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Der Fischerhafen von Setúbal

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Der Reisende ist ein Reisender und kein Tourist.
Das ist ein großer Unterschied. Reisen heißt Entdecken,
alles andere ist nur Vorfinden.«

José Saramago (1922–2010),
portugiesischer Schriftsteller und Nobelpreisträger

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Burg von Marvão im Alentejo

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INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen in Portugal

PORTO UND DOUROTAL

  1Porto

  2Küstenorte im Großraum Porto

  3Amarante

  4Vila Real & Palácio Mateus

  5Das Portweinanbaugebiet

  6Lamego

  7Vila Nova de Foz Côa

TRÁS-OS-MONTES UND MINHO

  8Miranda do Douro

  9Bragança & Parque Natural de Montesinho

10Chaves

11Parque Nacional da Peneda-Gerês

12Guimarães

13Braga

14Viana do Castelo, Ponte de Lima, Ponte da Barca

15Rio Minho

CENTRO

16Aveiro

17Viseu & Umgebung

18Serra da Estrela

19Guarda & die Burgen im Grenzgebiet

20Coimbra

21Figueira da Foz & Montemor-o-Velho

22Serra de Lousã

23Batalha & Alcobaça

24Fátima & Ourém

25Tomar

26Nazaré & Peniche

27Óbidos & Umgebung

28Santarém, Constância & Abrantes

29Castelo Branco & die »Aldeias Históricas«

LISSABON UND UMGEBUNG

30Lissabon

31Cascais & Estoril

32Serra de Sintra

33Serra da Arrábida

34Mafra & Ericeira

ALENTEJO

35Portalegre, Castelo de Vide & Marvão

36Elvas

37Estremoz, Borba & Vila Viçosa

38Évora

39Monsaraz & Barragem de Alqueva

40Alcácer do Sal

41Costa Alentejana

42Beja

43Mértola & Mina de São Domingos

ALGARVE

44Costa Vicentina

45Serra de Monchique

46Lagos

47Silves

48Faro, Olhão & Tavira

49Loulé

50Alcoutim, Vila Real de Santo António & Castro Marim

REISEINFOS

Portugal von A bis Z

Festekalender

Kleiner Sprachführer

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Bom apetite e saúde – Essen und Trinken in Portugal

Porto – der köstliche Dessertwein

Bauen und Verzieren: Architektur und Azulejos

MEHR ERLEBEN

Vamos à praia! Die Portugiesen und ihre Strände

So klingt Portugal – Fado und Festivals

Portugal für Kinder und Familien

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Portugal lockt mit hübschen Fischerdörfern und wunderschönen Stränden, hier in Portimão.

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Das mittelalterliche Kleinod Óbidos in der historischen Provinz Estremadura

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Tanznachmittag in den Straßen von Setúbal

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Die Seele baumeln lassen, auf einem der Miradouros von Lissabon

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Castelo von Chaves in Nordportugal

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Sonnenanbeter und Wassersportler zieht es an Portugals herrliche Strände.

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In der grünen Mitte Portugals: eine Kirche bei Tomar

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

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Blick über den Douro auf die Altstadt von Porto

image Porto (S. 26)

Dieser Name steht zum einen natürlich für den weltweit bekannten Portwein. Die pulsierende Metropole des Nordens, die mit einer UNESCO-gekürten Innenstadt auftrumpfen kann, ist aber auch angesagte Universitätsstadt mit bunter Ausgehszene. Überall »stolpert« man über historische oder hochmoderne Sehenswürdigkeiten – ein Paradies für Hobbyfotografen.

image Dourotal (S. 48)

Zwischen steilen grünen Weinhängen schlängelt sich der Fluss, über den einst die Weinfässer nach Porto transportiert wurden. Altehrwürdige Quintas liegen am Ufer, sie öffnen gerne ihre Pforten für eine Weinprobe oder bieten im Herbst zur Weinleisezeit an, beim barfüßigen Stampfen zu helfen. Von den atemberaubenden Aussichtspunkten aus lässt sich das UNESCO-Weltkulturerbe Dourotal am besten bewundern.

image Guimarães (S. 80)

Die »Wiege Portugals« und Kulturhauptstadt 2012 hat sich ordentlich rausgeputzt. Sie verzaubert ihre Besucher mit lauschigen Gassen und Plätzen, der Burg des ersten Königs und dem frischen Vinho Verde, der in dieser Region wächst.

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Einsame Buchten und kleine Fischerdörfer prägen die Costa Vicentina im Südwesten Portugals.

image Rio Lima (S. 92)

Die Städte entlang des Rio Lima scheinen ein gut gehütetes Geheimnis zu sein. Nur wenige Touristen verirren sich in den nördlichen Teil des Minhos. Dabei versprühen Viana do Castelo, Ponte de Lima und Ponte da Barca so viel Charme, dass man am liebsten bleiben möchte. Friedvoll fließt der Rio Lima zum Atlantik, flankiert von grünen Weingärten und verziert mit historischen Brücken.

image Serra da Estrela (S. 116)

Fast 2000 Meter ragt der Torre, der höchste Berg Kontinentalportugals in die Höhe. Doch das »Sternengebirge« hat noch mehr zu bieten: Gewaltige Granitblöcke liegen herum, als ob ein Riese damit gespielt hätte, hübsche historische Dörfer säumen das Gebirge, und viele Wanderwege führen durch die Täler und über die Berge.

image Coimbra (S. 126)

Studenten in schwarzen Umhängen prägen das hübsche Stadtbild und füllen nachts die zahlreichen Kneipen und Fadolokale. Die Stadt am Mondego hat eine lange und bewegte Geschichte, die bis heute in vielen Bauwerken weiterlebt. Highlight ist die beeindruckende Uni-Bibliothek Biblioteca Joanina mit etwa 300 000 kostbaren Büchern.

image Batalha & Alcobaça (S. 140)

Die beiden UNESCO-geschützten Klöster im Centro sind Pflicht im Besichtigungsprogramm und in der Tat atemberaubend. Das Mosteiro da Batalha entstand im 14. Jahrhundert. Noch älter ist die ehemalige Zisterzienserabtei Mosteiro de Santa Maria de Alcobaça, die im 12. Jahrhundert vom ersten König Afonso Henriques gestiftet wurde.

image Lissabon (S. 176)

