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Die Herausgeberin

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Friedhilde Bartels, Gesundheits-und Krankenpflegerin, Präsidentin der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege (DGATP) e. V., ehemalige Pflegedienstleiterin der Medizinisch-Geriatrischen Klinik, Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus gGmbH.

Friedhilde Bartels

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie

Band 2: Praktische Umsetzung

Auf Initiative des Bundesverbandes Geriatrie e. V.

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Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Piktogramme

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029112-6

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-029113-3

epub:  ISBN 978-3-17-029114-0

mobi:  ISBN 978-3-17-029115-7

 

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Geleitwort

 

 

 

Der Wert der Pflege als eigenständiger Beruf zeigt sich besonders in der Geriatrie. Die Pioniere dieser immer noch jungen Disziplin betonten von Anfang an den Wert der Teamarbeit und im Besonderen den Stellenwert der Pflege. Dies galt von Anfang an für den Bereich der Altenhilfe und die erst spärlich vorhandenen geriatrischen Krankenhausabteilungen. Lange bevor es den Mediziner als Geriater gab, wurde der Beruf der Altenpflege eingeführt. Meine Lehrer in der Schweiz Jucker und Steinmann prägten dafür in den 70er Jahren den Begriff »Aktivierende Pflege«.

Seither hat sich vieles getan. Aus einer kleinen Zahl geriatrischer Kliniken, die 1993 die Bundesarbeitsgemeinschaft der klinisch-geriatrischen Einrichtungen auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung mit 19 Mitgliedern gründeten, wurde der heutige Bundesverband Geriatrie, der mehrere 100 Einrichtungen zählt.

Da geriatrische Inhalte in den pflegerischen Ausbildungen kaum vorhanden waren wurden Fort- und Weiterbildungskonzepte an neu entstandenen geriatrischen Akademien vermittelt. Im Albertinen-Haus in Hamburg wurde die Weiterbildung zur »Fachkrankenschwester für Klinische Geriatrie und Rehabilitation« eingeführt.

Das Bobath-Konzept, das primär von Physiotherapeuten und Ergotherapeuten angewandt wurde, erwies sich dabei auch als gute Grundlage für die Weiterbildung der Pflegekräfte in der Geriatrie.

Die Bobaths, die in den 80er-Jahren auch wieder mit Kursen in Deutschland begannen, betonten von Anfang an, dass ihr Konzept ein 24-Stunden-Konzept sei und wiesen auf die große Verantwortung der Pflege hin.

Die Pflege prägt das Milieu eines Hauses, sie hat es in der Hand durch Erkennung von Ressourcen, das Potenzial eines Patienten zu fördern und somit therapeutisch einzugreifen. Unser Leben – ein Bobath-Satz – ist Reaktion auf äußere Reize. Diese Reize müssen fachgerecht vermittelt werden. Pathologisches ist zu hemmen, Gesundes zu bahnen.

Dieses Vorgehen verlangt ein spezielles Wissen und nicht zuletzt einen Stellenplan, der Aktivierend-therapeutische Pflege auch zulässt.

Dank der BIKA® mit eigenen Pflegekursen bilden sich die Pflegenden im Bobath-Konzept heute selbständig weiter. Dank der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege (DGATP e. V.) ist die Pflege des geriatrischen Patienten heute zu einem spezialisierten selbständigen Arbeitsfeld geworden, das dem alten und behinderten Patienten hilft, wieder unabhängig zu werden.

Es ist Frau Friedhilde Bartels als Herausgeberin mit einem Team von anerkannten Autorinnen gelungen, die Inhalte der Aktivierend-therapeutischen Pflege der Geriatrie übersichtlich darzustellen, Fortbildungskonzepte aufzuzeigen, und auch die konkrete Anwendung zu beschreiben. Das spezielle Wissen, das in erstaunlich kurzer Zeit entstand, wird in den einzelnen Kapiteln dieses Buches umfassend dargestellt.

Sicher hilft dieses Buch, den Wert der Pflege im Bereich Krankenhaus, Pflegeheim und ambulanter Pflege zu verbreiten. Dies zum Wohl der alten und kranken Patienten, die möglichst selbständig leben möchten.

In diesem Sinne wünsche ich dem Buch eine große Verbreitung.

