Band 6

Hexen, Teufel, Ketzer

 

 

 

Friede den Menschen auf Erden

 

von

Bruno Emil König

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Cover, Design, Layout und Satz aischab

ISBN 978-3-946182-48-1

 

© Copyright aischab Münster 2018

Layout, Gestaltung und Arrangement sind von Ulrike Bauer

 

 

1. Neuauflage 2018 (ISBN 978-3-946182-20-7), Erstausgabe erschienen im Verlag U. Bock 1893 Rudolstadt unter dem Originaltitel: „Ausgeburten des Menschenwahns im Spiegel der Hexenprozesse und der Auto da fe‘s“.

 

 

 

 

 

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Wag es nicht, mit allen Ketzerflammen

Den Mann, den man verdammet, zu verdammen.“

SEUME

 

GESCHICHTE DER AUTO-DA-FÉS

 

Es sind unzertrennliche Zwillingsgeschwister, die Hexen- und die Ketzerverfolgungen und bilden beide den größten Schandfleck in der Geschichte der christlichen Kirchen, weil sie dem Wesen des Christentums geradezu widersprechen. Christus Gebot, der Geist der Religion, die er gestiftet, sind:

„Liebe Gott über alles und deinen Nächsten als dich selbst!“

Und die frohe Botschaft bei der Menschwerdung des Weltheilands lautete:

„Und Friede den Menschen auf Erden!“

Duldung, Versöhnung, Liebe sind die Grundzüge der Christenlehre und nirgends verlangt sie gewaltsame Bekehrung Andersgläubiger oder gar deren Verfolgung und Bestrafung. Leider aber ist das Verfolgen und Martern Andersdenkender ganz so wie der Hexen- und Teufelswahn aus dem Heidentum in die christliche Kirche übergegangen. In den ersten Zeiten des Christentums freilich, als dieses selbst noch schwere Verfolgungen auszustehen hatte, dachte kein christlicher Priester daran, Mitglieder der Gemeinde, deren Meinungen von den allgemein geltenden abwichen, deshalb zu bestrafen.

Die Christen galten ja selbst unter den Völkern in dieser Geschichtsperiode als Ketzer. Sie waren in den Augen der Heiden Abtrünnige.

Die heidnische Volksmeinung war gegen die Christen gerichtet wie später die Meinung der christlichen Pfaffen, d. h. Geistliche im verächtlichen Sinne, gegen die Ketzer. Und was die Heiden den Christen nachredeten, dessen schämten später die Ketzerriecher sich nicht, ihre Opfer ebenfalls zu beschuldigen.

Die Christen galten anfangs namentlich den Römern als eine verworfene, verzweifelte, lichtscheue Partei, zusammengesetzt aus verdorbenem Gesindel und leichtgläubigen Weibern, die gegen das Göttliche wüte, gegen das Wohl der Menschen sich verschwöre und der Welt d. h. den damaligen Verhältnissen, Verderben drohe. Sie genossen in ihren nächtlichen Versammlungen angeblich unmenschliche Speise, verachteten die Tempel, spien die Götter an und verspotteten die heiligen Gebräuche. Ihr eigener Kult sei nicht Gottesdienst sondern Ruchlosigkeit. Sie erkannten sich an geheimen Zeichen, nannten sich untereinander Brüder und Schwestern und entweihten diesen heiligen Namen durch Gemeinschaft der Unzucht. Sie beteten einen Eselskopf an oder wie andere behaupten, die Genitalien des Oberpriesters an.

Ein Kind, mit Mehl bedeckt, hieße es, wird dem Aufzunehmenden vorgesetzt. Derselbe muss wiederholt in das Mehl stechen und tötet das Kind. Fließendes Blut wird von den Christen gierig aufgeleckt, die Glieder des Kindes werden zerrissen und so wird durch dieses Menschenopfer ein Pfand hergestellt, welches der Gesellschaft die Verschwiegenheit der Einzelnen verbürgt.

Am Festtage versammeln sich alle mit ihren Schwestern, Müttern und Kindern zum gemeinschaftlichen Mahle. Wenn bei demselben durch unmäßiges Essen und Trinken die Wollust gereizt ist, so werden die Lichter ausgelöscht und nun gibt sich die Gesellschaft, wie eben der Zufall die Personen zusammenfügt, der abscheulichsten Unzucht hin.

Man sieht, heidnische Pfaffen verbreiteten über die Christen die unglaublichsten Lügen und verwirrten damit die Begriffe des Volkes, ganz ebenso, wie es später von herrschsüchtigen christlichen mit den Ketzern geschah.

