Das Geheimnis gesunder Kinder: Die Kinderärzte Klaus-Dieter Früchtenicht und Georg Seifert liefern praktische Tipps für Eltern infektgeplagter Kinder. Das neue Standardwerk zur Kindergesundheit!
Schnupfen, Fieber, Durchfall: Infektgeplagte Eltern sorgen sich um das Wohl ihrer Kinder. Doch Gesundheit entsteht durch das komplexe Zusammenspiel vieler Faktoren, nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit. Entscheidend sind die ersten drei Lebensjahre. Kinderneurologe Klaus-Dieter Früchtenicht und Kinderonkologe Georg Seifert verknüpfen traditionelle Naturheilkunde und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Fallbeispielen aus ihrer langjährigen Praxis. Sie geben praktische Tipps zur täglichen Anwendung bei Kinderkrankheiten, Infekten und Entwicklungsstörungen - für lebenslange Gesundheit.
Klaus-Dieter Früchtenicht
Georg Seifert
VON ANFANG AN GESUND
Gesundheitskräfte natürlich stärken für Kinder von null bis drei
mit Carsten Tergast
hanserblau
Für alle Mütter und Väter, die wissen, dass Kinder
die größte Inspiration unseres Lebens für heute
und die größte Hoffnung für unsere Zukunft für
morgen sind
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
Reden wir von Gesundheit
Entwicklung von Gesundheit – Grundlagen der Gesundheit
Stellen wir die Sinnfrage
Gesundheit anthropologisch: Der Mensch ist nicht. Er wird
Gesundheit aus der Sicht von Genetik und Epigenetik
Gesundheit, frühkindlicher Stress und die frühen Botschaften des Immunsystems
Gesundheit und die Telomere
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Gesundheit und Erlernte Hilflosigkeit
Gesundheit und Transgenerationales Lernen
Das Dilemma der modernen Medizin
Warum wird der Mensch krank?
Die gefühlte Zunahme der Erkrankungen und Diagnosen
Immer mehr Medizin und die Folgen
Gesundheit als Wirtschaftsfaktor
Gar nicht krank ist auch nicht gesund
Die Optimierung der Kindheit als Risikofaktor
Exkurs: Warum Bildschirme Mutter und Vater auch künftig nicht ersetzen werden
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Keine Angst vor Krankheiten
Salutogenese: Gesundheit entsteht und ist beeinflussbar
Der Test: Die eigene Kohärenz messen
Macht und Chance der ersten Jahre
Die Diamanten der Gesundheit
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Gefühle und Impulse
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Die Kraft der Berührung
Bodybuilding für das Immunsystem: Das Abwehrsystem stärken
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Allergien und Unverträglichkeiten
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Hygiene
Impfen
Rotznase, Erkältung und andere Infekte
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Du bist, was Du isst – Ernährung als Baustein für ein starkes Immunsystem
Überfluss macht krank
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Gesunde Ernährung ist eigentlich einfach
Die Stärken des Fiebers
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Einer für alle, alle für einen – Warum Zugehörigkeit wichtig ist und Vereinzelung krank macht
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Resilienz: Widerstandskraft und Selbstwertgefühl entwickeln
Big five
Der Test: Die Resilienz bei Kindern messen
Kinder resilienter machen
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Was Lachen und Optimismus mit unserer Gesundheit zu tun haben
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Hintergrund: Kohärenz
Integrative Medizin – Die unterschätzte Kraft
Integrative Medizin von Anfang an – Tipps und Tricks, wenn das Kind krank ist
Die Fünf Säulen der Gesundheitslehre des Sebastian Kneipp
Tipps aus der integrativen Medizin und Naturheilkunde zur sanften Stärkung der Kinder, wenn sie noch nicht krank sind
Erkältungen und Infektionen der oberen Atemwege
Tipps für Kinder mit häufigen Infekten, kontinuierlichem Schnupfen und anderen Erkältungssymptomen
Unruhe und Einschlafstörungen
Bauchschmerzen
Ohrenschmerzen
Magen-Darm-Infektionen
Halsschmerzen
Die Gelassenheit der Eltern ist die Gelassenheit der Kinder – Mind-Body-Medizin für Eltern
Aktive Mind-Body-Medizin für (werdende) Eltern
