Die teils umfangreichen Quellen- und Fußnotenapparate sowie weiterführenden Hyperlinks der in diesem Buch veröffentlichten Beiträge entnehmen Sie bitte den unter jeweils gleichem Titel veröffentlichten Online-Versionen im Rubikon:

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EINLEITUNG

Jens Wernicke

Die Planeten-Zerstörer

VERWIRRUNGEN

Kapitel 1

Rainer Mausfeld

Die neue Arche

Sven Böttcher

Wir Klimalügner

Florian Kirner

Der Wahnsinn und die Realität

Jonathan Cook

Der Trost des Zweifels

MANIPULATIONEN

Kapitel 2

Steffen Pichler

Die Erfindung der grausamen Natur

Wolfgang Pomrehn

Die Klimaschutzfeinde

Peter H. Grassmann

Die Umwelt-Schwerverbrecher

Susan Bonath

Gelenkte Kritik

Roland Rottenfußer

Die Öko-Manipulation

Stephan Bartunek

Die Manipulation im Hintergrund

WAHNSINN

Kapitel 3

Medea Benjamin

Die Klimakiller

Dirk Pohlmann

Die Klimakriege

Murtaza Hussain

Krieg gegen die Welt

Klaus Moegling

Der Feind allen Lebens

Karin Leukefeld

Verbrannte Erde

Dirk Pohlmann

Das Nuklear-Klima

Caitlin Johnstone

Ihr wollt die Umwelt retten?

IRRWEGE

Kapitel 4

Anselm Lenz

Mörderische Ideologie

Susan Bonath

Mythos »Grüner Kapitalismus«

Felix Feistel

Die Vereinnahmung

Jens Bernert

Die Umwelt-Verräter

Felix Feistel

Die Scheinlösung

Hermann Ploppa

Die Klima-Manipulateure

REALITÄTEN

Kapitel 5

Noam Chomsky

Kollaborateure der Macht

Roland Rottenfußer

Massenmord im Anthropozän

Ullrich Mies

Planetarer Supergau

Nafeez Ahmed

Das Ende der menschlichen Zivilisation

Susan Bonath

Systemwechsel für den Wandel!

Chris Hedges

Die letzte Wahl

HOFFNUNG

Kapitel 6

Charles Eisenstein

Der größere Zusammenhang

Roland Rottenfußer

Die Tiefen-Ökologie

Franz Ruppert

Das innere Ökosystem

Steffen Pichler

Abriss statt Fassadenreparatur

Felix Feistel

Die letzte Chance

Nicolas Riedl

Rebellion mit Empathie

Chris Hedges

Der letzte Akt

ANHANG

Verzeichnis der

Autorinnen und Autoren

EINLEITUNG

Jens Wernicke

Die Planeten-Zerstörer

Die Erde zu retten heißt, die herrschenden Eliten zu stürzen.

Bei den Themen Umweltzerstörung und globale Erwärmung herrscht mediales Totalversagen in unserem Land: Die Mainstream-Medien plappern zuhauf das niveaulose Geschwätz der tonangebenden Politiker nach, übersehen den Ernst der Lage sowie des Pudels Kern. Gelegentlich schwärmen sie sogar von Geo-Engineering oder einer Kohlendioxidsteuer – Maßnahmen also, die niemandem helfen, sondern die Misere nur weiter vertiefen werden. Nicht viel anders sieht es bei den alternativen Medien aus. Bis auf wenige Ausnahmen fallen sie immer häufiger auf die lähmende, spaltende und demagogische Propaganda weiter Teile der herrschenden Eliten herein und schließen sich der Einschätzung an, nicht die Zerstörung unser aller Lebensraumes, sondern die Umweltbewegung sei das zu bekämpfende Problem. Wieder einmal bestätigt sich, was Noam Chomsky, einer der bedeutendsten Intellektuellen unserer Zeit, auf den Punkt gebracht hat: »Die Massenmedien im eigentlichen Sinn haben im Wesentlichen die Funktion, die Leute von Wichtigerem fernzuhalten. Sollen die Leute sich mit etwas anderem beschäftigen, Hauptsache, sie stören uns nicht.« Doch darauf wollen wir vom Rubikon es nicht beruhen lassen. Dafür ist die Lage zu ernst.

Unser Slogan lautet: Wir berichten über das, was in den Massenmedien nicht zu finden ist. Wir widmen daher dem Thema »Die Öko-Katastrophe« ein eigenes Buch, das die klügsten und kritischsten Stimmen zur Sache in sich vereint. Denn es ist höchste Zeit, der allgemeinen Desinformation und Lethargie ein Ende zu setzen. Zeit, Tacheles zu reden. Zeit für Wahrheit, Klarheit und einen Journalismus, der diesen Namen verdient. Warum dies so ist, erklärt im Folgenden Rubikon-Herausgeber Jens Wernicke.

Liebe Leserinnen und Leser, sind auch Sie inzwischen »ganz verunsichert«, was von den aktuellen Jugendbewegungen für mehr Umweltschutz zu halten ist? Ja, vielleicht sogar, ob es die globale Erwärmung überhaupt gibt?

Sollte dem so sein, habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die gute ist: Sie sind mit Ihren Gefühlen und Ihrem Erleben alles andere als allein. Vielen geht es inzwischen so. Die schlechte Nachricht … lautet ebenso.

Denn mittels gezielter Propaganda wurde nicht nur die Tatsache der globalen Erwärmung inzwischen als »unsicher« deklariert, sondern vor allem die dringend notwendige Debatte über die monströse Zerstörung des Lebensraumes aller »Bewohner« dieses Planeten gezielt manipuliert. Den Propagandisten ist es gelungen, dass in den sozialen Medien statt über Umwelt vor allem darüber diskutiert wird, ob man Greta Thunberg nun lieben oder hassen soll.

Durch die gezielte Ansprache unserer Gefühle, allen voran unserer Angst, ist es den reaktionären Teilen der weltweiten Machteliten gelungen, viele Menschen in politische Paralyse zu versetzen oder sogar gegeneinander auszuspielen. Denn die Fragen, über die wir streiten, sind schlicht und ergreifend die falschen, weil irrelevant. Sie schützen die »großen Tiere« und verschärfen das eigentliche Problem:

Unser Planet, die Erde, wird die Menschheit mit Sicherheit »überleben« – nur wir, die Menschheit, ganz sicher nicht weitere Jahre und Jahrzehnte gravierender Umweltverschmutzung und -zerstörung.

