Friederike Mayröcker

Und ich schüttelte
einen Liebling

Suhrkamp

alles was gesagt wird wird ständig zurückgenommen, so dasz man immerzu zweifelt was nun wirklich gesagt worden ist, alles was gesagt wird existiert nur im Bereich des Möglichen, aber es könnte ebenso gut anders sein, irgendwie hat es etwas mit einem zu tun, aber es zerfällt, löst sich immer wieder auf und nimmt neue Bedeutung an, ebenso könnte es weitergehen, und es ist keineswegs ausgeschlossen dasz, nun war es aber nicht ganz so aber ich weisz nicht wie es anders hätte sein sollen, etc.

Peter Weiss

meine Nerven waren sehr aufgeregt, und Gertrude Stein sagt, in dem Gesicht stand dasz er, wenn er ein Stück Wiese angeschaut hatte, es immer ein Stück Wiese für ihn gewesen wäre, aber dann habe er die getroffen die er liebte, und wenn er dann auf ein Stück Wiese geschaut hätte, seien auf dem Stück Wiese Vögel und Schmetterlinge gewesen, die vorher nicht da waren, das also ist Liebe.

Und wie sie die freie Natur in den Saal schleppen, sage ich, und dann hatte ich immer Angst wenn der Sommerwind heftig war dasz er alle Zettel mit den allerwichtigsten Aufzeichnungen davonblasen und ich sie nie wieder finden würde in meiner Wohnung, also beschwerte ich alle Aufzeichnungen mit groszen Steinen die mir EDITH aus Kreta mitgebracht hatte und wohin ich auch immer reisen hätte wollen aber es nie zuwege brachte weil es mir kaum je gelang meine Behausung zu verlassen und eine so weite Reise anzutreten, also schwebend die ganze Sprache wie mit ausgebreiteten Armen.

Und dann war da Lili und sie hatte ein wunderbares Gehör, nicht so sehr ein gutes Sehen, aber was sie sah, konnte sie sofort in eine Lebensgeschichte einflechten also sie sah eine Szene auf der Strasze und schon hatte sie alles erfaszt, was zu dieser Szene geführt haben könnte nämlich die Hintergründe, und wenn ihr Menschen oder Tiere auf der Strasze auffielen, sah sie sogleich deren Lebensläufe und Schicksalsdaten also wurde sie gespeist von den kleinen und kleinsten Erscheinungen und Ereignissen des alltäglichen Lebens. Dann florte es um mich herum und ich schüttelte einen Liebling.

Wenn ich zu EJ sagte, das sollten wir morgen erledigen, sagte er, aber nur untertags, am Abend bin ich zu müde, ich kann nichts erledigen wenn ich müde bin, da möchte ich nur still sitzen, ein Glas Wein trinken und verweilen. Jetzt, sage ich zu EJ, bin ich auch an diesem Punkt angelangt, ich versuche untertags meine Dinge zu erledigen und am Abend sitze ich da, unter der Lampe lesend oder Briefe schreibend oder einer Musik lauschend, nicht wahr, und ich verschiebe das Zubettgehen von Stunde zu Stunde, weil ich den Tag nicht enden lassen möchte, denn jedem Abend folgt ein Morgen und die Morgenstunden nehmen mir alle Energie fort weil ich mich anstrengen musz, aufzustehen mich zu waschen mich anzuziehen. Dann folgte ein Tag dem anderen ohne dasz die Grundfragen des Lebens gelöst worden wären.

Ich lasse mich von meiner Sprache tragen als sei ich ausgestattet mit Fittichen und es trüge mich in die Lüfte, aber ich sehe es nicht und es musz von alleine kommen.

Etwa ein halbes Jahr vor seinem Tod gehen wir auf der Hauptstrasze an einer Blumenhandlung vorbei, wo ich immer Bouquets und Kränze für verstorbene Freunde bestelle, und er fragt, plötzlich und aus einer schrecklichen Stille heraus, wo bestellst du eigentlich deine Kränze?

Der Himmel in diesem Sommer war Tag für Tag blau, und wenn ich aus dem Fenster schaute, konnte ich mir vorstellen, ich sähe das Blau des Meeres, aber es war nur ein Ersatz für den Anblick des seidig glatten schimmernden Meerwassers, und ich war es zufrieden. Während des Krieges hatten wir immer die Gasmasken zur Hand und erprobten sie besonders beim raschen Gehen und Laufen, was sehr mühsam war und zuweilen bekam ich wenig Luft, und als unsere Wohnung kaputtgegangen war durch die Bomben, zogen wir in die Wohnung eines Freundes meines Vaters, und ich machte mich sofort daran, dessen Bibliothek zu durchsuchen, und am meisten zogen mich die Bildbände und Kataloge über moderne Malerei an, und es gab Zeppelin Alarm, Tag und Nacht.

Und ich balancierte mit ausgebreiteten Armen über dem Abgrund, und so verhielt ich mich bei der Reinschrift und als ich in Mondsee war und von einer Telefonzelle meine Mutter anrufen wollte, kamen mir die Mittagsglocken dazwischen und ich hörte nichts von dem was sie zu mir sprach und auch sie konnte mich kaum verstehen, aber ich sprach so laut ich konnte weiter, während das heftige Glockenläuten, und während ich das Blau des Himmels betrachtete, war ich vexiert und dachte, so war es eine geheime Segnung, nicht wahr.

