29 Der Autor

Uwe Knop ist Diplom-Oecotrophologe und hat für seine bisherigen Bücher mehr als 5.000 aktuelle Studienergebnisse der Jahre 2007–2019 analysiert.

Seine unverblümte Offenlegung der Schwachpunkte der Ernährungswissenschaft, seine klare Art, den Finger in die Wunde der Oecotrophologie zu legen, macht ihn zum gefragten Interviewpartner besonders für Investigativmedien.

Vorträge/Gastredner

Daneben hält Knop auch Vorträge zu Ernährungsthemen überall dort, wo sich Institutionen, Verbände und Gesellschaften trauen, gängige Ernährungsweisheiten zu demontieren, um den Blick frei zu machen für das Wesentliche: faktenfokussierte Wissenschaft auf Basis aktueller Studien. So war er Gastredner beispielsweise auf den Jahrestagungen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. und des Verbands der Ernährungswissenschafter Österreichs (VEÖ) sowie beim Schweizerischen Verband der Mütterberaterinnen (SVM) – hier referierte Knop zur Thematik »Schöne, neue Studienwelt – Kinderernährung zwischen Wahn, Wunsch und Wirklichkeit«. Dieser Vortrag kam bei den SVM-Mitgliedern »sehr gut an und erhielt die höchste Bewertung aller Referenten«, so das Fazit von Arlette Rutschmann, Gruppenleiterin Mütter- und Väterberatung SVM, nach Auswertung der 184 Rückmeldungen.

Initiator/Organisator

Zusätzlich zu seinem Autoren-, Publizisten- und Gastrednerengagement war Knop gemeinsam mit Prof. Dr. Peter Nawroth und Dr. Gunter Frank auch Initiator und Organisator des ersten »Heidelberger Symposiums für mehr Sinn und Relevanz in der Medizin«, das am 7. und 8. Februar 2019 in der Universität Heidelberg mit etwa 400 Teilnehmern stattfand.

Dipl. oec. troph. Uwe Knop
Dein Körpernavigator
zum besten Essen aller Zeiten

© 2019 Polarise
Ein Imprint der dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
www.polarise.de

1. Auflage 2019
Autor: Uwe Knop
Lektorat: Martin Wohlrab
Copy–Editing: Irina Sehling
Covergestaltung: Julia Geiser
Foto auf Klappe: © BoD Books on Demand

Printed in Germany

ISBN (Buch) 978-3-947619-23-8
ISBN (PDF) 978-3-947619-24-5
ISBN (ePub) 978-3-947619-25-2
ISBN (Mobi) 978-3-947619-26-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über www.dnb.de abrufbar.

»Die Ernährungswissenschaften sind in einer
bemitleidenswerten Lage.«
Professor Gerd Antes, Direktor des Deutschen Cochrane-Zentrums (bis 2017), das die Qualität von wissenschaftlichen Studien bewertet (Süddeutsche Zeitung)

»Es gibt nicht die eine richtige Ernährung für alle.« Professor Christoph Klotter, Ernährungspsychologe,
Hochschule Fulda (Apotheken Umschau)

»Die Angst, sich mit der falschen Ernährung zu vergiften oder krank zu werden, wird immer größer.« Professor Harald Lesch, ZDF, Leschs Kosmos, Ernährungstrends, Ankündigungstext: »Gesunde Ernährung wird zur Ersatzreligion ...«

»Es herrscht eine große Verunsicherung und Unsicherheit, was eigentlich die richtige Ernährung ist. Man hört sehr vieles und ist im Grunde genommen auf der Suche …« Professor Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler,
Universität Bremen (BR 2 radioWissen)

Vorabhinweis

Dieses Buch und damit die individuelle Anleitung zum besten Essen aller Zeiten richtet sich an psychosomatisch gesunde Menschen, die weder an einer geistigen noch körperlichen Erkrankung leiden.