Prof. Dr. Hans Peter Meier-Baumgartner

im November 2018

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Abkürzungsverzeichnis
  2. 1          Einleitung und Einführung in das Thema der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie
  3. 1.1       Älterer Mensch und geriatrischer Patient
  4. 1.2       Ganzheitliche Betreuung und Versorgung notwendig
  5. 1.3       Bundesverband Geriatrie e. V. stellte sich Herausforderungen
  6. 1.4       Begriffsbestimmung: Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie
  7. 1.4.1     Katalog der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie
  8. 2          Allgemeine, für alle drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte relevante Themen
  9. 2.1       Bedeutungen von Ressourcen im Rahmen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie
  10. 2.1.1     Ressourcen: eine Begriffserklärung
  11. 2.1.2     Ressourcen: Lokalisation und Wechselwirkungen
  12. 2.1.3     Individuelle Ressourcen
  13. 2.1.4     Selbstwirksamkeit
  14. 2.2       Was ist therapeutisch an der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie?
  15. 2.2.1     Die ATP-G basiert auf dem Bobath-Konzept, dessen Prinzipien, Methoden und Techniken
  16. 2.2.2     Die Förderung der Eigenaktivität
  17. 2.2.3     Die Verbesserung der Haltungskontrolle zur verbesserten Eigenwahrnehmung
  18. 2.2.4     Sekundärschäden
  19. 2.2.5     Interdisziplinäre Zusammenarbeit
  20. 2.2.6     Angehörige/Zugehörige einbeziehen
  21. 2.2.7     Therapeutisch bedeutet, Fachwissen und Fachkompetenz einsetzen
  22. 2.3       ATP-G eine körpergerechte Arbeitsweise
  23. 2.3.1     Einleitung
  24. 2.3.2     Aktionen und Reaktionen der Muskulatur
  25. 2.3.3     Auswirkungen von unüberlegten Handlings der Pflegenden
  26. 2.3.4     Eigenversuch
  27. 2.3.5     Eigenversuch
  28. 2.3.6     Praktische Umsetzung
  29. 2.3.7     Fazit
  30. 3          Drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte
  31. 3.1       Handlungs- und Pflegeschwerpunkt: Aspekte der Beziehungsarbeit
  32. 3.1.1     Und denken wir daran: Wir sind die ›Alten‹ von morgen!
  33. 3.1.2     Beziehung
  34. 3.1.3     Entwicklungen der Ressource Beziehungsfähigkeit
  35. 3.1.4     Beziehungsarbeit
  36. 3.1.5     Gefühlsregulation beeinflusst, bzw. ist eine Basis für die Beziehungsarbeit mit dem geriatrischen Patienten
  37. 3.2       Handlungs- und Pflegeschwerpunkt: Bewegung
  38. 3.2.1     Fazilitation im Bereich des Handlungs- und Pflegeschwerpunkts Bewegung
  39. 3.2.2     Hilfsmittel als »Mittel zum Zweck«
  40. 3.2.3     Kleine Hilfsmittel, große Wirkung bei der Förderung und dem Erhalten der Funktionsfähigkeit (und Selbsthilfekompetenz)
  41. 3.3       Handlungs- und Pflegeschwerpunkt: Selbstversorgung
  42. 3.3.1     ATP-G bei Ernährung und Arzneimitteln
  43. 3.3.2     Ausscheidungen
  44. 4          Evaluation eines Praxiskonzeptes: Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie
  45. 4.1       Einleitung
  46. 4.2       Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
  47. 4.3       Methodisches Vorgehen
  48. 4.4       Ergebnisse
  49. 4.5       Diskussion und Ausblick
  50. 5          Konzept zur Implementierung von ATP-G
  51. 5.1       Pflegekonzept
  52. 5.1.1     Geriatrisches Pflegekonzept
  53. 5.1.2     Organisationsstrukturen und -prozesse
  54. 5.1.3     Organisationsprozesse
  55. 5.2       Einarbeitung von neuen Mitarbeitern/-innen in der Pflege und die Gestaltung der Probezeit
  56. 6          Anwendung der zielorientierten Pflege
  57. 6.1       Allgemein
  58. 6.2       Die richtigen Ziele finden
  59. 6.3       Pflegeziele für ATP-G
  60. 6.4       Zieldefinitionen
  61. 6.4.1     SMART-Formel
  62. 6.4.2     Zielvereinbarungen mit dem Patienten
  63. 6.5       Übergabe
  64. 6.5.1     Praktische Anwendung der zielorientierten Pflege – Gestaltung der Übergabe
  65. 6.6       Evaluierungen der Pflegeziele
  66. 7          Dokumentation der Ziele und ATP-G-Pflegeinterventionen
  67. 7.1       Pflegemaßnahmenbogen
  68. 7.2       Pflegebericht
  69. 8          Hausinternes Fortbildungskonzept
  70. 8.1       Mögliche Grundsätze der hausinternen Fortbildung
  71. 8.2       Ziele der Fortbildung
  72. 8.3       Fortbildungsmatrix
  73. 8.4       Fort- und Weiterbildung planen
  74. 8.4.1     Fortbildungsbedarf ermitteln
  75. 8.4.2     Umsetzung der Fort- und Weiterbildungsplanung
  76. 8.4.3     Konkrete Planung der Fortbildung (inkl. Tagesveranstaltungen) auf Station
  77. 9          Qualitätssicherung in der Anwendung von ATP-G
  78. 9.1       Qualifizierungs- und Karriereplanung
  79. 9.1.1     Entwicklungen von Qualifizierungsstufen
  80. 9.2       Weitere Qualitätskriterien
  81. 9.2.1     Audits
  82. 10       Kennzahlen für Qualifizierungsstufe Bewegung im Rahmen der ATP-G
  83. 10.1    Ermittlung von Grunddaten der derzeitigen Pflegenden
  84. 10.2    Wozu können die erhobenen Kennzahlen dienen?
  85. 11       Anwendungsbeispiel: Aktivierend-therapeutische Pflege bei Menschen mit Demenz
  86. Die Autorinnen und Autoren
  87. Anhang
  88. Anlage 1: Fortbildungsmatrix (Images Kap. 8.3)
  89. Anlage 2: Jahresübersichtsplanung (Images Kap. 8.4)
  90. Anlage 3: Protokoll: Praxis-Theorie-Transfer-Gespräche (Images Kap. 8.4)
  91. Anlage 4: Qualifizierungsstufen bezogen auf Beziehungsarbeit im Modell der ATP-G (Images Kap. 9.1)
  92. Anlage 5: Qualifizierungsstufen bezogen auf das stationsinterne Coaching zur Beziehungsarbeit (Images Kap. 10.1)
  93. Anlage 6: Qualifizierungsstufen bezogen auf Bewegung im Modell der ATP-G (Bobath-Konzept) (Images Kap. 10.1)
  94. Anlage 7: Praxisbegleitbogen für ATP-G Bewegung (Bobath-Konzept) (Images Kap. 10.1)
  95. Anlage 8: Pflegemaßnahmenbogen (Images Kap. 7.1)
  96. Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