Der Dichter, er arbeitete nicht, er brauchte nicht jeden Augenblick zu entscheiden was er sah, nein, Poesie war für ihn etwas das man während eher bitterer Meditationen machte, so Gertrude Stein, aber recht angenehm, in einem Café. Diese Kunst bildete nicht die Wirklichkeit ab sondern die Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Und immer sagte ich zu Mutter, sie solle die Gewohnheit ablegen, stehend ihren Unterrock anzuziehen, also in ihren Unterrock hineinzusteigen weil die Gefahr grosz dasz sie stürzen würde, und Christa Kühnhold sagte mir am Telefon, die MS-Kranke, die sie zuweilen betreute, hatte keine Aufmerksamkeit mehr was sie an heiszen Sommertagen anziehen sollte : sie kleidete sich jeden Tag mit der nämlichen Jeanshose und einem Wollpullover, solche Jeanshosen die man in die Ecke stellen konnte und sie würden da stehenbleiben weil sie starrten vor Schmutz, usw.

Die Picassos waren in Spanien und Fernande schrieb lange Briefe an Gertrude Stein worin sie Spanien beschrieb und die Spanier und Erdbeben (»ich bin in einer Garage«, wie mir meine alte Ärztin sagte, indem sie meine Berichte am Mobiltelefon unterbrach), und es waren Eszzimmerverhältnisse, und sie solle mich unbewuszt grüszen, so Lenchen. Ich erinnere mich, dasz ich gleich nach dem Krieg in einer Garage war, um meinen Wagen in Ordnung bringen zu lassen, so Gertrude Stein, ich habe Garagen gern, ich meine ich habe eine Menge Dinge gern, aber Garagen habe ich fast am liebsten.

Es war in den Nachkriegsjahren, und Mutter wartete immer drauszen, vor dem Speiselokal, in welchem Vater seine Mahlzeit verzehrte und er liesz sie oft lange warten obwohl sie hungrig war, aber für zwei reichte das Geld nicht in ihren Urlauben, die sie meist in Gösing oder Mariazell verbrachten so kaufte sie manchmal irgendein Stück Wurst und schlang es mitsamt einer trockenen Semmel herunter, was mich alles sehr schmerzte, entflammter spanischer Bettler in meinem Schosz die Notizblättchen zwitscherten während des Schreibens, während ich mich bewege und weinte – wer hatte mir denn telefoniert oder erzählt von Pleyel und wem gab ich eine Antwort, ja, Chopin hatte schon auf einem Pleyel Flügel gespielt, usw. Ich war damals in den 70er Jahren eine glühende Beatles Anhängerin und eine glühende Satie Anhängerin und ich sagte immer da ist die ganze Klassik drin und die ganze Romantik nämlich geballt, und ich war während der vielen Jahre meines Schreibens sehr ehrgeizig ich war übermäszig ehrgeizig und EJ sagte immer, du bist schrecklich ehrgeizig ich halte das nicht aus, und EDITH sagte immer während der häufigen Autofahrten die wir mitsammen unternahmen, hat sich Heinz Schafroth gemeldet hat Marcel Beyer geschrieben hat Helga Glantschnig telefoniert, und sie freute sich wenn ich sagen konnte, ja, die oder der haben angerufen geschrieben gefaxt (weidlich).

Wir waren in dieser Dorfwelt und ich träumte »Kadenz des Ovid«, und Gertrude Stein sagt, dasz wenn man weit voraus ist mit seinem Kopf man natürlich altmodisch und geregelt ist in seinem Leben, und wenn es klingelte glaubte ich immer und bekam Herzklopfen dasz du an der Tür bist oder wenn das Telefon läutete hoffte ich immer sogleich deine Stimme zu hören, sage ich zu EJ, Sie wissen aber was Sie fühlen, sagte Gertrude Stein zu mir und blickte mich in ihrer würdevollen Art an überhaupt besasz sie viel Würde und Strenge und gab mir immer das Gefühl dasz sie über alles Bescheid wisse, fragte ich sie einmal über etwas aus das ich sonst niemand zu fragen wagte und sie wuszte ausnahmsweise die Antwort nicht, sagte sie in beinah abweisendem Ton, das weisz ich nicht, damit war man abgestellt, und wagte lange nicht, Fragen zu stellen.

Ich komme nach drei Wochen Landaufenthalt in meine Behausung zurück und kenne meine Behausung nicht mehr oder ich kann sie mir nicht mehr vorstellen, und es war eine Gedanken Aufregung, und ich muszte tatsächlich von einem Raum in den anderen gehen, um alles wieder in Besitz nehmen zu können. Jargon oder Gesprächsgerippe und Heinz Schafroth schrieb eine Karte aus Griechenland und schrieb, als ich dem Löwen von Kea in die Augen schaute schämte ich mich ein wenig meiner Sterblichkeit, er nämlich blickt seit mehr als 2500 Jahren auf das Treiben der Welt und es sieht nicht so aus, als ob er damit aufhören wollte, und wie alle diese Dinge notwendigerweise wahr sind.