Bei Patienten aller Art steht die Therapie und idealerweise Heilung der Erkrankung im Fokus. Hier kann es – je nach persönlicher Vorgeschichte mit gestörtem oder individuell falschem Essverhalten – durchaus sein, dass im Rahmen einer multimodalen ärztlichen Therapie auch die ernährungsmedizinisch forcierte, gezielte Änderung der Ernährung und Nahrungsmittelauswahl als ein Baustein zum Erfolg der Behandlung beitragen kann. Multimodal bedeutet, dass mehrere Therapiemodule (u. a. Bewegung, Psyche, Entspannung, Medikamente, Supplemente, Lifestylemodifikation, [bariatrische] Operationen) ineinandergreifen, um die Heilung respektive Besserung der Erkrankung herbeizuführen. Wer beispielsweise lange Zeit ohne Hunger- und Sättigungsgefühle gegessen hat, ohne dabei zu spüren, was sein Körper braucht, sondern stattdessen sein Essverhalten sehr rational, emotional oder diätgetrieben in die völlig falsche Richtung gesteuert hat, für den kann eine Änderung des Essverhaltens hin zu den tatsächlichen körperlichen Bedürfnissen als integraler Bestandteil eines multimodalen Gesamttherapiekonzepts gegebenenfalls zur Genesung beitragen.

Quellen & Studienhinweise

Dieses Buch beschreibt den gegenwärtigen Stand der Ernährungsforschung im April 2019. Damit auch Leser ohne naturwissenschaftliche Fachausbildung an diesem Wissen teilhaben können, ist der Inhalt grundsätzlich populärwissenschaftlich gehalten. Nichtsdestotrotz ist die Aktualität dieses Buches dadurch bedingt, dass weit mehr als 5.000 neue Studienergebnisse aus den vergangenen zwölf Jahren von 2007 bis 2019 bei der Erstellung berücksichtigt wurden. Im Sinne einer höheren Lesefreundlichkeit und eines schlankeren Umfangs wurde auf zahlreiche Fußnoten und auf die komplette Auflistung aller konkreten Quellen verzichtet. Sie finden im Buch zahlreiche Nennungen der Institutionen, die die Studien durchgeführt haben, und/oder Nennungen der Journale, in denen die Studien publiziert wurden, sowie in ausgewählten Kapiteln eine explizite Quellenübersicht. Selbstverständlich liegen dem Autor sowohl die in diesem Buch aufgeführten Studienergebnisse als auch Berichte mit Aussagen der zitierten Experten vor (das jeweilige Medium ist beim Zitat bereits aufgeführt). Wenn Sie an der genauen Bezeichnung der in diesem Buch aufgeführten Studien interessiert sind, senden Sie Ihre Anfrage inklusive exakter Angabe von Textstelle und Seitenzahl bitte an kontakt@echte-esser.de – Sie erhalten schnellstmöglich Antwort.

1 Generation AvE-Mania (Angst vorm Essen)

Wir leben im Schlaraffenland – daran gibt es keine Zweifel. Noch nie waren alle nur erdenklichen Lebensmittel in einer derart hohen Qualität, Sicherheit und Vielfalt zu erschwinglichen Preisen nahezu rund um die Uhr verfügbar. Wir müssen die Leckereien praktisch nur noch aus den Regalen »pflücken«, um uns lukullisch zu beglücken. Unsere Vorfahren hätten sich vor gar nicht so langer Zeit die Finger geleckt nach einem solch paradiesischen Zustand – die (Nach-)Kriegsgeneration in den 40er und 50er Jahren wusste, was es bedeutet, an Hunger zu leiden. Doch schon in den 60ern und 70ern folgten die fetten Jahre; man genoss, was es gab, in vollen Zügen. Doch mit der Zeit begann ein paradoxer Sinneswandel, den es nur in vollumfänglich versorgten Wohlstandsgesellschaften zu beobachten gibt: Das Essen wurde zum Feind, hochwertige Lebensmittel wie Fleisch und Brot zum »Bösen« stilisiert – zumindest durch eine gewisse kulinarische Diaspora wie Veganer und Low Carber. Im Zenit des Ernährungswahns, den 10er Jahren des 21. Jahrhunderts, galten gar einzelne Inhaltsstoffe wie Zucker als die »Ausgeburt des krankmachenden Teufels« auf dem Teller. Statt sich an der Vielfalt und Versorgungssicherheit zu erfreuen, wuchs und wächst die eingebildete, da völlig unbegründete Angst vorm Essen – es entwickelten sich Gesund-ess-Manie und Besser-Esser-Hybris. Und genau da stehen wir heute. Denn …

Drittes Jahrtausend: Seht her, was ich (nicht) ess!

