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Westend Verlag

Ebook Edition

Florian Kirner

Leichter als Luft

WESTEND_Crime

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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-763-4

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2019

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Erstes Buch: Shivas Paradize
Erster Teil: Ein welthistorischer Trip
Zweiter Teil: In der Bar zum Krokodil
Dritter Teil: Flucht ins Parallel­universum
Vierter Teil: Das Shiva Gate Festival
Zweites Buch: Berlin
Erster Teil: Balkonfrevel in Friedrichshain
Zweiter Teil: République Royale
Dritter Teil: Witterer der Wechsel­winde
Drittes Buch: Schloss Mont­golfière
Erster Teil: Die Zusammenkunft
Das abenteuerliche Leben des Graf Rochus von Tadelshofen
Zweiter Teil: Tanzende Schneeflocken
Dritter Teil: Operation Feuerball
Ken Jebsen im Telefoninterview mit Willy Wimmer; Staatssekretär im Verteidigungsministerium a.D.
Epilog am Indischen Ozean
Fußnoten

Erstes Buch
Shivas Paradize

Erster Teil
Ein welthistorischer Trip

Die Nutten hatten schon Feierabend, die Cracksüchtigen Schichtwechsel, die Bullen keinen Bock mehr – ein trügerischer Frieden lag über dem heimatlichen Rotlichtviertel. Als das Weazel kurz vor fünf durch die zweitkaputteste Strasse des Molochs schlurfte, gab es sich der berechtigten Illusion hin, die Sache sei endgültig gelaufen und vergeigt.

Eine Kellerkatakombe. Das braungebrannte Weazeltier hockte am Boden. Gebeugt über einen Wassereimer, in der Hand eine abgesägte Plastikflasche. Die vorgebliche Unkaputtbarkeit der Letzteren hatte sich als glatte Lüge erwiesen. Der Notfallplan. Genmanipuliertes Gewächshauskraut aus Free City Amsterdam sollte helfen, wo das LSD versagt hatte.

Wochenlang hatten sich die drei auf diesen Tag gefreut gehabt. Hatten extra nichts gegessen tagsüber, »um der diamantenen Himmelslucy den Weg durch die Blutbahn freizuschaufeln«, wie Donna Fauna feierlich verkündet hatte. Der Kanarienquex hatte seinerseits darauf bestanden, dass rund um die rituelle Einnahme der Substanz absolute Stille gehalten wurde.

War der Tripgott sauer? War das Acid zu alt oder falsch gelagert worden? Zwei Stunden später tat sich immer noch nichts. Gar nichts. Das war so was von demoralisierend. Die drei saßen rum wie eine Gruppe irritierter Jünger am See Genezareth. Bergpredigt abgesagt?!

Nach vier Stunden hatten sie es aufgegeben. Waren nach Hause gekrochen, ein jedes für sich. »Was für ein verkorkster Abend!«, grunzte das Weazel und entzündete ein Streichholz. Es ging aus. Ein zweites. Das brannte. Dass man immer erst schimpfen muss, ärgerte sich das Weazel und setzte die zur Bong umgebaute Plastikflasche an seine Lippen. Eine Ewigkeit von Atemzug, dann hielt das Weazel inne. Lange Sekunden stand der Rauch wie ein Kegel im Körper. Dann leitete das Weazel die Schubumkehr ein und ließ die Schwaden langsam und gleichmäßig durch die Nasenflügel entweichen.

Der Einschlag kam mit solcher Urwucht, dass der Rückstoß das Weazel gegen den Betonpfeiler in seinem Rücken presste. Vor dem inneren Weazel-Auge lief eine Filmsequenz ab: eine dünnglasige Ampulle mit bläulich schimmernder Flüssigkeit, schwebend in der linken Gehirnhälfte. Der langsamere Sound von berstendem Glas.

Das Weazel holte tief Luft und wollte grade beginnen, sich gedanklich neu zu sortieren, da schepperte es erneut. Ohne Vorwarnung detonierte eine zweite Sprengladung, ging hoch im Zentrum der noch unversehrten, rechten Gehirnhälfte, präzise platziert. Die Kontrollsysteme gaben als letzte Amtshandlung roten Alarm, das Weazel wurde zu Boden gerissen und wusste: Was da hochgegangen war, das war mit Sicherheit kein Marihuana! Das war etwas weitaus Gewaltigeres.

Der verschollene LSD-Trip in etwa. Er, der seit Stunden sehnsuchtsvoll Vermisste, Wunderkind der Schweizer Pharmaforschung, hielt Einkehr mit Pauken und Schalmei. Kettenwirkung der Chemie, aus dem Eis befreit von genetisch frisiertem Hollandkraut. Die beiden Substanzen schossen wild ineinander, ein wohliges Stöhnen entrang sich der Weazel-Kehle. Dann sank es vollends nieder, auf grauen Beton.

Gute zweieinhalbtausend Jahre später – gefühlte und gemessene Zeit variierten erheblich – war es dem Weazel gelungen, die rettenden Ufer eines Flickenteppichs zu erklimmen. Von dieser Anstrengung entkräftet, erlag es dem nächsten Ansturm entfesselter Tripenergie. Scheppern, Splittern, Funkenflug. Im Weazel-Schädel traten Gedankenströme über Ganglienufer: Sturmfluten von Verdrängtem peitschten durch zu enge Kanäle.

Wo war eigentlich dieses Weazel abgeblieben? Ah, da unten, ja, das schöne Menschentier. In Brand geschossen, zu Boden gerissen, sich in Stückchen und Fetzen über den Teppich breitend, war es nurmehr Spielball biochemischer Prozesse. Das Weazel keuchte, sich windend und innerlich krampfend, durchbrach die Portale zwischen den Bewusstseinsebenen im Sturzflug. Es war Komet, rasende Masse in endlosem Raum, mit einem Funkenschweif aus Gras und Acid.

Als sein Gehirn kurz einmal nach Luft schnappte, wusste man weazelseits um den Ernst der Lage: alleine und energetisch out of control.

Das Weazel war für die erste Frontreihe gebaut. Angst vor psychedelischen Drogen gehörte nicht zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Sogar KQ rühmte seine ausgeprägte Experimentierfreude stets als vorbildlich.

So ziemlich alles hatte das Weazel im Laufe der Jahre ausprobiert: die Ego-Klassiker Kokain und Speed, Ecstasy, Opium und Pilze, Hasch und Gras als Alltagsdrogen, Meskalin, DMT, Datura und Kristalle für die Feiertage. Nicht einmal Crack hatte das Weazel ausgelassen, wenngleich es glaubhaft versicherte, dabei habe es sich um ein Versehen gehandelt.

Das jetzt gehörte zu den letzten Tabus: Alleine auf LSD! Nicht einmal der Kanarienquex hatte sich bis dahin verstiegen. Mit triperfahrenen Freunden oder einem eigens engagierten Trippiloten, gut verpackt und abgesichert, in netter Umgebung und gerüstet für die bei jeder Reise unvermeidliche Depressionsphase – das war okay. Das war ein Sturz in die Tiefe mit Notfallschirm im Rucksack. Aber alleine? Noch dazu an einem völlig verhonkten Tag wie diesem? Davon rieten selbst die wagemutigsten Psycho-Traveller ab. Geschmackssichere Connaisseure sämtlicher Drogendelikatessen, notorische Dauerkonsumenten, die LSD-Therapeuten und andere, die es wirklich wissen mussten, hielten das mehrheitlich für eine wenig gelungene Idee.