Oh Lisboa … Unzählige Fadolieder wurden der schönen Stadt am Tejo schon gewidmet, der Stadt des Lichts, der Stadt der sieben Hügel (inzwischen sind es viel mehr), der Stadt der Sehnsucht. Von der quirligen Baixa bis zu den Miradouros der Alfama, von der modernen EXPO bis zur jahrhundertealten Torre de Belém – Lissabon verführt …

image Évora (S. 214)

Weiß getünchte Häuser umranden liebenswerte Plätze, die Kathedrale bietet von ihrem Dach aus den perfekten Überblick, und in der Knochenkapelle des ehemaligen Franziskanerklosters lässt sich über die Vergänglichkeit des Seins philosophieren. Zwischen all den Zeugnissen der langen Geschichte schlendern heute Studenten zur Vorlesung und erstaunte Besucher ins Café.

image Costa Vicentina (S. 244)

Eine raue Schönheit umgibt die steilen, windumtosten Felsen der Südwestküste Portugals. Einsame Buchten, kleine Fischerdörfer, viele Surfer. Zwischen Sagres, dem hübschen Hafenstädtchen mit regem Fischereibetrieb, und dem romantischen Nest Odeceixe gibt es die besten Wellen und die unberührteste Natur des Südens.

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In einem der vielen Cafés kann man die besondere Atmosphäre Évoras auf sich wirken lassen.

WILLKOMMEN in Portugal

Kennen Sie Portugal? Das kleine, unscheinbare Land im äußersten Südwesten Europas ist vielen nur wenig bekannt. Man weiß, es gibt die sonnige Algarveküste, die pulsierende Hauptstadt Lissabon, melancholische Fadomusik, exzentrische Fußballstars und eine noch nicht ganz überwundene Wirtschaftskrise. Aber dass sich im Hinterland wunderschöne Gebirgslandschaften erstrecken, der Atlantik an einsamen Stränden zu einem Bad einlädt, dass es romantische Flusstäler, verwunschene Burgen, altehrwürdige Klöster und wertvolle Kirchen gibt, das alles gehört zu den wohl bestgehüteten Geheimnissen Europas. Ganz zu schweigen von den kulinarischen Schätzen der einzelnen Regionen und dem hervorragenden Wein, der an idyllischen grünen Hängen reift.

Das kleine Land hat eine große Geschichte: Die einst mächtige Seefahrernation hat viele Kriege, Naturkatastrophen und Krisen überstanden. Auch wenn es mal nicht so gut läuft, versuchen die Portugiesen, das Beste daraus zu machen und ebenso wie die Besucher die Schönheiten des Landes zu genießen. Das Leben ist zu kurz, um auf einen heiteren Strandtag, ein Treffen mit Freunden im Café oder ein schmackhaftes Gericht zu verzichten!

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Die Felsformationen von Lagos zieren zahlreiche Postkarten.

Vielfalt bei Klima und Natur

In Portugal gibt es auf kleinem Raum viele verschiedene Landschaften, und jede einzelne hat ihre Besonderheiten. An der rauen Westküste erstrecken sich kilometerlange Sandstrände, weiter im Süden und an der Algarve wechseln sie sich mit bizarren Felsbuchten ab. Vor allem im Westen sorgt der manchmal frische Atlantikwind auch im Sommer für leere Strände. Dafür tummeln sich dann auf den Weltklassewellen die Surfer. Baden kann man nicht nur im Atlantik, sondern auch an zahlreichen Flussbadestellen und Stauseen. Das Wasser der Seen wird im Sommer übrigens meistens wärmer als der offene Ozean, wo die Wassertemperatur an der Algarve maximal 22 °C erreicht, in Lissabon sogar nur 18 °C.

Im üppigen Norden regnet es am häufigsten, gut zu erkennen an den saftigen Weinbergen und den ganzjährig grünen Gemüsegärten. Insgesamt liegt der gesamte Norden sehr viel höher, die weiten Hochflächen werden nur von fruchtbaren Flusstälern unterbrochen. Im Zentrum erhebt sich die Serra da Estrela, ein Ausläufer der spanischen Kordilleren. Hier befindet sich mit dem beinahe 2000 Meter hohen Torre auch der höchste Berg Kontinentalportugals. Die Gebirge im Norden und Zentrum beeindrucken durch riesige Granitfelsen, karge Heidevegetation und manchmal fast rötliches Schiefergestein, das traditionell für den Bau von Häusern genutzt wurde. Problematisch sind die riesigen Eukalyptus- und Pinien-Monokulturen, deren Holz als Rohstoff an Papierfabriken verkauft wird. Diese Bäume laugen die Böden aus, senken den Grundwasserspiegel und sorgen jedes Jahr im Sommer aufs Neue dafür, dass Waldbrände Dörfer und Menschen bedrohen.

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Unterwegs im Land des Vinho Verde am Rio Lima

Richtung Süden werden die tiefer liegenden Ebenen immer ausgedehnter. Südlich des Tejos öffnen sich schier endlose Weiten, die im Sommer vor Hitze und Trockenheit flimmern. Hier bieten Olivenbäume und Korkeichen den einzigen Schatten. An der Algarve gibt es dann wieder Erhebungen bis zu 900 Metern Höhe, hinter denen sich die Urlaubsdomizile der Südküste vor dem Nordwind schützen.

Jahrtausendealte Hafensiedlungen haben sich zu pulsierenden Metropolen entwickelt. Porto und Lissabon sind auch im Sommer von Atlantikbrisen begünstigt, selten wird es unerträglich heiß. Im Winter kann es dann allerdings auch ordentlich feucht und kalt sein, so mancher Portugiese träumt dann in seiner klammen Wohnung von einer Zentralheizung. Im Sommer heiß, im Winter kalt ist es in den Orten im Landesinneren, wo die ausgleichende Wirkung des Atlantiks nachlässt.

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Straßenbahn in Porto

Bewegte »vorportugiesische« Geschichte

Zu den ältesten Spuren der Besiedlung des späteren Portugals gehören die Felszeichnungen von Foz Côa (ca. 18 000 v. Chr.). In der Jungsteinzeit, ab ca. 5000 v. Chr., hinterließen die Ureinwohner Dolmengräber, die z. B. im Alentejo oder bei Amarante freigelegt wurden. Einige Citânias oder Castros, Reste vorrömischer Hügelsiedlungen aus der Zeit bis 500 v. Chr., sind im Norden Portugals zu finden. Bevor die Römer nach den Punischen Kriegen das spätere Portugal besetzten, zogen verschiedene Volksstämme durch die Region und vermischten sich zu dem Volk der Lusitanier: Ligurer, Iberer, Kelten, Phönizier. 139 v. Chr. wurde der lusitanische Häuptling Viriatus ermordet, der Widerstand gegen die Römer war gebrochen – und es begann eine jahrhundertelange römische Epoche. Auch Straßen wurden angelegt, deren Wegführung teilweise noch heute genutzt wird.