… Ernährung dient nun (auch gar primär?) der Persönlichkeitsbildung und Profilierung und ist zum wichtigen Bestandteil des individuellen Lebensstils mutiert. Ich zeige, was ich esse, und damit zeige ich, was ich bin und wo ich hingehöre. Vegan, vegetarisch, Low Carb, ketogen, Detox, Clean Eating, paläo, pegan, bio, regional, »frei von« – für jede Richtung der richtige Trend. Und diese »richtige« Ernährung hilft bei der Identitätsfindung, sie gibt Sicherheit und Halt, denn sie stößt Eckpfeiler in den Dschungel der Existenz, die den Weg weisen. Damit dient diese hochgradig emotional aufgeladene Ernährung vielen Menschen als Leitschnur des Lebens, als Orientierung in einer Existenz, die immer komplexer und komplizierter wird – noch nie hatten wir so viel Luxus auf dem Teller, so viel Auswahl in den Regalen, so viel »Qual der Wahl«. Dabei wird das exklusive Essgebahren gern zur einzig wahren »Ersatzreligion« erhoben, die Schlankheit, Fitness und Gesundheit verspricht. Was muss ich essen, um gesund uralt zu werden? Was muss ich meiden wie der Teufel das Weihwasser? Oftmals gilt dabei das paradoxe Credo: Je mehr ich weglasse, desto mehr »gibt« mir die Ernährung. Vegetarisch, ohne Fleisch – vegan, ohne alle tierischen Produkte – paläo, ohne Milch, ohne Brot – Low Carb, je weniger »böse« Kohlenhydrate (KH), desto besser, bis hin zur völligen KH-Askese, dem »Ketostadium mit optimiertem Stoffwechsel« – Clean Eating, keine Fertigprodukte, kein »giftiger« Zucker – und das ist noch nicht alles, denn diese Liste könnte noch um die eine oder andere Besser-Esser-Hybris erweitert werden. In einer im wahrsten Sinne abgesättigten Gesellschaft wird der künstlich generierte Verzicht zum Hype, zum hochstilisierten Lebensideal; ich verzichte, also kontrolliere ich, ich habe die Macht, ich entscheide, was ich weglasse, weil ich es kann. Ob das Weglassen Sinn hat oder nicht – egal, Verzicht zu leben bedeutet Stärke zu zeigen. Und zeigen ist bei der »Generation Online« fast noch wichtiger als »eating special«.

In Zeiten des Internets und der sozialen Medien lässt sich eine bestimmte »Ernährungsreligion« natürlich leicht demonstrieren und missionieren: Myriaden von Blogs und Posts, Statements und Fotos »heilbringender« Detox-Smoothies und veganer Foodporns machen der Öffentlichkeit klar, wer hier wo steht – und warum: Ganz einfach, weil nur diese eine Ernährungsform die »beste« ist. Das Internet wurde zum interaktiven Schlachtfeld der pseudoreligiösen Glaubenskriege um unser Essen. Als kriegsentscheidender Faktor fungiert hierbei die »eierlegende Wollmilchsau« namens Ernährungsforschung: Denn zu jeder Ernährungsrichtung gibt es zahlreiche – systembedingt stets schwachbrüstige – Studien, die von Ideologen und Lobbyisten ihrer Ernährungsreligion entsprechend zurechtgebogen werden, um die »Gesundheitskraft und soziale Erhabenheit« dieser einen richtigen Essweise öffentlich in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. Wurst ist böse, vegetarisch gesund, vegan rettet die Welt, Zucker macht süchtig, Weißbrot dumm. Die Liste ist beliebig erweiterbar.

Dieses mediale und vor allem sozialmediale Dauerfeuer an Lobpreisungen der eigenen Ernährungsdenkweise einerseits und an Schmähungen/Bashing des »Essens der anderen« andererseits verunsichert viele (ernährungs-)sensible Menschen. Sie wissen irgendwann einfach nicht mehr: Was ist gutes und »gesundes« Essen, wie esse ich richtig? Wie muss ich »politisch korrekt« essen, damit ich nicht krank werde und die Gesellschaft mich akzeptiert? All das macht manche Menschen wahnsinnig, ernährungswahnsinnig. Dementsprechend hysterisch wird gegessen – bis hin zu massiven Essstörungen, nur noch »Gesundes« essen zu müssen (Orthorexie). Und das wiederum geht den »Normalessern« gehörig auf die Nerven. Fertig ist der omnipräsent-kollektive Ernährungswahn, der irgendwie alle tangiert, Nervende & Genervte; denn jeder kennt inzwischen irgendjemanden, der dies und jenes nicht isst, sondern nur seine »spezielle Kost«.

