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Schlagworte

Weihnachtsgeschichten, Heiligabend, Weihnachten, Festtage,
Weihnachtsbaum, Weihnachtskarpfen, Westpakete, Ernstfall, Liebe,
Gänsebraten, Merseburger Dom, Weihnachtsgeschenk, Rouladen,
Kirche, Familie

Impressum

© Die Autoren der Weihnachtsgeschichten

Herausgeber: Katharina Mälzer

(Mitherausgeber für die Geschichten der Kinder: Hans-Dieter

Weber), Merseburg, November 2017

Titel- und Umschlaggestaltung: Katharina Mälzer und Pierre Kynast

Titelbild: Merseburger Schloss von der Saale aus gesehen

Foto: Birgit Gerlach

Erste Ausgabe © pkp Verlag, Pierre Kynast, Leuna, November 2017

Internet: www.pkp-verlag.de

Herstellung und Vertrieb: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Paperback: ISBN 978-3-943519-33-4

E-Book: ISBN 978-3-943519-34-1

Inhalt

An Stelle eines Vorwortes

Weihnachten - was
ist das?

Ann-Kathrin Schaumburg

Weihnachten ist für jeden etwas anderes. Viele denken dabei an Heiligabend, und vor allem die kleineren Kinder freuen sich auf die Geschenke. Für manche Erwachsene ist es aber auch eine stressige Zeit. Man muss sich durch die drängenden Massen kämpfen, um Geschenke zu besorgen, möchte Weihnachtsmärkte besuchen und Plätzchen backen und eigentlich auch noch die Verwandten besuchen. Wieder andere denken bei Heiligabend zuerst an die Geburt Jesus und die Weihnachtsgeschichte. Es wird die Kirche besucht, auch wenn man sonst vielleicht nie zu einem Gottesdienst geht. Aber zu Weihnachten ist das halt etwas anderes. Doch es gibt noch viel mehr Bräuche als nur den Kirchenbesuch. Schulen zum Beispiel veranstalten Weihnachtskonzerte, und viele Spendenaktionen finden in der Adventszeit statt. Denn dann sind die Menschen spendabler, denken vermehrt an ihre Mitmenschen und wollen etwas Gutes tun. Aber auch solche Kleinigkeiten wie die typische Weihnachtsgans gehören dazu. Nicht zu vergessen sind natürlich all die bunt beleuchteten und geschmückten Häuser, die durch die dunklen Dezembernächte hindurch hell strahlen. Und selbstverständlich der Weihnachtsbaum. Sicher für viele – nicht nur für mich – drückt er sozusagen die Magie der Weihnacht aus. Wenn er so mit all den leuchtenden Kerzen, den bunten Kugeln und anderen glitzernden Dingen da steht – erst dann ist richtig Weihnachten. Wenn man ihn dann irgendwann im Januar wieder abschmücken und wegschmeißen muss, da tut es einem fast schon weh, diesen treuen Freund gehen zu lassen. Hat er einem nicht das Gefühl der Weihnacht näher gebracht und sicher viele Augen von Groß und Klein leuchten lassen? Doch in Wirklichkeit ist Weihnachten noch viel mehr. Es ist eine besinnliche Zeit, die vielen Menschen jedes Jahr aufs Neue bewusst macht, wie wichtig die Familie ist. Oft sieht man sich sonst das ganze Jahr nicht und freut sich auf die Weihnachtsfeiertage, an denen endlich alle mal wieder zusammensitzen. Man erzählt sich Geschichten und lacht miteinander. Besonders die Kinder sind glücklich und spielen mit ihren neuen Sachen unter dem hell erleuchteten Weihnachtsbaum. Dann bedanken sie sich beim Christkind oder Weihnachtsmann und träumen vielleicht schon vom nächsten Jahr. Häufig wird der Advent auch als Zeit der Wunder angesehen. Doch ich glaube, dass es Wunder das ganze Jahr hindurch gibt. Weihnachten ist einfach nur die Zeit, in der die Menschen genauer hinsehen und sich dadurch der alltäglichen Magie bewusst werden. Man wird empfänglicher für all die schönen und berührenden Kleinigkeiten jedes Tages. Weihnachten ist etwas, das man nicht in Worten fassen kann. Es ist der Geruch frisch gebackener Plätzchen, das Wiedersehen mit alten Freunden und Verwandten, all die hell erleuchteten Fenster, die unvergleichliche Stimmung abends auf dem Weihnachtsmarkt und die gespannte Vorfreude auf die Geschenke. Weihnachten ist ein Gefühl, das jeder mit etwas anderem verbindet. Ich wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest.

Was ist Weihnachten?