Als die Verfolgungen des Christentums nachließen und zuletzt ganz aufhörten, als dasselbe Staatsreligion wurde, verschwand die Duldung mehr und mehr aus der christlichen Kirche. Es machte sich immer mehr die Ansicht geltend, die Einheit der Kirche in Glauben und Lehren müsse durch jedes Mittel, selbst durch weltliche Zwangsmaßregeln erhalten werden und man nannte diejenigen Christen, deren Anschauungen von den allgemein geltenden Grundbegriffen abwichen, Ketzer (Haeretici). Je mehr und bestimmter sich nun die staatsartige Verfassung er christlichen Kirche ausbildete, desto mehr wurde die Ketzerei als ein Verbrechen betrachtet, verfolgt und bestraft. Es entstanden geistliche Gerichte zur Aburteilung der Ketzer, die anfangs noch milde in ihrer Wirksamkeit und in ihren Urteilssprüchen waren, dann jedoch schärfer wurden und sich des Armes des weltlichen Richters zur Vollstreckung der Urteile bedienten.

Als aber das Papsttum die Höhe seiner Macht erreichte und als der Bischof von Rom, der Papst, nicht bloß das sichtbare Oberhaupt der Kirche, sondern – nach seiner Lehre wenigstens – auch der ganzen Erde wurde, da sollte die ganze Erde nur ein einziges Gottesreich und der Papst, welchen der Heilige Geist zu untrüglichen Aussprüchen erleuchtete, dessen unbeschränkter Herrscher sein.

Wer an dieser päpstlichen Macht zweifelte oder gar daran zu rütteln wagte, der versündigte sich an Gott selbst, der den Papst zu seinem Stellvertreter auf Erden eingesetzt haben sollte. Da die Päpste indessen trotz dieser Stellvertreterschaft Gottes doch nur schwache sündige und mit menschlichen Neigungen und Leidenschaften behafteten Menschen blieben, so war Willkür in jeder seltsamen Vermischung der höchsten Geistlichen mit der Weltengewalt unvermeidlich. Es wurde allmählich immer gefährlicher, Ansichten laut werden zu lassen, die von denen der herrschenden Kirche abwichen. Dazu kam – bei der Schwäche und dem Stolze der menschlichen Natur – dass die Beherrscher der Kirche je nach ihren persönlichen Anschauungen bestimmte, äußere Sätze feststellten und zu Glaubenssätzen (Dogmen) erhoben, so dass diejenigen, nunmehr auch als Feinde des Glaubens, als Verächter göttlicher Gebote betrachtet wurden, wodurch der Begriff von Ketzerei bedeutend an Ausdehnung gewann.

Wesentlich trug dazu die Einführung des Kirchenrechtes bei und, um ihr Ansehen bei den Völkern behaupten zu können, stand den Päpsten die Verhängung des Kirchenbannes und des Interdiktes zu. Durch den Ersteren wurden einzelne Personen, durch das Letztere ganze Völker und Staaten von der Kirche und vom Genuss aller kirchlichen Gnaden ausgeschlossen. Sehr wichtig wurde um die Befestigung der Kirchenherrschaft außerdem die Einführung der Ehelosigkeit der Geistlichen. In Folge dieser Maßregel Papst Gregors VII wurden die Priester gewissermaßen zu Mönchen gemacht und ausschließlich an die Interessen des Papstes und der Kirche gebunden. Auf der anderen Seite nahm mit dem Wachsen des Ansehens und der Macht des Papstes, das Ansehen und der Einfluss der Bischöfe ab, die nunmehr diesem alle untergeordnet wurden, während sie ihm früher gleichstanden.

Die Päpste benutzten ihr Ansehen als Oberherr der ganzen Christenheit mit großer Schlauheit, Ausdauer und Kühnheit. Wer sich ihnen nur etwas widersetze – ob hoch oder niedrig, Priester oder Laie – den taten sie als Ketzer in den Kirchenbann. Und wenn sie diese höchste geistliche Strafe über einen Monarchen verhingen, so banden sie zugleich dessen Untertanen ihres Gehorsams gegen ihn, wodurch so mancher Fürst plötzlich verlassen und aufgegeben war.

Sie verwandelten auf diese Weise die ursprünglich geistliche Strafe zugleich in eine weltliche und sie verschmähten, um dieselbe zu vollstrecken, es keineswegs, Aufruhr und Bürgerkrieg zu billigen, auch wohl anzustiften.

Allein trotz aller ihrer strengen Maßregeln vermochten sie es doch nicht, zu verhindern, dass die Ketzerei überhandnahm. Gewissermaßen wuchs mit der Befestigung ihrer Gewalt und mit Ausdehnung ihrer Willkürherrschaft auch der Widerstand dagegen, ein Gegengewicht bildend. Es musste freigeborenen, freiheitsliebenden Menschen widerstreben, die Alleinherrschaft des römischen Bischofs anzuerkennen, und gerade das Nichtanerkennen war in den Augen des Pontifex das größte Verbrechen, dessen sich ein Christ schuldig machen konnte. Es galt geradezu als Gottesleugnung. Die Päpste, besonders Innozenz III im 12. Jahrhundert, fürchteten sich durch solche freigeistige Idee. Sie ordneten Glaubensuntersuchungen und Verfolgungen an, wobei ihnen Könige und Fürsten behilflich sein mussten.