Die Medien sind voll von Berichten, in denen sich Redakteure beklagen, dass man heutzutage keine Einladung zu einem »normalen Essen« mehr aussprechen kann, weil bei zehn Gästen für fünf Sonderwünsche berücksichtigt werden müssen: Einer isst kein Fleisch, einer gar keine tierischen Lebensmittel (alles ohne Käse, Eier, Sahne etc.), eine macht gerade Detox-Clean Eating (bitte nur ganz frische, »gesunde« Kost), eine hat eine Laktose- und/oder Gluten- oder Sonstwasunverträglichkeit und ein anderer schwört auf Low-Carb-Diät oder isst »nur paläo« (keine Milch, Zucker, Brot, Hülsenfrüchte). Welch Freude bei den Gastgebern – der Ernährungswahn macht wahnsinnig! Hätten damals die 7 Zwerge schon derart »abgedreht« gegessen, dann hätte sich Schneewittchen keine Sorgen machen müssen. »Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?« – ein Veganer isst doch nicht vom Paläo-Tellerchen … Heutzutage spiegeln derartige »Einladungs-Horrorszenarien« die exzessive Überinterpretation und den gesellschaftlichen Hype ums Essen wider. Das »täglich Brot« ist für viele zum Schmelztiegel an Wünschen, Ängsten, Komplexen und Hoffnungen mutiert, von dem man Gesundheit, Glück, Fitness, Schlankheit und ein langes Leben fordert – mit dem Ziel der bestmöglichen Selbstoptimierung. »Essen hat eine neue Funktion bekommen«, erklärte der Kulturwissenschaftler Prof. Gunther Hirschfelder im Januar 2019. Wenn man in den 60er Jahren über Ernährung gesprochen habe, »dann ging es um das konkrete Essen«. Im Digitalzeitalter aber seien Ernährung und Foodblogs zu Bühnen der Selbstdarstellung (dpa/Süddeutsche Zeitung) sowie zum »sozialen Tattoo« geworden (FAZ, Prof. Monika Bischoff, Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention, Krankenhaus Barmherzige Brüder, München). Hirschfelder konstatierte des Weiteren im Januar 2019 im Spiegel: »Unsere Generation ist die erste, die sich ärgert, dass der Teller zu voll ist.« Den Eindruck hat man leider tatsächlich …

2019 ff. … kein Ende in Sicht !

Und obgleich man hätte erwarten können, dass sich diese Entwicklung abschwächen würde und der »Ernährungswahn des dritten Jahrtausends« so langsam wieder dem tatsächlichen Sinn des Essens weicht (sich genussvoll satt essen zur Lebenserhaltung), feuern die Ernährungshypochonder auch bis weit ins Jahr 2019 aus allen Rohren. Und zwar noch immer in so hoher Frequenz, dass die Medien in ebenfalls hoher Schlagzahl mahnende Artikel mit Headlines wie diesen veröffentlichen: »Low-Carb, Paleo & Co. – Warum unser Essverhalten so verkrampft ist wie noch nie« (NEON-Magazin des Stern). Die Inhalte sind nicht minder offenbarend: »Wir sind in ein Zeitalter der Selbstverarsche gerutscht. Man soll supergern essen, sonst gilt man als hysterische Diätkuh, gleichzeitig muss man trotzdem schlank [das neue Synonym für gesund] sein. … ›Ich mache Paleo‹ klingt einfach besser als ›Ich bin auf Diät‹ … Wer verzichten will, kann heute als Ausrede auch auf eine Unverträglichkeit zurückgreifen …« Noch ein paar weitere mediale »Aufschreie contra Ernährungswahn« gefällig? Gern, wird kredenzt: »Ob Paleo-Diät, Trennkost oder Free From – Essen ist heute nicht nur Essen. Essen ist eine politische Haltung, ein Gesundheitsprogramm, eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung, eine Weltanschauung, vielleicht sogar Religionsersatz« (Badische Zeitung). »Essstörungen entstehen auf dem Nährboden der gesellschaftlichen Essstörungen … Man kann gar nicht mehr befolgen, was zu gesunder Ernährung geschrieben wird, sonst könnte man gar nichts mehr essen« (PD Dr. Dagmar Pauli, Chefärztin, stv. Klinikdirektorin, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich in Der Standard [A]). »Der urbane Mensch definiert sich mehr denn je über sein Essverhalten – weil die Entscheidung, was man isst, ein Gefühl der sozialen Zugehörigkeit vermittelt« (Süddeutsche Zeitung). »Radikalisierung der Ernährung schreitet munter voran« (Ärzte Zeitung). »Gesund, gesünder, Essstörung« (Die Zeit). »Das heilige Mahl – Essen als Ersatzreligion« (Südwest Presse). »Richtige Ernährung ist ein Kriegsschauplatz geworden, auf dem Sekten gegeneinander kämpfen« und »Essen, eines der natürlichsten Bedürfnisse der Menschheit, ist zur Glaubenssache geworden« (FAZ). Und so fordert die NZZ (Neue Zürcher Zeitung) konsequenterweise: »Wir sollten uns schleunigst mit dem Essen versöhnen ... Machen Sie sich nicht verrückt! Hören Sie noch heute damit auf, sich zu viele Gedanken zu machen.« Belassen wir es bei dieser kleinen Medienshow contra Ernährungsparanoia und schließen wir mit einer Headline der Schweizer SonntagsZeitung: »Wir Verbissenen. Unser Essverhalten wird zunehmend zwanghaft. Was überhaupt gesund ist, ist aber immer noch unklar.« So ist es …