Die emotionalen »Spins«, die uns entschluss- und handlungsunfähig machen sollen, sind eigentlich banal – in ihrer Wirkung jedoch besorgniserregend. Sie verwandeln sonst kluge, klare und aufgeklärte Menschen vielfach in verwirrte Seelen, die gar nicht mehr merken, dass ausgerechnet ihr gesunder Impuls, gegen Bevormundung und Unterdrückung aufzubegehren, sie längst zu willfährigen Werkzeugen der mörderischen Agenda der schlimmsten Bevormunder und Unterdrücker gemacht hat.

Alle reden über »die böse Greta« oder »das Geld hinter ihr«, kaum jemand aber spricht von den viel mächtigeren Kräften, die alles tun, um weiter ungestört morden und brandschatzen, den Planeten in Schutt und Asche legen zu können, jedwede Umweltstandards zu verhindern und die Umweltbewegung zu vernichten. Um den eigenen Profit zu mehren, haben sie seit Jahrzehnten immense Gelder in Kampagnen zur Gehirnwäsche der Bevölkerung investiert, damit diese auf gar keinen Fall mitbekommt, wie bedroht ihr Leben und Überleben inzwischen de facto ist – und am Ende womöglich die richtigen Fragen stellt und die Schuldigen zu entlarven beginnt.

So wird etwa argumentiert, da hinter Greta Thunberg und der Fridays for Future-Bewegung »auch das große Geld« stecke, müsse nicht nur Schlimmes befürchtet werden, sondern man müsse auch »gegen« diese Bewegung sein.

Das ist ein typischer Fall für rationale Demagogie, wie Pierre Bourdieu sie nannte. Ein typischer Fall dafür, dass Dinge vermischt werden, die nicht vermischt werden sollten, denn: Ja, selbstverständlich ist den herrschenden Eliten zu misstrauen! Doch ebenso selbstverständlich ist nicht alles, was deren Unterstützung erfährt, allein deswegen falsch.

Denn, so muss man fragen: Ist Frieden jetzt falsch, wenn auch Reiche ihn wollen? Ist Greta nun kein eigener, freier Mensch, kein selbst entscheidendes Individuum mehr, nur weil sie mächtige Unterstützer hat? Ja, hatte nicht vielmehr Altkanzler Gerhard Schröder ein einziges Mal in seiner politischen Laufbahn recht, als er auf den manipulativen Vorwurf, auch Nazis seien ja gegen den Kriegseintritt, pointiert konterte:

»Was kann ich dafür, wenn ich das Richtige tue und die Falschen klatschen?«

Machen Sie die Gegenprobe und testen sich selbst auf propagandistische Doppelstandards und Denkabkürzungen. Fragen Sie sich: Ist Rubikon jetzt eine »Elitenverschwörung«, weil er über Spenden finanziert wird, Unterstützer hat sowie von Zuspruch und Geld abhängig ist, um zu überleben? Bin ich aufgrund dieser Tatsache eine »Marionette fremder Mächte«, nicht mehr Herr meiner selbst? Und wäre Rubikon tatsächlich »das Böse in Person«, wenn unter seinen spendenden Unterstützern möglicherweise auch böse Menschen zu finden sind?

Nein, liebe Leserinnen und Leser – denn das eine hat mit dem jeweils anderen nicht das Geringste zu tun. Wenn wir derlei denken, nehmen wir eine »Gefühlsabkürzung«, auf die andere uns eingeladen haben. Flüchten in ein Schwarz-Weiß-Weltbild, um uns der Komplexität der Realität sowie unserer eigenen ambivalenten Gefühle nicht stellen zu müssen. Flüchten in »Einfach-Denk«.

Das ist das Ziel jeder Propaganda: Uns das Richtige als falsch und das Falsche als richtig fühlen zu lassen. Es geht darum, uns zu verwirren und auf die schiefe Ebene »einfacher Gedanken« zu zwingen, in der Böses nicht zugleich auch gut und Gutes nicht zugleich auch böse zu sein vermag. Uns soll alles nur noch als hell oder dunkel, richtig oder falsch erscheinen. Graubereiche, Ambivalenzen und Komplexität … gibt es nicht mehr.

Wie kontert Rubikon-Beiratsmitglied Daniele Ganser stets so treffend alle Versuche, diese menschliche Manipulationsanfälligkeit gegen ihn zu verwenden, weil er den Frieden zu wirklich jedem bringt, mit jedem spricht? Er zerschlägt den emotional manipulativen Verwirr-Knoten, indem er die Ebenen wieder entwirrt, aus Schwarz-Weiß wieder »bunt« macht und sagt: »Die Wahrheit wird nicht dadurch falsch, dass man sie den falschen Leuten erzählt.«

Ähnlich absurd, weil »einfach gedacht« ist es, den wissenschaftlichen Konsens zur globalen Erwärmung als »Instrument der Unterdrückung« zu verkennen, wie ich dies aktuell auch in meinem Freundeskreis erlebe. Denn natürlich beinhaltet gesellschaftlicher Konsens stets ein Herrschaftsmoment – und ist doch, auch hier, allein deswegen nicht falsch.

Machen Sie die Gegenprobe: Es gibt einen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass Menschen sich nicht gegenseitig ermorden dürfen und Faschismus ein mörderisches Verbrechen ist. Das ist sozial vereinbart und ein geltender gesellschaftlicher Wert.

Bedeutet allein die Tatsache, dass dem so ist, nun aber, dass wir in Auflehnung gegen diesen Konsens gegen wichtige zivilisatorische Errungenschaften und also für Mord und Totschlag und Faschismus auf die Straße müssen?

Oder gibt es nicht vielmehr einen Unterschied zwischen der Unterdrückung durch fremde Mächte und der Einsicht in die Notwendigkeit, dem Handeln gemäß der eigenen Vernunft? Ja, ist nicht jenseits von Propaganda und Projektionen vor allem dies eine Realität und wahr?

Was uns unterdrückt, ist nicht der Konsens, sondern es sind die Herrschenden! Was uns unterdrückt, ist nicht die Tatsache, dass Mord und Totschlag verboten sind und Faschismus geächtet ist. Was uns unterdrückt, ist die Tatsache, dass die Reichen und Mächtigen im Zweifelsfall noch mit jedem Mord und Massenmord davonkommen, während man arbeitende Arme und Hartz-IV-Empfänger unter noch so geringen Vorwänden juristisch verfolgt und in immer noch größeres Elend zwingt.