Nur der Hausschamane von »Shivas Paradize« fand, man könne es ruhig ausprobieren. Aber auch der machte intensive Vorbereitung und einwandfreies Set und Setting zur Bedingung.

Der verdammte Trip war einfach viel zu spät eingefahren, sagte sich das Weazel, was half das lamentieren? Höhere Gewalt, Fügung des Schicksals, Narrenspiel des teuflischen Schwefelstinkers womöglich – die Reise war begonnen, es war nicht mehr zu ändern.

Und die Weazelratte würde auch diese Prüfung bestehen, right?

Das Weazel riss sich zusammen. Es manövrierte seine Beine in den Lotussitz, konzentrierte den Willen im Unterbauch und begann zu atmen.

Am Anfang schien es unmöglich. Die Lunge wollte nicht gehorchen. Die Atemluft würgte dick und klebrig in der Kehle. Aber nach und nach gewann das Weazel die Kontrolle über seinen Körper zurück. Zug um Zug baute sich der Wille auf.

Nach einer Dreiviertelstunde harter Arbeit wurde es richtig nett. Die Verschmelzung auf molekularer Ebene war vollzogen, die Tür zur anderen Seite durchschritten. Endlich, endlich: Land in Sicht!

Geschafft.

Gut gekämpft, Tripcowboy!

Zeit, die Energie fließen zu lassen.

Das Weazel parkte den Willen wieder dort, wo er entstiegen war. Auf die Ellenbogen gestützt, lehnte es sich zurück und überließ sich den Mysterien der Kraft. Die Weazel-Augen lernten bunter sehen, und die Ohren spielten Soundsystem. Ein pulsierendes Wispern im Stahl­gebälk hob an und wurde lauter. Die unebene Betondecke warf Gesichte. Die zerkratzten Bodenfliesen an den Ufern des ozeanisch wallenden Teppichs entwickelten Struktur und Landschaft: Täler, Flüsse, Wälder, Berge, ineinander gewunden in ständiger Bewegung, mäandernde Schlangenbrut der ewig atmenden Erde!

Das Weazel ließ sich fallen in diese Farbenpracht. Unfassbar, was sich aus diesem kargen Kellerloch an erhabener Schönheit herausholen ließ. Was auch immer die Knopfaugen des Weazeltiers erfassten, zu neuem Leben wurde es erweckt. Die Materie offenbarte ihr Innerstes, gewann Bewegung, Bedeutung, Gefühl und Bewusstsein. The Magical Mystery Tour is coming to take you away – und Du stehst, Daumen raus, auf der Milchstraße rum und hast zufällig grad ein paar Tausend Jahre Zeit. Glück muss man haben, sagte sich das Weazel.

Ein Ikea-Elch, der, zwischen Werkzeugkisten und Elektronikschrott ziemlich deplatziert, ein Wandregal behauste, wandte dem Weazel den Kopf zu. Der Elch musste einer Werbeaktion zu Weihnachten entstammen. Mit seinem weißen Rauschebart und Nikolausmütze zwinkerte der Elch dem Weazel verschworen zu. Das Ikea-Vieh nickte dann wissend und schien in sich hineinzukichern. Das Weazel kicherte mit, lachte und freute sich.

Heilige Mutter Euphoria, dein liebster Tochtersohn ist heimgekommen! Nur hinauf, weiter, nach oben, zum Dachfenster der Welt hinaus. Keine Angst mehr, nur noch Träume. Realität ist, was Du fühlst und denkst. Realität, das bist Du ganz allein.

Das Weazel zog eine Decke über den Kopf.

Einen geschlagenen Abend lang hatte der Trip nicht gewirkt. Danach war er vier Stunden aus allen Rohren am Wüten und Blühen gewesen. Langsam ging der Saft aus. Die Euphorie wich, die Depression klopfte an, und es kostete unendlich viel Kraft, sie nicht einzulassen. Auf die Dauer war das auch mit der schnelleren Frequenz der Joint-Produktion nicht mehr zu kompensieren.

Das Weazel legte sich auf sein Schaumstofflager und versuchte zu schlafen. Auf Stunden hinaus aussichtslos, das war nach zwei Minuten klar. Alternativ kehrte es in den Lotussitz zurück. Aber diesmal ließ sich die nagende Unruhe nicht zeratmen. Hierhin und dorthin liefen des Weazels wirre Gedanken, der Körper lief hinterher. Es wetzte an der Gasheizung vorbei, in einen Gang mit zumeist leergeräumten Kellerabteilen, und gleich wieder zurück, weil das Kellerloch, in dem sich das Weazel illegal eingenistet hatte, mehr Auslauf nicht hergab.

Entnervt warf das Weazel den Fernseher an. Das war fraglos keine Maßnahme, die irgendwie weiterhelfen konnte, obwohl das Weazel eine Satellitenschüssel angezapft und sich somit Zugang zu zahllosen Kanälen verschafft hatte. Das Weazel landete in einem Actionstreifen, der gerade dem Höhepunkt einer ganzen Abfolge mittelmäßiger Special Effects entgegenstrebte. Wahrscheinlich bestand der halbe Film aus Spezialeffekten. Auf den restlichen Kanälen Soaps und Talkshows: Arbeitslosen-TV.

Besser würde das Programm nicht werden, da hatte alles Zappen keinen Zweck.

Was hatte Zweck?

Es fühlte sich nicht so an, als würde das Heruntersegeln von diesem Trip in absehbarer Zeit in festem Boden unter den Füßen resultieren. Es fühlte sich genauer gesagt so an, als würde hinter der nächsten Gehirnwindung eine fette Psychose lauern; bereit, die erste Gelegenheit für den Sprung aus der Deckung zu nutzen.

Zweifelsohne würde des Weazels weichgerissene Seele leichte Beute sein. Es hatte sich, wie es selber fand, recht ordentlich gehalten in den vergangenen Stunden und seinen ersten Solo-Trip mit Anstand und Würde durchgestanden.

Momentan war Sackgasse.

Es ging nicht mehr rauf in Richtung Euphorie und nicht runter in Richtung Depressionsschmelze.

Ungut.

Doppelplusungut!

Was weiter anfangen mit dieser Nacht, die längst ein Nachmittag geworden war?

Der Fernseher lief.

Wer hatte ihn eingeschaltet?

Das Weazel musste weggenickt sein.

Das Dröhnen im Kopf …

Es lief schon wieder – oder immer noch? – dieser verdammte Ami-Actionstreifen von vorher! Dieselbe Szene? Tatsächlich, dieselbe Szene, war es denn zu fassen? War denen die Platte hängen geblieben? Irgendeine scheiß Katastrophe wurde endlos breitgetreten, die üblichen Kindereien, Gut gegen Böse, wahrscheinlich waren die Bösen immer noch Russen oder eine versprengte Stasi-Seilschaft, die Chinesen oder sonstige Aliens.