… denn bei all dem Wahn rund um gesunde Ernährung – aus welcher »kulinarischen Diaspora« auch immer er lanciert und gepredigt wird – muss eines klar sein: Niemand kann wissenschaftlich gesichert behaupten, »er hat die Gesundheit mit Löffeln gefressen«. Denn niemand weiß, was gesunde Ernährung sein soll. Wenn Sie jetzt innerlich intervenieren: »Mal langsam – ich weiß doch, welches Essen gesund ist«, dann ist das nicht zwangsläufig ein »Vorbote drohenden Ernährungswahns«, sondern Sie sind erstmal einfach nur gut vorbereitet für das kommende Kapitel …

2 Kennt jeder: gesunde Ernährung

Sie wissen doch sicher, was gesunde Ernährung ist, oder? Wahrscheinlich denken Sie jetzt: »Nichts leichter als das!« Zuallererst kommt einem die »wichtigste Mahlzeit des Tages« in den Sinn, das Frühstück: Eine Schüssel Vollkornmüsli mit Vollmilch und vielen Früchten sollte es sein, natürlich zuckerfrei. Bitte bloß kein Weißbrot oder Brötchen mit Nutella, denn da sind zu viele der zuckrigen (kurzkettigen) Kohlenhydrate drin. Noch schlimmer: Morgens gar nichts essen. Mittags dann schön leicht speisen, mageres Geflügelfleisch mit einem Salat, das Dressing nicht zu fett. Und dazu über den Tag verteilt viel trinken, idealerweise 1,5 bis 2 Liter Wasser, natürlich ohne Kohlensäure und ohne Kalorien – bitte nur nicht mit energiereichen Softdrinks wie Cola oder Limo den Durst löschen, denn die enthalten viel Fruktose, und Fruchtzucker macht schnell dick. Als Zwischenmahlzeiten bieten sich ein Apfel, eine Orange, eine Banane oder ein Vollkornbrot an, der Hunger zwischendurch kann natürlich auch mit einer Mohrrübe, mit Radieschen oder einem Müsliriegel (zuckerfrei!) gestillt werden. Generell gilt: Achten Sie auf eine hohe Ballaststoffzufuhr, essen Sie wenig rotes Fleisch und Wurst, stattdessen viel Obst und Gemüse (fünfmal am Tag). Bei Backwaren sind Vollkornbrote den Weißmehlsorten vorzuziehen. Süßigkeiten bitte mit Vorsicht genießen, genauso wie dickmachendes Fast Food. Und: Milch trinken nicht vergessen sowie ausreichend Milchprodukte verzehren – wegen des Kalziums für die Knochen. Aber: Wenig Salz verwenden (Blutdruck!) und auch bei Eiern sparsam sein (Cholesterin!).