ADW

Albertinen-Diakoniewerk e. V.

AEDL

Aktivitäten und existenzielle Erfahrungen des Lebens

ATP-G

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie

ATL

Aktivitäten des täglichen Lebens

BFD

Berufsfreiwilligendienst

BVG

Bundesverband Geriatrie e. V.

DGATP

Deutsche Fachgesellschaft Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.

FWB

Fachweiterbildung

FSJ

Freiwilliges Soziales Jahr

GFK

Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung

GKP

Gesundheits- und Krankenpflege

GPA

Gesundheits-und Pflegeassistenz

ICF

Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit

IDT

Interdisziplinäres Team

KPH

Krankenpflegehilfe

MA

Mitarbeiter/Mitarbeiterin

MAV

Mitarbeitervertretung

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenkassen

MGK

Medizinisch-Geriatrische Klinik

PDL

Pflegedienstleitung

TZ

Teilzeit

VZ

Vollzeit

ZNS

Zentrales Nervensystem

1          Einleitung und Einführung in das Thema der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie (ATP-G)

Friedhilde Bartels und Anke Wittrich

Mit zunehmendem Alter wird die Erhaltung der individuellen Gesundheit bestimmend für die Lebensqualität. Insgesamt stellt das Altern der Gesellschaft neue Herausforderungen, und dies nicht nur in Hinsicht der Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, sondern auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches und produktives Altern sowie der Betreuung und Pflege von Hochaltrigen.

2015 ging man davon aus, dass bis zum Jahr 2060 ca. 33 % der Bevölkerung in Deutschland älter als 65 Jahre sein werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird dann für Frauen bei 88,8 und für Männer bei 84,8 Jahren liegen (vgl. Langejürgen 2015). Infolge des Flüchtlingszustroms könnte davon ausgegangen werden, dass dies eine große Auswirkung auf die Altersstruktur der Bevölkerung haben wird. Laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts hat »[die] aktuelle hohe Zuwanderung […] nur sehr eingeschränkte Auswirkungen auf die langfristige Bevölkerungsentwicklung. Sie schlägt sich vor allem im kurzfristigen Anstieg der Bevölkerungszahl nieder. Die Alterung der Gesellschaft, wie oben beschrieben, verzögert sich lediglich« (Statistisches Bundesamt 2016).