Zur Zeit, schreibt Leo N., haben wir keinerlei Blumen in der Wohnung – auszer einer weiszen Rose : eine Kunstblume. Ach ich musz meine Fittiche ausbreiten, sage ich zu EJ, um die Reinschrift weiterführen zu können, oder : als sei ich ausgestattet mit Fittichen (und Tränen), und als trüge es mich in die Lüfte aber ich sehe es nicht und es musz von alleine kommen. Und ich höre wieder die Mittagsglocken von Mondsee, wo ich in der Telefonkabine stehe und mit Mutter telefoniere, aber der Schall der Glocken übertönt unsere Stimmen, etc., ich glaube ich hatte auf das Schwimmen vergessen, sage ich zu EJ, nämlich wie man schwimmt und sich damit über Wasser hält, ich war immer eine gute Schwimmerin gewesen, aber jetzt, da ich gerne meine Jugend wiederholen möchte, gelingt es mir nicht mehr, in ein Bassin zu hüpfen und dann zu schwimmen, ich hatte das Schwimmen einfach verlernt, sage ich, ich frage meine alte Ärztin die beinahe auf alles eine Antwort weisz, ob es möglich sei, das Schwimmen im Alter zu verlernen, ja, sagte sie, das ist möglich. Und meine alte Ärztin sagt oft das gehört sich einfach so, wenn man jemand lange genug gekannt hat, musz man ihn auch auf seinem letzten Weg begleiten, nicht wahr, und wenn einer meiner Patienten eine Ausstellung oder Ehrung hat gehört es sich dasz man hingeht und anwesend ist und ihn beglückwünscht, und sie grüsze mich unbewuszt, so Lenchen. Ich meine mit so einer Schnauze meiner Schnauze weisz ich schon was los ist, und wohin es mich zieht, ich meine was das Schreiben angeht, in was für eine neue Richtung es mich treibt, und ich schreibe jetzt figural.

Schlieszlich sind die Menschen unbewuszt / so : wenn sie allein sind, wollen sie mit anderen zusammen sein, und wenn sie mit anderen zusammen sind, wollen sie allein sein, so Gertrude Stein, und Groszmutter mütterlicherseits hatte die Gewohnheit, dasz sie nicht lange an ein und demselben Ort sein konnte : war sie in einem Gasthaus mit ihrer Familie, wollte sie nachhause, war sie zuhause klagte sie dasz sie zuhause sein muszte ohne dasz jemand sie besuchen kam, kam jemand sie besuchen verlangte sie, sich zurückzuziehen oder einen Spaziergang zu machen, ich habe diese ihre Leibes Unruhe diese ihre Eigenart geerbt, auch das Stehen, gegen ein Fenster oder eine Tür gelehnt, einen Teller balancierend, von welchem ich im Stehen asz und trank, und ich halte es nicht lange an ein und demselben Platz aus, und wenn ich irgendwo zu Besuch komme, sage ich schon beim Eintreten, dasz ich nicht lange werde bleiben können.

Ich wuszte nie etwas zu sagen, ich war nicht fähig ein Gespräch zu beginnen oder auf ein Gespräch einzugehen weil ich ja nicht gewohnt bin, mit anderen zusammen zu sein, nicht wahr, ich unterhalte mich lieber mit mir selbst oder ich lese in einem Buch, was mir überhaupt auszer dem Schreiben und Spazieren die liebste Beschäftigung ist, usw.

Weil es mir den Hals ich meine den Hals zuschnürt und zum Weinen ist, was immer ein Anzeichen dafür ist, dasz ich ein ausgiebiges Tagespensum, nicht wahr, also hier in diesen legendären Gegenden kenne ich den Himmel und ob er etwas voraussagt oder anzeigt, in bezug auf bevorstehendes Wetter das heiszt ich bin so vertraut mit den Schäfchen wenn sie heraufziehen, und darunter ein sich auflösender Kondensstreifen ist, und ich habe gelernt was es bedeutet wenn ein wirbelnder Abendwind ist und dasz er Regen voraussagt für den nächsten Tag oder ähnlich, während ich in fremden Gegenden die Zeichen des Himmels nicht kenne also musz ich mich überraschen lassen vom Wetter am nächsten Morgen, nicht wahr.

Aber meine Augen haben mir immer mehr mitgeteilt als meine Ohren, so Gertrude Stein, und es war höflich immer da zu sein, bei jeder Vorlesung, und Ulla sagte während sie das Zimmer betrat, WIR SIND IMMER IM KRIEG und ich wunderte mich, und es war eine Gedanken Aufregung, und in meinem Schosz die Notizblättchen zwitscherten, während des Schreibens, während ich mich bewege, und es florte um mich herum und ich schüttelte einen Liebling, nun ich habe jetzt einen kl.Hund und ich ging vormittags und nachmittags in den Drasche Park, und ich genosz es obwohl mein kl.Hund mich nicht beachtete während wir spazierengingen, das war verwunderlich, und ich ging mit meinem kl.Hund eine Strasze hinauf und eine andere wieder hinunter, und das machte mich vergnügt, und dann kam ein anderer kl.Hund : nämlich EJ rief mich aus Berlin an und sagte, ich habe hier eine grosze Wohnung in einer schönen Villa gefunden, und da gibt es auch einen kl.netten Hund, und es wird dir alles gefallen, und wir übersiedelten für ein Jahr nach Berlin und trafen eine Menge Leute und hatten eine glückliche Zeit.