Das war das Letzte, was das Weazel brauchen konnte. Die Depression hatte das traumgeistige Dämmern nämlich genutzt, um sich quer durch alle Systeme zu fressen.

In einem Akt unbändiger Willenskraft raffte sich das Weazel auf, robbte zwei, drei Meter über den Teppich, hockte sich vor den Apparat und zappte per Hand eins weiter.

Derselbe Streifen, auch im ZDF? Langsam wurde es aufdringlich.

Das Weazel zappte – genervt war kein Ausdruck! – zum nächsten Kanal.

Wieder dieser Actionfilm?!

Irritiert drückte das Weazel weiter, von RTL zu WDR, von diesem spanischen Sender und BBC World bis hin zu Phoenix, Arte, Bayern 3, Sat1, Pro7, alle Kanäle und überall: dieselbe Szene, andere Reporter!

Roland-Emmerich-Festspiele? Woche der amerikanischen Kinoapokalypse?

Alle Programme unterbrochen und überall nur:

Flieger rasen in Wolkenkratzer.

Du kannst es nehmen, wie Du willst, wann Du willst, mit wem Du willst. Ein LSD-Trip kreist im Grunde genommen doch immer um dieselbe Frage: Was ist Realität? Wo fängt sie an, wo hört sie auf, wo will sie hin und vor allem: Was können wir dagegen tun?

LSD hält in dieser Hinsicht jede Menge Überraschungen bereit.

Und das Weazel war an Überraschungen gewöhnt. Es gierte danach.

Das Weazel hatte aber auch gelernt, auf die Warnungen guter Freunde zu hören.

Eine davon wäre gewesen, niemals alleine LSD zu nehmen.

Nachdem das nun nicht mehr zu ändern war, galt es wenigstens, den Rest zu beachten: Wenn Du schon ohne Reiseleiter oder gute Freunde auf Trip gehst, dann erhalte Dir ein gesundes Misstrauen gegenüber allen Filmen, die Dir Deine durchbrennende Vorstellungskraft einschiebt. Lass Dich nicht zu weit in eine Realitätsebene fallen, halte Dir die Tür zu möglichst vielen offen. Hinterfrage nicht ständig, was Du siehst, aber sei auch nicht sonderlich überzeugt davon. Wahr oder unwahr, darum geht es jetzt sowieso grad nicht. Beobachte einfach, genieße die Aussicht. Aber benutze die Boarding Card für den Rückflug nicht als Joint-Filter.

Es gibt in der einschlägigen Literatur diverse Hinweise, wann es gefährlich wird. Die Vermischung verschiedener Realitätsebenen ist nicht nur unmöglich zu verhindern. Sie ist Sinn und Zweck jeder psychedelischen Unternehmung. Dahinter kommen zu wollen, wie die Welten sich durchdringen, geistig herumzuexperimentieren – fair enough! Große Kulturwerke aller Epochen haben erheblich von dieser kostengünstigen Art der Fernreise profitiert.

Drum reise weit und wild und ohne Grenzen, aber vergiss nicht: Dein eigner Kopf ist, was Du als Sternenwelt durchfährst!

Allzu ehrgeizige Versuche, die Gelegenheit zur Klärung letzter Menschheitsfragen zu nutzen, sollten deshalb vermieden werden. Überhaupt gilt es, sich auf gedanklicher Ebene zu mäßigen. Besser ist, stets mit dem Körpergefühl in Kontakt zu bleiben. Auch der Körper kann Dich täuschen, bleibt aber als Korrektiv zum freispinnenden Geist und als letzte Verankerung im Diesseits die einzig vertrauenswürdige Instanz. Insbesondere auf Solo-Trip verliert es sich allzu leicht in den labyrinthischen Gängen Deines chemisch stimulierten Gehirnbrockens. Und wer garantiert, dass Dein Ariadnefaden nicht reißt, Baby Blue?

Die Idee, so etwas Schwerfälliges wie einen Körper beim aktuellen Stand Deiner spirituellen Entwicklung sowieso nicht mehr zu brauchen, solltest Du auf keinen Fall weiterverfolgen. Die Verwandlung in eine Krähe kannst Du gerne einmal ausprobieren – die Kunst des astralen Vogelflugs solltest Du aber fürs Erste südamerikanischen Original-Schamanen überlassen.

Weniger gefährlich, in der Nachbetrachtung allerdings selten stichhaltig, sind jene hochkomplizierten philosophischen Großsysteme, zu denen anfänglich harmlose Gedankenspielereien auf LSD regelmäßig auswuchern.

Ebenso sollte Erkenntnissen rückführungstherapeutischer Natur mit kritischer Geisteshaltung begegnet werden – auch und im Besonderen, wenn es sich bei den vermeintlichen Ahnen Deines weitgereisten Karmas um Prominente wie Dschingis Khan, Jimmy Hendrix, Che Guevara oder Marlene Dietrich handelt. Sensationelle Entdeckungen dieser Art begeistert der Öffentlichkeit kundzutun, empfiehlt sich zudem in den wenigsten Fällen. Man wird ja doch nicht verstanden …

Auch die ganz simplen Lösungen grundlegender biologischer Defizite des menschlichen Körpers («Einfach nicht mehr krank werden! Und der Fall hat sich!!«) bestehen den Test des Alltags nur selten.

Reizvoll und lohnend freilich sind jegliche Auseinandersetzungen mit der Legitimität moderner Wahnsinnsformen. Schizophrenie hat ja bereits bei nüchterner Betrachtung einiges für sich – zwei sind mehr als eines, daran ist nicht zu rütteln. Von einer allzu eingehenden Betrachtung dieser Frage auf LSD ist wiederum abzuraten.

Bist Du erst einmal so weit, Dir nicht mehr sicher zu sein, ob Dein momentaner Zustand der Wirkung des LSDs geschuldet ist, oder der schieren Grenzenlosigkeit Deiner Genialität zuzuschreiben, sei versichert: Es ist das Acid. So genial bist Du nicht. Nein, auch ein großer Heiler oder Weltenlehrer steckt vermutlich nicht in Dir – aber ein kleiner vielleicht, und das ist schon sehr viel.

Gerät die Sache übrigens komplett außer Kontrolle, helfen, wenn zur Hand, chemische Gegenblocker, oder auch der Kontakt mit eingeweihten Mitbewohnern und Freunden. Ein Hilfeschrei Richtung Mami und Papi bringt im Normalfall wenig, hat aber immerhin das Potential, das familiäre Verhältnis auf Jahre hinaus zu zerrütten. Vitamin C und Ascorbinsäure bringen einen demgegenüber relativ zuverlässig runter.

So, Weazel.

Das alles weißt Du längst, nicht wahr?

Und jetzt bist Du alleine auf einem Trip und auf allen Sendern zeigen sie Dir, wie Passagierflugzeuge ins World Trade Center knallen und das Pentagon brennt. Nichts einfacher, als damit klarzukommen, wie?

Fürs Weazel war die Sache klar: »Weazelchen, alte Lustschabracke, da bist Du auf einem ganz üblen Horrortrip unterwegs! Wo auch immer Du Dich gerade befindest oder zu befinden glaubst, was auch immer da an Filmen abläuft, was Du auch glaubst zu sehen: Das hier ist nicht real!

