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Fußnoten

Vgl. dazu: www.theguardian.com/books/2017/apr/01/john-boyne-my-writing-day (Stand aller im Lektüreschlüssel angegebenen Internetquellen: 272018.).

Immer wieder wird der Roman auch für eine Behandlung in der achten oder sogar siebten Klasse empfohlen. Aufgrund der komplexen Konstruktion der nur auf den ersten Blick simpel erscheinenden Erzählung plädieren die Autoren des vorliegenden Lektüreschlüssels dafür, den Roman frühestens in der neunten Klasse einzusetzen.

Das Wort geht zurück auf das Lateinische ›nativus‹, was ›durch Geburt entstanden‹, ›angeboren‹ bzw. ›natürlich‹ bedeutete und nicht den negativen Beigeschmack wie die heute übliche Verwendung von ›naiv‹ hatte.

Dies könnte man auch als Kommentar eines Nationalsozialisten zum Roman Der Junge im gestreiften Pyjama verstehen, der sich ja selbst als Fabel bzw. Märchenbuch zu erkennen gibt. Umgekehrt kann man dann sagen, dass solche Bücher für Nicht-Nationalsozialisten sehr wichtig sind, weil sie ihnen helfen, die Welt besser zu verstehen, was Nationalsozialisten nach Liszt offenbar nicht brauchen, denn sie müssen ›nur‹ an ihre Ideologie glauben.

Zur Bedeutung der Paratexte für den vorliegenden Roman vgl. die Interpretationsansätze in Kapitel 6.

Vgl. dazu G. E. Lessing, Abhandlung über die Fabel (Erstveröffentlichung: 1759). (Online einsehbar unter: http://gutenberg.spiegel.de/buch/abhandlungen-uber-die-fabel-1168/2.)

Noch vor Beginn der Erzählung ist auf der (nicht nummerierten) fünften Seite des Buches eine Widmung zu finden: Der dort erwähnte Jamie Lynch ist der Neffe John Boynes und war der erste junge Leser des Romans. Seine Reaktion überzeugte den Autor, dass die Erzählung auch für (ältere) Kinder gelungen war. Vgl. das Interview vom 1812006: www.nieuwsblad.be/cnt/gvdmujq4.

Kurze und präzise Informationen zu Stanzels drei Erzählsituationen und vielen anderen wichtigen literaturwissenschaftlichen Konzepten, Autoren und Werken findet man beispielsweise unter: www.einladung-zur-literaturwissenschaft.de.

Einige dieser Texte Bartoszewskis sind auch auf Deutsch publiziert worden: Władysław Bartoszewski, Mein Auschwitz, übers. von Sandra Ewers und Agnieszka Grzybkowska, Paderborn 2015.

Eine deutsche Version dieses Gedichts und anderer Gedichte aus der Zeit findet sich in: Krystyna Żywulska, Wo vorher Birken waren. Überlebensbericht einer jungen Frau aus Auschwitz-Birkenau, Darmstadt 21980.

Natürlich war es den Häftlingen eigentlich unter Todesstrafe verboten zu schreiben; in den Lagern fehlten auch die wichtigsten Utensilien, um dies zu tun: Papier oder Stifte waren absolute Mangelwaren.

Vgl. dazu etwa: Sascha Feuchert, »Einleitung«, in: Holocaust-Literatur. Auschwitz, hrsg. von S. F., Stuttgart 2000, S. 1725. (Der Band ist momentan nur in Bibliotheken und antiquarisch erhältlich, eine Neuauflage in einem anderen Verlag ist aber geplant.)

Elie Wiesel, Jude heute. Erzählungen – Essays – Dialoge, übers. von Hilde Linnert, Wien 1987, S. 202 f. Wiesel hatte dieses Unbehagen an der Fiktionalisierung des Holocaust schon früher mit anderen Formulierungen ausgedrückt.

Kertész’ Nobelvorlesung kann nachgelesen werden unter: www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2002/kertesz-lecture-g.html.

Nicht umsonst nennt man solche Kinder- und Jugendliteratur, die vor realen Konflikten eher ausweicht, »Schonraumliteratur«.

Diesem Lektüreschlüssel liegt die ergänzte Taschenbuchfassung aus dem Jahre 2016 zugrunde, die mit nur geringen Variationen auch bei den Paratexten seit 2009 immer wieder gleich aufgelegt worden ist.

Informationen über die »Titelei« eines Buches erhält man z. B. unter: www.typolexikon.de/titelei/.

Nebenbei sei angemerkt, dass es für ein deutsches Kind unwahrscheinlich ist, aus dem Wort »Führer« tatsächlich »Furor« zu machen, falls es Schwierigkeiten mit der Aussprache hätte. Für ein englischsprachiges Kind machte das weit mehr Sinn, denn englischsprechenden Menschen machen besonders die Umlaute zu schaffen.

Als Kotler die Familie verlassen muss, tauscht sie ihre Puppen gegen Landkarten aus, auf denen sie den Kriegsverlauf markiert, vgl. S. 223 f.

Das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit sollte bei der Analyse von epischen Werken immer eine Rolle spielen – nicht nur im Hinblick auf den gesamten Text, sondern auch auf einzelne Szenen, denn damit können zentrale literarische Effekte beschrieben werden. Vgl. auch Kapitel 4.

Der Name stammt aus der Bibel – in deutschen Übersetzungen wird er als Samuel wiedergegeben. Vgl. Rosa Kohlheim / Volker Kohlheim (Hrsg.), Duden. Das große Vornamenlexikon, Mannheim [u. a.] 1998, S. 246 f.

