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carl-ludwig reichert

ein walross macht noch keinen spätherbst

aus dem literarischen nachlass von gottlieb ingolstadt

fuego

pressestimmen:

„ein buch wie jedes andere“

lunatic, new york

„abgründige zwielichtigkeit - offene geheimnisse. wo fängt das eine an, hört das andere auf?“

birkelbacher rundschau, birkelbach

„wer war gottlieb ingolstadt? carl-ludwig reichert läßt nicht nur diese antwort offen. die unerfreulichste neuerscheinung seit den ,kinderspielen‘.“

white power gazette, kapstadt

„wer dieses buch kauft, macht sich seiner verbreitung mitschuldig.“

landesprüfstelle für sittlich gefährdetes schrifttum

„einfach herzerfrischend“

anonymer leserbrief

nachruf auf gottlieb ingolstadt

er war ein pseudo-genie. eine persönlichkeit aus zweiter hand. nichts an ihm war fertig, nichts hatte endgültig form gewonnen, als er ging. ging, weil er gehen mußte in einer zeit, die, dem ungewöhnlichen abhold, der genialität nichts zubilligt als den abstieg ins lächerliche.

er mußte gehen, weil er unzufrieden war von natur aus. mit sich selbst, mit dem was er tat, dachte & schrieb. er war unzufrieden, weil er nichts erreichte. er konnte nichts erreichen, denn nichts zu erreichen war der tiefste wesenszug seiner pseudo-genlalität, zu der er sich restlos bekannte.

enthusiastischer dilettantismus, eine vielseitige halbbegabung zeichnete ihn aus. er konnte wohl nicht anders als diese schwäche vor sich selbst zu seiner stärke erklären. auf diese weise trieb er sport, politik, aß, trank, studierte, versuchte sich bald in der bildenden kunst, als schauspieler, im schreiben & in der liebe.

er existierte in einem durch seine person geprägten pseudo-milieu. stets auf der suche nach wesensverwandten charakteren, umgab er sich kurzfristig mit ihnen, nachdem er sie gefunden hatte. so fühlte er sich noch am wohlsten. (bezeichnend war sein hang zur trivialität, zum kunstgewerbe) veränderungen fürchtete er in dem maße wie er ihre notwendigkeit einzusehen vorgab. an entschlossenheit mangelte es ihm entschieden. der weltanschauung nach materialist, fühlte er sich doch dem unheimlichen, a-logischen & absurden wie magisch verbunden. seine texte legen davon zeugnis ab.

er wußte natürlich, daß er alles andere war als ein poet. er hätte es zumindest wissen können. denn obwohl er verbissen um jedes wort kämpfte (er hatte große vorbilder), ihnen wieder & wieder den letzten schliff zu geben sich bemühte, gelang es ihm nie, auch nur eine zeile zu veröffentlichen. es hat ihn nicht entmutigt & dieses buch gibt ihm nachträglich recht. er hätte sich wohl kaum darüber gefreut, es eher als selbstverständlich betrachtet.

ein pseudo-genie bis zur letzten konsequenz, nahm er sich nämlich zeitlebens ungeheuer wichtig. das half ihm, über die unzähligen fehlschläge, enttäuschungen, mißerfolge, ablehnungen, diskriminierungen, verdächtigungen, intrigen & demi-sensationen halbwegs hinwegzukommen. freilich lebte er stets mit der quälenden gewißheit, irgendwo, sei es hier oder dort, versagt zu haben.

der hauptgrund dafür dürfte in seiner profunden unfähigkeit zu suchen sein, nebensächliches von wesentlichem zu unterscheiden. das war schon so, als wir noch gemeinsam die schulbank drückten & wurde später keinesfalls besser.

so taumelte er während seiner “produktiven phasen” von einer dreiviertel-ekstase zur anderen, unfähig einen irgendwie gearteten nutzen aus seinem tun zu ziehen. es sei denn, bittere lehre über den mißbrauch seiner geradezu legendären gutmütigkeit, die nicht selten dem objektiven betrachter an torheit zu grenzen schien. einem genie hätte man wohl verziehen, gottlieb aber?

doch auch gutgemeinter rat von freunden, nicht selten verbunden mit zeiten großen äußeren mangels, hinderte ihn nicht, sich seiner fragwürdigen einmaligkeit stets bewußt & von sich selbst in jeder hinsicht zutiefst überzeugt zu sein.

darin ging er gegen ende so weit, daß er sich weigerte, von seiner krankheit, die ihn seit jeher plagte, überhaupt notiz zu nehmen. als der schmerz zu stark wurde, griff er mit halbem herzen zur droge. vergebens. er mußte, so schwer es ihm fiel, zum schluß den dienst eines freundes beanspruchen.

daß er schrieb, hatte jedermann gewußt, doch war auch mir die existenz der vorliegenden texte unbekannt. ich fand sie auf der suche nach seinem häufig erwähnten romanfragment, das wohl als verschollen zu betrachten ist, in einer grünen mappe. zu beinahe jedem gibt es ablehnende bemerkungen irgendwelcher redaktionen oder auch notizen von seiner hand. die zeitläufte & verschiedenste umstände, sowie das entgegenkommen des verlages haben es gefügt, daß einer veröffentlichung der manuskripte (mit ausnahme derer, die er selbst nicht gebilligt hätte) nichts mehr im wege steht.

der es hätte verhindern können, gottlieb ingolstadt, ist nicht mehr.

münchen, den 7. 7. 70

carl-ludwig reichert

zueignung - für MONIKA