Ich schlafe fast den ganzen Tag weil ich die vielen Medikamente, ich warte bei Nacht in den Träumen dasz EJ zu mir spricht, ich träume oft von ihm, er verhält sich wie damals als er lebte, ich habe keinen festen Glauben was das Jenseits angeht, manchmal fürchte ich mich davor es mir auszumalen, manchmal spiele ich mit dem Gedanken, wie es drüben sein könnte, manchmal das Gefühl, es gibt kein Jenseits, ich lese viel, das Schreiben ist nur möglich wenn ich diese Fittiche habe das ist mein Geheimnis, wie lange werde ich noch am Leben sein. Meine krause Stirn, man hat bislang keine schwere Krankheit festgestellt, ich könnte also glücklich sein, bin ich auch zuweilen. Ob ich an Gott glaube, weisz ich nicht, ich bete zu ihm, also glaube ich an ihn, ich bekreuzige mich vor jeder Kirche aber ich gehe nicht zum Sonntagsgottesdienst, warum eigentlich nicht, ich bitte um seinen Segen, ich erbitte mir seinen Segen fürs Schreiben für die Gesundheit für das Wohl der verstorbenen Eltern für das Wohl von EJ ich habe mir notiert : das Kropf Register, keine Ahnung was es bedeutet. Ich wünsche mir noch lange zu leben, habe noch einiges vor, die kl.Ischl im Kaiserlichen Park von Bad Ischl, spüre den Sommerwind an Armen und Beinen Wange und Stirn, aber zuweilen kühl, regnerisch, hundertmal an all den immer gleichen Schaufenstern vorüber, und alles wiederholt sich jedes Jahr, aber ich meine wie lange läszt sich das alles noch vervielfältigen, ich glaube sehr fest an den heiligen Geist auch die Fittiche aber das ist mein Geheimnis, etc., ich höre das Ende des Oratoriums »Le roi David« von Arthur Honegger, mächtige Komposition, ich bin in den Sphären, es ist eine Gedanken Aufregung eigentlich Lichtvision während des Anhörens, hinreiszende Musik usw.

In Berlin konnte ich kaum etwas schreiben, weil ich viele Stunden des Tags mit dem kl.Hund der Fiefie hiesz spazierenging, wir wohnten an der Krummen Lanke und da war der See und eine reizvolle Landschaft und ich ging mit Fiefie spazieren, und ich sehe mich selber ich sehe mich immerzu selber wie ich alles tue und ich sehe mich selber auch in Augenblicken die jahrelang vergangen sind, und so als ob ich ununterbrochen Schnappschüsse von mir selber gemacht hätte ich sehe mich zB nachts, nach einem Besuch bei Barbara Frischmuth, aus ihrem Haus treten und mir denken, ich hätte Angst ganz allein in einem Haus zu wohnen, und sie sagte als ob sie meine Gedanken abgelesen hätte von meiner Stirn, also ich habe keine Angst hier allein zu wohnen, das sagte sie.

Ich träume an der Frontseite der gestauchten Straszenbahn in riesigen Lettern : KATZE ENTLAUFEN, wir gingen in die Garage um das Auto zu holen, und sie sagte nochmals sie habe keine Angst hier obwohl der nächste Nachbar ziemlich weit weg wohnte, wir waren in dieser Dorfwelt und ich träumte »Kadenz des Ovid«, und wenn wir, EJ und ich, von unserer Reise nach Amerika sprachen, fiel uns immer zuerst die Ostküste ein und Washington und von Washington nichts auszer unserem Besuch in einem Waschsalon und wo wir von einem mächtigen alten weiszhaarigen Neger bedient wurden, er hatte grosze gelbliche Augen, und wenn wir von New York sprachen sprachen wir davon dasz wir im Algonquin wohnten und beim Frühstück Siegfried Lenz trafen der dort auf seinen Übersetzer wartete, aber er war so versunken dasz er uns kaum wahrnahm und dasz wir zuerst in ein unsauberes Hotel kamen das wir gleich wieder verlieszen und dasz wir am Broadway spazierten und man uns riet, immer ein paar Münzen in der Manteltasche, etc., das würde uns dienlich sein bei einem Überfall, aber wir wurden nie überfallen und die Münzen klimperten noch während der Heimreise in unseren Manteltaschen, und dasz uns Boston als einzige Stadt in Amerika ganz europäisch vorkam, und dasz unsere Reise in westlicher Richtung uns nur bis Bloomington führte, wo EJ eine Bekannte hatte und in südlicher Richtung bis Miami das mich begeisterte weil der Atlantik bis zum Hotelfenster schwappte oder ich stellte mir vor dasz er es tat, und die Pflanzenwelt paradiesisch anmutete, das einzige das uns miszfiel, sagte ich, waren die Klimaanlagen sobald man ein Haus oder Kino betrat so dasz man sogleich, statt wie gewohnt, die Überkleider abzulegen, im Gegenteil alles anzog was man bei sich hatte, also fror ich im Innern der Häuser, und ich fragte mich, warum die Kühlung der Häuser so übertrieben war, ob es Mode war oder eine Angewohnheit, und das zweite, das uns nicht gefiel, war dasz wir in einigen Hotels kein Frühstück bekamen, das bedeutete man muszte am Morgen erst lange durch die Straszen laufen um ein Lokal ausfindig zu machen, das Kaffee und Muffins anbot und sich dort auf einen Barhocker schwingen um in solch unbequemer Haltung zu frühstücken nur das Algonquin war eine Ausnahme : wir kriegten das Frühstück im Haus, dann pausierte ich pauste ab.