Gestört wurde die römische Kolonie im 5. Jh. durch das Eindringen von Germanenheeren aus Mitteleuropa. Zunächst kamen die Sueben, Alanen und Vandalen, später die Westgoten, die wiederum die Alanen und Vandalen vertrieben. Von den Römern blieben bis auf ein paar archäologische Spuren nur die romanische Sprache und das Christentum. Im Jahr 711 ging es dann auch mit dem westgotischen Reich zu Ende. Die sowieso schon durch Zwistigkeiten zwischen den Adeligen geschwächten Territorien konnten von den aus Nordafrika einfallenden Arabern mit Leichtigkeit erobert werden. Und so begann die Herrschaft der Mauren, zumindest von der Algarve bis zum Douro. In die Bergregionen nördlich des Douros hatten sich die Westgoten und Sueben zurückgezogen. Die Rückeroberung begann im Norden der Iberischen Halbinsel, zog sich aber noch Jahrhunderte hin. 1094 erhielt Heinrich von Burgund von seinem Schwiegervater, König Afonso VI. von Kastilien-León, die Grafschaften Portucale und Coimbra als Dank für seine Taten in der Reconquista. Heinrichs Sohn Afonso Henriques schlug 1139 die Mauren in der Schlacht von Ourique und ließ sich zum König ausrufen. 40 Jahre später erkannte auch Papst Alexander III. die Unabhängigkeit von León an. Portugal ist damit der älteste Nationalstaat Europas.

Königreich Portugal: monarchistische Zeiten

Während der Dynastie Burgund, die mit Dom Afonso Henriques (Alfons I.) als erstem König im 12. Jh. begann, formte sich die portugiesische Nation. Die Mauren wurden im Jahr 1249 endgültig aus der Algarve vertrieben, die Wirtschaft erholte sich von den langen Reconquista-Kriegen, neue Städte wurden gegründet. Nur mit Kastilien hatte man immer wieder Auseinandersetzungen, so auch 1383, als nach dem Tod Fernandos I. der spanische König Juan Erbansprüche stellte. Die Dynastie Burgund starb mit Fernando aus, doch sein illegitimer Halbbruder João, ein Großmeister des Avis-Ordens, wurde zum neuen König benannt. Er schlug die Spanier in der Schlacht von Aljubarrota und konnte sich nun neuen Herausforderungen stellen: der Expansion über den Atlantik.

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Azulejo-Pracht in der Kirche Nossa Senhora da Conceição in Vila Viçosa

Das goldene Zeitalter und sein frühes Ende

Unter der Herrschaft der Avis-Dynastie, v. a. unter Manuel I., erlebte Portugal als mächtigste Seefahrernation das Goldene Zeitalter: 1498 entdeckte Vasco da Gama den Seeweg nach Indien, 1500 stieß Pedro Álvares Cabral auf Brasilien. Doch das Glück war nicht von Dauer: 1578 zog der junge und größenwahnsinnige König Sebastião in einen hoffnungslosen Eroberungskrieg nach Nordafrika, von wo er nie zurückkehrte. Er hatte noch keine Nachfolger, und auch sein Großonkel Henrique, der Kardinal von Lissabon war, blieb ohne Erben. Somit starb auch diese Dynastie 1580 aus.

Da der Habsburger Felipe II. durch die portugiesisch-spanische Heiratspolitik ebenfalls von Manuel I. abstammte, hatte er rechtmäßigen Anspruch auf den Thron, und es begann die 60 Jahre dauernde Personalunion mit Spanien, in der Portugal drei Generationen von Felipes als Herrscher ertragen musste. Bis heute gibt es das Sprichwort, dass aus dem Osten keine guten Winde und keine guten Heiraten kommen.

Erst mit dem Restaurationskrieg ab 1640 stellte Portugal mit dem Hause Bragança, das in nichtehelicher Linie ebenfalls auf João von Aviz zurückführte, wieder eigene Könige. Diese letzte Königsdynastie hatte das schlimme Erdbeben von Lissabon 1755 zu meistern, sie überlebte die Wirren der napoleonischen Invasion, indem sie 1807 nach Brasilien flüchtete und sich unter Pedro IV. mit einer liberalen Verfassung vom Absolutismus lossagte. Doch gegen die prekäre wirtschaftliche Lage und die immer stärker werdenden republikanischen Bewegungen konnte sie nichts unternehmen. Und so endete die portugiesische Monarchie 1910, nachdem König Carlos I. zusammen mit seinem Nachfolger Luís Filipe 1908 auf der Praça do Comércio in Lissabon ermordet wurde.

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Kulinarische Fachleute unterhalten sich: Marktszene in Aljezur an der Costa Vicentina.

Kurze Republik und lange Diktatur

Die erste Republik verlief in Portugal chaotisch und war von ständig wechselnden Regierungen bestimmt. Nach einem Militärputsch 1926 bat die Militärregierung den Wirtschaftsprofessor António Oliveira Salazar um Hilfe bei der Sanierung des Staatshaushalts. Er wurde 1928 zunächst Finanzminister, 1932 Ministerpräsident und regierte ab dann als faschistischer Diktator seinen sogenannten Estado Novo.

In den Jahrzehnten dieser repressiven Diktatur wurde das Volk mit der skrupellosen Geheimpolizei PIDE in Schach gehalten. Gegen Andersdenkende oder Oppositionelle wurde massiv vorgegangen. Lediglich die Wirtschaft schien sich in den Anfangsjahren etwas zu erholen. Doch in den 1960er-Jahren führten die geringen Löhne und die maroden Strukturen zu einer Massenabwanderung: Etwa zwei Millionen Portugiesen zogen als Gastarbeiter nach Mitteleuropa (bei einer Gesamtbevölkerung von unter zehn Millionen). Zudem verstrickte sich das Land ab 1961 in sinnlose Kolonialkriege, in denen Hunderte junger Portugiesen und jährlich etwa 50 Prozent des Staatsetats verheizt wurden. Beendet wurde das Elend 1974 mit der fast unblutigen »Nelkenrevolution«: Am 25. April stürzte das Militär selbst den Salazar-Nachfolger Manuel Caetano.