Wissen, das Hilfe schafft: Krankheiten und Sorgen gesund durchmachen
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Die Zeit vor der Geburt
Schwanger. Nicht krank
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Die ersten drei Monate (U3/U4)
Sleepless nights
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Jedes Kind schläft anders
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Warum Babys schreien
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Das schwierige Temperament
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Der vierte bis achte Monat (U5)
UNSERE EMPFEHLUNGEN
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Der neunte bis zwölfte Monat (U6)
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Der zwölfte bis vierundzwanzigste Monat (U7)
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Der vierundzwanzigste bis sechsunddreißigste Monat (U8/U9)
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Soziale Entwicklung
UNSERE EMPFEHLUNGEN
Warum salutogenetisches Denken unser Leben besser macht – Ein Schlusswort
Danksagung
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis nach Begriffen/Themen
Register
VORWORT
Liebe Eltern, liebe Leserin, lieber Leser,
in den letzten Jahren hat sich das Verständnis der Entstehung von Krankheit und Gesundheit nachhaltig, ja, man könnte fast sagen: revolutionär, verändert. Und zwar vor allem durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere im Bereich der Epigenetik und der Neurobiologie.
Die Entstehung und der Verlauf von Krankheiten werden ganz wesentlich durch Einflüsse auf unser Erbgut bestimmt, die bereits in der Zeit vor der Geburt, vor allem aber in den ersten drei Lebensjahren erfolgen.
Es mag zunächst nur schwer vorstellbar sein, ist aber dennoch wahr: Schwere, Verlauf und selbst der Zeitpunkt des Auftretens diverser Krankheiten werden durch diese Einflüsse und Erfahrungen in den ersten Lebensjahren entscheidend beeinflusst. Das gilt sowohl für klassische Zivilisationserkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes mellitus, aber auch für neurologische und psychiatrische Erkrankungen wie etwa Depressionen, Angststörungen oder Multiple Sklerose.
Vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht unerlässlich, einen neuen Blick auf die Entstehung von Krankheit und Gesundheit zu werfen. Denn mit diesem neuen Wissen können wir in den ersten Lebensjahren aktiv eingreifen und die Heilungs- und Abwehrkräfte in unseren Kindern, aber auch in uns selbst fördern, stärken und positiv beeinflussen.
Bisher bekämpfen wir Krankheit hauptsächlich erst dann, wenn sie entstanden ist. Wir müssen dringend zu einem Perspektivwechsel und zu einem viel umfassenderen und besseren Verständnis von Gesundheit-, Primärprävention und Krankheit kommen. Die alleinige, vor allem medikamentöse, Behandlung bereits entstandener Erkrankungen ist im Lichte der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht sinnvoll. Stattdessen sollten wir unsere Gesundheit in die eigenen Hände nehmen.
Neben den tatsächlichen Fortschritten in der Behandlung von Erkrankungen erleben wir in unserem Alltag eine gefühlte Zunahme von Beschwerden und Diagnosen, deren Krankheitswert mindestens problematisch, wenn nicht sogar zweifelhaft ist. Wir wollen uns hier der sozialen Dimension von Gesundheit und Krankheit widmen.
Denn Fakt ist: Trotz steigender Lebenserwartung, trotz nie zuvor gekannter medizinischer Standards, nehmen Ängste, Unsicherheiten und Sorgen rund um die Gesundheit, aber auch die Beschwerden immer mehr zu, und das nicht nur in Bezug auf Kinder.
Eine weitverbreitete Annahme ist inzwischen zur Bedrohung geworden: Durch Vorbeugen, Risikominimierung sowie mehr und ausgefeiltere Therapien könnte andauerndes und völliges Wohlbefinden erreicht und der Mensch für Schule und Arbeitsmarkt immer funktionstüchtiger werden. Dieses Denken bedroht vor allem die Kindheit und damit unsere Zukunft. Denn tatsächlich machen nicht nur Risikominimierung und ständiges Vorbeugen die Kinder gesund, glücklich, stark und zukunftsfähig.