Lassen Sie es mich überspitzt sagen: Alles, was im Rahmen unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung »groß« wird, wurde irgendwann einmal von Reichen und Mächtigen unterstützt. Selbst das Werk von Karl Marx verdanken wir vor allem dem Bedürfnis seines Freundes Friedrich Engels, seine Arbeit finanziell zu unterstützen, um die Welt hierdurch vielleicht ein klein wenig besser zu machen. Das muss einem nicht gefallen, ist gleichwohl jedoch Fakt.

Doch auch die herrschenden Eliten sind keine »homogene Masse«, auch bei ihnen existieren Unterschiede, Differenzen. Da gibt es die reaktionären Teile, die unser aller Untergang bereits eingepreist haben, und alles tun, damit nichts Neues und Sinnvolles entsteht. Und da gibt es jene Teile, die der Einsicht in die Notwendigkeit folgen, das Richtige zu tun, dann aber an diesem Richtigen Geld verdienen und weiteres Kapital akkumulieren wollen.

Folgen wir in der aktuellen Situation der uns eingeimpften »Angst vor Greta«, die wohl vor allem unserer Angst vor wirklicher Veränderung entspricht, überlassen wir den reaktionärsten Teilen der Machteliten das Feld, lassen alle Hoffnung fahren und geben uns wie unseren Planeten de facto auf. Folgen wir hingegen der Vernunft, zwingt uns diese, um unserer selbst willen unseren Lebensraum zu schützen, die Bewahrer des Status quo mit allen Mitteln mutig zu attackieren sowie auf wirkliche Veränderung abzuzielen; auch auf die Gefahr hin, alsbald erkennen zu müssen, dass man unser richtiges Anliegen nun doch vor den falschen Karren zu spannen versucht.

Denn nur dann, liebe Leserinnen und Leser, nur, wenn wir unsere Komfortzone um den Preis möglichen Scheiterns verlassen, um das Notwendige zu tun, vermögen wir im nächsten Schritt, auch die hinreichende Bedingung für unseren Erfolg zu erkennen. Dann sehen wir den eigentlichen Konflikt hinter unserer Angst und Abwehr, hinter Projektionen und Paralyse, hinter der gesellschaftlichen Spaltung und dem beständig weiter eskalierenden Kampf »arm gegen arm«.

Dann erschließt sich uns, dass wir statt gegen Umweltbewegung oder -schutz anzugehen, dagegen angehen müssen, dass Umweltschutz von Reichen für Reiche sowie deren Profite organisiert wird. Ja, dass diesen zwingend das Zepter aus der Hand genommen werden muss, da, wie der Pulitzer-Preisträger Chris Hedges es formulierte, an einer Wahrheit kein Weg vorbeiführen wird: »Den Planeten zu retten heißt, die herrschenden Eliten zu stürzen.«

Hören wir also auf, so zu tun, als müsse man gegen Umweltschutz sein, um für Demokratie sein zu können; so zu tun, als wäre der gebotene Schutz unserer Lebensgrundlagen die Diktatur selbst.

Das ist nicht nur Humbug, sondern gefährliche Demagogie, die die für das Überleben der Menschheit entscheidenden Kämpfe von Beginn an in die Sackgasse und damit zum Scheitern zwingt. Die Wahrheit lautet vielmehr: Was wir dringender denn je brauchen, ist der plurale, basisdemokratische, außerparlamentarische, egalitäre Kampf vieler für Umwelt und wirkliche Demokratie – gegen Umweltzerstörung und Elitenherrschaft!

Um diesen Kampf unterstützend zu flankieren, teilen wir vom Rubikon mit diesem Buch »Waffen zur intellektuellen Selbstverteidigung« an Sie, liebe Leserinnen und Leser, aus. In der Hoffnung, Ihren Mut und Ihre innere Klarheit zu stärken und zu unterstützen.

Das gesamte Rubikon-Team wünscht Ihnen viel Freude beim Lesen und anschließend viel Tatendrang. Haben wir gemeinsam Mut zur Wahrheit, Mut zu Hoffnung und Utopie, Mut, das Richtige zu tun, und vor allem eines: Mut zur Veränderung.

Wie formulierte schon Václav Havel so treffend? »Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.«

Mit herzlichen Grüßen
Ihr

DIE DEMAGOGIE

Gegen die industrielle Umwelt-
zerstörung aufbegehrende
Kinder und Jugendliche werden
als rechts diffamiert – so etwa
am 21. Oktober 2019 auf den
Webportalen Web.de und GMX
unter dem Titel »Was Greta und
Pegida gemeinsam haben«.

»Anti-Atomkraft-Bewegung, Frauenbewegung, Pegida, Fridays for Future – das sind nur ein paar Beispiele für soziale Bewegungen. Sie sind meist eine Zeit lang populär, verschwinden dann aber oft wieder in der Versenkung. Vor fünf Jahren fand die erste Pegida-Demonstration in Deutschland statt - schnell wuchs diese von ein paar Dutzend auf Tausende Teilnehmer an - nur um heute (fast) wieder ganz zu verschwinden. Woran liegt das? (…) Am 20. Oktober 2014 – also vor fünf Jahren – fand die erste Pegida-Demonstration in Deutschland statt. Eine Bewegung gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands und Europas, ein Protest gegen die Einwanderungs- und Asylpolitik. Die Teilnehmerzahl wuchs von etwa 350 bei der ersten Demonstration rasch auf ein Vielfaches an. (…) Entweder eine soziale Bewegung löst sich dann mit der Zeit langsam wieder auf oder sie wird inkorporiert. Andere Kräfte wie Parteien oder Organisationen bedienen sich also ihrer Inhalte und machen diese zum Bestandteil des eigenen Handelns. (…) Soziologe Jürgen Mittag attestiert aber auch ›Fridays for Future‹ kein dauerhaftes Bestehen. ›Wie alle anderen sozialen Bewegungen durchläuft auch diese bestimmte Transformationen. Entweder werden auch hier Anliegen aufgegriffen oder die Bewegung erlahmt.‹ (…) Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich auch hier etwas verändert oder eine neue soziale Bewegung aus dem Wunsch nach Wandel entsteht.«

DIE REALITÄT

Greta Thunberg, der aktuell viele vorwerfen, sie wolle nur eine Kohlendioxid-Steuer im Sinne der herrschenden Eliten durchsetzen, hat übrigens mehr als einmal bewiesen, dass sie für genau die entgegengesetzte Agenda steht und zudem deutlich elitenkritischer als ihre Kritiker ist, die – vermeintlich »gegen die Eliten« gerichtet – ausschließlich sie statt diese angreifen.