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Auf ein kurzes Schwätzchen: Zwei Generationen begegnen sich in Nazaré.

Demokratie und Wirtschaftssorgen

Unter der Führung der putschenden Militärs wurde eine neue Verfassung herausgearbeitet. Während des Übergangs waren zunächst linksgerichtete Strömungen (auch im Militär) vorherrschend. Erster Präsident wurde nach freien Wahlen allerdings der gemäßigte General Eanes. Damit begann der Weg Richtung »normaler« parlamentarischer Demokratie. Einfach war es nicht: Die Wirtschaft lag am Boden, die Analphabeten- und Kindersterblichkeitsquoten waren die höchsten in Europa. Kurzum, das Armenhaus Europas stand vor großen Herausforderungen. Hilfe kam ab 1986 von der Europäischen Gemeinschaft. Nach der Aufnahme in die EG begann eine Phase großer Förderungen und Finanzspritzen. Auch das Bildungsund Gesundheitssystem wurde verbessert, sodass es im Laufe der 1990er-Jahre bergauf ging. Einige Großprojekte wie die Fußball-EM 2004 oder die EXPO 1998 sorgten für einen Boom der Bauwirtschaft, Portugal wurde Anfang der 2000er-Jahre sogar kurzzeitig zum Einwanderungsland. Doch dann ließen die EU-Förderungen nach. Kommunen konnten Infrastruktureinrichtungen nicht mehr instand halten, die Schuldenlast wurde immer größer, und Portugal versank erneut in einer Wirtschaftskrise, die das Land von 2011 bis 2014 unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen ließ. Inzwischen hat sich die Situation etwas verbessert, die Wirtschaft erholt sich allmählich, und die sozialistische Regierung, die seit Ende 2015 im Amt ist, hat manche der doch allzu rigiden Sparmaßnahmen rückgängig gemacht. Zu aktuellen Hauptproblemen zählen jedoch noch die niedrigen Löhne, die nach wie vor für zu hohe Abwanderungszahlen sorgen.

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Bunte Lebensfreude in Ericeira, einem 10 000-Einwohner-Städtchen nordwestlich von Lissabon

Wie es zur Krise kam

Die gut zehn Millionen Portugiesen, die heute in Portugal leben, versuchen das Beste aus der Situation zu machen. An die Errungenschaften der Demokratie wird alljährlich zum 25. April mit bunten Friedensumzügen und feierlichen Reden erinnert, und bestimmt wünscht sich kaum jemand die Diktatur zurück. Die Schuld für die Krise der letzten Jahre wurde vor allem den vergangenen Regierungen und den anderen europäischen Mächten in die Schuhe geschoben. Dabei sind die Grundprobleme schon vor Jahrhunderten entstanden. Man machte sich abhängig von seinen Kolonien, die Könige lebten in Saus und Braus, der Aufbau einer effektiven Landwirtschaft im eigenen Land wurde vernachlässigt, ebenso die Bildung und das Gesundheitssystem. Die Abschottung während der Diktatur verhinderte eine industrielle Entwicklung, und auch nach der Einführung der Demokratie findet man in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst oftmals viel zu hierarchische und bürokratische Strukturen. Der Boom nach dem EG-Beitritt war eine Art Strohfeuer und förderte neben inzwischen leeren Autobahnen vor allem den Irrglauben, dass es Arbeit und Geld für alle gäbe und die Banken daher Kredite »verschenkten«. Dass diese Blase eines Tages platzen musste, war abzusehen.

Die drei »F«

Was macht nun den Portugiesen von heute aus? Die drei »F«, die schon unter Salazar als »Opium für das Volk« gehandelt wurden, spielen bis heute eine wichtige Rolle: Fußball, Fado, Fátima. Letzteres steht für den Marienwallfahrtsort, der alljährlich von Millionen Gläubigen aufgesucht wird. Fakt ist, der katholische Glaube spielt vor allem im Norden des Landes eine sehr wichtige Rolle. Fado, die oft herzzerreißende Musik, in der es um Sehnsucht und Schmerz aller Art geht, erklingt in den Fadolokalen in Lissabon und Coimbra. Dass diese Musik kein bisschen angestaubt ist, sieht man an den jungen Stars des Fadohimmels, die im In- und Ausland große Bühnen füllen. Das wichtigste »F« ist aber eindeutig der Fußball. Kein Tag vergeht ohne eine Schlagzeile über den FC Porto oder über die Lissabonner Vereine Sporting und Benfica. Spielt die Nationalmannschaft, ist der Zustand von Cristiano Ronaldos Knie wichtiger als jede Mehrwertsteuererhöhung. Zu den glücklichsten Momenten der letzten Jahre zählt jeder Portugiese den Gewinn der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich 2016 – es war der erste internationale Titel der selecão.

Fast jeder Einwohner Portugals hat Familienmitglieder im Ausland. Die großen Auswanderungsbewegungen in den 1960er-Jahren führten viele Gastarbeiter nach Frankreich, Luxemburg, Deutschland und in die Schweiz. Im Sommer kommen die Nachfahren der Emigranten zum Familienbesuch nach Hause, die meisten Dorffeste werden deshalb im August gefeiert. Wer es sich leisten kann, fährt im Sommer einige Tage mit der Familie an die Algarve, das traditionelle Urlaubsziel der Portugiesen. Fernreisen gibt es selten, und wenn, dann zum Besuch der Familienangehörigen im Ausland.

Zugegeben, die Portugiesen haben einen Hang zur Melancholie, doch es umgibt sie eine unerschütterliche Ruhe und Gelassenheit. Ganz nach dem Motto: Irgendwie werden wir die Krisen meistern, und in der Zwischenzeit genießen wir lieber das Leben. Ein spontanes Wochenende am Strand, rauschende Familienfeste, ein Nachmittag mit guten Freunden im Café – diese kleinen Lebensfreuden werden ausgiebig genossen. Bei jedem Dorf- oder Stadtfest sind alle auf den Beinen, von ganz jung bis ganz alt. Im Sommer duftet es wochenlang nach gegrillten Sardinen, weil ständig irgendwo eine Sardinhada stattfindet, Musikfestivals erfreuen sich größter Beliebtheit. Die Gastfreundlichkeit ist unübertroffen. Portugiesen sind leiser und zurückhaltender als Spanier, manchmal auch höflich distanziert. Doch lernt man sich richtig kennen, entstehen Freundschaften fürs Leben.