Oder, real vielleicht schon. Jedenfalls passiert das nicht in echt! Da ist was oberfaul. Du träumst noch, treibst durch psychedelische Sphären, bist hängen geblieben in einem total verschissenen Gedankenloop.«

Dieselbe Szene, immer wieder, von vorne, von hinten, von unten, aus allen Perspektiven, seit einer halben Stunde schon, es ist ein Loop: der brennende Turm links, das elendig langsame Flugzeug vor dem Turm rechts, das, wie an einer Schnur gezogen, full speed einfährt in diese Stahlspiegelwand! Eine Feuerfront bricht durch die rückwärtigen Fenster, auf einer Linie, todbringende Gischt. Trümmer fallen, Flammen lodern, Menschen fallen. Rauch und Rauch und alles dicht im Nebel. Schwarzer Nebel, weißer Nebel, grauer Nebel, überall Nebel, Rauch und Feuer. Manhattan im Wolkenmeer.

New York, New York, hassgeliebte Hauptstadt der neuen Welt, schwules Petrograd und Hort des schnellen Geldes: Was hängst Du da herum, so völlig daneben, schwebend zwischen Unterwelt und Himmel? Steigst Du auf in höhere Sphären? Stürzt hinab in Höllenfeuer?

New York, aus dem Andockring der Zeit gesprengt. Einsam voraus, zwei Türme voraus, auf dem Weg in ein neues Erdenalter. Kein Menschenalter mehr, maybe.

»Aaaah, okay, genau, das isses, Entwarnung, Entwarnung, alles halb so wild!« , sagte sich jetzt das Weazel. Immerhin war es mutterseelenalleine auf dem Donner, total verspult und seit geraumer Zeit im Würgegriff weitgehender Orientierungslosigkeit mit depressiver Grundtendenz. Was um alles in der Welt also sprach dafür, dass diese ganze Scheiße in echt passierte?

Im Gegenteil sprach so ziemlich alles dagegen. Die Special Effects waren recht ansprechend gemacht, das musste das Weazel zugeben. Aber das Schreien zum Beispiel: Das war hollywoodmäßig einstudiert, das hörte man doch sofort raus. Echte Panik würde ganz anders klingen. Dazu diese Gesichter, auf den staubverwehten Straßen. Unglaubwürdig! Schlecht gespielt! Und die Story, die sie einem quer durch die Kanäle auftischten, so besonders war das nicht; die x-tausendste Variation des üblichen Katastrophenthemas halt. Haben sie bei Independence Day oder Godzilla viel besser umgesetzt, befand das Weazel schonungslos.

Was würde der Kanarienquex sagen? Bestimmt wäre er cool wie Packeis: »Nich so hochhängen det Janze, immer hübsch auf dem Teppich, bloß nich reinsteigern, Weazel, hey! Mach die Augen auf! Es ist nur der Trip, der Trip! Du hast Dich überschätzt, bist alleine abgespaced und wirst jetzt hinten und vorne nicht fertig damit! Geh schlafen, geh spielen, geh was essen, mach sonstwas, aber lass Dich nicht hängen in diesem Horrorfilm. Das bringt nix, das ist gefährlich und das weißt Du«, würde der Kanarienquex losberlinern: »Det is alles nur …«

… Der eine Turm war weg. Als säßen die Stockwerke im Aufzug, sackte der Finanzgigant Etage um Etage in sich zusammen. Nur der Trip, es ist nur der Trip, ein übler Horrortrip, das alles. Alleine auf LSD, was für eine Dummheit, Menschenskind! Nicht hängenbleiben, raus, irgendwohin, weg, raus aus dem Teufelskreis, was anziehen, sich auf die Straße zwingen, Freunde suchen, nur weg. Auf andere Gedanken kommen, mit Leuten über die apokalyptische Qualität chemisch induzierter Halluzinationen fachsimpeln, sich anderen Unsinn einbilden. Was Schönes, Ruhiges, Stilles mal zur Abwechslung …

Bevor es die Flimmerkiste abschaltete, sah das Weazel noch flüchtig, wie der andere Turm auch noch zusammenstürzte.

»Too much, es wird langsam lächerlich, ehrlich«, redete sich das Weazel hektisch ein. Dass sie immer noch eins draufpacken müssen, immer noch eine Explosion hinterher: Seelenverdreher, Hollywood-Gangster! »So einfach kriegt ihr das Weazel nicht eingepackt. Ich bleib nicht hängen auf Eurem Scheißfilm!« schnaubte das Weazel, die Caterpillars schon an den Füßen, riss die schwere Eisentür auf – die Luft schien rein – und nichts wie raus.

Diese, wenngleich liebevoll zusammengebastelte, so doch hinreichend einfältige These – alles das seien nur besonders eindrucksvolle Halluzinationen im Rahmen eines außer Kontrolle geratenen Horrortrips – büßte schnell an Überzeugungskraft ein, als das Weazel inmitten eines drogentechnisch unverdächtigen Menschenhaufens in der Wandelhalle des Ostbahnhofs stand.

Im Stehausschank zu »Le Bistro« starrten alle auf die immer gleichen Szenen auf dem Bildschirm.

Keine wilden Diskussionen, kein Geschrei. Schweigend stand die Menge da. Nur kurze, abgehackte Kommentare. Die Geschäftsleute: aus dem Gleis geworfen. Die Studentenköpfe: überfordert. Die Verkäuferinnen: unkonzentriert.

Ein Glas fällt zu Boden und zerspringt. Ein Reisender aus Bayern sagt versöhnlich: »Des is jetzad ah scho wuarscht, Frau!«

Ein restlos integrierter Onkel-Tom-Türke fragt alle fünf Minuten sein pflichtschuldiges »Furchtbar, ne?«, Niemand antwortet, einige schleudern misstrauische Blicke durch den Raum.

»Das ist der dritte Weltkrieg!!« schnarrt der Rentner mit einer Bestimmtheit, die nicht zur Beruhigung beiträgt.

Ein paar schwarzafrikanische Drogendealer werfen kurze Blicke auf den Bildschirm. Sie nicken sich zu und gehen zurück an die Arbeit. Auch die Ladendiebe schwärmen aus, die Gelegenheit ist günstig. Der private Sicherheitsdienst des Großbahnhofs wird anderweitig beschäftigt sein, an diesem Tag: Schlagstöckchen frei zur Flugabwehr!

Die Zivilisation ist in Gefahr.

Noch weiß niemand, wie zu reagieren ist. Bald schon wird jeder Halb­idiot wissen, welche Sätze es sind, die nichts falsch machen lassen. Die Straßenschilder Richtung sichere Seite werden aufgestellt, der aktuell geforderte Reflex wird einstudiert: erst einzeln, dann in Gruppen, jetzt alle zusammen, bitte! – Und: Vorhang auf!

Die ersten Statements transportieren Formulierungshilfen rund um die Oberbegriffe »Betroffenheit«, »Schock« und »Fassungslosigkeit«.

