image

Allgemeiner Hinweis:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

RUGBY

Athletiktraining

Ralf Iwan | Mark Sandmann | Jan Treuholz

image

Rugby – Athletiktraining

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2019 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

image Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

Gesamtherstellung: Print Consult GmbH, München

image

ISBN 978-3-8403-7646-7

eISBN 978-3-8403-3715-4

E-Mail: verlag@m-m-sports.com

www.dersportverlag.de

INHALT

Vorwort

Einführung in die Sportart Rugby (Ralf Iwan)

1Langfristiger Trainingsaufbau im Athletiktraining (Ralf Iwan)

1.1FUNdamentals: Spaß am Training

1.2Grundlagentraining: Lernen, um zu trainieren

1.3Aufbautraining I: Grundlagen schaffen

1.4Aufbautraining II: Trainieren, um zu spielen

1.5Anschlusstraining: Trainieren, spielen und gewinnen

1.6Hochleistungstraining: Die Weltspitze als Ziel

2Periodisierung (Ralf Iwan)

2.1Mehrjahrespläne – langfristiger Trainingsaufbau

2.2Makrozyklus: Saisonplanung: Vorbereitung – Saison – Übergang

2.3Mesozyklus: Saisonabschnitte

2.4Mikrozyklus: Wochenpläne

2.5Die Trainingseinheit

3Die Rolle und Kompetenzen des Trainers (Ralf Iwan)

3.1Sozial-kommunikative Kompetenz

3.2Fachkompetenz

3.3Methodenkompetenz

3.4Strategische Kompetenz

4Anforderungsprofil Rugby (Jan Treuholz)

5Sportmotorische Tests im Rugby (Jan Treuholz)

5.1Körpermaße

5.2Skalen und Fragebögen

5.3Screeningverfahren

5.4Ausdauertests

5.5Maximalkrafttests

5.6Standhochsprung

5.7Sprintwerte

5.8Test für die Agilität

6Grundlagen der Physiologie im Athletiktraining (Mark Sandmann)

6.1Muskelphysiologie

6.1.1Drei Arten Muskelgewebe

6.1.2Die motorische Einheit ME (α-Motoneuronen plus innervierte Muskelfasern)

6.1.3Der Aufbau des Muskels (Gesamtmuskel)

6.1.4Der Ablauf einer Muskelkontraktion (Kontraktion der Skelettmuskulatur)

6.1.5Die Unterscheidung nach Fasertypen

6.1.6Was bedeutet die Faserstruktur im Athletiktraining?

6.2Das zentrale Nervensystem

7Ausdauer (Jan Treuholz)

7.1Conditioning Games

7.2Andere Methoden des Ausdauertrainings

8Kraft (Mark Sandmann)

8.1Kraftfähigkeiten unterscheiden

8.1.1Maximalkraft

8.1.2Schnellkraft

8.1.3Startkraft

8.1.4Explosivkraft

8.1.5Kraftausdauer

8.1.6Reaktivkraft (Plyometrie)

8.2Krafttraining im Rugby

8.2.1Krafttraining für 7er- und 15er-Rugby (Union)

8.2.2Kraftwertvorgaben für minimale Anforderungen (internationaler Vergleich)

8.2.3Exkurs: Spezialisten für Spezialisten

8.2.4Allgemeine Hinweise zum Krafttraining

8.2.5Der langfristige Leistungsaufbau im Krafttraining

9Entwicklung der koordinativen und konditionellen Fähigkeiten (Mark Sandmann)

9.1Exkurs: Epiphysen

9.2Zusammenfassung: Langfristiger Leistungsaufbau

10Krafttraining: Was ist das? (Mark Sandmann)

10.1Grundprinzipien des Krafttrainings

10.2Trainingsübungen und Herangehensweise

10.2.1Die Grundübungen

Exkurs: Anatomie des Knies

a)Die Kniebeuge

Einleitung

Kniebeuge hinten

Kniebeuge vorn

Über-Kopf-Kniebeuge (Reißkniebeuge)

b)Kreuzheben

c)Bankdrücken

d)Langhantel: Rudern, vorgebeugt

e)Klimmzug

f)Dips

g)Kraftdrücken

h)Hip Thrusts

i)Bulgarian Split Squats

j)(Anti-)Rotation (mit Bodenbefestigung)

k)Langhantelrollen

10.2.2Gewichtheben – Olympic Lifts

a)Reißen

b)Standumsetzen

c)Exkurs: Equipment

d)Olympisches Gewichtheben lehren – Unterstützung für den Trainer

10.2.3Spezielle Übungen für Fortgeschrittene – Strongmanübungen

a)Loglift (Baumstamm heben)

b)Atlas-Steine

10.3Maximalkraft sicher testen

11Schnelligkeit (Jan Treuholz)

11.1Grundlagen der Schnelligkeit

11.2Schnelligkeitstraining in der Praxis

11.2.1Nieder-hoch-Sprünge

11.2.2Tappings

11.2.3Leiterdrills und Linientappings

11.2.4Fangübungen für die Reaktionsschnelligkeit

11.2.5Dem Partner ausweichen

11.2.6Reagieren und Passen

11.2.7Sprinttraining

11.2.8Training der Handlungsschnelligkeit

12Agilität (Jan Treuholz)

12.1Grundlagen der Agilität

12.2Test und Training der Agilität

13Beweglichkeit (Jan Treuholz)

13.1Grundlagen der Beweglichkeit

13.2Training der Beweglichkeit

14Trainingsformen und ihr Nutzen für Rugby (Mark Sandmann)

14.1CrossFit

14.2Kettlebell (Kugelhantel)

14.3Freeletics oder Calisthenics (Training mit dem Körpergewicht)

14.4Powerlifting oder Kraftdreikampf

14.5Strongman

14.6Freihanteltraining und olympisches Gewichtheben

14.7Exkurs 1 Sportartspezifisches/funktionelles Krafttraining

14.8Exkurs 2: Training auf instabilem Untergrund

14.9Exkurs 3: Die Legende von speziellen, funktionellen „Core-Stability“-Übungen

15Verletzungsprävention (Jan Treuholz)

15.1Prävention von Verletzungen

15.2Präventions- und Erwärmungsprogramm

16Ernährung und Regeneration (Mark Sandmann)

16.1Ernährung

16.1.1Die Nährstoffe

Kohlenhydrate

Eiweiß

Fett

Vitamine

Mineralien

Elektrolyte (Mineralien)