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Unvergessener Fußballstar: Luís Figo

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Kunst an Häuserwänden: Azulejos verzieren ganz Portugal.

Kunst und Kultur

Wer in Portugal Kunst sucht, muss gar nicht unbedingt ins Museum oder in die Kirche: Fantastische Azulejowände findet man in den U-Bahnstationen der Lissabonner Metro oder in vielen Bahnhöfen des Landes. Doch natürlich lohnen auch zahlreiche Museen einen Besuch, allen voran das Museu de Arte Antiga in Lissabon, wo zum Beispiel der im 15. Jahrhundert entstandene Vinzenz-Altar von Nuno Gonçalves und die Versuchung des Heiligen Antonius von Hieronymus Bosch zu bewundern sind. Ein Meister der Renaissancemalerei war Grão Vasco, dem ein sehenswertes Museum in Viseu gewidmet ist. Kunst aus allen Ländern und Epochen ist in der Gulbenkian-Stiftung in Lissabon ausgestellt, einer einzigartigen Privatsammlung. Moderne und zeitgenössische Kunst befindet sich etwa im Museu de Arte Contemporânea in der Fundação Serralves in Porto.

Portugal hat eine Reihe bemerkenswerter Literaten hervorgebracht. Allen voran den Nationaldichter Luís de Camões, der 1572 das Epos Os Lusíadas verfasste, in dem er in lyrischer Form die Entdeckungsfahrten der Portugiesen verherrlichte. Nach ihm wurde das Instituto Camões benannt, das weltweit die portugiesische Sprache und Kultur fördert. Der bedeutendste Vertreter des portugiesischen Realismus ist Eça de Queiroz (1845–1900). Der Romancier kritisierte die sozialen Umstände seiner Zeit. Fernando Pessoa (1888–1935) gilt neben Camões als wichtigster Lyriker Portugals. Er verfasste seine Werke hauptsächlich unter verschiedenen Heteronymen. Der italienische Autor Antonio Tabucchi (1943–2012) hat sich in vielen seiner Bücher mit Pessoa und seinen multiplen Persönlichkeiten beschäftigt. José Saramago (1922–2010) erhielt als bisher einziger Portugiese den Literaturnobelpreis. In zahlreichen, manchmal pessimistischen, manchmal surrealistischen Werken vermischt er historische Begebenheiten mit fiktiven Elementen. Die portugiesische Lyrik schlägt sich auch in der Musik nieder: In unzähligen Fadoliedern werden die Sehnsucht und der Weltschmerz, aber auch die Lebensfreude und die Hoffnung besungen.

Steckbrief Portugal

Lage: Portugal liegt im Westen der Iberischen Halbinsel. Im Osten und Norden grenzt das Land an Spanien bzw. Galizien, im Westen und Süden an den Atlantischen Ozean. Der westlichste Punkt Kontinentaleuropas befindet sich am Cabo da Roca bei Lissabon. Zu Portugal gehören außerdem die beiden Insel-Archipele Madeira und Azoren.

Fläche: 92 212 km2, von Nord nach Süd ca. 560 km, von West nach Ost etwa 220 km

Küste: 823 km misst die Atlantikküste (nur Festlandsportugal)

Grenze: Die 1215 km Landesgrenze zu Spanien sind seit 1297 weitgehend stabil. Damit ist Portugal das Land mit den ältesten Grenzen Europas.

Hauptstadt: Lissabon (Einwohnerzahl ca. 509 000, im Großraum ca. 2,8 Mio.)

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Amtssprache: Portugiesisch

Einwohner: 10,35 Mio.

Bevölkerungsdichte: 113 Einwohner pro km2 (vgl. Deutschland: 230 EW/km2)

Währung: Euro

Zeitzone: GMT (Greenwich Mean Time): eine Stunde vor der MEZ-Zone (Mitteleuropäische Zeit)

Staat und Verwaltung: Portugal ist eine parlamentarische Republik. Die vier wichtigsten Organe sind der Präsident, der alle fünf Jahre direkt gewählt wird, der Premierminister und sein Ministerrat, der vom Präsident ernannt wird, das Parlament sowie die Justiz.

Wirtschaft: Zwei Drittel des BIP werden im Dienstleistungssektor erwirtschaftet. Dabei spielt der Tourismus eine wichtige Rolle (ca. 60 Mio. Übernachtungen pro Jahr). Zu den bedeutendsten Exportprodukten gehört der aus Korkeichen gewonnene Rohkork. Das Land ist für seinen hochwertigen Weinanbau bekannt, insbesondere für den Portwein. In den letzten Jahren wurde das strukturschwache Land von einer Wirtschaftskrise gebeutelt, von der es sich nur langsam erholt. Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne sorgen noch immer für hohe Abwanderungszahlen.

Religion: Über 80 Prozent der Bevölkerung sind Katholiken. Vor allem im Norden Portugals spielt der katholische Glaube noch eine sehr wichtige Rolle. Andere christliche Religionen und Freikirchen machen etwa vier Prozent aus, während es nur kleine Gruppen von Muslimen, Juden, Buddhisten, Hindus und anderen Religionen gibt.

Geschichte im Überblick

1200 v. Chr.: Gründung phönizischer Handelssiedlungen

Ab 600 v. Chr.: Einwanderung der Kelten, die sich mit den Iberern zu Keltiberern vermischen

209 v. Chr.: Römer marschieren auf der Iberischen Halbinsel ein, erst mit dem Tod des Häuptlings Viriatus (139 v. Chr.) endet der Widerstand gegen Rom.

5. Jh.: Germanische Volksstämme dringen vor.

711: Beginn der arabischen (maurischen) Invasion

Ab 9. Jh: Beginn der christlichen Rückeroberung Portugals (Reconquista)

1095: Alfonso VI. von León übergibt seinem Schwiegersohn Heinrich von Burgund die Grafschaften Portucale und Coimbra.

1139: Heinrichs Sohn, Afonso Henriques, siegt über die Mauren in der Schlacht von Ourique. 40 Jahre später erkennt Papst Alexander III. die Unabhängigkeit von León an. Portugal ist damit der älteste Nationalstaat Europas.

1249: Abschluss der Reconquista mit der Eroberung der Algarve

1355: Afonso IV. lässt die Geliebte seines Sohnes Pedro I., Inês de Castro, wegen Hochverrats töten. Nach seiner Thronbesteigung 1357 rächt sich Pedro I. an den Mördern mit einer grausamen Hinrichtung.