In der ausufernden Gesundheitsindustrie ist Krankheit zum Produkt geworden, Gesundheit gilt als ökonomisch kontraproduktiv. Bisweilen ist es nicht übertrieben zu unterstellen, dass Gesundheit eigentlich gar nicht gewollt wird. Schließlich leben so viele Beteiligte viel besser von Krankheit.
Die Qualität der medizinischen Versorgung bemisst sich heute oft stärker an der reinen Verfügbarkeit und Quantität von Untersuchungen. Als wäre diese gleichbedeutend mit »Qualität«. Krankheit wird dabei immer mehr zu einem Produkt, das gerne ausgelagert wird, damit andere sich schnell darum kümmern können.
Wachstum, Dienstleistung und Gewinnmaximierung sind längst Teil des Systems Gesundheit geworden. Das überwiegend biologisch, organmedizinisch und technikorientierte Denken schreit danach, Störungen sofort zu beseitigen. Dabei machen uns die wenigsten Untersuchungen und Arzttermine wirklich gesund. Eigenaktivität, Geduld, Muße und liebevolles Abwarten als Teil natürlicher Heilungsprozesse werden immer mehr als Zumutung betrachtet. Im Sinne einer modernen Verwertungslogik wird Krankheit überwiegend als regelwidriger Funktionszustand erlebt, der die Leistungs- und Schaffenskraft beeinträchtigt. Gesundheit jedoch ist ohne Krankheit nicht möglich. Gleichzeitig ist Gesundheit mehr als die pure Abwesenheit von Krankheit.
Wir als Ärzte, Väter und Menschen wünschen uns einen Paradigmenwechsel, hin zu einem selbstverantwortlichen und -bestimmten Verständnis von Gesundheit, Krankheit und Heilung. Nur so kann auch die Qualität von Gesundheit zunehmen.
Wir wollen Ihnen auf der Grundlage neuer Forschungsergebnisse eine sinnvollere Sicht auf Gesundheit nahebringen. Das neue Wissen um das komplexe Zusammenspiel von Psyche, Umwelt, Biologie und Epigenetik ist hochspannend. Es sind eben nicht nur die Gene, die unsere Gesundheit bestimmen. Wir selbst können nachhaltig mit unserem Verhalten unser Erbgut und unsere Anlagen beeinflussen – und damit auch die Gesundheit unserer Kinder und Enkel. Gesundheit ist also machbar und ein kontinuierlicher aktiver Prozess, kein einmal erreichter und fixierter Zustand. Diese Erkenntnis eröffnet den Weg zu einem angstfreien und selbstbestimmten Verständnis von Gesundheit und Krankheit.
In jedem von uns sind Gesundheit und innere Heilungskräfte angelegt. Sie entstehen sowohl vor der Geburt, aber gerade auch in den ersten drei Lebensjahren. Daher konzentrieren wir uns besonders auf jene Faktoren, die in diesen ersten Lebensjahren die Gesundheit und Widerstandskraft in uns allen, aber vor allem in den Kindern fördern und stärken. Wir betonen damit die Körper-Geist-Seele-Einheit und die selbstheilenden Kräfte in uns als Teil von Gesundheit und Krankheit.
Wir haben neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Immunbiologie, Neuropsychologie und Epigenetik zusammengetragen. Jedes einzelne Forschungsergebnis bleibt für sich genommen richtig, ist aber nur ein kleiner Baustein des Wunders, das den ganzen Menschen ausmacht. In diesem Zusammenhang erinnern wir immer gerne an den Vortrag eines berühmten Biomathematikers mit dem klugen Titel »Von der Vielfalt der Gene und der Einfalt der Ärzte«. Mit anderen Worten: Manchmal wachsen Kinder auch ohne Medizin gesund auf.
Unser Ziel ist es, Ihnen Zuversicht zu vermitteln, damit Sie Ihre eigenen Gesundheitskräfte und die Ihrer Kinder stärken können. Vergessen Sie ruhig öfter mal gute Ratschläge und stärken stattdessen Ihre Widerstandskraft und innere Heilungskraft. Tun Sie, was sich für Sie selbst gut anfühlt, vermeiden Sie sinnlose Normen, Vorgaben und falsche Erwartungen!