Am 13. Dezember 2018 hielt die damals Fünfzehnjährige vor dem Plenum der UN-Klimakonferenz in Polen folgenden Impulsvortrag.

»Mein Name ist Greta Thunberg. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Schweden. Ich spreche für die Organisation Climate Justice Now! Viele Leute sagen, dass Schweden nur ein kleines Land ist und es keine Rolle spielt, was wir tun. Aber ich habe gelernt, dass man nie zu klein ist, um einen Unterschied zu machen. Und wenn ein paar Kinder weltweit Schlagzeilen damit machen können, nur indem sie nicht zur Schule gehen, dann kann man sich vorstellen, was wir alle zusammen erreichen könnten, wenn wir nur wollten. Aber um das zu tun, müssen wir klare Worte sprechen, egal wie unbequem das sein mag. Ihr hier sprecht nur von ewigem grünem Wirtschaftswachstum, weil ihr zu viel Angst davor habt, unbeliebt zu sein. Ihr sprecht nur darüber, mit denselben schlechten Ideen weiter zu machen, die uns in dieses Chaos gebracht haben, selbst wenn es das einzig Vernünftige ist, die Notbremse zu ziehen. Ihr seid nicht reif genug, um zu sagen, was wirklich ist. Auch noch diese Last bürdet ihr uns Kindern auf. Aber mir ist es egal, ob ich beliebt bin. Ich sorge mich um Klimagerechtigkeit und den lebendigen Planeten. Unsere Zivilisation wird dafür geopfert, dass eine sehr kleine Anzahl von Menschen weiterhin enorme Mengen von Geld machen kann. Unsere Biosphäre wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Es sind die Leiden der vielen, die für den Luxus der wenigen bezahlen. Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Falls ich Kinder haben sollte, werden sie vielleicht diesen Tag mit mir verbringen. Vielleicht werden sie mich nach euch fragen. Vielleicht werden sie fragen, warum ihr nichts getan habt, als noch Zeit zum Handeln war. Ihr sagt, ihr liebt eure Kinder über alles, und doch stehlt ihr ihnen die Zukunft vor ihren Augen. Solange ihr euch nicht darauf konzentriert, was notwendig ist, sondern nur darauf, was politisch möglich ist, gibt es keine Hoffnung. Wir können eine Krise nicht lösen, ohne sie als Krise zu behandeln. Wir müssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen und wir müssen uns auf Gerechtigkeit konzentrieren. Und wenn Lösungen innerhalb des Systems unmöglich zu finden sind, dann müssen wir vielleicht das System selbst verändern. Wir sind nicht hergekommen, um die führenden Politiker der Welt anzubetteln, dass sie sich kümmern sollen. Ihr habt uns in der Vergangenheit ignoriert und ihr werdet uns wieder ignorieren. Euch gehen die Ausreden aus, und uns läuft die Zeit davon. Wir sind hergekommen, um euch zu sagen, dass der Wandel kommen wird, ob es euch gefällt oder nicht. Die wirkliche Macht gehört den Menschen. Danke.«

VERWIRRUNGEN

Kapitel 1

Rainer Mausfeld

Die neue Arche

Im Interview klärt Elitenkritiker Rainer Mausfeld über aktuelle Massenmanipulationen rund um die Themen globale Erwärmung und Umweltzerstörung auf.

Die herrschenden Eliten haben es geschafft: Im ganzen Land wird nur noch über Kohlendioxid und Greta Thunberg diskutiert, die wesentlichen Tatsachen und Fragen werden unterdrückt, die Bevölkerung ist gespalten und in Ablenkungsdebatten verstrickt. Tatsache ist, dass die Menschheit den einzigen Planeten, den sie hat, durch ihre profitorientierte Produktionsweise zerstört und dieser in naher Zukunft unbewohnbar sein wird. Tatsache ist, dass unter den Machteliten, Geheimdiensten und Militärs weltweit keinerlei Zweifel hieran besteht und diese sich bereits darauf vorbereiten, ihr Überleben gegen das der 99 Prozent zu verteidigen. Tatsache ist, dass der Kampf um die wenigen Tickets auf der neuen Arche längst begonnen hat und daher gilt, was Pulitzer-Preisträger Chris Hedges auf den Punkt brachte, als er schrieb: »Den Planeten zu retten heißt, die herrschenden Eliten zu stürzen.« Da die anderen Medien bei der Analyse und Aufklärung zum Thema versagen, leistet der Rubikon sie. Sein Herausgeber Jens Wernicke sprach mit dem Kognitionsforscher und Elitenkritiker Rainer Mausfeld zur Lage und zum Klima im Land.

Herr Mausfeld, keine soziale Bewegung der vergangenen Jahre hat so viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten und eine solche Breitenwirkung entfaltet wie die Fridays for Future-Bewegung. Sehen Sie darin etwas, das uns Hoffnung auf wirkliche Veränderungen geben kann?

Die Fridays for Future-Bewegung und andere Klimabewegungen sind notwendig, erfreulich und begrüßenswert! Es erscheint mir wichtig, das zunächst festzuhalten, weil sich das, was sich im Moment in einigen sozialen Medien gegen diese Bewegung entlädt, nur als Diskursverrohung bezeichnen lässt.

In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation, die durch eine große ideologische Homogenisierung, eine Entleerung des politischen Raumes und einen massiven Abbau mühsam errungener demokratischer Substanz gekennzeichnet ist, ist jede Form außerparlamentarischer emanzipatorischer Bewegungen zu begrüßen.

Bei dem lange verdrängten Thema einer drohenden Klimakatastrophe haben die Fridays for Future- und die Extinction Rebellion-Bewegung überhaupt erst wieder für die erforderliche mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Zugleich haben sie in der jüngeren Generation eine erfreuliche Repolitisierung bewirkt.

Bereits das gibt Anlass zur Hoffnung. Denn immer größere Teile der Bevölkerung haben das Gefühl, dass ihre gesellschaftlichen Veränderungsbedürfnisse keine Adressaten mehr in der Politik haben. Dass nun gerade die jüngere Generation mit ihrer Revolte Wege zu einer demokratischen Selbstermächtigung sucht, sollte eigentlich nicht überraschen.

Nie zuvor war einer Generation die Entscheidung darüber aufgebürdet, ob die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, weiter bestehen kann oder nicht.

Natürlich wird diese Art der Revolte – wie bei allen sozialen Bewegungen – aus sehr unterschiedlichen Quellen gespeist. Sie ist im Moment nur ein erster Impuls und muss sich erst noch politisch stabilisieren und in ihren Zielen konturieren. Daher sind die Klima-Bewegungen teilweise noch diffus und fragil.

