Das Buch

Der Hutzelmann Hörbe lädt seinen Freund Zwottel ein, bei ihm zu wohnen. So muss keiner von beiden mehr alleine sein. Doch so ein Hutzelmannhaus ist für einen Zottelschratz wie Zwottel etwas völlig Neues. Also probiert er alles aus – und da kann es schon mal sein, dass er im Schornstein stecken bleibt. Aber was auch passiert: Hauptsache, Hörbe und Zwottel sind zusammen. Denn gibt es ein größeres Glück auf der Welt, als gute Freunde zu haben?

Der Autor

Otfried Preußler

© Francis Koenig

»Ich habe die Überzeugung gewonnen, dass Kinder das beste und klügste Publikum sind, das man sich als Geschichtenerzähler nur wünschen kann. Kinder sind strenge, unbestechliche Kritiker.«

Otfried Preußler

Otfried Preußler stammte aus Nordböhmen, wo seine Vorfahren seit dem 15. Jahrhundert als Glasmacher im Vorland des Iser- und Riesengebirges ansässig waren.

Er wurde am 20. Oktober 1923 als Sohn eines Lehrers im nordböhmischen Reichenberg geboren. Nach dem Krieg und fünf Jahren in sowjetischer Gefangenschaft, kam er im Sommer 1949 nach Oberbayern, wohin es seine Angehörigen nach der Vertreibung aus der böhmischen Heimat verschlagen hatte. Seither lebte er in Oberbayern.

Er war bis 1970 Volksschullehrer und betätigte sich zunächst nebenberuflich als Schriftsteller. Anfangs schrieb er Hörspiele für den Kinderfunk.

Im Jahr 1956 gelang ihm mit »Der kleine Wassermann« der erste große Erfolg als Schriftsteller. Es folgten weltbekannte Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur, für die Otfried Preußler unzählige Auszeichnungen und Preise erhielt, wie z.B. zweimal den Deutschen Jugendbuchpreis, den Andrea-Gryphius-Preis und den Eichendorff-Literaturpreis.

1991 wurde er vom Bundespräsidenten der Republik Österreich in Würdigung seiner literarischen Verdienste zum Titularprofessor ernannt.

Otfried Preußler war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Autoren deutscher Sprache. Seine Bücher haben inzwischen eine deutsche Gesamtauflage von über 18 Millionen Exemplaren erreicht, weltweit beträgt sie fast 50 Millionen Exemplare. Sie liegen in über 350 fremdsprachigen Übersetzungen vor und wurden weltweit vielfach ausgezeichnet. Seine Bühnenstücke zählen zu den meistgespielten Werken des zeitgenössischen Kindertheaters.

Alles, was er für Kinder schrieb, entstand aus dem täglichen Umgang mit ihnen. Denn die Kritik der Kinder war die »einzige für mich wirklich kompetente Kritik«, wie er sagte. Dabei war er selbst wohl sein unnachsichtigster Kritiker, der unermüdlich an seinen Geschichten »feilte und sie verbesserte, bis sie so schlank und präzise waren, wie Kinder sie schätzen. Er hielt Kinder »für das beste und aufgeschlossenste Publikum, das ein Autor sich wünschen kann«. Und er war überzeugt davon, dass sich die wirklich maßgebenden Erfolge eines Schriftstellers nicht in den Verkaufszahlen ausdrücken. Auf was es ankommt, sagte er, seien »die Erfolge im menschlichen, ganz privaten Bereich des Lesers«.

Otfried Preußler starb am 18. Februar 2013 in Prien am Chiemsee.

Mehr über Otfried Preußler: www.preussler.de

Die Illustratorin

Annette Swoboda

© privat

Annette Swoboda, geboren 1961, malte ihr erstes Bilderbuch mit neun Jahren. Sie hatte so viel Spaß dabei, dass der Wunsch entstand, mehr davon zu machen. Sie studierte Kunst in Frankreich und Grafik-Design in Mannheim und war viel auf Reisen. Aber nach wie vor ist für sie das Spannendste, Sprache und Fantasie in Bilder zu übersetzen.