16.1.2Hydration

16.1.3Der Teller als Maßeinheit: Der kleine Ernährungsguide

16.1.4Essen vor dem Training oder dem Spiel

16.1.5Alkohol und Nikotin

16.2Regeneration

16.2.1Belastung definieren

Physischer Stress – Trainingsreize

Psychischer Stress – Training, Spiel und Alltag

Andere Stressfaktoren

16.2.2Wie wir Disstress vermeiden: (Do’s and Don’ts)

16.2.3Exkurs: Mentale Spielvorbereitung

16.2.4Sympathikus und Parasympathikus

16.2.5Stressoren und Notfallfunktionen

16.2.6Belastung einschätzen – die „Borg-Skala”

16.2.7Übertraining

Indikation für Übertraining

Maßnahmen, um Übertraining vorzubeugen

16.2.8Fazit: Stress und Belastung

16.2.9Formen der Regeneration

Aktive Regeneration

Passive Regeneration

Schlaf

16.2.10Exkurs: Endokrinologie – die Hormone

16.2.11Strategien zur optimalen Regeneration

16.2.12Das Recoveryprotokoll

16.2.13Fazit: Regeneration

17Praxisbeispiele Athletiktraining

17.1Grundlagentraining

17.1.1Wochenplan Krafttraining

17.1.2Wochenpläne Ausdauertraining

17.1.3Trainingsplan für die Hypertrophie

17.1.4Trainingsplan für die Maximalkraft

17.1.5Trainingsplan für Kraft und Power

17.1.6Allgemeines zum Aufwärmen vor dem Krafttraining

17.2Krafttraining im Saisonverlauf

17.3Wochenpläne Schnelligkeitstraining

Anhang

1Literaturliste

2Die Autoren

3Bildnachweis

4Stimmen zum Buch

VORWORT

Wie in allen anderen Spielsportarten auch, so sind die konditionellen Fähigkeiten der Spieler – neben Technik und Taktik – eine entscheidende Komponente der sportlichen Leistungsfähigkeit. Das ist auch im Rugby nicht anders. Daher ist es nur folgerichtig, dass im vorliegenden Buch der Bereich Athletiktraining für die Sportart Rugby gesondert behandelt wird.

Die Einzigartigkeit dieses Buchs macht die Zusammenarbeit der drei Autoren aus, die eine Kombination aus langjähriger Erfahrung im internationalen Leistungssport, aus fachlicher Kompetenz und aus tagtäglicher Erfahrung eines hauptberuflichen Athletiktrainers und die rugbyspezifische Anwendung eines Rugbytrainers vereint.

Als Rahmentrainingskonzept zeigt dieses Buch den Ausbildungsweg im Athletikbereich für Rugbyspieler vom Grundlagentraining bis in den Hochleistungsbereich auf.

Nach einer kurzen Vorstellung der Sportart geht Diplom-Trainer Ralf Iwan auf den langfristigen Trainingsaufbau vom Grundlagentraining bis zum Hochleistungstraining ein. Er befasst sich mit den Kompetenzen des Trainers und beschreibt das Profil eines idealtypischen Trainers im heutigen Umfeld des Leistungssports.

Das Anforderungsprofil der Sportart wird von Diplom-Sportwissenschaftler und Rugbytrainer Jan Treuholz erarbeitet und dem Leser werden rugbyspezifische Testverfahren im Athletiktraining beschrieben, um den Leistungsstand von Spielern zu erfassen.

Nachdem der World-Rugby-Athletiktrainer und DOSB-Trainerausbilder Mark Sandmann umfangreiche theoretische Grundlagen für den Bereich des Athletiktrainings gegeben hat, geht es in die Trainingspraxis.

Dass neben dem Training auch die Regeneration, Ernährung und der Lebensstil von Sportlern wichtig ist, um eine optimale sportliche Leistung zu erzielen, erklären die Autoren in einem gesonderten Kapitel und geben dazu aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung fundierte Tipps für den Trainingsalltag.

Den besonderen Praxisbezug unterstreichen die Autoren durch die vielen, bebilderten und kommentierten Trainingsübungen sowie die praxisnahen Vorschläge zur Trainingsgestaltung im Rugby-Athletiktraining.

An der vorliegenden Konzeption können sich vor allem Athletiktrainer – nicht nur im Rugby –, aber auch Rugbytrainer schrittweise und langfristig orientieren.

Ich freue mich, dass mit dem vorliegenden Buch ein fachlich sehr gutes und vor allem praxisbezogenes Werk für das Athletiktraining in unserer Sportart vorliegt.

Peter Smutna – DRV-Ausbildungsleiter

EINFÜHRUNG IN DIE SPORTART RUGBY

Ralf Iwan

Einer der unvergessenen Momente der Olympischen Spiele in Rio 2016 bleibt der Triumph des winzigen Inselstaates Fidschi über Großbritannien im 7er-Rugby. Rugby ist aufregend, es fesselt die Massen. Ein moderner Kampf der Gladiatoren. 12 Millionen Menschen weltweit betreiben begeistert diesen dynamischen Sport, der den perfekten Athleten in einem weckt. Blitzschnell im Sprint mit dem Ball, stark im Kontakt, ein filigraner Ballkünstler mit der Hand und dem Fuß gleichermaßen. Aber woher kommt diese Sportart eigentlich?

Spricht oder schreibt man heute über Rugby, so meint man vor allem Rugby Union. Aber es gibt noch eine weitere Variante: Rugby League. Beide Spielformen unterscheiden sich dem Spielgedanken und den Regeln nach ein wenig. Wir fokussieren uns aber bei unseren Betrachtungen hier auf Rugby Union, das in den Formaten 15er-Rugby und in der olympischen Variante, dem 7er-Rugby, gespielt wird.

Angefangen hat wohl alles im Jahr 1823, als bei einem Fußballspiel im mittelenglischen Örtchen Rugby ein Spieler Namens William Webb Ellis auf einmal den Ball in die Hand nahm und in das gegnerische Tor stürmte. Eine neue Sportart war erfunden! Auch wenn es schon ein paar Tage her ist: Es muss wohl etwas an der Geschichte dran sein. Ellis hat einen fast mythischen Status in der weltweiten Rugbygemeinde. Jedenfalls ist die Siegertrophäe des Rugby World Cups – der Rugbyweltmeisterschaften – nach ihm benannt.

