für lilane Anzüge und Mochas mit fettarmer Milch. »Großes Wochenende, hm?«

»Ja.« Angesichts ihrer Aufregung verblasste meine Enttäuschung über David ein wenig. Hin und wieder brachte Shelia ihre Grafik-Designerin-Freundin mit. Besagte Freundin hatte mich innerhalb weniger Sekunden durchschaut. Wahrscheinlich war es meine Brille. Sie war ein wenig extravagant, aber Hipster-Brillen schienen größere Trinkgelder zu generieren, also blieb sie.

»Du und…« Es fiel mir schwer, mich an den Namen der Freundin zu erinnern. »Geht ihr auf eine der Veranstaltungen?«

»Laura. Laura und ich werden uns die Parade ansehen, aber für den Rest werden wir zu alt.« Sie zwinkerte mir zu und ich fühlte mich wie ein Highschool-Schüler, der die Erlaubnis bekommen hatte, lange draußen bleiben zu dürfen. Ich war nicht so viel jünger als sie – siebenundzwanzig, im Gegensatz zu ihren späten Dreißigern. Und dank des Mietvertrags, den ich vor einem Jahr für den Kaffeewagen unterschrieben hatte, fühlte ich mich sehr erwachsen.

»Dein Pech.«

»Hey! Jemand hat seine Brieftasche vergessen.« Shelia hielt eine braune Brieftasche nach oben.

David. »Mist.« Meine Hand zuckte und ein wenig Mocha tropfte an der Seite des Bechers hinab. Ich warf einen Blick auf seinen üblichen Tisch. Er war leer. Verdammt. Ich würde schnell sein müssen, um ihn einzuholen. Es war Freitag und ich wollte nicht, dass er das ganze Wochenende ohne Brieftasche herumlief.

Sobald ich Shelia ihren Kaffee gegeben hatte, öffnete ich die Brieftasche, um zu bestätigen, dass sie David gehörte. Es juckte mir in den Fingern, sie zu durchwühlen, aber sobald ich seine Kreditkarte sah, klappte ich sie wieder zu.

Ich stellte mein Bin-in-fünf-Minuten-zurück-Schild auf den Tresen und huschte schnell durch den Sitzbereich. Wenn ich Glück hatte, würde ich ihn erwischen, bevor – Ich sah ihn an den Türen, die hinaus auf die Ninth führten.

»Hey! Warte!« Ich rannte ihm nach und meine rote Schürze flatterte vor mir, als würde ich versuchen, einen Stier einzufangen. Eigentlich war ein Stier gar keine schlechte Metapher für ihn, mit seinen breiten Schultern, der kräftigen Brust und dem tiefen Stirnrunzeln.

»Ja?« Er sprach das Wort aus, als würde ich ihn gleich mit Kaffee bewerfen. Oder schlimmer noch, ihn um ein Date bitten. Super. Wie ich es erwartet hatte, hatte ich die Sache mit meinem Wortschwall über den Pride vorhin vollkommen versaut.

»Du hast deine Brieftasche liegen gelassen.« Ich klang außer Atem und viel zu unsicher.

»Danke, dass du sie gefunden hast.« Sein Ausdruck wurde ein wenig sanfter – hauptsächlich um seine Augen herum –, aber es reichte aus, um ihn zugänglicher aussehen zu lassen. Unsere Finger streiften sich, als er mir die Brieftasche abnahm. Ein Kribbeln jagte von meiner Hand direkt in meinen Mund und zwang mich zu einem Grinsen.

»Kein Problem.«

Ruf mich jederzeit an

»Ich bin übrigens Robby«, sagte ich, hauptsächlich, um die peinliche Stille zu füllen.

»Danke… Robby.« David sprach den Namen aus, als würde er nicht ganz passen. Und ich nehme an, dass es so war – die Leute erwarteten einen asiatischen Namen wie Kim oder Jae, aber sicher nicht Robert Edwards Junior. Ich war Robby, Dad war Bob und wir hatten seit Wochen nicht miteinander gesprochen. Dad war, was die Schwul-sein-Sache anging, wesentlich cooler als meine koreanische Mom, aber es war eine beklommene Akzeptanz, die von unbehaglichen Telefonaten und unregelmäßigen Besuchen hervorgehoben wurde.

Die Röte war in Davids Wangen zurückgekehrt und ich hätte beinahe etwas anderes gesagt, aber dann ging er durch die Türen und war verschwunden.

Während ich zu meinem Wagen zurückging, warf ich einen Blick auf die Visitenkarte.

David Gregory, Leiter der Finanzabteilung

Bibliotheksstiftung

Hm. Also doch nicht so firmenmäßig. Und er ist sechs Blocks gelaufen – an einem Starbucks, einem Tully's und zwei weiteren Gebäuden mit Kaffeewagen vorbei –, um zu meinem Wagen zu kommen. Diese zwei winzigen Tatsachen sorgten dafür, dass ich wieder Schmetterlinge im Bauch hatte.