Fällt Ihnen noch etwas ein? Hoffentlich nicht! Und wenn Sie all diese Ratschläge satthaben, dann sind Sie hier genau richtig. Kein gesunder Mensch braucht Ernährungswissenschaft und noch weniger daraus resultierende Ernährungsempfehlungen, denen die wissenschaftliche Grundlage fehlt. Denn: Es gibt keine Beweise, dass »gesunde« Ernährung die Gesundheit erhält oder gar fördert. Es gibt noch nicht einmal gesichertes Wissen, was »gesunde« Ernährung überhaupt sein soll. Aber wo kommen dann all die Ernährungsregeln her? Wer erfindet diese Ess-Erziehungsmaßnahmen? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, müssen Sie das »Märchen von der gesunden Ernährung« kennen – und das werden Sie nach Lektüre dieses Buchs.

3 Körpernavigator – warum 2019?

Tatsächlich weiß kein Mensch, was gesunde Ernährung sein soll. Nichtsdestotrotz sind viele von uns auf der Suche nach einer »gesunden Alternative« zu ihrer persönlichen Essweise, denn ein Abgleich der omnipräsenten Berichterstattung zu gesunder Ernährung mit dem eigenen Konsum suggeriert zumeist: »Sie essen ungesund – ändern Sie etwas, sonst werden Sie fett, krank und sterben früher!« Wer nun diesem Warnruf folgt, der steht prompt einer Phalanx von Ernährungsempfehlungen, -regeln und -ideologien gegenüber, die allesamt Gesundheit versprechen, jedoch jedes wissenschaftlichen Beweises entbehren.

Zehn Jahre nach Erscheinen meines ersten Buchs HUNGER & LUST im Jahr 2009 wird es nun Zeit für die »finale Tabula rasa« – die Zeit ist (über)reif für die endgültige Abrechnung mit einem System, das mehr einer Glaskugel, mehr einem Fake- als einem Faktenlieferanten gleicht. Denn in den 10er Jahren des neuen Jahrhunderts hat sich sukzessive bestätigt und bestärkt, was damals bereits klar im Visier zu sehen war: Der »Großdampfer MS Oecotrophologie« steuert wie seinerzeit die Titanic in »unnahbarem Größenwahn« seinem persönlichen Eisberg entgegen – und wenn kein radikaler Kurswechsel stattfindet, dann schlitzt das scharfe Eis (der fehlenden Evidenz) den Rumpf der »MS O« auf und das Schiff der gesunden Ernährung sinkt … und genau danach sieht es im Moment aus. Denn kein Ernährungskapitän ruft »Hart Backbord!« und reißt das Steuer herum Richtung Neo-Oecotrophologie (das unbekannte Neuland). Doch das soll Sie nicht weiter tangieren, weil Sie auf dem richtigen Weg in Ihre kulinarischen »Goldenen 20er Jahre« sind, denn:

»Dein Körpernavigator zum besten Essen aller Zeiten« ist ein Buch für mündige Essbürger mit eigener Meinung, die die omnipräsente vielstimmige Ernährungspropaganda kritisch hinterfragen. Es ist für all die Menschen geschrieben, die gern und gut essen, bei denen Genuss und guter Geschmack die Essenswahl bestimmen und nicht vermeintlich »gesunde« Regeln – denn davon gibt es viel zu viele, die sich obendrein gegenseitig widersprechen. Und nicht nur das ist wahnwitzig und zeigt die »fantastischen Denkdimensionen«, die hier am Werke sind …

Denn einerseits hat die allgegenwärtige Ernährungspropaganda zu gesundem und ungesundem Essen, zu guten und schlechten Nahrungsmitteln, zu Idealgewicht und perfekten Körpermaßen heutzutage fast ersatzreligiöse Ausmaße angenommen. Und andererseits werden die kritischen Stimmen aus der Wissenschaft (auch aus der Ernährungsforschung selbst!) immer lauter – und diese »Phalanx der Beobachtungskritiker« macht unmissverständlich klar, dass es keine wissenschaftlichen Beweise, keine Kausalevidenzen für gesunde Ernährung gibt; nichts, niente, nada; weil das System der oecotrophologischen Forschung ganz einfach zu stark limitiert ist und es ewig sein wird! Des Weiteren haben zahlreiche neue Studien nicht nur gezeigt, sondern immer wieder aufs Neue bestätigt, wie absurd und diametral die Ergebnisse der Ernährungsbeobachtungsstudien sind. Die öffentliche bewusste Fehlinterpretation der wachsweichen Nichtssagedaten macht darüber hinaus deutlich, wie die Bevölkerung mit Lügenkonstrukten in falschem Glauben dumm gehalten wird – und das nicht nur von Powersellern, die ihren Essgläubigen das Geld aus der Tasche ziehen möchten. Auch seitens staatlicher und medizinischer Institutionen werden Fiktionen konstruiert, dass sich die x-Balken der Statistiken (vor Scham) biegen, nur um Zwangsernährungsmaßnahmen durchzuboxen, mit denen man sich nicht mehr als Macht und Deutungshoheit verschaffen will – und das auf Kosten der kulinarischen Freiheit und eines genussvollen Lebens der Bürger.