Von England aus nahm die Verbreitung der Sportart ihren Lauf. Zunächst in den Ländern des englischen Commonwealth und später darüber hinaus. Heute sind im Weltverband World Rugby, der in Dublin seinen Hauptsitz hat, 119 Länder Mitglied. Auch der Deutsche Rugby Verband, gegründet 1900, ist Mitglied bei World Rugby. Obwohl Rugby schon lange ein weltweiter Sport ist, der auch an Schulen seinen festen Platz im Lehrplan hat, setzte die Professionalisierung im Rugby erst spät ein.

Lange war man sehr stolz, noch nicht kommerzialisiert zu sein und ohne Werbung auf den Trikots auszukommen. Erst Mitte der 1990er-Jahre setzte mit der Einführung des Privatfernsehens in Australien die Professionalisierung ein. Gespielt wird heute in professionellen Ligen u. a. in England, Schottland, Frankreich, Australien und Neuseeland. Interessant dabei: Einige Ligen operieren länderübergreifend, das heißt, es spielen Mannschaften aus verschiedenen Ländern mit.

Erst seit 1987 gibt es eine offizielle Weltmeisterschaft im Rugby: den Rugby World Cup, der alle vier Jahre ausgetragen wird und sich seitdem zum drittgrößten medialen Sportereignis entwickelt hat. Erfolgreichste Nation im Rugby ist Neuseeland, das sowohl mit den Männer- als auch mit den Frauen-Nationalmannschaften seit Mitte der 1990er-Jahre das Maß aller Dinge ist. Die All Blacks – wie die Männer-Nationalmannschaft genannt wird – mit ihrem berühmten Haka hat drei der bisher acht ausgetragenen Wettbewerbe gewonnen. Die weiteren Nationen: Australien mit zwei Titeln, Südafrika und England. Überhaupt: Beim Rugby geht es vor allem um den sportlichen Wettbewerb zwischen Nord und Süd, zwischen der nördlichen und der südlichen Hemisphäre. England war bis heute die einzige Mannschaft der nördlichen Hemisphäre, die im 15er-Rugby einen Weltmeistertitel gewonnen hat.

Etwas anders sieht die Wettkampfstruktur Im olympischen 7er-Rugby aus. Das 7er-Rugby wird nicht in Ligen ausgetragen, sondern in Turnierform und in Turnierserien. National werden hier Turnierserien veranstaltet, international ist die Sevens World Series seit 1999 das Maß aller Dinge. Hier spielen die Nationalmannschaften der 16 qualifizierten Kernmannschaften im Rahmen einer globalen Turnierserie um den Titel. Auch hier dominieren die All Blacks mit 13 Titeln (Stand: 2018).

Die ersten Weltmeisterschaften der Männer im 7er-Rugby, der Rugby World Cup Sevens, fanden 1993 in Schottland statt. In den darauf folgenden sieben Turnieren konnten auch hier dreimal die All Blacks den Titel gewinnen, zweimal Fidschi, einmal Wales und einmal England. Seit 2009 gibt es auch den Rugby World Cup Sevens der Frauen, bei dem – keine Überraschung – zweimal Neuseeland und einmal Australien den Titel gewonnen hat.

Mit dem weltweiten Aufschwung der Sportart Rugby wurde auch der gesamte Trainingsprozess immer wichtiger. Die Sportwissenschaften haben heute längst Einzug gehalten in eine Mannschaftssportart, die weltweit immer mehr Anhänger findet: sowohl im Leistungssport als auch im Freizeit- und Breitensport, bei Jungen und Mädchen.

Spieler träumen nicht nur den Traum, eventuell Profi zu werden, sondern vielleicht auch einmal in ihrer Sportlerkarriere an Olympischen Spielen teilzunehmen.

Der Weg dahin ist lang und will gut vorbereitet sein. Rugbyspieler sind vielleicht die komplettesten Athleten einer Spielsportart, bei denen es neben erstklassigen Bewegungseigenschaften und technischen Voraussetzungen sowie Spielübersicht auch um eine umfassende Ausbildung der körperlichen Fitness geht. Im Mittelpunkt steht eine optimale Ausbildung der konditionellen Fähigkeiten wie Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Gewandtheit.

image

1LANGFRISTIGER TRAININGSAUFBAU IM ATHLETIKTRAINING

Ralf Iwan

„Eine lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt.” (chinesisches Sprichwort)

Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt in der sportlichen Ausbildung keine Abkürzungen, die man nehmen kann! Nicht in der technischen Ausbildung und nicht in der athletischen Ausbildung. Es kommt im Sport darauf an, Schritt für Schritt und dem aktuellen Leistungsniveau des Sportlers angepasst, das Training nach sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten aufzubauen. Das ist die Aufgabe des Trainers. Hierzu teilt man auch im Rugby die Trainingsphasen in verschiedene Abschnitte ein:

1.Grundlagentraining,

2.Aufbautraining,

3.Anschlusstraining sowie

4.Hochleistungstraining.

Die Einteilung in die Abschnitte und das Alter richtet sich nach dem jeweiligen Höchstleistungsalter einer Sportart. Bei einigen Sportarten kann das Höchstleistungsalter beispielsweise schon deutlich unter 20 Jahren liegen.

Einen zweiten Gesichtspunkt bei der langfristigen Trainingsplanung muss man bei Sportarten mit zwei verschiedenen Formaten – wie dem Rugby – beachten. Rugby wird in zwei Varianten gespielt: im olympischen 7er-Rugby und im traditionellen 15er-Rugby. Das 7er-Rugby gilt gemeinhin als Einstiegsvariante in den Rugbysport. Nach dem Aufbauoder Anschlusstraining entscheiden sich Spieler bewusst für eine Karriere in dem einen oder anderen Format. Das Höchstleistungsalter im 7er-Rugby kann man bei 25-27 Jahren angeben. So ist z. B. das Durchschnittsalter der auf der Sevens World Series spielenden Spielerinnen bei 24,8 Jahren und bei den Männern 25,6 Jahre (Quelle: World Rugby).

Im 15er-Rugby erreichen Spieler auf manchen Positionen (z. B. Props) allerdings auch erst Ende 20 ihr Höchstleistungsalter. Allgemein kann man sagen, das Weltklasse-Rugbyspieler – wenn sie verletzungsfrei bleiben – durchaus noch mit Anfang 30 auf internationalem Niveau spielen können.