Erst wenn es ihnen gelingt, sich durch Einbettung in eine emanzipatorische Rahmengeschichte ein gedankliches Fundament zu geben, haben sie eine Chance auf Stabilität und politische Wirksamkeit. Das braucht Geduld. Wir dürfen daher an die Klimabewegungen im Moment keine überzogenen Ansprüche an ihre gedankliche Kohärenz stellen.

In den Debatten in sozialen Medien zum Thema stehen sich zwei Positionen zunehmend unvereinbar gegenüber. Die einen sind begeistert von Greta Thunberg und wünschen, dass nun endlich etwas für die Umwelt getan wird. Auf der anderen Seite steht eine sehr diffuse und viele politische Milieus umspannende Bewegung, die in Summe wohl vor allem das Folgende argumentiert: 1. Greta Thunberg sei eine Marionette der Machteliten, die sie und ihre Bewegung nur nutzen, um mit Angsterzeugung Geschäfte zu machen; eine anthropogene globale Erwärmung gäbe es gar nicht. 2. Wer heute emanzipatorisch wirken und wirklich etwas gegen Unterdrückung und Diktatur tun wolle, der müsse sich gegen die deswegen drohende »Öko-Diktatur« und also die aktuellen Jugendbewegungen zur Wehr setzen. Was halten Sie von dieser Gemengelage?

Bei dem, was Sie beschreiben, handelt es sich ja gar nicht um Aspekte einer ernsthaften Debatte, also um einen halbwegs rationalen Austausch von Argumenten. In diesem Sinne ist es auch wenig sinnvoll, davon zu sprechen, dass sich hier zwei Positionen gegenüberstehen, zwischen denen man in rationaler Weise vermitteln könnte. Man würde ja auch nicht davon sprechen wollen, dass sich mit Vernunft und Unvernunft zwei vermittelbare Positionen gegenüberstehen.

Bei der Sache, um die es hier geht, nämlich unser gegenwärtiges wissenschaftliches Verständnis geophysikalischer Prozesse, die einer Klimadynamik zugrunde liegen, gibt es nur einen geringen Beurteilungsspielraum – zumindest, was die großen Linien betrifft.

Die Befundlage ist eindeutig. Und auch die wissenschaftliche Interpretationslage ist für einen so extrem komplexen Bereich geophysikalischer Phänomene außergewöhnlich einhellig. Zweifellos gibt es, wie stets in der Grundlagenforschung zu hochkomplexen Systemen, beliebig viele Unsicherheiten, sowohl im theoretischen Verständnis der beteiligten Prozesse als auch in spezifischen Details. Und damit selbstverständlich auch in den genauen Prognosen. Doch was die Einschätzung der qualitativen Situation zivilisationsrelevanter Parameter und Prozesse betrifft, gibt es keinen vernünftigen Grund, am Konsens der relevanten Forschergruppen zu zweifeln.

Das, was Sie als Gemengelage bezeichnen, betrifft also in erster Linie etwas ganz anderes als eine innerwissenschaftliche Diskussion über mögliche Interpretationen relevanter Befunde. Hier geht es wohl vor allem um die Bewältigung von starken Affekten, die durch eine krisenhafte gesellschaftliche Situation ausgelöst werden.

Das wird schon daran erkennbar, dass die Affekte des Hasses, die sich im Moment gegen die Klimabewegungen entladen, ihren rohesten Ausdruck in Teilen der US-amerikanischen Rechten finden. Leider haben sie sich in einer Art Affektansteckung auch in alternativen Medien des sich progressiv fühlenden Milieus verbreitet.

Noam Chomsky, Chris Hedges, Jonathan Cook, Nafeez Ahmed, Caitlin Johnstone und andere renommierte Intellektuelle und Journalisten aus dem emanzipatorischen Spektrum haben mittlerweile diese Verirrungen und Affekteintrübungen des politischen Denkens thematisiert und analysiert …

… und kontextuell, das Gesamtbild, nicht nur die Debatte analysierend, haben insbesondere Murtaza Hussain, Douglas Rushkoff, George Monbiot, Lynn Margulis, Roger Hallam sowie der große Kulturphilosoph Charles Eisenstein längst schon wichtige Arbeiten vorgelegt. Zeigt die Tatsache, dass es dennoch zu einer derartigen Situation kommen konnte, nicht ebenso und vor allem, wie groß auch im sich progressiv fühlenden Teil des politischen Spektrums die gedankliche Entwurzelung von historischen emanzipatorischen Traditionen de facto ist? Die Eliten halten ein Stöckchen hin – in diesem Falle »Greta ist eine euch alle unterdrückende Autorität!« – und selbst sogenannte Aufgeklärte und Humanisten vergessen ihre Werte, Moral und Utopie, verkennen die faktische Lage und springen über das Stöcken, über das die Propaganda der Machteliten sie springen lassen will, und auf dem das Logo klebt »Kämpft gegen die Umweltbewegung, nicht gegen uns! Diskutiert über Unwichtiges, verkennt die Lage und die wahren Verantwortlichen! Zerstreitet und bekämpft euch gegenseitig!«

So kann man das zusammenfassen, ja. Durch die historische Entwurzelung fehlt vielen ein stabiler innerer politischer Kompass. Das ist natürlich von den Zentren der Macht intendiert, und sie verfügen über ausgefeilte Mittel, diese Verluste politischer Orientierung zu erzeugen und zu fördern.

Auch neoliberale Mechanismen einer sozialen Fragmentierung und Atomisierung haben sicherlich dazu beigetragen, da sie unsere gesamte Kultur und unseren Lebensalltag tief durchdringen. Doch scheint mir die rasche mediale Verbreitung dieser Hass-Affekte auch ein journalistisches Problem alternativer Medien zu sein. Denn diese Affekte konnten ihre spaltende und zersetzende Wirkung erst durch eine mediale Verstärkung entfalten.

Was die hiesigen Debatten betrifft, hat erfreulicherweise Dirk Pohlmann in journalistisch vorbildlicher Arbeit die Fäden entwirrt und die Hintergründe politischer Bemühungen von Machtgruppierungen beleuchtet, die zur Verfolgung ihrer ökonomischen Interessen aus individuellen Ressentiments des Hasses eine politische Gegenbewegung zu formen suchen.