1383: Nach Fernando I. endet die Herrschaft des Hauses Burgund. Pedros unehelicher Sohn João von Avis übernimmt den Thron, nachdem die kastilischen Ansprüche 1385 durch den Sieg in der Schlacht von Aljubarrota zurückgewiesen werden können.

Ab 1415: Dank der Initiative des Infanten Henrique (»Heinrich der Seefahrer«) werden Ceuta erobert und Madeira und die Azoren entdeckt.

1445: Portugal steigt in den Handel mit afrikanischen Sklaven ein.

1495–1521: Unter Manuel I. befindet sich Portugal dank der erfolgreichen Entdeckungsfahrten auf dem Höhepunkt seiner Macht.

1498: Vasco da Gama findet den Seeweg nach Indien, die Grundlagen für die Erschließung der »Gewürzroute« sind gelegt.

1500: Pedro Álvares Cabral landet in Brasilien und nimmt das Land für Portugal in Besitz.

1572: Die erste Ausgabe von Luís de Camões’ Nationalepos Os Lusíadas erscheint.

1578: König Sebastião I. fällt in der Schlacht von Alcácer-Quibir, Portugal ist ohne Thronfolger.

1580–1640: Nach dem Aussterben der Dynastie Avis übernimmt der spanische Felipe II. den Thron. Portugal wird nun in drei Generationen von den Felipes in Personalunion regiert.

1640: Der Herzog von Bragança wird als João IV. zum König gewählt, der Restaurationskrieg gegen Spanien beginnt und wird von Portugal gewonnen.

1755: Am 1. November zerstört ein schweres Erdbeben mit Großbrand und Tsunami Lissabon.

1807: Besetzung Portugals durch französische Truppen. Die Königsfamilie flieht nach Brasilien und regiert nun von Rio de Janeiro aus.

1811: Mit der Hilfe der Briten unter der Führung des Herzogs von Wellington werden die Franzosen geschlagen. Portugal ist befreit, die königliche Familie verbleibt jedoch in Brasilien.

1822: Brasilien wird unabhängig.

1826: Pedro überträgt die Königswürde seiner Tochter Maria, doch sein absolutistischer Bruder Miguel entthront sie und ruft sich selbst als König aus.

1831–1834: Miguelistenkrieg zwischen Pedro und den Liberalen einerseits, Miguel und den Absolutisten andererseits. Pedro siegt, Miguel geht ins Exil.

1908: Carlos I. und der Thronfolger Luís Filipe werden bei einem Attentat von republikanischen Kräften getötet. Manuel II. besteigt als letzter Monarch den Thron.

1910: Ende der Monarchie und Beginn einer instabilen ersten Republik

1932: Nach dem Militärputsch 1926 und der Berufung des Wirtschaftsprofessors António de Oliveira Salazar zum Finanzminister und später zum Ministerpräsidenten wird in Portugal der »Estado Novo« ausgerufen. Eine jahrzehntelange autoritäre Diktatur beginnt.

Ab 1961: Portugal verstrickt sich in langwierige Kolonialkriege in Afrika.

1968: Nach einem Schlaganfall Salazars übernimmt Marcelo Caetano das Amt des Regierungschefs.

1974: Am 25. April beendet die linksgerichtete »Bewegung der Streitkräfte« mit der unblutigen »Nelkenrevolution« die Diktatur.

1986: Portugal tritt der EG, der Europäischen Gemeinschaft, bei.

2011–2014: Die Wirtschaftskrise erreicht ihren Höhepunkt, Portugal schlüpft unter den EU-Rettungsschirm.

2016: Portugal wird Fußball-Europameister.

2017: Bei schweren Waldbränden sterben über 100 Menschen.

PORTO UND DOUROTAL

1Porto

2Küstenorte im Großraum Porto

3Amarante

4Vila Real & Palácio Mateus

5Das Portweinanbaugebiet

6Lamego

7Vila Nova de Foz Côa

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Die Rabelo-Boote wurden zum Transport des Portweins genutzt. Heute schmücken sie die Ufer des Douros in Porto.

1 Porto

Kunst und Kultur am Douro

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Porto ist die Metropole des Nordens. In Sachen Kunst, Kultur und Fußball stellt Porto seinen großen Rivalen Lissabon immer häufiger in den Schatten. Die Innenstadt gehört zum UNESCO-Welterbe und versprüht trotz der manchmal etwas renovierungsbedürftigen Fassaden einen herzlichen Charme – und das nicht nur im Ribeira-Viertel am Fluss. Es gibt wunderschöne Kirchen und Plätze, einen erstaunlichen Bahnhof und einen noch erstaunlicheren Börsenpalast.

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Porto von oben

Porto ist pure Poesie, voller granitener Monumente, uriger Gässchen und kolossaler Brücken. Die Stadt selbst zählt etwa 237 000 Einwohner, im Großraum Porto leben ca. 1,8 Mio. Menschen. Die Portuenses sind stolz auf ihre Stadt, ihren Fußballverein und ihre Traditionen. Und auf ihre ausgefallenen kulinarischen Kreationen. Wegen ihrer Vorliebe für Innereien (allen voran die Tripas à moda do Porto : Kutteln mit weißen Bohnen) werden sie sogar im restlichen Land als Tripeiros (Kuttelfresser) belächelt. Eine andere Spezialität hingegen mögen alle Portugiesen gerne: die mächtige Francesinha, ein mit Schinken, Wurst, Steak, Käse und Spiegelei überbackener Toast in einer Tomaten-Weinsoße.

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Hippes Publikum in historischen Gassen: das Ribeira-Viertel

Die unbesiegte Stadt mit ihrem lukrativen Hafen

Apropos Stolz: Portos Beiname ist »Cidade Invicta«, die unbesiegte Stadt. Ausnahmsweise bezieht sich das mal nicht auf den Fußball, sondern auf die Rolle Portos im Miguelistenkrieg von 1832–1834, als die Einwohner dem liberalen König Pedro IV. beistanden und alle Angriffe der absolutistischen Truppen seines Bruders Miguel abwehren konnten. Nach Pedros Sieg übergab dieser den Thron seiner Tochter Dona Maria II., die später den Namenszusatz ins Stadtwappen aufnahm. Dass Porto ein paar Jahre zuvor mehrmals von französischen Truppen eingenommen worden war und im Mittelalter über ein Jahrhundert lang von den Mauren besetzt war, übersah sie dabei ganz nachsichtig.