Die einzelnen Abschnitte des langfristigen Trainingsprozesses beschreiben altersbezogen die Zielstellungen, Trainingsinhalte und Besonderheiten in diesem Trainingsabschnitt.

1.1FUNDAMENTALS: SPASS AM TRAINING

Alter:

Jungen 6-9 Jahre/Mädchen 6-8 Jahre

Spielklasse:

U 8/U 10

Leistungsniveau:

Schulrugby/Vereinsrugby

Zielstellungen:

Im ersten Trainingsabschnitt gilt es, dem Kind alle grundlegenden Bewegungselemente, wie Laufen, Springen, Werfen oder Balancieren, zu vermitteln und dies möglichst oft in Spielform. Dies bedeutet, dass man den Kindern viele Spiele, viele Sportarten, viele neue Reize und Herausforderungen anbietet und in das Training einbaut.

Die Überschrift über allem sollte „Spaß” sein und ein spielerisches Kennenlernen von Training und Spaß an der Bewegung.

Besonderheiten in diesem Alters-/Trainingsabschnitt

In diesen Trainingsabschnitt fällt die erste „sensible Phase” in der menschlichen Entwicklung, die sich Trainer zunutze machen sollten. Im Bereich Schnelligkeit sprechen Mädchen im Alter von 6-8 Jahren und Jungen im Alter von 7-9 Jahren besonders gut auf Trainingsreize an.

Es ist die Zeit, in der die neuronale Anpassung, also das Lernen von neuen Bewegungen, besonders gut funktioniert. Hinzu kommt, dass die Ausschüttung des Transmitters Dopamin dafür sorgt, dass Kinder in diesem Alter neue Bewegungen lernen wollen und immer neue Herausforderungen und Aufgaben suchen. Der Trainingsumfang ist in dieser Altersklasse relativ gering.

1.2GRUNDLAGENTRAINING: LERNEN, UM ZU TRAINIEREN

Alter:

Jungen 10-12 Jahre/Mädchen 9-11 Jahre

Spielklasse:

U 12/U 14

Leistungsniveau:

Vereinstraining

Zielstellungen:

Das Grundlagentraining stellt den Übergang vom spaßorientierten und kindgerechten Training zu mehr zielgerichtetem Training dar. Dies betrifft sowohl die technisch-taktische Ausbildung als auch das Athletiktraining.

Besonderheiten in diesem Alters-/Trainingsabschnitt

Die Frage: „Darf man in diesem Alter schon mit strukturiertem Athletiktraining beginnen?”, muss man ganz klar mit „Ja” beantworten. Der heutige Alltag von Kindern und Jugendlichen ist oft gekennzeichnet durch mangelnde Bewegung und fehlende Spielerfahrung in der Freizeit. Computerspiele, Smartphones auf der einen Seite sowie schulische Belastung (oftmals Ganztagsschulen) auf der anderen Seite. Dies macht es notwendig, in den Spielsportarten zielgerichtet, leistungs- und altersgerecht Formen von Athletiktraining einzuplanen. Wie sieht es aber mit Krafttraining aus? Nun ist Krafttraining nicht gleichzusetzen mit Training an und mit Hanteln. Training mit dem eigenen Körpergewicht stellt in diesem Trainingsabschnitt eine wichtige Komponente im Krafttraining dar.

Dabei ist es durchaus möglich, dass Kinder relativ schnell beachtliche Kraftwerte durch entsprechendes Training entwickeln. Sofern ein qualitativ hochwertiger Bewegungsablauf beachtet und eine ausreichende Zeit für die Anpassung (Sehnen, Bänder) gegeben wurde, ist daran nichts auszusetzen. Das Grundlagentraining ist eine wichtige Phase in der Entwicklung, in der fundamentale Bewegungsabläufe und Fähigkeiten erlernt werden.

Während im Techniktraining hier Grundlagen mit dem Ball (Fangen und Werfen) gelegt werden sollten, kann im Athletiktraining in dieser Altersklasse bereits mit dem Erlernen von Hebetechniken begonnen werden, die im langfristigen Trainingsaufbau in Übungen wie Kniebeuge, Reißen oder Umsetzen führen. Dabei steht die Qualität – wie übrigens in allen Trainingsabschnitten – immer an erster Stelle. Man könnte diesen Abschnitt also auch als „Kinder lernen Krafttraining” bezeichnen.

Es bestehen noch immer Vorbehalte gegen ein Krafttraining bei Kindern, insbesondere vor der Pubertät. Die gängige Aussage ist, dass Krafttraining vor der Pubertät nicht wirkt, da keine Hormonausschüttung1 stattfindet.

Aktuelle Studien haben allerdings gezeigt, dass bei Kindern auch vor der Pubertät durchaus muskuläre Hypertrophie und im besonderen Maße Kraftzuwächse zu verzeichnen sind! Diese beruhen im Wesentlichen auf einer verbesserten intra- und intermuskulären Koordination.

Ein Phänomen, das übrigens auch bei Jugendlichen und Erwachsenen zu beobachten ist, die mit dem Krafttraining beginnen. Die ersten Zuwächse in der Kraft stammen stets von einer Verbesserung der inter- und intramuskulären Koordination, also einer Verbesserung des Zusammenspiels der Muskeln und damit in einer Optimierung der Abläufe über das zentrale Nervensystem (ZNS).

Genau diese Tatsache sollte uns den Grund liefern, auch mit Kindern bereits im Krafttraining zu arbeiten. Krafttraining bei Kindern bedeutet primär, Qualität in der Ausführung zu erlernen und zu optimieren. Es geht weniger um die Last als um die Bewegung. Selbstverständlich darf auch Last bewegt werden. Nur als Steuerungsgröße muss die Qualität der Bewegungen dienen.

Das Verhältnis von Training und Wettkampf liegt bei 70:30. Der Trainingsanteil ist also höher und sollte entsprechend vielseitig gestaltet und genutzt werden.

1.3AUFBAUTRAINING I: GRUNDLAGEN SCHAFFEN

Alter:

Jungen 13-16 Jahre/Mädchen 11-15 Jahre

Spielklasse:

U 14/U 16

Leistungsniveau:

Vereinstraining, Landesauswahl

Zielstellungen:

Rugbyspezifische Grundlagen sowohl im technisch-taktischen als auch im athletischen Bereich legen.