Die CDU-Chefin ist »absolut betroffen und fassungslos«. Eine Einzelhandelsverkäuferin auf RTL sogar »wahnsinnig total betroffen«. Der Typ von der PDS ist verdächtigerweise nur »fassungslos«. Der kurzgeschorene Moderatorenyuppie moderiert mit unbeeinträchtigter Professionalität, obwohl er »selber absolut unter Schock« zu stehen angibt.

Kollektive Gefühlsinszenierung als Ersatz emotionaler Reaktion.

Fühlt noch irgendwer für sich selber eigentlich?

»Menschheit, Menschheit, was machst’n Du für G’schicht’n?«, grantelt der Reisebayer traurig vor sich hin. »Das ist der dritte Weltkrieg!«, lässt sich erneut der Rentner vernehmen. Die Studenten runzeln fragend die Stirn und überprüfen historische Parallelen (Kriegsausbruch 1914, Pearl Harbor, Tet-Offensive). Währenddessen versinkt der zweite Turm im Erdboden, in der siebzehnten Wiederholung.

Verwirrung. Von einem fünften Flugzeug will einer gehört haben! Das vierte sollen die Amis selber abgeschossen haben! Von der Bombe vorm Außenministerium ist seit zwanzig Minuten nichts mehr zu hören … Das Pentagon brennt immer noch, heißt es.

»Alle Marinehäfen in Gefechtsbereitschaft«, meldet CNN im ZDF. Kriegsschiffe seien ausgelaufen, haben »gut informierte Kreise« in Erfahrung gebracht. Ja, sehr gut, gut. Und wo laufen die hin?

Dieselben Experten, dieselben Statements, dieselben Bilder. Der Loop geht weiter: alle fünfzehn Minuten jubelnde Araber, alle fünf Minuten die Crash-Bilder, alle zehn Minuten Turmsturz und Massenpanik.

Emotional paralysiert leitet das Weazel über den Kopf die Gegenreaktion ein: »Die machen uns kaputt, nicht mehr hinschauen, lass es Dir nicht noch einmal reindrücken, Du hast es oft genug gesehen,« hallt es aus den Niederungen des Weazel-Intellekts. Zwanzig Mal schon, jedes Bild, dreißig, fünfzig, hundert Mal gesehen. Es ist Dir längst eingebrannt, tätowiert in die Rinde Deines Kleinhirns, für alle Zeiten eingebrannt. Verstehst Du das denn nicht? Diese Flugzeuge knallen Dir ins Hirn! Diese brechenden Türme sind Dein altes Leben, Deine Zukunft! Deine Träume sind, was da in Flammen steht! Leben, Zukunft, Träume – Kartenhaus einer Generation verwöhnter Naivlinge!

Das Weazel tritt zurück, in die Weiten des scheidenden LSD-Trips und sieht noch, wie der Meister vergangener Kriege abtritt vom Schlachtfeld des neuen. Es hört, wie Obi-Wan Kenobi unter brauner Mönchskapuze, in aller Ruhe und völlig sicher seiner selbst, zu Darth Vader sagt: »Wenn Du mich jetzt tötest, Darth, werde ich mächtiger sein, als Du es Dir in Deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst!« Dann fährt er sein Lichtschwert ein und erwartet den Schlag des röchelnden Rächers. Lässt sich niederstrecken von einem, der einst sein Schüler gewesen ist. Obi-Wan lässt den tödlichen Schlag geschehen, im Wissen um die Macht, die mit ihm ist. Die ihn hinaustragen wird, über diese begrenzte Welt.

Offenen Mundes schaut das Weazel auf den Bildschirm. Noch mal, ZACK! Der Flieger wird zum Feuerball, der Turm bricht, der Himmel stürzt zu Boden. Jubel, Freude, Yippieyeeeh! Lachende Turbanträger, verschleierte Frauen im Taumel, beim Essen und Trinken und Feiern! Und das Pentagon, es brennt noch immer! Fassungslosigkeit, Entsetzen, Schock! Anschlag, Empörung, zivilisierte Welt! Kriegserklärung, Betroffenheit, absolut, total, Wahnsinn, Irrsinn, seit Menschengedenken, Weltterrorismus! Sätze, Worte, Bilder, Krieg, wieder und wieder. Du brauchst das Fernsehen gar nicht mehr, der Loop läuft längst in Deinem Hirn, es ist zu spät. Es ist zu spät, die haben uns überrumpelt. Die Zwillingstürme sind Dein Denken und Dein Fühlen. Und once again, die Szene der Szenen, die Flugzeuge, vorwärts, voll rein, Attacke, mitten ins obere Drittel Deines Körpers, mitten rein zwischen Rumpf und Schädel! Eine Kriegserklärung ist das, Krieg gegen Dein Kleinhirn. Krieg gegen Dich, gegen Deine Welt – das Andere hat Deiner Realität den Krieg erklärt!

Alles läuft jetzt in Deinem Kopf ab, durch Deinen Körper. Die Matrix ist aktiv in Dir, Deine Systemeinstellungen werden neu konfiguriert.

Himmelherrschaft, merkt das denn niemand?

»Lauf, Luke, lauf!«, hört das Weazel die Stimme des alten Obi-Wan aus dem Off. »Ja Mann, schnell, lauf: Lauf weg, Weazel, lauf los, raus, nur raus aus diesem Affenstall!«

Das Weazel atmet, spannt sich, und geht, mit schnellen, kontrollierten Schritten.

Raus aus diesem Bahnhof, raus aus dieser Menschheit.

Eine Welt geht unter.

Gut, dass es nicht die Deine war, Weazel.

Der Kanarienquex hatte keinen Schimmer von all dem. Das sah ihm ähnlich: Paradiesvögelchen, Feuertänzer, Partylöwe – KQ, genannt: »der Kanarienquex«

Im Gegensatz zum Weazel war er nach dem vermeintlich gescheiterten Tripversuch nicht zurückgekrochen in heimatliche Katakomben. Der Stoff würde schon noch einfahren, das hatte KQ bis zuletzt prophezeit.

Ihn zog es tiefer in den nahenden Morgen dieser Großstadtnacht und in verbotene Quartiere. KQ wusste, wonach er suchte. Er wollte feiern, tanzen, lachen, weinen, brüllen. Wie ein Derwisch über die Tanzfläche fegen, ab und zu was nachwerfen und weiterfeiern, bis in den nächsten Tag hinein und darüber hinaus.

In der Partyfestung zu Shivas Paradize würde der Kanarienquex mit seinem Trip garantiert nicht alleine sein. Auch nicht an diesem spätsommerlichen Dienstagmorgen.

Nach längerer Fahrt durch die Außenbezirke des Molochs fuhr die S-Bahn auf der stählernen Eisenbahnbrücke über den Fluss. Von der Endstation aus verlief das restliche Stück des Weges auf wenig einladendem Gelände. Vorbei an Fabrikskeletten und auf Straßen, durch deren spröden Asphalt das Unkraut ans Licht brach, pirschte der drahtige Quex-Körper durch ein schier endloses Trümmerfeld fordistischer Produktion.

KQ musste sich beeilen. Der Quex-Magen begann zu rumoren. Die einfahrende Substanz verriss dem bunten Vogeltier zusehends die Optik. »Spät kommst Du, aber Du kommst«, dachte der Kanarienquex laut und schickte dem Tripgott ein herzliches Dankeschön in die Quellwolken.