Porto heißt ja eigentlich nichts anderes als Hafen. Gemeint war früher aber nicht der moderne Containerhafen von Leixões, sondern die Anlegestellen am Flussufer des Douros. Schon die Kelten und die Römer hinterließen hier Spuren. Doch so richtig bergauf ging es, als sich Porto ab dem späten 15. Jahrhundert durch den Gewürzhandel mit den Kolonien zu einem der wichtigsten Handelshäfen Europas entwickelte. Und als dann auch noch die Engländer ihre Vorliebe für Portwein entdeckten und der Portweinhandel ab dem 18. Jahrhundert zur ertragreichsten Branche wurde, bildete sich in Porto ein selbstbewusstes Bürgertum aus Händlern und Produzenten, die in der Stadt den Ton angaben und liberale Bewegungen unterstützten. Kirche und Krone hatten im weltoffenen Porto weniger zu melden, und so wundert es nicht, dass eines der prächtigsten Gebäude der Stadt nicht etwa eine Kirche ist, sondern der Börsenpalast, der bis heute der Handelskammer gehört.

Avenida dos Aliados: das Herz der Stadt

Portos Herz schlägt an der Avenida dos Aliados. Hier finden die Siegesfeiern des FC Porto statt, und gibt es den Sommer über immer Konzerte. Die Kopfseite der lang gezogenen Hauptschlagader wird vom Rathaus überragt. An dem Granitbau wurde von 1920 bis 1957 gearbeitet. Überhaupt findet man in Porto unzählige Granithäuser: Die Fassaden an der Avenida dos Aliados sind beispielsweise harmonisch aus diesem Stein gearbeitet. Am unteren Ende des Platzes, hier Praça da Liberdade genannt, steht eine Reiterstatue des liberalen Königs Pedro IV. und die 1929 von Henrique Moreia geschaffene Skulptur A Juventude, eine steinerne nackte Frau, die auf einem hohen Sockel sitzt.

Nicht verpassen

PORTWEINKELLEREIEN IN VILA NOVA DE GAIA

Das Kuriose am Portwein ist, dass er außer dem Namen eigentlich gar nichts mit Porto zu tun hat. Die Trauben wachsen auf den Schieferbodenterrassen im Portweinanbaugebiet, das etwa 100 km flussaufwärts beginnt. Traditionell wurden die Weine mit sogenannten Rabelos über den Douro nach Vila Nova de Gaia (nicht nach Porto!) transportiert, wo sie zum Reifen für mehrere Jahre in die Caves kommen. Heute geht der Transport über die Straßen, die hübschen Schiffe liegen nur noch zu dekorativen Zwecken am Douro-Ufer. Bei einem Besuch in einer Portweinkellerei erfährt man alles über den besonderen Entstehungsprozess des Portweins, die Geheimnisse der Lagerung, und natürlich darf man dann auch probieren, was am Ende dabei rauskommt. Fast alle Kellereien bieten Führungen und Verkostungen an.

Zum Beispiel Burmester, Largo da Ponte D. Luís, Tel. 223 746 660, www.sogevinus.com

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Nicht verpassen

DAS MUSEUM UND DER PARK VON SERRALVES

Die Serralvesstiftung wurde 1989 mit dem Ziel gegründet, mehr Menschen für zeitgenössische Kunst und für die Umwelt zu sensibilisieren. So entstand auf dem Gelände des Grafen von Vizela im Westen Portos eine Mischung aus Museum, Park und ganz viel Kunst. Noch aus den 1940er-Jahren stammt die einstige Art-déco-Villa Casa de Serralves des als Textilfabrikant tätigen Grafen. Die Kunstausstellung erhielt 1999 ein neues Gebäude: Portos Stararchitekt Álvaro Siza Vieira schuf diesen Museumsneubau, in dem Werke zeitgenössischer Künstler ausgestellt werden. Auch im 18 Hektar großen Park gibt es Kunst: Moderne Skulpturen und skurrile Kunstobjekte mischen sich unter und zwischen eindrucksvolle Bäume und Pflanzen.

Fundação Serralves, Museu & Casa. Mo, Mi–Fr 10–18, Sa, So und im Sommer bis 19 Uhr, Rua D. João de Castro 210, www.serralves.pt

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Rund um die Rua Santa Catarina

Östlich der Avenida dos Aliados verläuft die Einkaufsstraße Rua Santa Catarina. Mehrere Jugendstilcafés und Art-déco-Gebäude verschönern die verkehrsberuhigte Straße. Ein Highlight ist das 1916 eröffnete Café Majestic, ein bildhübsches Kaffeehaus aus der Belle Époque. Zu diesem Stil passt auch das älteste Hotel der Stadt: Das Grande Hotel do Porto eröffnete 1880 und hat, wie man in der Galerie im Erdgeschoss sehen kann, unzählige Berühmtheiten beherbergt. Ebenfalls in der Rua Santa Catarina befinden sich das angenehme Einkaufszentrum Via Catarina und die schmiedeeiserne Markthalle des Mercado Bulhão. Dass die sogenannte Baixa von Porto nicht nur das Zentrum des Shoppings, sondern auch der Kultur ist, beweisen das Stadttheater Rivoli und das Coliseu, in dem Veranstaltungen und Konzerte stattfinden.

Auch westlich der Avenida dos Aliados gibt es viele interessante Läden. Zu den bemerkenswertesten gehört eindeutig die Livraria Lello. In dieser märchenhaften Jugendstil-Buchhandlung kann man sich gut vorstellen, dass Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling sich hier hat inspirieren lassen. Das nach dem Park Jardim da Cordoaria benannte Cordoaria-Viertel ist bestimmt von den granitenen Gebäuden der Universität und dem Wahrzeichen Portos, der Torre dos Clérigos. Der 76 Meter hohe Turm thront über der barocken Kirche, die im 18. Jahrhundert von Nicolau Nasoni gebaut wurde. Die 240 Stufen hinauf gehören zum Pflichtprogramm, denn die Aussicht vom Turm ist spektakulär. Die Carmo-Kirche mit ihrer azulejogeschmückten Ostfassade entstand ebenfalls im 18. Jahrhundert. Kurioserweise wurde sie direkt neben die Igreja das Carmelitas aus dem 17. Jahrhundert gebaut. Zusammen bilden sie eine interessante Fassadenkombination.