Besonderheiten in diesem Alters-/Trainingsabschnitt

Das Aufbautraining ist gekennzeichnet von der ersten puberalen Phase der Sportler. Keine einfache Phase für Eltern und Trainer! Entscheidungen und Anweisungen werden oft infrage gestellt. Jugendliche gehen nicht selten in Opposition zum Trainer. Gleichzeitig suchen Jugendliche aber auch in dieser Phase eine Bestätigung, wobei der Sport und das Training ein Schlüssel sein kann.

Im Athletiktraining ist dies eine sehr wichtige Phase! Im Krafttraining bietet sich in diesem Trainingsabschnitt bei den Mädchen nach der Menarche ein erster Einstieg an und führt hier zu schnellen Anpassungen. Bei Jungen eröffnen sich diese Möglichkeiten direkt nach dem größten Wachstumssprung. Dieser Phase des maximalen Längenwachstums gilt seitens des Trainers in diesem Trainingsabschnitt die ganze Aufmerksamkeit. Nach Abschluss der Wachstumsphasen kann hier zielgerichtet an der spezifischen Leistungsverbesserung in den verschiedenen Bereichen gearbeitet werden.

Mit dem starken Längenwachstum in diesem Alter geht nicht selten eine verminderte Beweglichkeit einher. In der Phase zwischen 12-16 Jahren muss daher ein besonderer Wert auf die Verbesserung der Mobilität gelegt werden, denn das Knochen-, Sehnen-, Bänderund Muskelwachstum führt häufig zu ungewollten Elastizitätsdefiziten. Auch hier wird eine Trainings- zu Wettkampffrequenz von 60:40 zugunsten des Trainings empfohlen.

In diesem Alter sollte nun – neben Übungen mit dem eigenen Körpergewicht – mit dem Erlernen bzw. stetigen Verbessern der olympischen Hebetechniken begonnen bzw. fortgefahren werden. Wichtig bei der Belastungssteuerung in diesem Alter ist nicht etwa das absolute Gewicht, das Spieler bewältigen, sondern das relative Gewicht, bezogen auf das eigene Körpergewicht! Im Folgenden eine Orientierung für Trainer.

Tab. 1.1: Zielwerte des Krafttrainings für Kinder und Jugendliche (unter 16 Jahren)2

Übung

Zielwert % zum Körpergewicht

Kniebeuge

100 %

Standumsetzen

60 %

Reißen

50 %

Romanian Deadlift

60 %

Beispiel: Ein 15-jähriger Junge hat ein Körpergewicht von 55 kg. Als Orientierung für die maximale Belastung bei den folgenden Übungen wären bei optimaler technischer Ausführung folgende Werte zu beachten:

Kniebeuge

100 % x 55 kg = 55,0 kg

Standumsetzen

60 % x 55 kg = 33,0 kg

Reißen

50 % x 55 kg = 27,5 kg

Romanian Deadlift

60 % x 55 kg = 33,0 kg

Auf die einzelnen Übungen, die technische Ausführung und die Lernschritte wird später in diesem Buch eingegangen. Selbstverständlich müssen wir als Trainer immer die individuelle Belastungsverträglichkeit und die Fähigkeiten der Sportler berücksichtigt werden.

So empfiehlt auch der Weltverband World Rugby in seiner Athletiktrainerausbildung eine gute Vorbereitung der Kinder auf ein späteres Krafttraining. Hierfür wird die sogenannte Anatomical Adaptation aufgeführt. Es handelt sich um simple, auf dem Widerstand des eigenen Körpergewichts basierende Übungen, um Kinder langsam auf die späteren Belastungen vorzubereiten und bereits eine qualitativ hochwertige Ausführung der Grundübungen zu gewährleisten.

Anatomical Adaptation und die Technik des Gewichthebens

Stufe 1 – Fokus auf der Qualität der Trainingsübungen (komplexe Grundlagen)

Kniebeuge (alle Formen, wie Kniebeuge hinten/vorne)

Kreuzheben

Über-Kopf-Kniebeuge oder Reißkniebeuge

Standumsetzen

Ausfallschrittkniebeuge

Kreuzheben mit steifen Beinen oder auch Romanian Deadlift

Liegestütz

Klimmzug (liegend/horizontal)

Sprünge (Plyometrie, Reaktivkraft)

Stufe 2 – die Grundformen der Technik sind automatisiert

Die erste Stufe gilt als abgeschlossen, sobald die oben genannten Übungen in hochwertiger Qualität durchgeführt werden können. Das bedeutet, dass ein eigenständiges Training der Spieler möglich ist und der Trainer nicht bei jeder Trainingseinheit Technikkorrekturen geben muss.

Fehlstellungen oder eine mangelhafte Ausführung darf es in der zweiten Stufe nicht mehr geben. Treten bei höherem Gewicht Fehler in der technischen Ausführung auf, so muss das Gewicht reduziert werden! Zur Gestaltung des Krafttrainings und der Belastung später mehr.

Stufe 3 – Testmethoden für die Maximalkraft

Im Krafttraining sind Maximalkrafttests unerlässlich, sofern man ein leistungssteigerndes Training entwerfen und durchführen möchte.

Zur Notwendigkeit gesellt sich dann sogar noch die besonders gute Überprüfung und Bewertung der Übungen und Werte.

Insbesondere bei Kniebeugen empfehlen sich RM (drei Wiederholungen), um sicher die maximale Last errechnen zu können.

Beispiel: Ein Spieler ist in der Lage – technisch einwandfrei – 3 x 50 kg in der Kniebeuge zu bewegen, man spricht von einem „3 RM“. Von dieser Leistung ausgehend, kann man dann sein 1 RM (maximale Belastung = 1 Wiederholung) bei ca. 55-57,5 kg errechnen. Es reicht also vollkommen aus, diese Werte im Nachgang zu berechnen. Wichtiger als der genaue Wert ist in diesem Altersabschnitt stets die Qualität der Bewegungsausführung.

Wichtig an dieser Stelle ist wieder, dass Trainingspläne stets individuell erstellt und umgesetzt werden müssen. Maximalkrafttests in diesem Altersabschnitt sind meines Erachtens wenig sinnvoll, sondern sollten erst im folgenden Trainingsabschnitt, dem Aufbautraining II, angewandt werden.