Somit ist in den kommenden Jahrzehnten aufgrund der Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung dennoch mit einer deutlichen Alterung der Bevölkerung zu rechnen.

Im Vergleich zu jüngeren Teilen der Bevölkerung ist der Ressourcenverbrauch im Gesundheitswesen bei alten und hochaltrigen Patienten sehr deutlich erhöht.

Dies wird die Gesellschaft zukünftig aus ökonomischer Sicht zum einen vor das Problem des fehlenden bzw. knappen pflegenden Personals stellen, zum anderen werden die Kosten zur Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit stark ansteigen. Übertragen auf die Gesundheitskosten, die infolge sturzbedingter Verletzungen bei Personen über 65 Jahren auftreten, würde dies eine knappe halbe Milliarde Euro an Mehrkosten bedeuten.1 Ab dem 1.1.2019 gilt die Personaluntergrenzenverordnung (PpUGV) auch in der Geriatrie. Diese regelt die maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft. Diese darf während der Tagesschicht 10 und während der Nachtschicht 20 Patienten pro Pflegekraft betragen.

1.1       Älterer Mensch und geriatrischer Patient

Ein höheres Lebensalter ist mit physiologischen Veränderungen des alternden Organismus verbunden. So kommt es beispielsweise zu Veränderungen der Anteile von Muskelmasse, Körperfett und Wasser, zu Einschränkungen von Nieren- und Leberfunktion und zu Veränderungen der Abwehrleistung. Dies bedingt u. a. Auswirkungen auf Stoffwechselprozesse oder Arzneimittelwirkungen. Diese Prozesse bedeuten ein erhöhtes Risiko insbesondere des Hochaltrigen, Fähigkeitsstörungen mit dem weitergehenden Risiko einer sozialen Beeinträchtigung zu erleiden. Dies ist typisch für den geriatrischen Patienten. Große Herausforderungen werden dabei an die richtige Bestimmung und Zuordnung der Symptome gestellt (vgl. Frühwald 2007; von Renteln-Kruse 2009).

Durch altersbedingte Funktionseinschränkungen, begrenzte Kompensations- und Anpassungsfähigkeit und der damit einhergehenden erhöhten körperlichen, kognitiven und emotionalen Instabilität sind geriatrische Patienten bei Neuerkrankungen akut gefährdet, Komplikationen oder Folgeerkrankungen zu erleiden, ihre Alltagskompetenz zu verlieren und dauerhaft pflegebedürftig zu werden. Frailty wird dieses typisch geriatrische Syndrom bezeichnet, welches auf der Multimorbidität gekoppelt mit Hinfälligkeit, Pflegeabhängigkeit oder dem Verlust alltagsrelevanter Funktionen beruht (vgl. Steinhagen-Thiessen et al. 2003).

Der geriatrische Patient trägt demnach eine Vielzahl von Risikofaktoren in sich, da ein gleichzeitiges Nebeneinander von physiologischen Alterungsprozessen, behandelbaren Erkrankungen und schon vorhandenen körperlichen Behinderungen bestehen kann (vgl. Frühwald 2007). Um geriatrische Patienten adäquat »versorgen« zu können, ist ein spezifisches Behandlungskonzept umzusetzen, welches sich nach den individuellen Bedarfen dieser Patienten richtet (vgl. Meier-Baumgartner et al. 1998).

Die erforderliche medizinische Betreuung der geriatrischen Patienten orientiert sich stets an der individuellen Erkrankungs- und Lebenssituation. Somit ist das Ziel des geriatrischen Behandlungskonzeptes, die Patienten bei der Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung der größtmöglichen Selbstständigkeit in einem weitgehend selbstbestimmten Alltag aktivierend-therapeutisch zu unterstützen. Die Geriatrie stellt eine Verzahnung von kurativen und rehabilitativen Maßnahmen dar (vgl. Lübke 2005).