Rundgang durch das Zentrum

Portos Innenstadt lässt sich am besten zu Fuß erkunden, für die etwas außerhalb gelegenen Sehenswürdigkeiten empfehlen sich Taxis oder öffentliche Verkehrsmittel.

image Câmara Municipal – Der Rundgang startet am Rathaus am oberen Ende der Prachtstraße Avenida dos Aliados.

image Livraria Lello – Dieser Bücherladen ist einer der schönsten der Welt. Hinter der neogotischen Fassade verbirgt sich ein Jugendstilgebäude mit einer geschwungenen Holztreppe in der Mitte.

image Torre dos Clérigos – Der Turm der Klerikerkirche ist Portos Wahrzeichen und bietet von seiner 76 Meter hohen Turmspitze aus einen tollen Überblick.

image Estação de São Bento – 20 000 Kacheln zieren die Eingangshalle des Kopfbahnhofs, der 1916 an der Stelle eines Klosters errichtet wurde.

image Palácio da Bolsa – Der neoklassizistische Börsenpalast aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Macht und den Reichtum der Handelskammer.

image Igreja de São Francisco – Wo heute die Börse steht, befand sich einst das Franziskanerkloster. Übrig ist noch die üppig mit Gold verzierte Kirche.

image Ribeira – Das bunte Gassenviertel am Douro-Ufer versprüht mediterran-südländisches Flair.

image Ponte Dom Luís I. – Theófile Seyrig, ein Schüler Gustave Eiffels, baute von 1881 bis 1886 diese eiserne Brücke. Die untere Fahrbahn dient dem Straßenverkehr, die obere wird von der Metro befahren. Wir überqueren den Fluss zunächst auf der unteren Ebene.

image Jardim do Morro – Der Aufstieg lohnt sich, denn die schönste Aussicht auf Porto gibt es von Gaia aus: In diesem hübschen Stadtgärtchen startet auch die Seilbahn zu den Portweinkellern am Cais de Gaia.

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image Sé do Porto – Portos Kathedrale entstand Anfang des 12. Jahrhunderts im romanischen Stil hoch oben auf einem mächtigen Granithügel. Der Bau wurde im Barock und Rokoko stark verändert.

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Pikantes in der Markthalle Bolhão

Einfach gut!

EINE RUNDE ZUM STRAND UND ZURÜCK

Am schönsten ist es, mit der Straßenbahn 1 hinaus zur Douro-Mündung zu fahren. Die Linie startet am Börsenpalast und führt immer am Ufer entlang bis zum Passeio Alegre im edlen Vorort Foz do Douro. Ab hier geht es zu Fuß weiter, immer entlang der mit einem Radweg und vielen Monumenten gesäumten Küstenstraße. Man passiert mehrere Strandbuchten, erhält immer wieder schöne Aussichten und gelangt nach ca. drei Kilometern an die Forte de São Francisco Xavier. Diese Festung wird auch »Käseburg« (Castelo do Queijo) genannt, weil sie im 17. Jahrhundert auf einem Fels errichtet wurde, der an einen Käselaib erinnert. Direkt dahinter befindet sich das Sea Life Center, ein Aquarium mit fast 6000 marinen Lebewesen, vom Seepferdchen bis zum Hai. Zurück kann man einen der unzähligen Busse nehmen, die über die 5,5 Kilometer lange Avenida da Boavista in die Innenstadt fahren.

Auf Granit gebaut: Bahnhof und Kathedrale

Von der Avenida dos Aliados Richtung Südosten gelangt man nach wenigen Metern zum beeindruckenden São Bento-Bahnhof. Er wurde 1916 an der Stelle eines ehemaligen Klosters gebaut und zeigt in seiner Eingangshalle wundervolle Azulejo-Geschichten des Künstlers Jorge Colaço. Von hier aus ist man schnell an der Kathedrale auf dem Granithügel Pena Ventosa. Aus der einst romanischen Wehrkirche ist durch zahlreiche Umgestaltungen über die Jahrhunderte ein etwas uneinheitlicher Stilmix geworden. Nebenan erhebt sich der mächtige Bischofssitz.

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Einer der schmuckvollsten Bahnhöfe der Welt ist die Estação de São Bento.

Ribeira: Malerisches Uferviertel

Von hier aus geht es hinab ins lauschige Ribeira-Viertel mit seinen winzigen Gassen und Treppen. Die bunte Häuserfront am Douro-Ufer ist der Traum aller Fotografen, hier tummeln sich besonders viele Touristen – die Lokale haben sich darauf eingestellt. Flankiert wird die Ribeira von der eisernen Brücke Dom Luís I. aus den 1880er-Jahren. Der Eiffel-Schüler Theóphile Seyrig passte die Brücke mit einem brillanten Konzept an die besondere Felstopografie an. Westlich des Ribeira-Viertels befindet sich der beeindruckende Börsenpalast, der im 19. Jahrhundert von den Kaufleuten Portos finanziert wurde. Die Börse entstand auf dem Gelände des ehemaligen Franziskanerklosters, von dem noch die üppigst mit Gold verzierte Kirche übrig ist. Nur wenige Minuten von hier erhebt sich das mächtige Zollgebäude. Gegenüber der Alfândega gewinnt man im 5D-Kino Look at Porto (Rua da Atafona 6, tgl. 10–20 Uhr) eine aufregende neue Perspektive von Porto. Die ungewöhnliche Fassade wurde übrigens von dem portugiesischen Street-Art-Künstler Vhils gestaltet.

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Porto bei Nacht an der beleuchteten eisernen Brücke Ponte Dom Luís I.

Ein Abstecher in die Postmoderne: Casa da Música

Passend zum Kulturhauptstadtjahr 2001 sollte Porto ein neues Konzerthaus bekommen. Die von Rem Koolhaas und Ellen Van Loon entworfene Casa da Música wurde zwar erst 2005 fertig und wird als »Schuhschachtel« belächelt, dennoch gilt sie als das neue kulturelle Aushängeschild der Stadt. Allein die monolithische Form und die Mischung aus Sichtbeton, Aluminium und Glas ist ein architektonisches Kunstwerk. Im Inneren beeindruckt der Konzertsaal mit einer vergoldeten Holzvertäfelung. Das ausgeklügelte akustische Konzept bekommt man bei einer Führung erklärt. Es lohnt sich aber auch, ein Konzert zu besuchen.

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Postmoderne Architektur: Rem Koolhaas’ Casa da Música