Eigentlich sollten auch derartige Herrschaftstechniken, die sich ein systematisches Erzeugen von affektiver und kognitiver Verwirrung zunutze machen, aus der Geschichte hinlänglich bekannt sein.

Nur wenn wir uns nicht durch pseudo-geophysikalistische und personalisierte Ablenkthemen verwirren lassen, können wir auf die gesellschaftspolitischen Fragen fokussieren, um die es bei diesem Thema tatsächlich geht.

Die Diskussion um die Rolle von Greta Thunberg ist für Sie ein Ablenkthema?

Ja, diese personalisierte Diskussion ist völlig irregeleitet. Durch sie wird ein im Grunde berechtigtes Misstrauen gegen politische Handlungsmotive der Zentren der Macht gegen ein psychologisches Ablenkziel umgelenkt. Tatsächlich zeigt diese Personalisierungsdiskussion noch einmal, wie erfolgreich die Zentren der Macht bewährte Spaltungstechniken einsetzen, mit denen sich Erfolg versprechende, das heißt für sie möglicherweise bedrohliche emanzipatorische Bewegungen zersetzen und neutralisieren lassen.

Bei der Klimadebatte können wir zwei bewährte Spaltungstechniken erkennen: Eine besteht darin, ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem auf so hochgradig technische Teilaspekte zu verengen, dass ein erheblicher Teil der öffentlichen Veränderungsenergie in Pseudodiskussionen dieser technischen Aspekte absorbiert und somit neutralisiert wird. Die zweite Technik macht sich unsere natürliche Vorliebe für Personalisierungen zunutze.

Diese Vorliebe ist gleichsam eine »Schwachstelle« unseres Geistes, die sich für alle möglichen Manipulationen wirkungsvoll nutzen lässt; auch die Regenbogenpresse lebt von ihr. Um sie für Spaltungszwecke zu nutzen, muss man zunächst darauf zielen, dass eine soziale Bewegung mit einzelnen öffentlich besonders sichtbaren Vertretern identifiziert wird.

Man muss also gezielt einzelnen Personen große mediale Resonanz und Prominenz verleihen. Wenn dann die Bewegung aus Sicht der Herrschenden zu erfolgreich wird, lässt sich die gesamte Bewegung leicht spalten, indem man ihre prominenten Vertreter durch einen geeigneten Rufmord diskreditiert. Und genau dies ist gegenwärtig, gerade auch in einigen alternativen Medien, massiv der Fall. Beispiele hatten Sie ja schon genannt, etwa wenn Greta Thunberg als »Marionette des Kapitals« oder als »Ikone« einer Elitenverschwörung bezeichnet wird, die nur dazu diene, die arbeitende Bevölkerung auf die Ziele der Eliten einzuschwören.

Die Konfusion beginnt hier schon bei der unterstellten Rolle von Greta Thunberg: Denn die Klimabewegung hat zwar in der momentanen medialen Breitenwirkung etwas mit Greta Thunberg zu tun. In ihren objektiven Ursprüngen, im Klimaproblem, ist sie jedoch von Greta Thunberg völlig unabhängig. In der Sache, um die es geht, ist also Greta Thunberg, wenn man es überpointiert formuliert, irrelevant. Und zwar in gleicher Weise, wie etwa Martin Luther King als Person nicht mit dem objektiven Problem der Rassentrennung identifiziert werden darf.

Daher in aller Klarheit: Personalisierungen sind ein bewährtes Spaltungsinstrument. Das hat auch jüngst noch einmal der Rufmord an Julian Assange gezeigt. Doch leider ist der kollektive Gedächtnisverlust auch im sich progressiv fühlenden Milieu mittlerweile so groß, dass das Wissen darüber verlorengegangen ist.

Das gilt übrigens allgemein. Ein Trump-Hass und eine Obama-Begeisterung sind lediglich zwei Seiten derselben Verblendungsmedaille. Beide Personalisierungsaffekte machen blind für die Art und für das Funktionieren tatsächlicher Machtstrukturen. Für eine Analyse politischer Machtverhältnisse ist es ebenso wenig relevant, ob ihre Repräsentanten in kultivierter oder in vulgärer Maske auftreten, wie es für die Opfer eines Verbrechers relevant ist, ob der Täter bei seiner Tat bürgerlich-kultivierte Manieren gezeigt hat oder nicht. Personalisierungen erzeugen stets eine Art Affektverschiebung auf Ablenkziele und sind genau aus diesem Grund ein bewährtes Mittel zur Spaltung und Zersetzung von emanzipatorischen Bewegungen.

Wenn es nach Ihrer Meinung eine natürliche, also spontane menschliche Neigung zu Personalisierungen gibt, was spricht dann dafür, dass es sich hier vor allem um eine gezielte Spaltungsstrategie der Herrschenden handelt?

Nun, allgemein sprechen historische Erfahrungen dafür, dass die jeweils Herrschenden grundsätzlich versuchen, alle an die Wurzeln ihrer Machtverhältnisse gehenden Lösungen zu verhindern und damit insbesondere alle demokratischen. Daher zielen sie seit jeher darauf ab, soziale Bewegungen, die sich möglicherweise einmal zu einer kritischen Masse formen und somit politisch wirksam werden könnten, gleichsam präventiv zu spalten und zu neutralisieren.

Die Techniken dazu wurden in vielen Jahrzehnten verfeinert und perfektioniert. Das ist ja alles ausführlich analysiert und dokumentiert.

Bei der Klimabewegung ist die berechtigte Sorge der Machteliten, dass diese Bewegung sich irgendwann nicht mehr auf einen spezifischen Aspekt der Folgen unserer Gesellschaftsordnung beschränkt, sondern zunehmend den Blick über die Symptome hinaus auch auf die eigentlichen Ursachen richten könnte. Dies deutet sich ja tatsächlich schon in dem Slogan »System Change, not Climate Change!« an.

Daher betreiben die ökonomischen Machtzentren schon jetzt einen erheblichen Aufwand, um zu verhindern, dass der Klimadiskurs »aus dem Ruder läuft« und die wirklichen Ursachen in den Blick geraten könnten. Wie stets werden sie dabei von den großen Medien und willfährigen Intellektuellen massiv unterstützt.

Das Muster dieser Methoden, mit denen sich die Nutznießer des Status quo vor einer Fundamentalkritik zu schützen suchen, ist immer dasselbe: Jede Kritik müsse »verantwortungsvoll« und »vernünftig« bleiben und müsse sich vor »Utopismus« und »ideologischer Radikalität« hüten. Kritik darf also auf keinen Fall an die eigentlichen Wurzeln der Probleme gehen, also unsere zerstörerische Wirtschaftsordnung thematisieren.