1.2       Ganzheitliche Betreuung und Versorgung notwendig

Um das Behandlungskonzept in der Geriatrischen Versorgung erfolgreich umsetzen zu können, bedarf es einer ganzheitlichen Betreuung und Versorgung dieser Patienten innerhalb eines flächendeckenden und abgestuften Versorgungsangebots. Unabhängig davon, ob es sich um eine ambulante geriatrische, akut-geriatrische, frührehabilitative oder geriatrisch-rehabilitative Versorgung handelt, ist die prozessorientierte multiprofessionelle Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachberufe in einem geriatrischen Team unter ärztlicher Leitung erforderlich. In diesem Team arbeiten u. a. speziell ausgebildete Ärzte, Pflegekräfte, (Neuro-)Psychologen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, aber auch Sozialarbeiter und Seelsorger zusammen. Einen wesentlichen Bestandteil des multiprofessionellen geriatrischen Teams bilden die Pflegekräfte – überwiegend examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Altenpfleger mit geriatriespezifischen Kenntnissen (Loos et al. 2001). Diese geriatriespezifischen Kenntnisse schließen die Aktivierend-therapeutische Pflege (ATP-G) als Grundsatz der geriatrischen Pflege ein.

Die Maßnahmen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie sind unabdingbarer Bestandteil und Grundlage des individuellen Behandlungs- und (Früh-)Rehabilitationskonzepts, da durch diese eine Vielzahl von Patienten erst in die Lage versetzt wird, weitergehende Therapieangebote erfahren und wahrnehmen zu können.

Frühere Ansätze in der Geriatrie befassten sich hauptsächlich mit der Kompensation, dem Ausgleich oder dem Ersatz von auftretenden Defiziten im Alter (vgl. Wedler 1999).

Die Versorgungsstrukturen in der Geriatrie entwickelten sich durch das in Kraft treten der Gesundheitsreform 1989, in der es hieß: »Rehabilitation vor Pflege« immer weiter. Dadurch sind in den Bundesländern verschiedene geriatrische Konzepte entstanden (vgl. Jamour 2008).

Die Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie stellt nicht nur ein Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe dar, sondern setzt sich gleichzeitig auch in Bereichen wie der Sekundärprävention fort. Der Patient erhält eine umfassende Beratung und Anleitung im Umgang mit Erkrankungen, Risikofaktoren sowie Hinweise zur Vermeidung von Komplikationen. Die Einbeziehung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. So können Angehörige bspw. die Möglichkeit erhalten, an aktivierend-therapeutischen Leistungen der Pflege teilzunehmen. Patientenschulungen spielen auch in den Bereichen der Pneumonie-, Thrombose- und Dekubitusprophylaxe eine wichtige Rolle (vgl. von dem Knesebeck et al. 2006; Nüchtern 2005).

In berufsgruppenübergreifenden Besprechungen werden die Effizienz der verschiedenen Therapiemaßnahmen abgesprochen, überprüft und gegebenenfalls modifiziert (vgl. Schulz et al. 2008).

1.3       Bundesverband Geriatrie e. V. stellte sich Herausforderungen

Wie bereits in Band I: Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie, beschrieben, hat eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Pflegefachkräften und Ärzten des Bundesverbandes Geriatrie sich 2008–2010 innerhalb eines Projektes mit dem komplexen Thema »Aktivierend-therapeutische Pflege« intensiv auseinandergesetzt.

Der Bundesverband Geriatrie ist ein Verband von Klinikträgern, dem derzeit 360 Mitglieder angehören und der über 22.000 Betten/Rehabilitationsplätze verfügt. So sind unter anderem fast alle größeren Klinikverbünde und -konzerne mit ihren geriatrischen Einrichtungen Mitglieder des Bundesverbandes.

Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe wurden in Band I als Begriffsdefinition und beschreibender Katalog der Bedarfsgruppen und der entsprechenden Maßnahmen vorgestellt. Bei der Erarbeitung sowohl der Begriffsdefinition als auch des Katalogs hat sich die Arbeitsgruppe ausschließlich mit Blick auf die dargestellten Besonderheiten der Patienten des Fachbereichs Geriatrie beschränkt.

Zum Einstieg in das Thema wird hier nochmals kurz auf die zugrundeliegende Beschreibung eingegangen.

1.4       Begriffsdefinition: Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie

Aktivierend therapeutische Pflege in der Geriatrie (ATP-G) bezieht sich auf Menschen mit

•  Unterstützungs- und Pflegebedarf sowie

•  (Früh-) Rehabilitationsbedarf.

Sie geht über die Grundpflege hinaus und ist mit der Behandlungspflege nicht zu vergleichen.

Unter Beachtung der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie aktueller gesundheitlicher Einschränkungen stehen insbesondere das (Wieder-) Erlangen und Erhalten von Alltagskompetenz im Mittelpunkt.