Die Farben begannen bereits, sich zu vermischen, als KQ den alten Kohlenkanal erreichte. Zwischen dem Kanalufer und windschiefem Mauerwerk wandernd, folgte der Quex verwachsenen Pfaden. Dann kam, im Gegenlicht der aufgehenden Sonne, der »Shiva-Tower« in Sicht: zum Wachturm ausgebauter Schornstein der alten Ziegelei.

KQ zog sein Mobiltelefon aus der Tasche, klappte es auf und gab per SMS die aktuelle Parole durch. Ein kurzes Aufblitzen oben im Turm signalisierte KQ, dass sein Kommen bemerkt worden war.

»Das ist echt superalbern«, ätzte der Quex gehirnintern los. »Nur weil dieser paranoide Kranki seine mittelalterlichen Kindheitsträume nachstellen will! Robin Hood für Cyberhippies, zum Kotzen.«

Nicht nur dem Quex ging das neue Sicherheitsprotokoll gehörig auf den Keks. Thom Willbroox’ Einschätzung, die aktuelle Lage erfordere schärfste Wachsamkeit, konnte kaum jemand im Ansatz teilen.

Als wäre Shivas Paradize nicht Festung genug! Wiederholt waren die »Shiva-Fürsten«, wie die geheimnisvollen Betreiber des Partytempels genannt wurden, in die Kritik geraten. Und das nicht nur wegen ihrer Verteidigungshysterie.

Das Sicherheitssystem beinhaltete einerseits mehrere konzentrisch angelegte Schutzkreise. Geheimnisvolle Zinken, Steinfiguren und magische Symbole erstreckten sich weit über das umliegende Areal. Dieses Energiefeld wurde durch Personal mit zwei, vier und mehr Beinen verstärkt. Dazu kamen als weitere Elemente der ausgeklügelten Sicherheitsstrategie regelmäßige Patrouillen, der meist besetzte Shiva-Turm, geheime Fluchtwege und, das verbreitete jedenfalls Donna Fauna, Waffenverstecke.

Technisch gesehen handelte es sich bei Shivas Paradize um eine ehemalige Fabrikanlage. Eine Ziegelei war das wohl früher gewesen, so ganz genau wusste das aber niemand mehr. Dass die gesamte Gegend seit dem Zusammenbruch der Ostwirtschaft vergessen, verwaist und verwahrlost war, machte die Tarnung des Hippiekrals perfekt.

1990 von der Treuhand übernommen, hatte das Kombinat schlagartig die Produktion eingestellt. Auch jetzt noch schien alles einsam und verlassen. Nur ein rhythmisches Dumpfen aus der Erde verriet unterirdische Aktivität.

Einen torlosen Steinbogen durchschreitend, gelangte der Kanarienquex in den Innenhof eines roten Backsteingevierts. Am entglasten Pförtnerhäuschen vorbei, steuerte KQ auf den linken Flügelbau zu, trat einige Stiegen hinunter und machte sich an einer rostigen Eisentür zu schaffen. Sie öffnete sich einen Spaltbreit, und KQ huschte hinein.

Vom beginnenden Tag in die nie endende Nacht wechselnd, folgte er den Windungen des Korridors. Feucht waren die Wände und klamm die Luft. Eine Treppe hinunter, durch einen langen, dunklen Flur, dann noch ein Gang und noch eine Treppe. Geheimnisvolle Zeichen leuchteten hier und da auf, undefinierbare Geräusche ließen hinter diversen Wänden Aktivität vermuten. Die Temperatur wurde langsam unangenehm.

Schließlich gelangte KQ zur ersten Energieschleuse.

Zwei steinerne Höllenhunde standen Wache. Wie immer war dem Quex, als durchlaufe ihn ein leichtes Wutzittern, als er jene stumm die überdimensionierten Zähne fletschenden Zerberusse passierte.

200 Meter, drei Treppen und vier Ecken später hatte KQ den inneren Ring erreicht. Vor dem Hauptportal stand, in schweren Boots und schwarzem Leder, Thom Willbroox, Chief of Staff von Shivas Paradieswache. Neben ihm lagen träge die lebendigen Ausgaben der zuvor passierten Steinberserker. »Willi« und »Brooki« hatte der oberste Shiva-Wächter seine furchteinflößenden Kampfköter getauft. Aber für die Kreativität waren in Shivas Paradize zum Glück andere zuständig.

KQ verkniff sich wohlweislich einen Kommentar zum neuen Sicherheitsprotokoll. Er tauschte belanglose Freundlichkeiten mit Willbroox aus. Endlich wühlte sich der Kanarienquex durch ein Labyrinth aus seidenen Vorhängen, hinein, in den grünen Rauchschimmerdampf von Shivas Paradize.

Es riecht immer noch nach Arbeit, dachte der Kanarienquex bei sich. Er paradierte durch die Hallen des ehemals volkseigenen Betriebs, um zu grüßen und gegrüßt zu werden.

Offenbar hatte bis zum jetzigen Zeitpunkt niemand Anlass gehabt, die Vergangenheit des Ladens mit grellen Farben zu übertünchen. Winden und schwere Ketten hingen von den Decken, rostige Maschinen fungierten als rustikale Partyfeatures. Nur über die lesbaren Überreste eines Propagandaspruchs von wegen »Steigerung der Produktion« und »Sieg der Arbeiterklasse« hatte ein Witzbold in großen, grellgrün irisierenden Lettern »Rostfront!« gepinselt. Befriedigt stellte der Quex fest, dass jene vorwitzige Ergänzung der nach und nach alles einfärbenden Rußmischung des Kombinats noch schneller anheimfiel als die Stalinparole, auf die sie sich bezog.

KQ lief auf seiner Begrüßungsrunde alles ab. Schüttelte hier eine Hand, Küsschen da und Winkewinke. Er fiel dort jubelnd in ausgebreitete Arme, zog an zwei, drei, vielen Willkommensjoints.

Shivas Paradize: Energietankstelle und Basislager der Cyberhippies.

In der Mitte der Lagerhalle gab es ein großes Schachbrett, das als Tanzfläche diente. Am linken Rand der schwarz-weißen Felder stand eine neonleuchtende Plexiglaspyramide, von wo aus DJ Yoritomo seine rasenden Beats in den Herzschlag der tanzenden Seelen schoss.

KQ war noch nicht in Fahrt für das Gehampel. Der Trip war jetzt voll da und er brauchte Zeit, seine Energiezentren dem Fluss der Kraft zu öffnen.

Er lenkte seine Schritte zur Feuerstelle. Dort wurde, auf Fellen und Kissen sitzend und in Decken eingewickelt, getan, womit die Spezies seit steinernen Altern ihre Zeit am sinnvollsten vertreibt: in die reinigenden Flammen starren, palavern und dem schrägen Singsang des Schamanen lauschen.

Selbiger hieß im vorliegenden Falle Neolin 2 und war für Fragen überweltlicher Natur der anerkannte Experte in Shivas Paradize.

Der historische Original-Neolin war im achtzehnten Jahrhundert Seher und Schamane der Delawaren gewesen. Er predigte die Rückkehr zur ursprünglichen indianischen Lebensweise, nahm aber an christlichem Gedankengut auf, was dem Aufbau des indigenen Widerstands Nutzen versprach.