1.4AUFBAUTRAINING II: TRAINIEREN, UM ZU SPIELEN

Alter:

Jungen 16-18 Jahre/Mädchen 15-17 Jahre

Spielklasse:

U 16/U 18

Leistungsniveau:

Vereinsmannschaft, Landesauswahl, Jugend-Nationalmannschaft

Zielstellungen:

Im Training erlernte Fertigkeiten werden im Spielbetrieb angewendet und weiterentwickelt, wobei der Schwerpunkt nicht auf dem Gewinnen von Spielen liegen darf.

Besonderheiten in diesem Alters-/Trainingsabschnitt

Die Phase dient primär der Optimierung der Fitness sowie der Verbesserung der individuellen und positionsspezifischen Fähigkeiten.

Während in den vorangegangenen Phasen die Trainingshäufigkeit höher als die Spielhäufigkeit ist, wird in dieser Phase eine Aufteilung von 50:50 Trainings- zu Spielfrequenz bevorzugt.

Zum einen werden mit 50 % taktische Fähigkeiten sowie Fitness entwickelt, die anderen 50 % dienen zur Entwicklung des Wettkampfs und der wettkampfspezifischen Fertigkeiten.

Aus pädagogischer Sicht sollte den Spielern hier schon mehr Verantwortung für ihr Training eingeräumt werden. Gerade im Athletikbereich gilt es, den Spielern zu erklären, warum man entsprechende Übungen und Trainingsformen auswählt, wo Defizite im Athletikbereich bestehen und wie man diese verbessern wird. Dabei können und sollten dem Spieler durchaus auch eigene Bereiche des Athletiktrainings überlassen werden, die er individuell absolviert, wie z. B. das Aufwärmtraining. Spieler sollten die Hebetechniken beherrschen und in der Lage sein, sich im Kraftraum gegenseitig zu korrigieren.

Im Sinne der Bildung eines Teams eine wichtige Aufgabe, dass jeder Spieler nicht nur innerhalb des Spiels bestimmte Aufgaben und Rollen wahrnehmen muss, sondern im ersten Schritt für seine eigene Fitness verantwortlich ist.

1.5ANSCHLUSSTRAINING: TRAINIEREN, SPIELEN UND GEWINNEN

Alter:

männlich 19-23 Jahre, weiblich 17-22 Jahre

Spielklassen:

U 20, Herren, Damen

Leistungsniveau:

Bundesliga, Junioren-Nationalmannschaft

Zielstellungen:

Hier beginnt der Übergang zum Hochleistungssport. Erworbene Fähigkeiten aus dem Training werden im Spiel konsequent mit dem Ziel des Gewinnens angewendet.

Besonderheiten in diesem Alters-/Trainingsabschnitt

Die athletische Entwicklung sollte hier in die letzte und entscheidende Phase gehen. Der Trainingsumfang ist sehr hoch und ist gekennzeichnet durch eine ebenfalls hohe Intensität. Daher gilt es, für ausreichende Pausen zu sorgen, damit eine physische und psychische Überlastung vermieden wird. Dem gegenüber steht die Herausforderung, dass bei den Spielern mit dem Schulabschluss ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ein in den vergangenen Jahren gut organisiertes System aus Schule/Ausbildung und Leistungssport muss nun neu organisiert und strukturiert werden.

Die Spieler haben sich oft in dieser Altersklasse für ein Format (7er- oder 15er-Rugby) entschieden und trainieren nun ihren Zielsetzungen entsprechend, um für internationale Spiele und Turniere nominiert zu werden.

Das Verhältnis von Trainings- zu Wettkampffrequenz liegt nun bei 25:75, wobei die Wettkampfprozente ebenso wettkampfspezifisches Training und Aktivitäten beinhalten.

Im Athletiktraining orientieren sich die Inhalte und Belastungen in diesem Trainingsabschnitt bereits an denen der Herrenklasse, wobei auch hier wieder darauf hingewiesen werden muss: Qualität vor Quantität und individuelle Programme für den einzelnen Spieler vor generalisierten Programmen!

Hinzu kommt die Berücksichtigung des Trainingsalters. Das bedeutet, dass Spieler, die erst vor Kurzem zum Rugby gekommen sind und Defizite im athletischen Bereich haben, hier erst Grundlagen schaffen müssen.

1.6HOCHLEISTUNGSTRAINING: DIE WELTSPITZE ALS ZIEL

Alter:

23 Jahre und älter

Spielklassen:

Herren und Damen

Leistungsniveau:

Bundesliga, Landesauswahl, Nationalmannschaft

Zielstellungen:

Diese Phase hat zum Ziel, durch Spielbetrieb auf hohem bis höchstem Niveau national und international weitere Erfahrungen zu sammeln. Im athletischen Bereich gilt es, positionsspezifisch die konditionellen Eigenschaften weiter zu optimieren.

Besonderheiten in diesem Alters-/Trainingsabschnitt

In diesem Alters- und/oder Leistungsbereich muss eine gute bis sehr gute athletische Basis der Spieler gelegt worden sein, die es weiter zu optimieren gilt. Die Herausforderungen liegen aber hier – ähnlich wie im U-23-Anschlusstraining – nicht so sehr in der Einsicht, dass Athletiktraining wichtig und sinnvoll ist, sondern in den individuellen Möglichkeiten der Spieler.

Die grundlegenden Fähigkeiten des Athleten in Physis, Technik, Taktik, aber auch im mentalen Bereich, Persönlichkeit und Lebensstil sollten vollständig etabliert sein.

1Das für das Muskelwachstum wichtige Sexualhormon Testosteron wird in diesem Alter noch nicht ausreichend vom Körper gebildet.

2Alle Werte sollten niemals mit maximaler Last getestet werden.

2PERIODISIERUNG

Ralf Iwan

Der mehrjährige Trainingsprozess wird nun heruntergebrochen auf die Jahrespläne und in die einzelnen Abschnitte innerhalb eines Jahrestrainingsplans. Spieler können sich nicht fortlaufend in „Topform” befinden und so unterteilt man den Aufbau, Erhalt, aber auch den Verlust sportlicher Form in eine sich wiederholende Periodisierung.

Ein Trainingszyklus wird dabei in drei Phasen eingeteilt:

1.Vorbereitungsperiode,

2.Wettkampfperiode und

3.Übergangsperiode.