Und dann fingen wir an, einander am Telefon nur noch mit den Vornamen zu rufen, mein Lektor und ich, am Telefon, und wenn wir einander etwas über gemeinsame Freunde erzählten, redeten wir nur noch über José und Sara und Ulla und Jacqueline und Lutz und Katja und Wolfgang und EDITH, seltsam genug, man spricht zu sich selber über Kastanien und Walnüsse und Haselnüsse und Bucheckern man spricht zu sich selbst wie viele man findet und ob sie Würmer haben, man spricht zu sich selbst über Äpfel und Birnen und Trauben und welche Sorte man am liebsten hat, in Kriegszeiten, man spricht zu sich selbst über Raupen aber man spricht nie zu sich selbst über Spinnen und Eidechsen, man spricht zu sich selbst über Hunde und Katzen und Kaninchen aber nicht über Fledermäuse oder Mäuse oder Motten, so Gertrude Stein, ja aber es ist ein Rückschritt eine Regression eine Bergstation, der ich unterliege so wie alte Fräuleins wieder Bäckchen ansetzen wie kl.Kinder Brustkinder, nicht wahr, also ging ich an diesem Spätsommernachmittag die Waldstrasze aufwärts die nicht sehr steil war aber sie war asphaltiert und da sah ich zu meinen Füszen viele Ameisen scharenweise, und wie sie durcheinander liefen und die Bäume hatten alle eine vorgebeugte Haltung und manche von ihnen streckten ihre Hauptäste in die nämliche Richtung also zum Wiesenhang hinunter, es war Ende August und schon fingen die Bäume an, ihre Blätter abzuwerfen der Abendwind blies von NW und kühlte unsere Wangen behagliche Träne, und da war diese Tüte mit den Schwänen.

Und die riesigen Steine von der kretischen Küste mit Hieroglyphen und Herzen die mir EDITH mitgebracht hatte lagen zu meinen Füszen im Schreibzimmer und meine Füsze waren nackt und ich dachte an Meer und Wellen und Untertauchen und Rückenschwimmen was ich nicht gut konnte, und dies alles während ich heulte und heulte morgens und abends und konnte nicht mehr aufhören mit Kritzeln und Heulen, also ein Regredieren, Regredieren in seine Pubertät, als EJ im Gasthaus Lilis Augen fortwährend anblickte, ja buchstäblich untertauchte in Lilis Augen, erst in ihr linkes Auge und dann in ihr rechtes Auge, und sie sagte als wollte sie ihn entschuldigen das ist weil ich eine verschiedene Regenbogenhaut habe, und er konnte nicht genug davon kriegen sie anzuschauen, und er muszte sich schlieszlich losreiszen von ihrer Iris, und sie wuszte wie oft eine Uhr schlagen würde.

Und ich sagte zu EJ ich kann eine Menge lernen von meiner alten Ärztin, ich konnte eine Menge über das Leben lernen, sage ich, besonders was zusammenhängt mit Diskretion, sie ist der am meisten diskrete Mensch und sie konnte einen ihrer Chauffeure nicht leiden weil er, wie sie sagte, keine Diskretion besitze, sie sagte dann immer er ist nicht diskret er plaudert alles aus, was er besser für sich behalten sollte, etc., überhaupt erinnert mich meine alte Ärztin an die Figur von Gertrude Stein und ich habe eine grosze Verehrung für sie, sie ist sehr gebildet, sie lacht gern, aber sie kann auch beherrschend sein oder eifersüchtig, dieser Arm von Blumen.

Und immer wieder sagten wir zu einander dasz uns Boston so gut gefallen hatte, ja dasz es uns im Grunde am besten gefallen hatte weil es so europäisch anmutete, und immer wenn EJ und ich über unsere Amerikareise sprachen, versicherten wir einander wie gut Boston uns gefallen hatte eigentlich am besten und wir wiederholten uns pausenlos bis wir schlieszlich nur noch lachen konnten wenn einer von uns anfing von Boston zu sprechen, und weil ich überall und vor allem meinen Freunden gesagt hatte, ach ich möchte noch EIN groszes Buch schreiben ehe ich weg musz, bekam ich jetzt grosze Angst also noch gröszere Angst dasz sich alles bewahrheiten könnte, also hatte ich jetzt noch mehr Angst vor dem Sterben als je zuvor, während meine alte Ärztin der ich auch gesagt hatte, ich wolle noch EIN Buch schreiben vor dem Sterben, mich anlächelte und sagte ich habe keine Angst vor dem Sterben überhaupt nicht, ich bin immer und jederzeit zu sterben bereit nämlich vorbereitet.