Im Prinzip ist es allen objektiv-ideologiefreien »non-lobbyistischen« Wissenschaftlern glasklar, dass »gesunde Ernährung« nicht mehr ist als eine postfaktische Filterblase, die bald platzen wird … Das hindert aber die zahlreichen Verfechter, Prediger und Anhänger der kulinarischen Diaspora nicht daran, sich weiterhin am heiligen Gral gesunder Ernährung in genau ihrem Besser-Esser-Kosmos zu laben – und zwar nur und ausschließlich in ihrem … Aber es existieren ja auch für alle erdenklichen Spezial-Ernährungsformen die passenden Essphilosophien respektive Ersatzreligionen.

Auf der einen Seite agieren die Verfechter von Bio-Kost und die Ernährungsregel-Hörigen, auf der anderen Seite postulieren Vegetarier und Veganer den fleischfreien Verzehr, um mit ihrer Ernährungsideologie auch gleich noch die Welt zu verbessern. Dann gibt es noch diejenigen Hardliner, die über sehr spezielle Ernährungsformen vornehmlich ihre Persönlichkeit definieren, beispielsweise die Rohköstler oder Steinzeit-Esser (viel Fleisch, Fisch, Eier, Gemüse …). Eher harmlos erscheint dagegen die Low-Carb-Fraktion, die glaubt, mit wenig Kohlenhydraten sei der »goldene Weg zum Ernährungsglück« gefunden. Neben all diesen Ernährungsideologien scheint unsere natürliche Ernährungsform in der öffentlich-medialen Wahrnehmung jedoch kaum mehr präsent zu sein: der Mensch, der genussvoll isst, wenn er Hunger hat, und zwar das, worauf er Lust hat, was ihm gut schmeckt und vor allem was er gut verträgt und was ihn satt macht – frei von Ernährungsregeln und -propaganda. Doch es gibt immer noch genug dieser Bürger, die immun sind gegen den ernährungsapostolischen Eifer – und stattdessen beim Essen nur einem vertrauen: ihrem eigenen Körper!

Auch in deutschen Leitmedien regt sich zunehmend Widerstand gegen den »Terror auf dem Teller« – viele Redakteure haben es satt, dass Ignoranten, Ideologen, Asketen und die Ernährungsindustrie den Ton bei der schönsten Hauptsache der Welt angeben wollen. So ließ ein Journalist der Wirtschaftswoche in seinem Artikel »Gesunde Ernährung? Ich pfeife drauf!« ordentlich Dampf ab: »Wer sagt, dies oder jenes sei ungesund – ich höre nicht mehr zu. Was gestern galt, ist heute keinen Pfifferling wert. Ich habe es satt. Aber das will ich: Freuen aufs Essen. Jeden Tag, bei so vielen Mahlzeiten, wie es geht.« Und das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung forderte: »Feiert Orgien mit Messer und Gabel! Werden wir doch endlich ein Volk von Genießern. Essen macht Spaß. Und sehr gutes Essen macht sehr viel Spaß. Wir müssen viel öfter auf den Verzicht verzichten und uns stattdessen der Wollust am Tisch hingeben und manchmal sogar der Völlerei. Dann werden wir verstehen, dass Essen kein Unglück, sondern unsere größte, alltäglichste, wunderbarste Quelle des Glücks ist.«