Je nach Sportart und Leistungsniveau des Sportlers kann sich dieser Zyklus ein-, zwei- oder dreimal im Jahr wiederholen. Klassisches Beispiel sind hier die Individualsportarten Schwimmen oder Leichtathletik, die sowohl in der Halle als auch im Freien Meisterschaften durchführen und so zweimal im Jahr einen Wettkampfhöhepunkt erreichen. Was für die Individualsportarten mit langen Trainings- und Vorbereitungszeiten und ohne Einwirkung von Gegnern während des Wettkampfs als machbar erscheint, ist für eine Mannschaftssport eine besondere Herausforderung.

Die Vorbereitungszeit für eine Saison beträgt oft nur wenige Wochen. Während der Spielzeit muss eine Mannschaft immer ein gewisses Level im athletischen, technischen, aber auch im taktischen Bereich aufweisen. Die Zeit zwischen der Hinrunde und der Rückrunde ist oft nicht sehr lang und in der Rückrunde ist wieder ein hohes spielerisches, aber auch ein entsprechendes athletisches Niveau gefordert. Als besondere Herausforderungen für die Athletiktrainer in den Mannschaftssportarten kommen die Verletzungen hinzu, die im Trainingsalltag berücksichtigt werden müssen.

Während noch vor einiger Zeit – nicht nur im Rugby – nach dem Motto „ein Plan für alle” das Training im Athletiktraining umgesetzt wurde, hat sich in den letzten Jahren zunehmend eine Individualisierung des Trainings herausgebildet. Das bedeutet, Spieler trainieren nicht nur positionsspezifisch (siehe Anforderungsprofil der Sportart), sondern in der Trainingsplanung und Umsetzung finden auch individuelle Stärken und Schwächen und eben auch akute Verletzungen Berücksichtigung.

Zunächst aber zur „klassischen” Planung des Trainingsprozesses und anschließend gehen wir dann auf die rugbyspezifische Saisonplanung ein.

Mehrjahrespläne – langfristiger Trainingsaufbau

Makrozyklus – Saisonplanung: Vorbereitung – Saison – Übergang

Mesozyklus – Saisonabschnitte

Mikrozyklus – Wochenpläne

Die Trainingseinheit

2.1MEHRJAHRESPLÄNE – LANGFRISTIGER TRAININGSAUFBAU

Unter Mehrjahresplanung versteht man vor allem die einzelnen Trainingsabschnitte vom Grundlagentraining über das Aufbau-, Anschlusstraining zum Hochleistungstraining. Jeder Abschnitt im langfristigen Trainingsaufbau umfasst zwischen 2-4 Jahre. Die Aufgabe des Trainers ist es, alterstypische Trainingsinhalte, wie im Kapitel zuvor beschrieben, bezogen auf die Trainingsziele, umzusetzen. Im Idealfall besteht ein Rahmentrainingskonzept, das genau diese einzelnen Trainingsabschnitte beschreibt und Ziele im Bereich Technik und Taktik definiert.

2.2MAKROZYKLUS: SAISONPLANUNG: VORBEREITUNG – SAISON – ÜBERGANG

Durch die Makrozyklen, die sich über mehrere Wochen erstrecken, erfährt die Jahresplanung von Vorbereitungs-, Wettkampf- und Übergangsphase eine Unterteilung, die eine bessere Steuerung des Trainingsprozesses erlaubt.

In der Vorbereitungsphase betragen Makrozyklen bei Individualsportarten 4-6 Wochen – und in der Wettkampfperiode 2-4 Wochen. Aber auch diese relativ kurzen klassischen Makrozyklen in der Wettkampfperiode haben sich in den letzten Jahren in der Sportart Rugby aufgrund der Kommerzialisierung und der Wettkampfformate stark verändert. Auch Rugbyspieler auf internationalem Niveau müssen heute ihr Leistungslevel über längere Zeiträume auf hohem Niveau halten, wollen sie bei den internationalen Turnieren gute Platzierungen erzielen oder im Meisterschaftsbetrieb wöchentlich ihre Leistung abrufen. Hier reicht es oft nicht, eine Periode von 2-4 Wochen auf hohem Leistungsniveau zu halten.

Die Übergangsperiode – zwischen zwei Saisons – wird als Phase des Formverlustes bezeichnet und es lässt Intensität und Umfang des Trainings nach. In vielen Sportarten wird eine „aktive Erholung” erreicht, indem andere Sportarten betrieben werden. Diese „Off-Season“ muss vom Athletiktrainer ebenfalls in einen langfristigen Trainingsaufbau mit eingeplant werden, um einen zu großen Leistungsabfall zu vermeiden. Zwar dienen solchen Phasen der Regeneration und auch der Rehabilitation nach Sportverletzungen, aber es gilt hier der Spruch: „Wer rastet, der rostet”, das heißt, ohne entsprechende Trainingsreize wird sich die sportliche Leistungsfähigkeit verschlechtern.

So betreiben Sportler oft Ausgleichssportarten in dieser Periode, um dem Körper alternative Belastungen und trotzdem ein Mindestmaß an Trainingsreizen zu geben. Ein bekanntes Beispiel aus dem Rugby ist der Neuseeländer Sunny Bill Williams, zweimaliger Weltmeister und Olympiasieger mit den All Blacks. Williams Sportart neben dem Rugby ist das Boxen, das er insbesondere in den Übergangsphasen zwischen jeder Saison intensiviert.

Auch die in Deutschland aufgrund der Witterung und den damit verbundenen widrigen Platzverhältnissen mehrmonatige Winterpause muss vom Athletiktrainer bei der Saisonplanung berücksichtigt werden.

Für diesen Zeitraum sind entsprechende Trainingsprogramme zu entwerfen, die den schnellen Einstieg in den Spielbetrieb nach der Pause auf einem entsprechend hohen physischen Leistungsniveau erlauben.

2.3MESOZYKLUS: SAISONABSCHNITTE

Der Mesozyklus umfasst in der klassischen Trainingsplanung eine Periodisierung von mehreren Wochen und bildet in seiner Gesamtheit einen Makrozyklus.

Während man in Individualsportarten die Mesozyklen nutzt, um besondere Schwerpunkte im Training zu setzen (z. B. konditionelle Grundlagen und Schwerpunkte, wie Kraft oder Schnelligkeit), gestaltet sich dieser Bereich in den Spielsportarten schwierig. Im Hochleistungstraining werden im 15er-Rugby im Meisterschaftsbetrieb wöchentlich Topleistungen erwartet, eine Fokussierung auf besondere athletische Komponenten ist hier kaum möglich. Ähnlich verhält es sich im Bereich des 7er-Rugbys bei den Turnieren auf der Sevens-Weltserie. Auch hier werden fast wöchentlich bei den Turnieren Topleistungen der Spieler erwartet.