Rüdiger Paul

Waren es:

der Spaziergang vor der Bescherung,

die Ofenbank vom Meister Nadelöhr,

Weihnachtslieder aus Mutters Gesangbuch,

der am Heiligen Abend brennende Stromzähler,

selbstgebackene Stollen,

die bebilderten Geschichten in der Fibel,

das erste Fest mit einer Nordmanntanne,

ein Notarztwagen, der Mutter abgeholt hat?

Vaters ewige Geschichte

von der verkohlten Eisenbahn,

der „Nussknacker“ von Tschaikowski,

Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte,

das Leuchten in den Kinderaugen,

das letzte Türchen am Weihnachtskalender,

der Schein vom Kerzenlicht,

ein besonderer Duft,

„Stille Nacht“,

eine Botschaft?

Sind es:

Dinge, die man nicht mehr geben kann?

Es ist:

eine Walnuss vom bunten Teller.

Vielleicht?

Der goldene
Weihnachtsbaum

Lynn Gumbrecht

Es war einmal ein Baum, der stand in einem großen Laubwald. Es war der einzige Nadelbaum weit und breit. Deswegen wurde er von den anderen Bäumen gehänselt. Er war darüber sehr traurig. Doch eines Nachts kam eine gute Fee und sagte: „Auch wenn du der einzige Nadelbaum bist, kannst du im Herzen Gold tragen.“ Der Nadelbaum verstand nicht recht. „Warte bis morgen, dann wirst du eine Belohnung erhalten“, sagte die Fee und verschwand. Am nächsten Morgen, als der Nadelbaum aufwachte, sah er, dass seine Nadeln aus Gold waren und er ein silbergoldenes Kleid anhatte. Die Laubbäume versammelten sich um den Nadelbaum herum und bewunderten seine Pracht. Doch da trat der Bürgermeisterbaum zu dem Nadelbaum und erklärte: „Von nun an werde ich dich zu meinem Assistenten erklären, und ich will nie wieder sehen, dass dich Laubbäume hänseln.“ Von da an hieß der Nadelbaum Goldstern. Er leuchtete jede Nacht und jeden Abend und gab den Waldtieren Licht. Eines Tages strahlte er so doll und so prachtvoll, dass er so schnell Freunde fand, wie man Weihnachten sagen kann.

Der Tannenbaum

Johanna Adler

Es geschah zu der Zeit, da – nein, es geschah nicht, als Cyrenius Landpfleger in Syrien war, wie in der Bibel berichtet wird –, sondern es geschah in unserem Land und in unserer Zeit. Wenngleich, es trug sich vor etwa einem halben Jahrhundert zu. Unser Land war schon eine ganze Weile zweigeteilt und würde es auch noch bleiben müssen. Die beiden Teile unterschieden sich sehr. In dem einen gab es schon viel Gutes und Schönes, Leckeres und Angenehmes, in dem anderen Teil musste man sich rühren, wenn man von Mangelwaren etwas abbekommen wollte. Es war von vielem einfach nicht genug für alle da. Dafür war die Freude besonders groß, hatte man den begehrten Gänsebraten ergattert oder pünktlich zum Fest einen halbwegs annehmbaren Weihnachtsbaum erwischt. Denn in der Zeit und dem Teil des Landes, in dem sich die Geschichte ereignet, gab es nicht an jeder Ecke einen Baumarkt, der schon lange vor dem Fest die schönsten Christbäume in Hülle und Fülle anbot.

Damals ging der Förster mit seinen Mannen in den Wald, sonderte die minderwertig gewachsenen Bäume aus, ließ sie fällen und zu bestimmten Plätzen bringen. Die Käufer waren nicht wählerisch, sie freuten sich, wenn sie einen davon erwerben konnten, außerdem wussten sie sich zu helfen, seine Mängel zu mindern.

Aber einer von den aussortierten Bäumen war gar zu schäbig im Vergleich zu den anderen. Da stand er nun, in die äußerste Ecke des Platzes abgeschoben. Jeder, der ihn erblickte, schaute sofort wieder weg, als schämte er sich, so etwas Erbärmliches ansehen zu müssen. Und auch als die Auswahl immer geringer wurde und die besten Bäume ohnehin längst ihre Abnehmer gefunden hatten, wollte ihn immer noch niemand haben. Als wäre Leben in ihm und er trüge schwer daran, seufzte es manchmal in seinen spärlichen Zweigen. Und hätte sich jemand Zeit genommen, ihn genauer zu beachten, er hätte das starke Verlangen und die Sehnsucht, die von ihm ausging, spüren können.

Nun war er seiner Bestimmung nachgekommen und war zum Weihnachtsbaum geschlagen worden. Sollte er jetzt das letzte, das allerhöchste nicht erleben, sondern hier vergammeln?