Und Elisabeth von Samsonow schrieb mir, einen Schutzengel für den Hals und ein Kleid in welches dann auch die Seele einzieht, und man dann sehen kann, dasz bestimmte Doktoren Südamerikas mit dem Schwenken der Kleider an derjenigen Stelle an der der Patient erschrocken ist, die Seele wieder zurück in ihr angestammtes Gehäuse locken . . du gehst bestimmt viel herum und inkubierst ein neues Buch so wie Paracelsus schreibt : »die Gebärung der empfindlichen Dinge in der Seele«, es war herrlich und den ganzen Tag glühte die schöne freundschaftliche Empfindung nach, usw., dann arbeite gesund, sagte meine alte Ärztin am Telefon und ich notierte alles auf den Rückseiten der zahlreichen Faxblättchen die ich von Mario zugeschickt bekam, und ich hatte den hohen Blutdruck weil ich ununterbrochen in meinem Kopf aufschrieb und aufschrieb während Elisabeth von Samsonow mir einen doppelseitigen Brief schickte den ich sehr liebte und immer bei mir trug, ich asz eine Feige und sagte zu EJ ich werde mir den ganzen Bach kaufen müssen, ich brauche das Gesamtwerk denn im Radio immer nur winzige Kostproben usw., immer nur Mozart . . (»geh heut’ den Strand entlang wie Ely . .«). Damals, sage ich zu EJ, als die HÖRSPIELTAGE begannen, getraute ich mich nicht, Paul zu bitten, Ely und mich gemeinsam unterzubringen in der gleichen Jugendherberge, dasz ich ihm Tag und Nacht nahe sein konnte, stattdessen quälte ich mich ab und liesz keinen Augenblick aus, mich an ihn anzuschlieszen, mit ihm zu sprechen, Berührungen zu suchen, also die ganze Zeit mit Ely zu sein, das war die Geschichte mit Ely aber sie ist längst vorüber, sage ich zu EJ, und es florte um mich herum und ich schüttelte einen Liebling –

ich brenne lichterloh, sage ich zu EDITH, aber ich darf gar nicht darüber sprechen, ich darf das gar nicht wahrhaben sonst geht es nicht weiter, sage ich zu EDITH, ich habe gar nichts gehört, sagt EDITH, schluck das Feuer wieder zurück wie der Feuerschlucker, sagt EDITH, das Licht flackerte im Vorzimmer und es ist wie Fledermaus die in der anbrechenden Nacht über unseren Köpfen zuckt und wie Blitze, und ich bin in einer anderen Welt, sage ich zu EDITH, und ich verstehe dann nicht, dasz es nicht immer so bleiben würde, und am Morgen begegnete mir ein Mann mit einem weiszen Turban und blickte mich an, ich war in einer anderen Welt nämlich ich bin an einem Tag anders als am vorhergehenden Tag, d. h. wenn ich am Dienstag schreiben konnte, kann ich am Mittwoch nicht schreiben und nicht verstehen, wie ich am Vortag hatte schreiben können etc., ich war am Mittwoch zB so weit davon entfernt, dasz es mir vorkam, ich hätte noch nie etwas geschrieben, nicht wahr, und ich staunte, dasz ich imstande gewesen war, etwas zu schreiben, weil am Mittwoch der Gedanke, jemals etwas geschrieben zu haben, vollkommen weg war, und ganz unvorstellbar, wie wenn jemand, der nie geschrieben hatte, etwas über das Schreibenkönnen hört – also es war ganz UNWIRKLICH / UNIRDISCH.

Und immer wenn die Fax Glocke ertönt, glaube ich und hoffe ich, du bist es, sage ich zu EJ, und du gibst mir Nachricht aus deiner Welt, wie aufregend wäre es, würde ich deine Stimme hören wenn du mir sagst wie es dir geht, was du tust ob du Musik hörst oder durch welche Feuer du hindurchgehst also von einem Feuer in ein anderes, und ob du noch an mich denkst.

Das Gestrüpp von Fittichen starres Gerippe von Fittichen, und er umarmt mich und sagt, mein Gott alle Knochen zu spüren dieses Gerippe von Knochen wie dünn du geworden bist, und es war eine Gedanken Aufregung, ach ich war ihm immer nachgefolgt, sage ich zu EDITH, und dann war ein Gezappel (Getrappel) von irgendwelchen Füszen also ich weisz nicht, in meinem Schosz die Notizblättchen zwitschern, während des Schreibens, während ich mich bewege im Sitzen, und meine Nerven waren sehr aufgeregt, und dann folgte ein Tag dem anderen ohne dasz die Grundfragen des Lebens gelöst worden wären, und es nähert sich alles was war aber es ist nicht da, wer hatte mir denn telefoniert oder erzählt von Pleyel, und wem gab ich die Antwort, ja, Chopin hatte auf einem Pleyel Flügel gespielt.

Also war ich in einer anderen Welt, sage ich zu EDITH, wenn ich schreiben konnte, aber ich wuszte, ich würde nicht jederzeit eingelassen werden, obwohl ich mich jederzeit danach sehnte, so war es an einem Tag eine Verzauberung nämlich ein Zustand der Verzauberung und an einem anderen Tag eine Entzauberung nämlich ein Zustand der Entzauberung, nicht wahr. Und sie strahlt so viel Würde aus, meine alte Ärztin strahlt so viel Würde aus auch Spontaneität, wie es ihr gerade zumute ist und sie sagte zu mir, Sie sehen blasz aus, das ist weil Sie blutarm sind, Sie sind anämisch, sagte sie, und wir müssen etwas dagegen tun.