Trotzdem gelingt es erfahrenen Trainern und Athletiktrainern, auch innerhalb einer Saison im Athletikbereich gewisse Schwerpunkte zu setzen. Diese sind natürlich immer abhängig von möglichen Verletzungen und Blessuren der Spieler, aber auch vom Trainingsabschnitt. So steht z. B. im Aufbautraining – wie im Kapitel zuvor beschrieben – das Training im Vordergrund und nicht das „Gewinnen um jeden Preis“.

Tab. 2.1: Einteilung in Saisonabschnitte

image

*Winterpause

2.4MIKROZYKLUS: WOCHENPLÄNE

Der Mikrozyklus umfasst in der klassischen Periodisierung mehrere Tage und meist arbeiten Trainer in einem Wochenrhythmus, der gleich einem Mikrozyklus ist. Das muss aber nicht sein! In der Leichtathletik gibt es durchaus Trainer in bestimmten Disziplinen, die in eine Woche mit 12 Trainingseinheiten drei Mikrozyklen à vier Trainingseinheiten legen, die inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.

Trotzdem hat sich die Wochenplanung als Mesozyklus bei den meisten Sportarten, insbesondere bei den Mannschaftssportarten, durchgesetzt.

Dabei setzen sich Wochenpläne jeweils gesonderte Trainingsziele, das gilt insbesondere für die Vorbereitungsphase einer Saison.

Die Verteilung der Trainingsinhalte, Aufgaben, Umfänge und Intensitäten ist in der Saison natürlich immer abhängig vom sportlichen Ergebnis eines Spieltags, von den Verletzungen einzelner Spieler sowie von der Gesamtbelastung (z. B. Wetter, Anreise etc.).

Im folgenden Beispiel ist exemplarisch eine Wochenplanung bzw. ein Wochenverlauf dargestellt:

Tab. 2.2: Schematische Belastungsverteilung im 15er-Rugby

image

Der Montag nach dem Sonntagsspiel dient zunächst der Erholung, Regeneration und der Physiotherapie. Die Trainingsintensität ist niedrig, mit einer „aktiven Erholung“ wird der Regenerationsprozess unterstützt. Der Dienstag lässt schon einen Anstieg der Intensitäten in der körperlichen Belastung erkennen, die am Mittwoch und Donnerstag dann zu einer maximalen Belastung führen, wobei im Athletiktraining (z. B. Krafttraining) am Mittwoch die Belastungsspitzen gesetzt werden. Die hohe Belastung am Donnerstag resultiert aus der Kombination von Mannschaftstraining und Athletiktraining. Der Freitag dient dann der Regeneration, um am Samstag mit einem leichten Training die Spieler auf die hohe Belastung am Sonntag vorzubereiten.

Der beschriebene Verlauf ist eine mögliche Variante, die für die gesamte Mannschaft – abhängig vom langfristigen Trainingsaufbau – gelten könnte. Allerdings ist es immer wichtiger, wie eingangs beschrieben, dass insbesondere im Athletikbereich auf individuelle Stärken und Schwächen der Spieler Rücksicht genommen wird, um so eine optimale physische Vorbereitung auf das nächste Spiel zu gewährleisten.

image

Abb. 2.1: Belastungen in der Wochenübersicht

Entscheidend für den Erfolg im Training ist die Verteilung der Trainingsinhalte und die Kombination von Athletiktraining, Mannschaftstraining und Individualtraining.

Darüber hinaus müssen Trainer immer wieder die Doppelbelastung (Schule/Ausbildung/Studium und Leistungssport) der Spieler in der Trainingsplanung und Umsetzung berücksichtigen. Dazu im folgenden Kapitel mehr.

Abschließend ist es für den langfristigen Erfolg als Trainer entscheidend, dass nicht nur eine Trainingsplanung und Umsetzung stattfindet, sondern auch eine Protokollierung und Auswertung. Dabei kann sich der Athletiktrainer auf gängige PC-Programme wie Excel® oder Word® stützen, oder cloudbasierte Softwareprogramme nutzen, die dem Trainer nicht nur eine übersichtliche Planung ermöglichen, sondern auch eine Protokollierung und schnelle Auswertung.

Darüber hinaus sollte jeder Trainer sein Training und die Ergebnisse in regelmäßigen Abständen (z. B. nach jedem Trainingsabschnitt oder auch nach jedem Mesozyklus) reflektieren und sich folgende Fragen stellen:

Entsprachen die Zielstellungen der Zusammensetzung und dem Leistungsstand der Mannschaft?

Wurden die örtlichen Trainingsbedingungen beachtet bzw. ausreichend genutzt?

Waren Umfang, Intensität und Schwierigkeitsgrad der Übungen für die Spieler angemessen?

Wurde der geplante zeitliche Verlauf bzw. die inhaltliche Akzentuierung in der Trainingseinheit eingehalten?

Wurde das Verhältnis zwischen Belastung und Erholung richtig gewählt?

Entsprachen die gewählten Methoden dem Ziel, der Alters- und Leistungsklasse und dem Inhalt der Trainingseinheit?

2.5DIE TRAININGSEINHEIT

Die kleinste Einheit in der Trainingsplanung ist die Trainingseinheit, die sich typischerweise in den

vorbereitenden Teil (Warm-up),

den Hauptteil und in den

abschließenden Teil (Cool-down)

gliedern lässt.

Und so, wie ein Haus aus vielen Steinen zusammengesetzt ist, so setzt sich ein Trainingsjahr aus manchmal Hunderten von Trainingseinheiten zusammen! Nicht jede Trainingseinheit kann dabei die gleiche Qualität haben, aber die Trainingseinheit ist immer noch die Grundlage eines guten und durchdachten Trainingsplans: auch in Mannschaftssportarten und insbesondere im Athletiktraining. Dabei sieht der Aufbau der Trainingseinheit wie folgt aus:

Warm-up (Vorbereitung)

„Unter der Vorbereitung versteht man das optimale Einstellen des Sportlers auf die Anforderungen der Trainingseinheit durch psychologische und pädagogische Verhaltensregulierung mit Hilfe der physischen Vorbelastung. Eine positive, bewußte Einstellung zu den Trainingsaufgaben erhöht den Trainingseffekt” (Harre, 1979, S. 250).