Schon im Jahr 385 wurde Priscillian wegen Ketzerei zu Trier hingerichtet und ein Schrei des Entsetzens ging darüber damals noch durch die Christenheit. Es war dies die erste der uns bekannten Hinrichtungen von Ketzern.

Im Übrigen trat die Ketzerei im Abendland im ersten Jahrtausend der christlichen Kirche nur in einzelnen und vorübergehenden Erscheinungen auf.

Als jedoch das Ende des Jahrtausends herannahte, traten mancherlei Wandlungen, wenigstens in ihren Anfängen ein. Die ganze abendländische Christenheit befand sich damals in banger Erwartung des Unterganges der Welt. Denn was die Apostelgeschichte vom tausendjährigen Reich Christi auf Erden berichtet, wurde auf die bestehende Kirche bezogen. Zahlreiche Personen haben damals, besorgt um ihr Seelenheil, ihr Hab und Gut der Kirche geschenkt. Indes man trat ins zweite Jahrtausend über und – die Welt stand noch.

Jetzt richtete sich der Blick der kirchlich Gläubigen auf die sichtbare Ordnung, welche Gott angeblich für seine Kirche auf Erden aufgerichtet hatte. Und die Hingabe an die Unfehlbarkeit der Kirche und das Papsttum sowie an die Leitung der Geistlichkeit betrachtete man als die Grundbedingungen alles Heils. Man glaubt mit einem Wort nunmehr an den unvergänglichen Bestand des Papsttums, in welchem man das Reich Gottes auf Erden erblickte.

Diesen Gläubigen gegenüber standen aber Unzählige, welche durch die ungeheure Täuschung, welche sie erlebt hatten, zu ganz anderen Resultaten gelangt waren. Sie meinten zum Teil, die Zeit der herrschenden Kirche sei zu Ende und viele begannen selbstständig zu denken und sich zu neuen Religionsgenossenschaften zu verbinden.

So entstand vom Anfang des 11.Jahrhunderts an die Sekte der „Reinen“ oder das „Katharertum“, welches bald Eingang bei allen romanischen Völkern fand und auch nach Deutschland hin drang. Dasselbe hatte eigene Bischöfe und Diakone, umfasste zahlreiche Diözesen, trat auf Synoden zusammen und verbreitete sich fort in allen Kreisen der Gesellschaft. Seine Anhänger forderten völlige Weltentsagung bei Aufnahme in ihre Gemeinschaft und verwarfen die Wassertaufe. Sie behaupteten, eine Geistestaufe zu haben, die durch einfaches Händeauflegen vollzogen wurde.

Selbstverständlich stand die alte Geistlichkeit der ihr im Katharertum drohenden Gefahr nicht untätig gegenüber und sie verfolgte die Neuerer mit grimmigem Hass. Man schalt sie Bougres (Bulgaren, d. h. Bogomilen, was auch liederliche Menschen bedeutet), Poblicants (Zöllner und Sünder), Albigenser (von Alb in Südfrankreich), Patarener (nach dem Revier der Lumpensammler in Mailand, Patavia), am gewöhnlichsten aber Manichäer, setzte die scheußlichsten und lügenhaftesten Gerüchte über sie in Umlauf und verfolgte sie als Ketzer, die ausgerottet werden müssten.

Schon ums Jahr 1020 nahm unter dem König Robert in Orleans die Verfolgung ihren Anfang. An der Spitze der dortigen Katharergemeinde standen einige Kanoniker von hervorragender Bildung und Frömmigkeit. Sie verwarfen namentlich die Verwandlung im Abendmahl, die Wassertaufe und die Anrufung der Heiligen, redeten von einer himmlischen Speise und der Erteilung des Heiligen Geistes durch Auflegen der Hände.

Graf Arfast, ein Edelmann, wurde zum Verräter an der Gemeinde, in die er sich geschlichen und dann eine Untersuchung veranlasst hatte. Die Verhafteten wiesen die Bekehrungsversuche des Bischofs von Beauvais mit Würde zurück, indem sie sagten:

„Spare deine Worte und tue mit uns, wie es dir gut dünkt! Schon schauen wir unseren König, der im Himmel gebietet und mit seiner Rechten uns aufnimmt zu unsterblichen Triumpfen und uns himmlische Freuden schenkt.“