Ziel ist, die individuell optimal erreichbare Mobilität des Menschen, die Selbstständigkeit und Teilhabe in der Form, wie diese vor der aktuellen Verschlechterung bestanden haben, wieder zu erreichen.

Dies beinhaltet, den alten, multimorbiden Patienten mit multiplen Funktionseinschränkungen trotz und mit seiner aktuellen oder chronifizierten Einschränkung die Möglichkeiten seines Handelns selbst erfahren zu lassen und dahingehend zu motivieren, mit pflegerischer Unterstützung Aktivitäten wieder zu erlernen und einzuüben. Aktivierend-therapeutische Pflege greift auch die Arbeit der Therapeuten auf, setzt diese im interdisziplinären Behandlungskonzept fort und gibt Impulse zur Zieldefinition des Behandlungsteams.

Die Zielformulierung und Bestimmung der erforderlichen Interventionen im Rahmen der Aktivierend-therapeutischen Pflege werden gemeinsam mit dem Betroffenen, im interdisziplinären geriatrischen Team und gegebenenfalls mit den Angehörigen erarbeitet, umgesetzt und evaluiert. Die Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie wird demnach geprägt von einem Beziehungsprozess mit zielgerichteten Maßnahmen und aktivierend-trainierenden Aktivitäten mit dem Betroffenen.

Nach Definition der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie sowie des Bundesverbands Geriatrie ist für den geriatrischen Patienten kennzeichnend eine geriatrietypische Multimorbidität und höheres Lebensalter (überwiegend 70 Jahre oder älter). Die geriatrietypische Multimorbidität ist hierbei vorrangig vor dem kalendarischen Alter zu sehen; oder durch Alter 80+ auf Grund der alterstypisch erhöhten Vulnerabilität, z. B. wegen

•  des Auftretens von Komplikationen und Folgeerkrankungen,

•  der Gefahr der Chronifizierung sowie

•  des erhöhten Risikos eines Verlustes der Autonomie mit Verschlechterung des Selbsthilfestatus.

Mit Blick auf diese Definition ergeben sich Besonderheiten hinsichtlich des Bedarfs, der Risiken und der Verbindlichkeiten bei der Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie, beispielsweise die Beachtung eines erhöhten Sturz- und Dekubitusrisikos, die in der individuellen Pflege der Betroffenen ihren Niederschlag finden.

1.4.1     Katalog der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie

Die genannte Begriffsdefinition (Images Kap. 1.4) bildet die Grundlage für einen beschreibenden Katalog der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie

Bedarfsgruppen, Handlungs- und Pflegeschwerpunkte

Die geriatrischen Patienten werden vier Bedarfsgruppen (vgl. Bartels/Eckardt/Wittrich 2019) zugeordnet, je nach Ausmaß der notwendigen zu leistenden Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie. Der Aktivierend-therapeutische Pflegebedarf der geriatrischen Patienten richtet sich dabei nach dem Schweregrad der Erkrankung und/oder den Ressourcen in den Bereichen der sensomotorisch und/oder der kognitiven/neuropsychologischen Störungen (z. B. Demenz).

Für die bekannten Begriffe der Pflegemodelle (z. B. ATL, AEDL) werden die Bezeichnung »Handlungs- und Pflegeschwerpunkte« verwendet. Für die abzubildende Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie, als Rückgrat des Gesamtkonzeptes der Pflege in der Geriatrie, wurden drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte ausgewählt:

•  Aspekte der Beziehungsarbeit

•  Bewegung (Mobilität, Positionierung)

•  Selbstversorgung (Körperpflege, Kleiden, Nahrungsaufnahme und Ausscheidung)

Dabei sind grundsätzlich die individuellen Bedürfnisse, Bewegungsmuster und Ressourcen (sensomotorische und/oder kognitiv/neuropsychologische Störungen, die sich auf Aktivitäts- und Partizipationsebene auswirken können, ICF) zu berücksichtigen.

Motivationsförderung als zentraler Bestandteil

Ein wesentlicher Bestandteil für die Handlungsabläufe ist die Motivationsförderung. Diese geht jeder Maßnahme voraus. Jede Durchführung ist immer ein fließendes Zusammenspiel von vorhandenen und grundsätzlich zu ermittelnden Ressourcen des Patienten und der darauf angepassten und abgestimmten Unterstützung der Pflegekraft. (So viel Hilfe wie nötig, so wenig wie möglich.)