In seiner Erinnerung ging er zurück in den Wald. Da hatte er es auch schon nicht leicht gehabt, manchen Spott hat er aushalten müssen. Zwar waren viele seiner Kameraden ebenso wie er nicht makellos gewachsen, aber so schlimm wie bei ihm war es bei keinem. Er wusste selbst am besten, dass sein einziger Schmuck seine Nadeln waren, wunderbar lang und duftend. Dafür hatten ihn die Vögel des Waldes stets gelobt, wenn sie sich auf ihm niederließen. Und sie hatten ihm prophezeit, dass auch er einmal Weihnachtsbaum werden würde, gerade weil er so dürftig gewachsen war. Die Schönen müssen im Wald bleiben, er aber wäre ein Auserwählter! Die Vögel mussten ihm auch immer wieder erzählen, was ihn erwartete, wenn es denn dazu käme. Und das war so herrlich und verlockend und gefiel ihm so sehr, dass er sich fast mit seinem minderwertigen Wuchs aussöhnte und den Tag herbeisehnte, an dem es geschehen würde.

Wenn er schon nicht rank und schlank gen Himmel hatte streben dürfen, seiner Aufgabe als Weihnachtsbaum wollte er gerecht werden.

Und tatsächlich war eines Tages eine gewaltige Unruhe im stillen Wald ausgebrochen, Männer waren mit Motorsägen gekommen, rechts und links von ihm krachten seine Kameraden nur so nieder. Ein wenig schmerzhaft schien es ja zu sein, sie hatten geächzt und gestöhnt. Dann war es ruhig geworden. Und er? Würde er etwa nicht Weihnachtsbaum werden?

In die Stille hinein hatte eine Männerstimme verächtlich gerufen: „Du meine Güte, ist das ein Krepel! Was sollen wir denn mit dem anfangen? Den nimmt doch keiner.“ Eine andere erwiderte nicht ganz so abwertend: „Stehenbleiben kann er nicht. Lasst ihn uns fällen. Vielleicht findet jemand seine Nadeln schön.“

Der Baum hatte einen scharfen Schmerz verspürt, doch die Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches ließ ihn diesen aushalten. Jetzt würde geschehen, wovon er unzählige Male geträumt und womit er sich getröstet hatte, wenn ihn der Jammer über seinen Wuchs überkommen wollte.

Doch nun stand er in seiner Ecke, Tag um Tag verging, niemand fand Gefallen an ihm. Und er wollte doch so gern geschmückt werden zum Christfest und strahlen und dadurch andere zum Strahlen bringen! Bei diesem Warten war es, schwer die Hoffnung aufrecht zu erhalten. Er sprach sich selbst gut zu: „Ich bin doch ein Tannenbaum, mein grünes Kleid gibt Kraft und Mut zu jeder Zeit!“ Aber die Hoffnung wurde immer geringer, dass er die Weihnachtsherrlichkeit schauen würde. Die Tage bis zum Fest konnte man schon an den Fingern einer Hand abzählen.

Da geschah in der Abenddämmerung das Wunder! Eine junge Frau, schwer tragend an ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft, betrat den Platz, schaute sich um und ging zielgerichtet auf den schäbigen Baum zu. Sie brauchte gar nicht zu überlegen, dieser musste es sein, schäbig hin oder her! Ob sie mit der Hellsichtigkeit der Schwangeren sein Sehnen gespürt hatte? Der Verkäufer zuckte mitleidig mit den Schultern, erließ ihr einen Großteil des Preises und half ihr noch ein Stück des Weges.

Die junge Frau achtete nicht auf die abfälligen Bemerkungen derer, die ihr begegneten. Sie schleppte unverdrossen ihren Baum, manchmal – wenn sie innehalten musste – kam es ihr so vor, als streichelten sie seine schönen Nadeln. Wie war sie froh, den Weg in die Stadt doch noch gewagt zu haben. Nun war alles beisammen für das erste Weihnachtsfest mit ihrem Liebsten in der eigenen Wohnung. Alles hatte sie schon besorgt, nur der Baum hatte noch gefehlt. Aber da der junge Ehemann zu der Zeit und auch später eigentlich nie Zeit für derlei Dinge hatte, war sie entgegen aller Vernunft losgegangen, den Baum zu besorgen. Jetzt, jetzt konnte das Fest kommen!