Neolin war der wichtigste einer Reihe von radikalen Sehern, die in dieser Phase der weißen Landnahme den Aufstand gegen die britischen Siedler predigten. Sie waren Heiler ihres kränkelnden Kollektivs und spirituelle Führer des aufflammenden indianischen Abwehrkampfes. Aber auch Propheten des Untergangs! »Schwere Tropfen«, wie Friedrich Nietzsche schrieb: »…einzeln fallend aus der dunklen Wolke, die über den Menschen hängt: sie verkündigen, dass der Blitz kommt und gehen als Verkündiger zugrunde.«

Neolin teilte seine Visionen stets unter Tränen mit. Dabei ging er mit der unpopulären Weisheit hausieren, Manitu sei stocksauer auf die Indianer, weil die sich von Natur und Glauben abgewendet und in jeder Hinsicht von den weißen Teufeln abhängig gemacht hätten.

Gegen das Feuerwasser der Weißen wetternd, schenkte Neolin einen bitteren Trank aus, den er nach geheimer Rezeptur selbst braute. Seine Cocktails sollen heftig eingefahren sein. Sie reinigten die Indianer von der negativen Energie der Invasoren und stärkten ihre Seelen für den kommenden Krieg. Wesentlich inspiriert von Neolin (»There will be two or three good talks and then: War!«) bereitete sich eine Konföderation indianischer Stämme unter Führung des Ottawa-Häuptlings Pontiac zwei Jahre lang systematisch auf den Aufstand vor. Neolin und die anderen Seher mobilisierten indes, was sie an Göttern und Tierheiligen erreichen konnten.

1763 attackierten die Stämme der Delawaren, Shawnees, Mingos, Senecas, Chippewas, Ottawas, Miamis und Wyandots alle britischen Posten und Forts rund um die Großen Seen.

Der Anfangserfolg war durchschlagend. Nur Fort Niagara, Detroit und Fort Smith konnten dem indianischen Ansturm standhalten. Danach stockte die Offensive, blieb aber militärisch intakt.

Erst als General Jeffery Amherst, dessen Rassentheorie die Zugehörigkeit der Indianer zur Menschheit bestritt, die Anweisung erteilte, diesen Decken und Tücher zu schenken, die er zuvor aus dem Pockenkrankenhaus hatte holen lassen, wendete sich das Blatt. Die Seuche grassierte in allen Stämmen, der Pontiac-Aufstand wurde niedergeworfen, und die Pocken rafften in den Folgejahren sechzig bis achtzig Prozent der indianischen Bevölkerung dahin.

Dem hellsichtigen Neolin blieb im Gegensatz zu Häuptling Pontiac erspart, als Name einer amerikanischen Automarke missbraucht zu werden. Er musste lediglich als Namensgeber für einen Tieftonlautsprecher, Holzlack und Schlangengift herhalten. Dennoch schien wenigstens Neolins Karma seine Aktionsfähigkeit erhalten zu haben.

Dem zeitgenössischen, zweiten Neolin, jenem zu Shivas Paradize, war der Original-Neolin des Delawaren-Stammes nämlich eines schönen Abends auf Meskalin erschienen – kurz nachdem Ersterer hatte kotzen müssen von dem Zeugs. Der Ältere erklärte den Jüngeren zu seinem spirituellen Nachfolger und gab ihm auf, den Kampf gegen die weiße Lebensweise im Hause des Feindes fortzuführen.

Diesem Auftrag kam Neolin 2 mit rührender Hingabe nach und tat, was er konnte, die Selbstzerstörung der westlichen Zivilisation zu beschleunigen.

Diesen zweiten Neolin nun suchte KQ am Nachmittag des 11. September 2001 auf. Noch unwissend, was sich in der Welt draußen begeben hatte, war er begierig, einen energetischen Wink von diesem in Partykreisen hochgeschätzten Seher zu erhaschen.

Neolin 2 war am Rand des großen Feuers stationiert. Mit Fellen und bunten Tüchern verhangen, hatte er dort seinen Wigwam aufgeschlagen. Seinen »Instant-Tempel« nannte der Shiva-Schamane diese in aller Kleinheit doch pompöse Behausung, in der er schlief, betete, sang und allem Anschein nach überhaupt wohnte.

Im Gegensatz zu Fauna, die die Nähe von Neolin 2 oftmals suchte und sich keineswegs entblödete, sich als dessen Zauberlehrlingstunte zu gerieren, gehörte KQ zu den seltenen Gästen am großen Feuer. Mit innerer Hitze im Übermaß gesegnet, war Shivas schachbretterne Tanzfläche sein angestammter Platz.

Als KQ an diesem Tag den Rat des Schamanen suchte, saß dieser vor den zurückgeschlagenen Tüchern seines Tempelchens und reinigte den Weihrauchkessel. KQ setzte sich still gegenüber. Neolin 2 hatte der dicken Rußkruste den Kampf angesagt und rubbelte geduldig und hochkonzentriert an seinem Kesselchen herum. Weiche, schwingende Bewegungen.

»Ah, wie schön: auf dem Ast gegenüber sitzt ein Kanarienquex!«, begrüßte Neolin 2, ohne aufzuschauen, das Buntvogelvieh: »Seltene Ehre. Die Türme haben die Dame vom Schachbrett gefegt, wie? Sind ein bisschen ratlos jetzt …«

Ohne auf diese merkwürdige Begrüßung zu antworten, rückte der Kanarienquex, von Neolin 2 mit einer Geste eingeladen, näher heran. Dann seufzte Neolin 2, erhob sich und hockte sich direkt vor die Flammen. Er müsse erst das Feuer reparieren, um das Dunkel besser sehen zu können, erläuterte er dem wartenden Quex.

Während Neolin 2 mit einem Schürhaken die Glut ordnete und das Brennholz Scheit um Scheit zu einer kunstvollen Architektur aufschichtete, setzte leiser Singsang ein. KQ schienen es zwei Stimmen zu sein, Oberton und Bauchstimme im Duett. Das ging eine Weile.

Abrupt endend, kam Neolin zurück in das, was in seinem Fall von der Realität übriggeblieben war. Er ging neben KQ in die Hocke, schien aber von einer tiefen Unruhe erfasst zu sein. Erneut stand er auf, nahm einen glühenden Stock aus dem Feuer und entzündete Räucherware im frisch gereinigten Kessel. Als dieser dampfend im Eingang seines Tuchtempels hing, suchte, fand und öffnete Neolin ein kleines Kästchen aus Kamelknochen. Wie, um sich noch einmal zu vergewissern, fingerte er ohne nennenswertes Zeremoniell vier, fünf bunte Steinchen heraus. Er betrachtete sie jeweils kurz, nickte und legte sie wieder zurück.