In den Auflistungen der Handlungs- und Pflegeschwerpunkte sind die Besonderheiten der Selbstversorgung und der Bewegung beschrieben. Sie sind immer im Kontext der Bedarfe des einzelnen Patienten (vgl. Bedarfsgruppen) zu sehen. Zukünftig können Kliniken für den Fachbereich der Geriatrie anhand dieser Übersichten ihren eigenen an hausinterne Dokumentationsvorgaben angepassten Katalog der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie erstellen und die in ihrem Haus angewendete Leistungserfassung umsetzen (vgl. dazu Bartels/Eckardt/Wittrich 2019).

Literatur

Bartels, F.; Eckardt, C.; Wittrich, A. (2019): Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie, Band 1: Grundlagen und Formulierungshilfen, 2. Auflg., Kohlhammer Verlag, Stuttgart

Frühwald, T. (2007): Krankheiten im Alter – einige Aspekte der Geriatrie, in: Gatterer, G. (Hrsg.): Multiprofessionelle Altenbetreuung. Ein praxisbezogenes Handbuch, 2., aktualisierte und erweiterte Auflg., Springer-Verlag, Wien

Hodek, J. M.; Ruhe, A.; Greiner, W. (2009): Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Multimorbidität im Alter, in: Bundesgesundheitsblatt, Band 52, Seite 1188-1201

Jamour, M. (2008): Medizin des Alterns und des alten Menschen, in: Schaps, K.-P.; Kessler, O.; Fetzner, U. (Hrsg.): Querschnittsbereiche, Heidelberg

Langejürgen, R. (2015): Leiter des Verbandes der Ersatzkassen e.V. (vdek), Landesvertretung Bayern: Netzwerke in der Geriatrie 2015 Sichtweise der Kostenträger, MDK Bayern Geriatrie-Symposium, Regensburg, 8.7.2015

Loos, S.; Plate, A.; Dapp, U.; Lüttje, et al. (2001): Geriatrische Versorgung in Deutschland – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Band 34, Heft

Lübke, N. (2005): Erforderliche Kompetenzen der Geriatrie aus Sicht des Kompetenz-Centrums Geriatrie, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Band 38, Heft 1

Meier-Baumgartner, H.P.; Hein, G.; Oster, P. et al. (1998): Empfehlungen für die Klinische-Geriatrische Behandlung. 2. überarbeitete Auflg., Jena

Nüchtern, E.; Mohrmann, M. (2005): Begutachtung von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen in der GKV, in: Das Gesundheitswesen, Heft 67, Seite 59–64

Schulz, R.-J.; Kurtal, H; Steinhagen-Thiessen, E. (2008): Rehabilitative Versorgung alter Menschen, in: Kuhlmey, A.; Schaeffer, D. (Hrsg.): Handbuch Gesundheit und Krankheit im Alter, Bern

Statistisches Bundesamt (2016): Pressemitteilung Nr. 021 vom 20.01.2016, 12.45 Uhr, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/01/PD16_021_12421.html;jsessionid=22C7ADDC890AD7C0D3F87638EA921 B13.cae3

Statistisches Bundesamt (2003): Bevölkerungsentwicklung Deutschlands von 2002 bis 2050. Ergebnisse der 10. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Presseexemplar, Wiesbaden

Steinhagen-Thiessen, E.; Hamel, G.; Lüttje, D. et al. (2003): Geriatrie – quo vadis? Zur Struktur geriatrischer Versorgung, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Band 36, Heft 5

von dem Knesebeck, O.; Döhner, H.; Kaduszkiewicz, H. et al. (2006): Forschung zur Versorgung im höheren Lebensalter, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Band 49, Seite 167–174

von Renteln-Kruse, W. (2009): Medizin des Alterns und des alten Menschen, 2. überarbeitete Auflg., Darmstadt

Wedler, H. (1999): Geriatrische Versorgung, ökonomischer Nutzen und die Euthanasiedebatte, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Band 32, Heft 4

1     Ausgehend von einem Wachstum der Bevölkerungsgruppe der 65-Jährigen und Älteren um 44 % bis zum Jahr 2050.

2           Allgemeine, für alle drei Handlungs- und Pflegeschwerpunkte relevante Themen

Susette Schumann

2.1       Bedeutungen von Ressourcen im Rahmen der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie

Der Ansatz der Pflege in der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie baut auf der Identifikation von Ressourcen auf, um sie während der Frührehabilitation oder des Rehabilitationsprozesses systematisch zu fördern. Sie werden gezielt zu Kompetenzen umgewandelt. Die Erlangung oder Wiedererlangung von Kompetenzen sind das Ergebnis eines Aushandlungs-/eines Motivationsprozesses zwischen geriatrischem Patient und Pflegenden, an dessen Ende die Erreichung des individuellen Rehabilitationsziels steht.