Mehr über Annette Swoboda: www.annette-swoboda.de

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

Titelbild

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Wie alles begann

Hörbe mit dem großen Hut aus dem Siebengiebelwald: Ein Hutzelmann, wie man von Weitem sieht – einer von dreizehn. Er ist Korbflechter von Beruf, er versteht sich auch auf die Kunst, Hutzelmannshüte zu machen.

Es war eines schönen Morgens im Herbst. An diesem Tag hatte Hörbe eigentlich Preiselbeermarmelade einkochen wollen; aber die Welt war so bunt und der Himmel so blau, dass Hörbe sich sagen musste: „Dies ist kein Tag für Preiselbeermarmelade – dies ist ein Tag zum Wandern!“

Gern hätte er einen der Nachbarn zum Mitkommen überredet; aber die meinten: „Hast du vergessen, dass heute Werktag ist? Werktags kann man nicht einfach tun, was man will und mag – an Werktagen wird bei uns gearbeitet!“ – „Na gut“, dachte Hörbe. „Dann eben nicht – ich kann auch alleine wandern …“

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Wie schön war es, auf der Welt zu sein! Guten Mutes durchquerte Hörbe den Siebengiebelwald bis zum andern Ende. Und dort, auf dem großen Stein in der braunen Heide, begann für ihn eine Kette von unerwarteten und gefährlichen Abenteuern …

Was für ein Glück, dass Hörbes großer Hut ein Doppelhut war! Im Obendrüberhut, den er als Boot benutzte, gelang es Hörbe gerade noch, einem Heer von gefräßigen Ameisen vor der Nase davonzuschwimmen. Dann aber merkte er plötzlich zu seinem Schrecken, dass ihn der Hut geradenwegs in die Worlitzer Wälder trug – in die Worlitzer Wälder, die noch kein Hutzelmann je betreten hatte.

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Dort hauste nämlich, wie alle wussten, der Plampatsch: ein grässliches Ungeheuer, halb Wolf, halb Drache, das jeden Hutzelmann auf der Stelle auffraß. „Oh weh!“, dachte Hörbe. „Ich fürchte, dass es kein gutes Ende nimmt, wenn mich der Plampatsch zu fassen kriegt!“

Zu allem Überfluss geriet er mit seinem Boot auch noch in einen Wasserfall! Ein Strudel riss ihn in die Tiefe, der arme Hutzelmann verlor die Besinnung. Als er nach einer Weile wieder zu sich kam, fand er sich auf einem Haufen von dürren Zweigen und welken Blättern wieder. Und wem saß er dort gegenüber? Einem fremden zotteligen Wesen mit langem Schwanz, das eigentlich nur der gefürchtete Plampatsch sein konnte – oder …?

Es war nicht der Plampatsch, wie sich herausstellte: Es war Zwottel, der Hörbe da auf dem Stein gegenübersaß – Zwottel, der lustige Zottelschratz mit dem Zottelpelz und dem Zi-Za-Zottelschwanz.

Er hatte den Hutzelmann aus dem Wasser des Rabenbaches gefischt, er sollte ihm bald noch ein weiteres Mal das Leben retten.

Und was war mit dem Plampatsch?

Den Plampatsch gab es in Wirklichkeit überhaupt nicht, sie hatten sich alle umsonst gefürchtet vor ihm: die Hutzelmänner – und Zwottel ebenso!