So überschlagen sich auch jetzt wieder in vorauseilendem Opportunismus intellektuelle Höflinge der Mächtigen und linke Salonintellektuelle darin, die Anhänger der Klimabewegung beispielsweise als »denkfaule Demokratieverächter« zu diffamieren, die nicht verstünden, dass eine »Gesellschaft, die schon da ist«, »nur mit ihren eigenen Mitteln reagieren kann« – eine ungeschminkte Apologie der herrschenden Machtverhältnisse.

Könnte man einer Verschiebung der Veränderungsenergie auf Ablenkziele und den damit verbundenen Spaltungen vorbeugen, wenn man das berechtigte Misstrauen der Menschen ernst nimmt, ihnen aber aufzeigt, dass es sich hier gegen das falsche Ziel richtet? Dass sich ihr Misstrauen vielmehr gegen diejenigen richten muss, die ursächlich die Hauptverantwortung für die gegenwärtige Situation tragen?

Selbstverständlich muss es genau darum gehen. Dazu ist es nötig, die tatsächliche Situation und Interessenlage für die allgemeine Öffentlichkeit einsichtig und transparent zu machen.

Manchmal ist das recht einfach. Etwa, wenn sich Barack Obama als Fan von Greta Thunberg bezeichnet und bei einem Treffen mit ihr bekundet: »Du und ich, wir sind ein Team.« Hier sollte eigentlich offenkundig sein, dass ein solches Treffen allein nicht als Begründung verwendet werden kann, um Greta Thunberg oder gar die Klimabewegung zu diskreditieren.

Ebenso wenig wie, um nur ein historisches Beispiel zu nennen, das Anliegen und die Person von Martin Luther King dadurch diskreditiert werden kann, dass sich Obama zu dessen Fan erklärt.

Beide Fälle belegen lediglich, dass hier durch eine politische Vereinnahmung eine für die Zentren der Macht potentiell bedrohliche Bewegung von radikalen Elementen bereinigt werden soll.

Im Fall von Martin Luther King ist mittlerweile gut dokumentiert, wie sein gesellschaftliches Anliegen und sein Erbe im öffentlichen Bewusstsein der USA von allen radikalen Elementen bereinigt wurde, um ihn auf diese Weise ikonenfähig und damit »unschädlich« zu machen. Tatsächlich jedoch sah Martin Luther King kapitalistische Gewalt als wesentliche Wurzel rassistischer Gewalt an. Er kritisierte den Kapitalismus scharf und sprach sich für einen demokratischen Sozialismus und eine radikale Transformation der Gesellschaft aus.

Die Vereinnahmung von King durch Obama lässt sich also keineswegs gegen King verwerten. Vielmehr zeigt sie nur ein weiteres Mal den Macht-Opportunismus und die moralische Leere von Obama, wie sie im Detail in der Obama-Biographie des renommierten Harvard-Historikers David J. Garrow aufgezeigt wurden.

Berechtigt und daher ernst zu nehmen ist hingegen ein Misstrauen, das sich gegen »von oben« verordnete Denk- und Handlungsweisen richtet. Und sehr ernst zu nehmen ist auch die Sorge vor autoritär durchgesetzten Lösungen.

Es gibt mittlerweile Beispiele genug, die zeigen, dass von oben verordnete Kämpfe – sei es gegen Populismus, gegen fake news, gegen rechts, gegen den Terror – in Wirklichkeit nicht der Bekämpfung dessen dienen, was sie zu bekämpfen vorgeben, sondern vielmehr zur Stabilisierung von Machtverhältnissen.

Wenn nun von oben ein Kampf gegen den Klimawandel ausgerufen wird, so kann man annehmen, dass die ökonomisch und politisch Mächtigen weniger das Gemeinwohl als ihr eigenes im Auge haben. Jede soziale Bewegung, die sich für Lösungen des Klimaproblems einsetzt, tut daher gut daran, stets genau zu schauen, wer aus den Zentren ökonomischer und politischer Macht sich in einer vorgeblichen Partnerschaft zu ihr ins Boot setzt und welche Ziele derartige »Mitstreiter« dabei verfolgen.

Etwa wenn Hunderte von Großkapitalgebern und Finanzkonzernen, die gemeinsam ein Vermögen von 34.000 Milliarden US-Dollar verwalten, in einem gemeinsamen Aufruf die Politik auffordern, Pariser Klimaziele zügig und konsequent umzusetzen. In solchen Fällen ist es erforderlich, sehr genau hinzuschauen und die genauen Beweggründe für derartige Allianzen zu identifizieren.

Bei einer angemessenen Analyse lässt sich aus solchen vergifteten Partnerschaftsangeboten viel lernen, weil sie uns genau zu den politischen Problemen führen, um die es tatsächlich geht.

Die Finanzinvestoren wie auch die ökonomischen Zentren der Macht allgemein sind nämlich darauf angewiesen, dass sie die für ihre ökonomischen Interessen relevante Realität in hinreichender ideologischer Nüchternheit wahrnehmen. Daher ziehen sie auch aus den vorliegenden geophysikalischen Befunden zum Klimawandel den korrekten Schluss, dass in absehbarer Zeit mit gewaltigen klimabedingten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krisen zu rechnen ist.

Zugleich sind sie mit der Realität politischer Entscheidungsmechanismen so gut vertraut, dass sie die Wahrscheinlichkeit für äußerst gering einstufen, in den uns verbleibenden, geophysikalisch diktierten Zeitspannen die erforderlichen Änderungen zu bewirken. Auf der Basis einer in Think-Tanks und Universitäten gekauften Vorhersagerationalität rechnen sie also in absehbaren Zeiträumen mit einer Destabilisierung der Weltwirtschaft, die ihre eigenen Geschäftsmodelle gefährdet und unkalkulierbar macht.

Die Frage, wie sich eine Klimakatastrophe abwenden lässt, ist also für sie eher nachgeordnet, weil sie die Chancen hierfür eher gering einschätzen. Was sie jedoch hier und heute interessiert, sind die wahrlich paradiesischen Möglichkeiten, aus den wachsenden gesellschaftlichen Ängsten vor einer Katastrophe Gewinne nie gekannten Ausmaßes zu erwirtschaften.

Der Kapitalismus versteht sich darauf, aus wirklich allem Gewinn zu schlagen. Und Krisen, gerne auch gezielt herbeigeführte, sind seit jeher eine Kraftnahrung für ihn. So wird ihm auch die zu erwartende Panik, die letztlich das unvermeidbare Resultat des gegenwärtigen reformistischen Klima-Gewurstels der Politik sein wird, eine willkommene Gelegenheit hierzu sein.