Und ich hatte gerne diesen Vorhang vor meinem Gesicht meine Haare, und das Beruhigungsmittel (Demetrin, 50 Stück) holt mich herunter aus meinem Himmel, nämlich Ausnahmezustand, ich möchte fortwährend in diesem Ausnahmezustand sein, fühle mich auszerhalb dieser Welt und gleichzeitig in der Welt, ganz intensiv, dann holt mich das Beruhigungsmittel herunter, dasz ich wieder in der ganz und gar gewöhnlichen Welt bin, wo es kein Schreiben gibt und kein Schweben und nur affektlose Rezitative, und wir waren in dieser Dorfwelt und ich träumte »Kadenz des Ovid«, und ich sage zu EJ, jetzt habe ich niemanden mehr, und EJ sagt, ich spreche aus dem Wasser, und nichts und alles geschah, so Gertrude Stein. Und während meines Wahnsinns bin ich frohlockend lichterloh, aber sonst tatsächlich und fortwährend verleugne ich mich, das ist es und sage : schlimm was ich tue, und immer so dasz ich die Schuld der anderen in mir suche, so bin ich der Schuldige wenn ich auch unschuldig bin, Schuldzuweisungen akzeptiere ich ohne Widerspruch, aber dann zuweilen so schwach, sage ich zu EJ, dasz es mir das Gefühl gibt, dasz niemand mehr etwas von mir fordern dürfe, nicht wahr.

Essen ist Intimität.

Und immer wieder diese geriatrische Sicht der Dinge, sage ich.

Oben stürmt es und hier unten brausen die Automobile, also ist es ebenso gefährlich, in einem Flugzeug zu sitzen wie eine Strasze zu überqueren, sage ich zu EJ, und manchmal, sage ich zu EJ, habe ich die Empfindung, von dir beschützt zu werden, oder wenn ich zB eine lebende Wespe zwischen den Lippen spüre und sie ausspeie ehe sie mir in den Rachen fährt und mich tötet, hast vielleicht du mir geholfen, dein zärtliches Herz verzehrend wie Pracht von Blumen, und einmal als ich zu den Proben zu einem Stück von mir ging, regnete es heftig aber ich war ohne Schirm, da sprang Maria aus einer Toreinfahrt hervor und sie lachte und hielt ihren groszen grünen Schirm über mich, alles hat sich so eingeprägt, obwohl es viele Jahre vergangen ist, alles so gegenwärtig, und ich sehe die ganze Szene deutlich vor mir, und ich habe einen Katalog von Gerhard Richter neben mein Bett gestellt und werde lesen darin.

Oh, sagte sie, mit langen Flügeln ich kann nur noch allein spazieren, sagte sie, und ich sagte, aber ich habe doch meinen Schritt ganz und gar auf dich eingestellt, ja, sagte sie, aber ich gehe manchmal langsam und manchmal flott, sagte sie, und nicht einmal bei dir mit dir ist es möglich, einen gemeinsamen Spaziergang zu machen : mein Atem ist der verschiedenste, und einmal schlafe ich nachts vier Stunden und am nächsten Tag sind es zehn, und man kann überhaupt nichts ablesen oder zur Regel machen bei mir, sagte sie, und ich trage meine Kleider ohne dasz sie abgenutzt sind jahre- jahrzehntelang, ebenso meine Schuhe, sagte sie, bei dir aber ist es anders, deine Kleider rasant oder vehement oder ABGERISSEN, wie du sagst, aber was das Spazieren angeht, so gehe ich am liebsten allein also ganz für mich : ich kann jederzeit stehenbleiben und innehalten und durchatmen und die Augen schlieszen und wieder öffnen so wie es mein Körper verlangt, und brauche nicht zu achten nämlich Rücksicht zu nehmen auf meine Begleitung, nicht wahr, ich meine die Person an meiner Seite, etc., so gingen wir die Fahrstrasze aufwärts, Mutter und ich, hielten immer wieder an, erinnerten die Pflaumenbäume, die früher in einer Allee die Strasze säumten, und wir wandelten an den reifenden Weizenfeldern einher, lang und verloren die offenstehenden Innenhöfe der Bauernhäuser am Weg Dithyrambe, und später, als sie schon bettlägerig war und ich mehr als früher Zeit für sie aufbringen muszte, wurde ich manchmal heftig gegen sie, während sie mit leiser Stimme sagte, hab Geduld hab bitte Geduld, aber ich war mit meinen Gedanken weit weg, und ich weinte über meine Bitterkeit und dasz ich so wenig fühlte mit ihr, obwohl ich sie sehr liebte, aber meine Gedanken flogen immer wieder zu meinem entstehenden neuen Buch und ich notierte zwischendurch Wörter und ganze Sätze, die mir einfielen, während ich kl.Mahlzeiten für sie bereitete. Und da war die Schneelaterne und ich begann zu fluchen, leise für mich, dasz sie es nicht hören sollte, aber ihre Ohren waren bis zuletzt gut, und sie sagte, alles ändert sich und es ist seltsam wie sich alles ändert, nicht wahr, und dann streute mir Mutter Salz auf den Kopf um den bösen Blick zu bannen, Atelier des Lamms, und ich sinke nieder und es schnürt mir den Hals, und ich wischte mir das Blut aus den Haaren, und während ich etwas suchte in der Bestecklade, Besteckzimmer, und nicht fand, begann ich leise zu fluchen, ganz für mich dasz sie es nicht hören sollte aber sie hörte es doch, wahrscheinlich hörte sie es doch, und der Knabe brüllend von der gegenüberliegenden Straszenseite, »pourquoi, pourquoi«, die befleckte Hose, das Taxi herbeigewunken, vorsichtig niedergesetzt damit keine Spuren auf dem Polstersitz, zuhause dann mit der Schere groszen Schere groszen Schere die Hosen zerschnitten auf dem WC befleckte Hose und zitternd EJ zitternd und brüllend : die Schere rasch die grosze Schere und ich kam schon gelaufen mit der Schere, und es war eine Gedanken Aufregung, und meine Nerven waren angestrengt, und es nähert sich alles was war aber es ist nicht da, usw.