2.1.1     Ressourcen: eine Begriffserklärung

Etymologisch stammt der Begriff Ressource aus der französischen Sprache und bedeutet sich erholen, sich erheben, aufstehen. Seine Bedeutung kann auch vom lateinischen resurgere, im Sinne von wiedererstehen, sich wiederaufrichten, abgeleitet werden.

Übertragen auf geriatrische Patienten sind unter Ressourcen das Repertoire von Fähigkeiten und Fertigkeiten, im Sinne von Kompetenzen sowie ihre individuellen Stärken, zu verstehen. Unter Kompetenzen werden dabei auch der Umgang mit der Bewältigung neuer Aufgaben, das Erreichen individueller Ziele, der Umgang mit Verlusten und die Bewältigung von Neuem und das Wiedererlangen von Lebensaufgaben verstanden.

2.1.2     Ressourcen: Lokalisation und Wechselwirkungen

Eine Systematisierung der unterschiedlichen Ressourcenarten ist notwendig. Dabei bildet eine Kategorie von Ressourcen ihre Lokalisation ab und eine zweite die Zusammenhänge ihrer Wechselwirkungen miteinander.

Es kann zwischen internen und externen Ressourcen unterschieden werden. Während die internen Ressourcen personenbezogene Merkmale beschreiben, z. B. Alter, Geschlecht, Persönlichkeit, Gesundheit, Kognition, Motivation, Bewältigungsstrategien, bezeichnen externe Ressourcen äußere Bedingungen, wie unter anderem Einkommen, Wohnbedingungen oder zur Verfügung stehende Hilfsmittel.

Die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen internen und externen Ressourcen werden beim geriatrischen Patienten besonders im Bereich der sozialen Beziehungen deutlich. Die Gestaltung sozialer Netzwerke hängt in großem Maße von den persönlichen Eigenschaften des Patienten ab, z. B. von seiner Kontaktfreudigkeit, seiner Beziehungsfähigkeit. Zugleich bedarf es aber auch eines Lebensumfeldes als externe Ressource, welches soziale Kontakte leicht ermöglicht und fördert (Images Abb. 2.1).

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Abb. 2.1: Interne und externe Ressourcen

Unter sozialen Ressourcen wird z. B. die familiäre oder gesellschaftliche Rolle verstanden. Sie hängt eng zusammen mit soziodemographischen Daten wie Familienstand, Alter und Geschlecht. Die personalen Ressourcen beschreiben z. B. Gesundheitszustand, Intelligenz. Persönliche Wertevorstellungen und Normen, wie z. B. konfessionelle Bindung, ermöglichen das Verständnis von persönlicher Sinngebung. Individuelle Kompetenzen zielen auf die aktuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten z. B. im Rahmen der Alltagsgestaltung ab. Individuelle Bewältigungsstrategien sind bewährte Herangehensweisen an Probleme wie z. B. der Umgang mit Stresssituationen, die sich im Laufe des Lebens des geriatrischen Patienten bewährt haben.

Im Bereich der externen Ressourcen existieren materielle Ressourcen in Form von Einkommen aber auch Hilfsmitteln. Unter Sozialbeziehungen sind quantitative und qualitative soziale, insbesondere familiäre Kontakte, zu verstehen. Einstellungen und Erwartungen des persönlichen Umfeldes untermauern die persönliche Zielsetzung, z. B. familiäre Verpflichtung für ältere Menschen als Großeltern. Die Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes wie z. B. Wohnausstattung oder Lage der Wohnung runden die Liste der externen Ressourcen ab.

2.1.3     Individuelle Ressourcen

Im täglichen Umgang mit geriatrischen Patienten ist die Kenntnis der sog. individuellen Ressourcen unerlässlich. Ihre systematische Einschätzung bei geriatrischen Patienten erfasst die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie wiederum bilden das Fundament für die Erhaltung oder die Wiedererlangung von persönlicher Selbstwirksamkeit (Images Kap 2.1.4 Selbstwirksamkeit) als übergeordnetes Ziel einer geriatrischen (Früh-)Rehabilitation.

Auch hier können eine Vielzahl unterschiedlicher Ressourcen für eine bessere Übersicht systematisiert werden.

Das folgende Schaubild (Images Abb. 2.2) beschreibt eine Übersicht über individuelle Ressourcen.

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Abb. 2.2: Übersicht über individuelle Ressourcen