Zu Hause kamen aber erst einmal Vorwürfe ob dieser Unvernunft mit der Schlepperei. Und überhaupt, was denn das für eine Krücke wäre?! Vor lauter Sorge wurde der werdende Vater ungerecht. Als er aber Tränen in den vorher so strahlenden Augen seines angetrauten Weibes aufsteigen sah, überkam ihn mit Macht sein schlechtes Gewissen. Es wäre ja seine Aufgabe gewesen, den Baum zu besorgen. Schnell nahm er die Liebe seines Lebens in die Arme, tröstete sie und versprach: „Pass auf, ich mache uns einen schönen Baum daraus, ich weiß schon wie.“ Sie lächelte tapfer die Enttäuschung weg und sagte: „Mir hat er einfach leidgetan. Er sah so verloren aus in seiner Ecke. Sieh mal, hat er nicht wunderbare Nadeln? Auch war mir, als riefe er mir etwas zu.“ Darüber mussten beide lachen, der Frieden war wieder hergestellt.

Und dann kamen die Wehen – zur Unzeit. Nun würde es wohl nichts werden mit dem ersten Weihnachtsfest in der eigenen Wohnung. Wieder Enttäuschung und Tränen bei der jungen Frau. Auch der Baum fühlte sich betrogen so kurz vor dem Ziel. Doch – glückliche Fügung – die Natur hatte ein Einsehen. Das kleine Kind wurde so rechtzeitig geboren, dass die junge Mutter – wohl etwas früher als üblich – am Heiligabendabend mit ihm im Arm in das traute Heim entlassen werden konnte. Wie strahlte die junge Frau, wie der glückliche – aller Sorge enthobene – Vater, als sich die Tür zum Weihnachtszimmer öffnete!

War das ein Leuchten, war das ein Duft! Die Frau war wie geblendet, sie glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. Denn was war aus dem schäbigen, hochgeschossenen Krepel geworden? War das Prachtstück in der Mitte des Raumes die elende „Krücke“, die sie nach Hause geschleppt hatte? Oder hatte der Mann etwa einen neuen Baum gekauft? Ein leichter Unmut wollte sich ihrer bemächtigen. Bei näherem Hinsehen erkannte sie aber, wie es zu diesem Wunder gekommen war und sie konnte sich rückhaltlos an ihm erfreuen.

Die Kerzen an den nun dichtstehenden Ästen strahlten mit den Augen der Bewunderer um die Wette. Die Kugeln blitzten und leuchteten im Widerschein der Wachslichter, die Nadeln verströmten einen Duft, als wollten sie für alle Unbill und Mühsal, die der Mann gehabt hatte, entschädigen. Denn Mühe, unendliche Mühe hatte es ihn gekostet, den langen Baum zurechtzusägen, ihn wieder zusammenzusetzen, in seinen Stamm unzählige Löcher zu bohren und dahinein passende Äste einzufügen. Auch dem Baum waren die schneidende Säge und der ekelhafte Bohrer nicht gerade angenehm gewesen, er hatte direkt ein paar dicke Harztränen vergießen müssen. Aber wie die junge Mutter die Schmerzen der Geburt vergessen hatte, war auch seine Pein Vergangenheit. War er nicht prächtig verwandelt? Das Glück dieser Menschen, seine eigene, Wirklichkeit gewordene Herrlichkeit, das war so wunderbar, so viel schöner, als er es sich je vorgestellt hatte. Nun mochte kommen, was da wolle, er hatte alles erreicht. Er wiegte sacht seine Äste und ließ die Nadeln duften. Und als die junge Frau ihm etwas näher kam, als wollte sie ihm ihr Christkind zeigen, meinte sie wieder ein leichtes Streicheln zu verspüren. Sie lächelte versonnen und flüsterte ihm unhörbar für die anderen zu: „Na, du?!“

Am nächsten Morgen in der Frühe kamen die Vögel des Waldes in Scharen geflogen, seine wundersame Verwandlung zu schauen. Auch sie waren wie geblendet von seinem Glanz und seiner Schönheit. Die Schnäbel blieben ihnen offen stehen, kaum, dass sie ein: „Haben wir dir zu viel versprochen?“ herausbrachten.

Der Baum wiegte wieder seine Zweige und ließ die grünen Nadeln duften. Und die Glöckchen, die an den Ästen aufgehängt worden waren, läuteten die frohe Weihnacht ein.

Die Freude währte lange. Doch dann ging der Baum den Weg aller Weihnachtsbäume. Er verschwand im Kachelofen, heizte ihm ordentlich ein und ließ es noch einmal so richtig krachen. Seine Seele stieg als weißer Rauch in die Lüfte, die Winde nahmen ihn auf und verteilten den herrlichen Geruch nach verbranntem Tannengrün weit in die Lande. Seine Asche aber wurde zu Nahrung für neue Pflanzen.

Zu Besuch bei

Frau Holle

Regina Oversberg

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