Und eine weitere Frage beschäftigt schon jetzt die Machteliten: Sie wollen schon jetzt so gut es geht sicherstellen, dass sie dann, wenn es schließlich zu einer Klimakatastrophe kommt, immer noch sehr viel besser dastehen als der Rest der Bevölkerung. Es geht also um Probleme einer relativen Nutzenoptimierung unter extremen Krisenbedingungen. Diese Probleme werden in Think-Tanks intensiv diskutiert.

Es gibt ein breites Spektrum von Mechanismen, wie sich auch unter solchen Bedingungen relative Nutzenvorteile erreichen lassen. Der bei weitem wichtigste Mechanismus ist natürlich der weitere radikale Abbau verbliebener demokratischer Substanz. Denn den ökonomischen Zentren der Macht ist natürlich nur allzu bewusst, dass sich bei der ohnehin schon gegebenen gigantischen sozialen Ungleichheit auf demokratischem Wege keine Maßnahmen durchsetzen lassen, die die Kosten einer drohenden Klimakatastrophe überwiegend den nicht-besitzenden Schichten auferlegen.

Den ökonomischen Zentren der Macht geht es daher darum, heute schon die gesellschaftlichen Plätze für die durch eine Klimakatastrophe hervorgerufenen schweren sozialen Verwerfungen zu ihren Gunsten festzuzurren und entsprechend Platzkärtchen für Gewinner und Verlierer zuzuweisen. Diejenigen, die heute schon zu den Verlierern gehören, sollen auch dann – und zwar in verschärfter – Weise wieder zu den Verlierern gehören.

Douglas Rushkoff, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Welt, berichtet hierzu in seinem bemerkenswerten Essay »Überleben der Reichsten« aus eigenem Erleben über den Diskussionsstand unter den herrschenden Eliten: »Ihnen war klar, dass sie bewaffnete Wachleute brauchen würden, die ihre Anwesen vor dem wütenden Mob schützten. Aber wie sollten sie diese Wachen bezahlen, wenn Geld wertlos war? Was würde die Wachleute davon abhalten, ihre eigene Anführerin zu wählen? Die Milliardäre überlegten, die Nahrungsvorräte mit speziellen Schlössern zu sichern, deren Zahlenkombination nur sie kannten. Oder die Wachen als Gegenleistung für ihr Überleben mit irgendeiner Art von disziplinierendem Halsband auszustatten. Oder vielleicht Roboter zu bauen, die als Wächterinnen und Arbeiterinnen dienen – falls sich diese Technologie rechtzeitig entwickeln ließe.« Der übliche »Klassenkrieg« also, wie Warren Buffet es nannte, nur eben auf einer neuen Stufe der Eskalation, da die Mischung aus Umweltkatastrophe und nicht adäquatem Handeln den Kampf um Lebenschancen weiter verschärft … Es entbrennt also gerade ein ganz realer Kampf um die letzten Plätze auf der neuen Arche, der bereits heute geplant und vorbereitet wird; die immensen und beständig wachsenden totalitären Tendenzen sind ja nicht mehr zu leugnen. Wie kann da eine Umweltbewegung aussehen, die nicht zum Vehikel des Klassenkampfes von oben wird und für den die normalen Leute nicht von Wert und Bedeutung sind? Unter welchen Voraussetzungen bestünde Hoffnung, dass sowohl die Bewegung als auch die aktuelle Debatte im Sinne der Menschheit und hier vor allem der Armen in eine zielführende Richtung verläuft?

Nun, ich denke, wir müssen zuerst einmal klarstellen, dass es keineswegs die Umweltbewegungen sind, durch die autoritäre Entwicklungen drohen. Sie drohen vielmehr als unmittelbare Folge gegenwärtiger Formen des Kapitalismus selbst, insbesondere durch die Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen, die eine Folge der Funktionslogik des Kapitalismus ist.

Dann müssen wir die wirklichen Hauptursachen der zu erwartenden Klimakatastrophe identifizieren und bekämpfen. Wenn man dabei den Blick weg von Oberflächenphänomenen auf die grundlegenden Probleme richtet, wird man auf ein sehr komplexes Gewebe von Problemen stoßen, die von der Eigentumsordnung und den gegenwärtigen Arten ihrer globalen Verrechtlichung über die fatale Externalisierungslogik des Kapitalismus bis hin zu den Mechanismen der Schaffung gewaltiger transnationaler Machtstrukturen reichen, die grundsätzlich jeder demokratischen Legitimation und Kontrolle entzogen sind. Kurz: Wir müssen an die Wurzeln der gegenwärtigen Machtverhältnisse gehen.

Hoffnung auf eine wirkliche Lösung des Klimaproblems kann es de facto nur geben, wenn wir die Probleme wieder dort lokalisieren und behandeln, wo sie liegen: auf der politischen Ebene, insbesondere der Ebene unserer Wirtschaftsordnung und ihrer zerstörerischen Auswirkungen.

Nur auf dieser Ebene haben wir eine Chance, uns wieder selbst dazu zu ermächtigen, über die Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Lebensgrundlagen zu entscheiden. Wie groß die Bereitschaft dazu ist, kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall sollten wir aber nicht vergessen, dass der Kapitalismus einen großen Magen hat und sich wirklich alles einverleiben kann, selbst den Widerstand gegen ihn. Auch Hoffnung und Optimismus sind ja längst etwas, das sich für machtpolitische Zwecke gezielt manipulieren lässt – Barack Obama verstand sich ja in besonderer Virtuosität darauf, Hoffnung in eine Stabilisierung von Macht zu verwandeln.

Es bedarf einer großen Kreativität, Formen eines Widerstandes zu entwickeln, der weniger anfällig für diese Formen einer kapitalistischen Einverleibung sind.

Auch müssen wir uns klarmachen, dass wir emanzipatorische Kämpfe für spezifische Einzelziele, seien es Klima, Frieden oder Menschenrechte oder sei es gegen ökologische Zerstörungen, gegen Hunger, gegen Rassismus oder gegen Neokolonialismus, nicht voneinander isoliert betrachten dürfen. In dem Maße, in dem die genannten Probleme mit der Funktionslogik des Kapitalismus verbunden sind, müssen sie auch als verbunden behandelt sowie bekämpft werden, sonst bleibt der Kampf letztlich wirkungslos.