Und DIE ZEIT mahnte eindringlich: »Kristallzucker ist Crystal Meth für Kinder, vor ihm wird mittlerweile gewarnt wie vor einer Droge. Schulen schließen mit Eltern Verträge gegen Zucker … Der Kampf gegen Zucker wird zu einer Ersatzreligion in einer nichtspirituellen Zeit … Was ist eigentlich los? Woher kommt die Verspannung beim Thema Ernährung? Es handelt sich ja hier nicht um eine einzelne Schule oder Kita, sondern ein Phänomen, das sich in vielen, zugegebenermaßen eher urbanen Gegenden zeigt. Ernährung wird in den Augen vieler Eltern immer mehr zum Problem und zur Gefahr ... Schluss damit!«

Wenn sogar die konservative FAZ zur kulinarischen Wollust aufruft und die linksliberale ZEIT ein Ende des pseudoreligiösen Zucker-Bashings fordert, ja dann scheint es nun wirklich höchste Zeit zu sein, die Ernährungspäpste und Perfektionsratgeber vom Hof zu jagen!

Denn die Dauerbeschäftigung mit vermeintlich gesunder Ernährung braucht niemand. Die kritische Analyse von mehr als 5.000 aktuellen Studienergebnissen der Jahre 2007 bis 2019 zeigt unmissverständlich: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, dass irgendeine Ernährungsform oder gar ein Lebensmittel krank, gesund, schlank oder dick macht. Genauso wenig lassen sich aus den schwachen Daten der Ernährungsforschung allgemeingültige Ernährungsregeln ableiten. Gesunde Ernährung für alle, die gibt es nicht. Kein klar denkender, der Evidenz verpflichteter Wissenschaftler würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass irgendeine Ernährungsform einen Menschen länger gesund leben lässt. Denn niemand weiß, welche Ernährung die Gesundheit erhält oder fördert. Aber Sie als Leser dieses Buchs wissen nach der Lektüre, warum das so ist: Ernährungsforschung ist Stochern im Nebel, ein Rätselraten auf wissenschaftlich niedrigem Niveau. Und dieses Wissen um das Nichtwissen der Ernährungsforscher ist essenziell, um den Kopf richtig frei zu machen für das Wesentliche: für Ihre ganz persönliche beste Ernährung aller Zeiten. Denn die »funktioniert« nur, wenn Sie das schlechte Gewissen »Ist das jetzt wirklich gesund?« abstellen und den kleinen dauernervigen Ernährungsgnom aus Ihrem Hinterkopf gekickt haben.

Dieses Buch ist besonders für die Menschen interessant und lesenswert, die beim Essen einerseits zwar auf ihren Körper vertrauen, andererseits aber aufgrund der Diskrepanz zwischen eigenem Essverhalten und allgemeingültiger »gesunder« Ernährung immer wieder mit Gewissensbissen zu kämpfen haben: Kann ich wirklich nachts um zehn Uhr noch einen Teller Spaghetti essen, ohne dick zu werden und ohne dass die bösen »Kohlenhydrate am Abend« mich krank machen? Bekomme ich Krebs, weil ich jeden Tag Fleisch esse? Vertrocknen meine Organe, weil ich es nicht schaffe, jeden Tag zwei Liter Wasser zu trinken? Bin ich süchtig nach Süßigkeiten? Vielleicht sollte ich doch besser das »gesunde« Vollkornbrot oder Müsli essen statt Weißbrötchen mit Nutella oder Cornflakes? Habe ich heute auch schon genug Ballaststoffe gegessen (obgleich ich weiß, dass der unverdauliche Ballast fiese Fürze verursacht – aber »da muss ich ja durch, wenn ich mich gesund ernähren will«)? Alle diese überflüssigen Fragen, die die omnipräsente und nicht enden wollende Ernährungspropaganda in die Hirne vieler Menschen pflanzt, machen einem das Leben nur schwerer und verunsichern, sonst nichts.

Daher würde ich mich freuen, wenn sich alle Leser, die sich bei den obigen Fragen grundsätzlich wiedererkennen, durch dieses Buch bestärkt fühlen in einer neuen kulinarischen Lebensphilosophie: Ich esse, was ich will! Ich werde wieder auf meinen Hunger, meine Lust und meinen guten Geschmack vertrauen! Ich werde nicht länger auf Furchteinflößer und Verzichtspropagandisten hören, die gebetsmühlenartig predigen, genussvolles Essen sei die Quelle von Krankheit und Unglück! Es gibt so viele »gesunde« Ernährungen, wie es Menschen gibt, denn: Jeder Mensch is(s)t anders (frei adaptiert nach dem Psychotherapeuten Paul Watzlawick).