„Weißt du was?“, sagte Zwottel zu Hörbe. „Ich habe das einsame Leben satt in den Worlitzer Wäldern. Wenn es dir recht ist, komme ich mit in den Siebengiebelwald zu dir und den anderen Hutzelmännern!“

So schlossen sie miteinander Freundschaft, die beiden, und wurden das, was sie heute sind:

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Hier wohne ich

Es waren einmal zwei Freunde, das waren die allerbesten Freunde der Welt, auch wenn sie sich erst seit wenigen Tagen kannten – genauer gesagt: seit vorgestern. Hörbe, der Hutzelmann aus dem Siebengiebelwald, einer von dreizehn, und Zwottel, der Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern, hatten beschlossen, von jetzt an für alle Zeiten beisammenzubleiben.

„Nichts auf der Welt schmeckt besser als Pri-pra-Preiselbeermirmulade!“, behauptete Zwottel, nachdem sie jenseits der Rabenteiche mit Wurzeldittrich und Humpelkeil, mit Nörgelseff und dem kleinen Leubner zusammengetroffen waren, die auf dem großen Stein in der Heide mit ihnen die Wanderbrote geteilt hatten.

Am Nachmittag waren sie dann gemeinsam mit Hörbes Nachbarn heimwärts gewandert. Unweit der Siebengiebelwiese hatten sich Dittrich und Keil, der Nörgelseff und der kleine Leubner von ihnen getrennt, weil sie dort in der Nähe hausten – und seither waren sie wieder allein, die zwei allerbesten Freunde der Welt.

Hörbe führte den Zottelschratz an den Rand seiner kleinen Lichtung hinter der Brombeerhecke. Er streckte die Hand aus und sagte:

„Hier wohne ich, Zwottel, wir stehen vor meinem Haus.“

„Wo soll da ein Haus sein?“ Der Zottelschratz blickte sich suchend um. „Ich kann da bloß Farnkraut sehen … Und Beerensträucher … Und einen Stein, unter dem eine Wasserquelle hervorsprudelt … Aber ein Hi-Ha-Haus?“

„Mein Hutzelmannshaus“, sagte Hörbe. „Hutzelmannshäuser sind gut verborgen, das muss so sein. Versuch doch mal, es zu finden!“

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„Na schön“, meinte Zwottel. „Das kann doch wohl nicht so schwer sein …“

Es ging auf den Abend zu. Zwischen den Baumwipfeln drangen die letzten Sonnenstrahlen herein auf die kleine Lichtung. Mit beiden Armen bog Zwottel das Farnkraut zur Seite und blickte sich zwischen den goldenen Wedeln um.

„Kalt“, sagte Hörbe.

„Und dort?“ Der Zottelschratz deutete auf die Brombeerhecke.

„Noch kälter!“, rief Hörbe und Zwottel flitzte zum nächsten Haselbusch.

„Hier muss es aber endlich sein! Wenn es hier nicht ist – wo denn dann?“

Der Hutzelmann winkte lachend ab. „Nimm dich in Acht, dort erfrierst du dir höchstens die Ohren!“

Zwottel, der Zottelschratz aus den Worlitzer Wäldern, stöberte in den Himbeersträuchern herum, er steckte die Nase zwischen die Schachtelhalme: alles umsonst.

„Wenn ich nicht wüsste, dass du mein bester Freund bist, Hutzelmann, würde ich sagen: Rutsch mir den Buckel runter!“

Zwottel war drauf und dran, die vergebliche Suche aufzugeben – doch plötzlich rief Hörbe: „Heiß, Zwottel, heiß! Gib acht, gleich verbrennst du dir noch den Zottelschwanz!“

Zwottel wandte sich um – und nun wurde er langsam ärgerlich.

„Ich glaube, du willst mich veralbern, Hörbe. Das ist ja ein ganz gewöhnlicher Ri-Ra-Reisighaufen!“

„Findest du, Zwottel? – Dann gib mal acht!“

Der Hutzelmann trat an den Reisighaufen heran und schob ein paar Zweige zur Seite: Da standen sie unversehens vor Hörbes Haus. Wie alle Hutzelmannshäuser war es aus Holz gezimmert und über und über mit dürren Ästen und Zweigen zugedeckt.