Ein Nervenvorsprung, sage ich zu EDITH, bin zerstreut beim Lesen, auch beim intensiven Lesen komme ich immer wieder vom Weg ab, d.h. ich glaube es schieben sich immer wieder Bilder und Vorstellungen und Phantasien dazwischen, so dasz ich die eben gelesene Zeile wiederlesen musz, Erinnerungen, Worte von Freunden, punktweise unterirdische Ahnungen, also während des Lesens der Fusznoten von Jacques Derridas / Geoffrey Benningtons »Portrait« entwische ich immer wieder in irgend Nebenweg Abweg Stolperweg so dasz ich mich zurechtweisen, zurückführen musz auf den Lese Pfad : mich selbst an der Hand nehmend und zurückführend, eine Art wohlgefälliger Verehrung und Aufmerksamkeit, nicht wahr.

Aber es wird alles zum Fetisch, sage ich, im Stehen zwei Seiten Novalis gelesen, dann als Lesezeichen ein Säckchen Holunder eingelegt, wo ich die Lektüre unterbrochen hatte, mit der Eisenhutpflanze durch Dresden, auf einer Briefmarke HUND MIT EINGEBUNDENEN OHREN AUF DEM MOND, Gluthund ein wenig verlegen wegen dickem outfit, nicht wahr, Gluthund unendlich und insgeheim, und es war dieses sanfte September Wetter, und Sonne innig glänzte, und ich lehnte am Fenster und fühlte an meiner Wange die Prise Sonne und Brise aus dem Südosten und während mein Haar in der Richtung des Windes wehend, legte ich die Stirn auf meine Hand die auf der Brüstung ruhte, eiligst die Fragen, aber eben die Mittagsglocken, nämlich die Tücher die den Engel umgürten.

Die vielen Freunde sie beten alle für uns, schreibt Leo N., und ich nahm eine höhere Dosis.

So flott dieser Traum Tourismus inter-brünett und beim Erwachen so viele Bilder im Kopf und ausgetrockneter Mund und Erinnerung an mein 50 Jahre altes schwarzes Badekostüm mit der kl.roten Kajak Schwimmerin am linken unteren Rand des Kostüms und wie ein Delfin ins Wasser tauchend, und es florte um mich herum und ich schüttelte einen Liebling, und dann blitzt es wie Hänsel und Gretel, und auf diesen Augenblick musz man warten können, alles andere ist Kunsthandwerk. Oder wenn ich, selten genug, ins Theater gehe, erkundige ich mich beim Kauf der Karte wie lange die Aufführung dauern wird, weil ich kurze Theaterstücke bevorzuge, obwohl ich beinahe jeden Tag bedaure so selten ins Theater zu kommen. Früher besorgte EJ die Theaterkarten weil ich es lästig fand es zu tun, usw., jedes Jahr im Herbst wenn die neue Saison beginnt, nehme ich mir vor, mindestens einmal im Monat ins Theater zu gehen, schlieszlich bin ich froh, einmal im Herbst und einmal im Winter ins Theater gegangen zu sein obwohl ich es sehr anregend finde, einen Abend im Theater zu verbringen und mitzuschreiben wenn mir eine Formulierung besonders gefällt.

Und Sonne innig glänzte, und als wir in Ubls Bar und im Gastgarten die wilden Rosen die blutroten schwellenden Rosen und wir schweigend die Mahlzeit, einander anblickend, in einer Übereinstimmung zart duftender Abend ach in Ubls Bar, und seit damals nicht mehr dort gewesen, sage ich zu EJ, es hätte mir das Herz abgedrückt.

Somnambul vielleicht und maszlos lunatisch, mondsüchtig als Kind, EJ im weiszen Hemdchen wandernd bei Nacht bei Vollmond, später, mit aufgeregten Nerven an der Maschine bei Vollmond an der Maschine die ganze Nacht, und dann war ein Gezappel von irgendwelchen Füszen aber ich wuszte nicht, und es nähert sich alles was war aber es ist nicht da.

EJhilflos besessen