Er setzte sich, holte Luft, stieß einige Testkrächzer aus und begann leicht zu wippen, vor und zurück. Geschlagene zwanzig Minuten ging das so, aber KQ wusste, dass Neolin 2 für seine Auskünfte Zeit brauchte. Schließlich ergriff dieser noch sein Instrument, ein skurriles Holzteil Marke Eigenbau, und setzte sich erneut in Positur. Er zupfte langsam, dissonant und scheppernd auf den rostigen Saiten herum und schloss die Augen. Nach einer Zeit öffnete er sie, tränennass – und der Kanarienquex bekam Folgendes zu hören:

Der Spalt wird zum Graben

Die Elemente brechen sich Bahn

Mars, der rote Kriegsplanet

Auf dem Marsch

durch die Herzen.

Der Ochse wird ziehen

die schwarze Flut

Über das schwärzere Meer.

Tod zu bringen,

und suchen und finden.

Zwei Brüder

Zwei Heere.

Getrennt

Und verbunden.

Halbblind

Und halbsehend

gerissen entzwei

wie der ganze stinkende Rest.

Ausziehen wird

im Mönchsgewand

der Eremit

Finsterfromm und stochernd

im Nebel aus Dummheit und Ruß

Seine kleine Laterne,

gut, für die kürzere Sicht

In der Zeit der längeren Kriege.

Das freie Schwert und der Säbel indes

Werden höher sich recken

Im Weltenbrand

und zurückgedrängt

in sein Innerstes

wird ein jeder

und jedes.

Jedoch es wächst und lernt und wartet

Die dritte Kraft

Übersehen im Eifer

Der sich schlachtenden Zwei.

Wird pflügen die brennenden Äcker

Jahrtausende der alten Welt

Blutspritzender Rammbock

vor blutbespritzten Rädern.

Vereint im großen Sterben

Was nie getrennt gewesen

werden Körper sich ändern

Es wird sprießen und keimen

Im Blutschatten noch

Der toddurchfurchten Felder

Eine neue Brut

Und erobern sich

eine verheerte Welt.

Als Neolin 2 geendet hatte, sackte er erschöpft in sich zusammen. Er trocknete sich die Tränen und schaute auf. Der Kanarienquex war fort. Schaudernd hatte dieser, kurz nach dem »Blutschatten der toddurchfurchten Felder«, die Flucht ergriffen.

Direkt dem großen Feuer gegenüber bot sich neuerdings ein erhebender Anblick: Als eine der spektakulärsten Anschaffungen der jüngeren Zeit gab eine künstliche Berglandschaft den Shiva-Feiernden Gelegenheit, sich in luftiger Höhe zum Alleinsein zu verkrümeln. Es handelte sich um gängiges Spielgerät für Menschenkinder: ein Klettergerüst, verbunden mit fingerdickem Drahtseil, das sich um die zentralen Stützmasten zu einer komplexen Struktur spannte.

Die düsteren Prophezeiungen des Shiva-Schamanen fliehend, erkletterte KQ diese neue Spielebene.

»Stranger Mood an diesem Tag«, dachte der Kanarienquex, als er von diesem Drahtseilgebirge aus einige Zeit zugebracht hatte, das Treiben unter sich zu betrachten.

Inzwischen waren es schon wieder erstaunlich viele, die sich in Ermangelung geregelter Wochenarbeitszeiten in Shivas Paradize tummelten.

Der Quex schaute sich das acidverspulte Treiben vom Klettergerüst aus eine Weile an. Shivas Nachmittagsmeute war für ihre ausgesuchte Planlosigkeit berüchtigt. Dann verließ er seinen Aussichtsposten und begab sich herab auf die Tanzfläche.

Dort noch nicht angekommen, kündete der Vibrationsalarm vom Erhalt einer SMS.

KQ ging unauffällig ein paar Meter abseits, um nicht in Thom Willbroox’ Blickfeld zu geraten, der allen Ernstes ein Telefonierverbot im gesamten Kombinat durchsetzen wollte.

In einer Ecke stehend fingerte KQ das Telefon aus einem kleinen Seidenbeutel. Auf dem Display las er:

»Babylon on fire, Süßer … +++ What the fuck is going on?! +++ CALL ME NOW!!! +++ d. fauna«

Na was! Donna Fauna! Wenn es nach der ging, war die Welt schon des Öfteren im Chaos versunken, quer durchs vergangene Jahrzehnt.

Das arme Kind war friedensbewegungsgeschädigt. Von ihren Eltern in frühem Kindesalter über jedes vertretbare Maß hinaus shalom-haverimisiert, hatte Fauna die Neutronenbombenapokalyptik der Raketenkrise der Achtzigerjahre zu einem emotionalen Grundmuster ausgebaut.

Wer sie nicht kannte, fiel erfahrungsgemäß ein- bis zweimal auf Faunas charismatisch vorgetragene Panikattacken herein und ließ sich ein paar Meter in Richtung des vermeintlichen Weltuntergangs mitschleifen. Auf die Dauer reagierten die meisten gelassen, wenn Fauna mal wieder meinte, ihre depressive Todessehnsucht zur Grundlage weltpolitischer Analysen machen zu müssen.

KQ gehörte zu denen, die ihre Ausraster einschätzen konnten. Für Sekundenbruchteile irritiert, beschloss er umgehend, die hysterische Aufforderung bass zu ignorieren. Er dachte ja nicht daran, Fauna zurückzurufen. Und »NOW!!!« schon mal gar nicht. Nicht mit drei Ausrufezeichen.

Die Guteste hatte, das sagte sich der Kanarienquex bei aller Sympathie, echt einen ordentlichen Knacks im Hirn. Was für KQ, der seine scheinbar viel harmloseren Neurosen intern dramatischer einstufte, seit jeher die Geschäftsgrundlage freundschaftlicher Betätigung darstellte. Es waren immer die keineswegs nur harmlos Wahnsinnigen gewesen, bei denen das Quexometer heftig ausschlug.

Diese Sammelleidenschaft für Irrsinnige aller Provenienz war beim Quex berufsbedingt. Oder berufsvermeidungsbedingt – für die, denen eine Tätigkeit als reisender Partylöwe wenig handfest gilt.

Dabei war der Quex anerkannter Profi in seinem Geschäft. Der Lifestyle, den er sich auf diese Tour leisten konnte, durfte sich anschauen lassen.

Er verbrachte wilde Wochen auf den Partyinseln aller Meere, feierte tagelang mit Sven Väth auf einer Yacht vor Ibiza, jettete zu den Highlights der Goa-Bewegung in australischen Urwäldern und nordafrikanischen Wüsten – und immer fanden sich Leute, die bereitwillig für sein Kommen bezahlten.

Andere mussten sich dafür als Tresenhilfe verdingen, Lasershows veranstalten, als Cybermonster, DJs, VJs, MJs oder auf Stelzen das Feiervolk animieren oder sich sonstwie zum Kasperl machen.

Vom Kanarienquex wurde dergleichen nicht erwartet. KQ hatte geschafft, regelmäßig als er selbst engagiert zu werden. Er wurde eingeladen, auf Kosten des Hauses zu sein, wie er gerade sein wollte. Wenn er sich dann, was ständig vorkam, inmitten der Elite der Drogenkultur auf das Extremste aufführte, nahm ihm das niemand übel, im Gegenteil: Dann waren’s alle zufrieden, jaja, der kleine, orange-grüne Quex war sein Geld mal wieder wert gewesen. Was für ein Auftritt, grandios!