Dr. Klaus-Dieter Früchtenicht,
Prof. Dr. Georg Seifert,
Berlin im März 2019
REDEN WIR VON GESUNDHEIT
Wir schreiben das Jahr 1970. Aaron Antonovsky, 1923 in den USA geboren, im Zweiten Weltkrieg als Soldat im Einsatz für die US-Armee, ist vor mittlerweile zehn Jahren mit seiner Frau Helen nach Jerusalem in Israel emigriert.
Antonovsky ist zu diesem Zeitpunkt bereits kein ganz unbekannter Soziologe mehr. Auf seinem Schreibtisch am Applied Social Research Institute liegt eine Studie, die sich mit der Anpassungsfähigkeit von Frauen unterschiedlicher Herkunft an die Menopause beschäftigt. Alltag für den Wissenschaftler, und doch findet er in dieser Studie etwas, das seine Aufmerksamkeit erregt.
Zwei Zahlen fallen Antonovsky ins Auge, auf eine davon schaut er zunächst etwas ungläubig, weil sie ihm so unwahrscheinlich erscheint. Es geht um den psychischen und physischen Gesundheitszustand zweier Gruppen von Frauen. In einer davon zeigten sich 51 Prozent der Befragten in ihrer Gesundheit vollkommen unbeeinträchtigt, in der zweiten waren es nur 29 Prozent. Es sind jedoch gerade diese 29 Prozent, die den Wissenschaftler elektrisieren. Beziehen sie sich doch auf eine Gruppe von Frauen, die 1939 zwischen 16 und 25 Jahren alt und Häftlinge in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager waren. Antonovsky war sich sofort darüber im Klaren, nicht die geringere Prozentzahl im Vergleich zu den nicht in KZs internierten Frauen war das entscheidende Ergebnis, sondern die Tatsache, dass fast ein Drittel der Frauen sich zum Zeitpunkt der Studie in einem geistigen und körperlichen Zustand befand, den man nach den üblichen Kriterien mit Fug und Recht als »gesund« bezeichnen konnte. Trotz der seelischen und körperlichen Traumata, die sie erlitten hatten.
Wie war das möglich? Sollte man nicht annehmen, nach derartigen Qualen könne kaum ein Mensch jemals wieder gesund sein? Antonovsky war schlagartig klar, dass die Wissenschaft und infolgedessen auch die Gesellschaft ihren Blickwinkel verändern musste.
Die klassische Medizin hatte bisher immer die Frage gestellt, wie Krankheit entsteht und wie sie im Anschluss an ihre Entstehung zu behandeln und zu beseitigen sei. Nun rückte ein anderes Anliegen in den Fokus: Wie definieren wir eigentlich Gesundheit, wie entsteht diese und welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Krankheit und Gesundheit?
Als Gegensatz zur Pathogenese, eben jener Fixierung auf einen negativen Krankheitsbegriff, definierte Antonovsky aus dieser Erkenntnis heraus den Neologismus der Salutogenese. Im Deutschen lässt er sich am besten mit »Gesundheitsentstehung« übersetzen, bedeutet jedoch so viel mehr, als dieses nüchterne Wort auf den ersten Blick aussagt. Wichtigster Bestandteil des Salutogenesekonzeptes von Antonovsky ist das Kohärenzgefühl. Kohärenz besteht dabei aus drei entscheidenden Aspekten:
• Das Gefühl der Verstehbarkeit, also die Fähigkeit, die Zusammenhänge des Lebens zu verstehen
• Das Gefühl der Handhabbarkeit, also die Überzeugung, das eigene Leben gestalten zu können
• Das Gefühl der Sinnhaftigkeit, also der Glaube an den Sinn des Lebens
Diese Punkte werden uns im Laufe des Buches immer wieder begegnen. Vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Zusammenhänge der Entstehung von Gesundheit und Krankheit werden wir deren Bedeutung erläutern.