Ab Januar 1939 mussten jüdische Deutsche, sofern sie nicht bereits einen »im deutschen Volk als typisch angesehenen« jüdischen Vornamen trugen (was auf den Namen Schmuel zugetroffen hätte), zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen. Siehe hierzu den Runderlass des Reichsinnenministeriums vom 2381938: »Richtlinien über die Führung von Vornamen«, § 12. (Online einsehbar unter: de.wikisource.org/wiki/Richtlinien_%C3%BCber_die_F% C3%BChrung_von_Vornamen.)

Kohlheim/Kohlheim (s. Anm. 21), S. 73.

Einen guten Überblick über die Eigenschaften von Fabeltieren bietet etwa: wortwuchs.net/fabeltiere-eigenschaften/.

Nicht ganz unwichtig dürfte es in diesem Zusammenhang auch sein, dass braun die Parteifarbe der NSDAP war. – Ein weiterer sprechender, also bedeutungstragender Name im Roman ist natürlich Kotler (Kot), und auch Gretel heißt nicht zufällig so, verweist ihr Name doch auf die Gretchen- Figur aus Goethes »Faust«.

Bruno ist zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt und müsste – hätte er tatsächlich im Dritten Reich gelebt – als Pimpf (jüngstes Mitglied einer Jugendbewegung) in die HitlerJugend aufgenommen werden. Es ist – das sei noch einmal betont – völlig unrealistisch, dass ein zehnjähriger Junge im Dritten Reich nicht wusste, was ein Jude ist. Diese Erkenntnis ist hier also erneut nur symbolisch zu verstehen und nur innerhalb des Romans plausibel.

Es werden nun die Bewusstseinsinhalte von Brunos Familie vermittelt. Dieser Wechsel der Perspektive ist im Romankontext logisch, denn mit Bruno und Schmuel sind die beiden wichtigsten Reflektorfiguren tot.

Im Nachwort spricht Boyne das einzige Mal vom Holocaust und der Problematik, von diesem zu erzählen. Auch hier verweist er darauf, dass er keine historischen Fakten in seiner fiktionalen, im Wortsinne ›fabel-haften‹ Geschichte vermitteln, sondern »innerhalb dieser Landschaft des Grauens möglichst viel emotionale Wahrheit […] zeigen« (S. 269) will.

Als Zeugnisliteratur bezeichnet man Texte von Überlebenden / Opfern des Holocaust, die über die tatsächlichen Geschehnisse v. a. in den Konzentrationslagern und den Gettos aufklären wollen.

Eine gute Sammlung mit Ausschnitten aus Texten über Auschwitz findet sich etwa bei Feuchert (s. Anm. 12).

Der Junge auf dem Berg. Leseexemplar für Buchhändler und Journalisten. Frankfurt 2017, S. 6.

Der Herzog von Windsor war einmal der britische König Edward VIII., der aber abdanken musste, weil er eine bereits geschiedene Frau, Wallis Simpson, heiraten wollte. Der Herzog stand den Nationalsozialisten positiv gegenüber, weshalb er Adolf Hitler auch besuchte.

Vgl. https://pnla.org/yrca-two-division-winners-2000- 2017/.

Vgl. Wilfried von Bredows Artikel »Hinter dem hohen Zaun« online unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/kinderbuch/hinter-dem-hohen-zaun-1465159.html.

Vgl. Wrights Artikel »The Boy in the Striped Pyjamas«, in: The Age (312006) online unter: www.theage.com.au/news/book-reviews/the-boy-in-the-striped-pyjamas/2006/01/03/1136050420787.html. Die englischen Rezensionen wurden von den Autoren des vorliegenden Lektüreschlüssels übersetzt.

Vgl. Tuckers Artikel »The Boy in the Striped Pyjamas, by John Boyne« online unter: www.independent.co.uk/arts-entertainment/books/reviews/the-boy-in-the-striped-pyjamas-by-john-boyne-6111909.html.

Vgl. Hughes’ Artikel »Educating Bruno« online unter: www.theguardian.com/books/2006/jan/21/featuresreviews.guardianreview18.

Ingrid Haferkamp / Karin Harnischmacher / Daniela Janke, John Boyne: Der Junge im gestreiften Pyjama. Klassen 810, Paderborn 2011, S. 15.

Cornelia Geissler, »John Boynes Junge im gestreiften Pyjama: Vom Furor nach Aus-Wisch geschickt«, in: Berliner Zeitung (101007).

Vgl. Seuss’ Artikel »Einfach eine Fabel« online unter: www.zeit.de/2007/37/KJ-Boyne.

Vgl. Scotts Artikel »Something is Happening« online unter: www.nytimes.com/2006/11/12/books/Scott.t.html.

Vgl. Blechs Artikel »The Boy in the Striped Pyjamas«, in: Current Issues (23102008) online unter: www.aish.com/ci/a/48965671.html.

Marja Rauch, »John Boyne: Der Junge im gestreiften Pyjama«, in: Erzählende Kinder- und Jugendliteratur im Deutschunterricht. Textvorschläge – Didaktik – Methodik, hrsg. von Kaspar H. Spinner und Jan Standke, Paderborn 2016, S. 3135, S. 32.

Rauch (s. Anm. 43), S. 33.

Ebd.

Interview des teenreads mit John Boyne (1692006). (Online einsehbar unter: www.teenreads.com/authors/john-boyne/news/interview-090906.)

Kirsten Kumschlies, Boyne, John: Der Junge im gestreiften Pyjama. (Online einsehbar unter: www.kinderundjugendmedien.de/index.php/literaturkritiken/524-boyne-john-der-junge-im-gestreiften-pyjama.)

Vgl. Christina Nords Artikel »Der Rauch und die Schaukel« online unter: www.taz.de/!5163486/.

Vgl. Brooks Artikel »The Boy in the Striped Pyjamas« online unter: www.theguardian.com/film/2008/sep/12/drama.family.

Vgl. Eggebrechts Artikel »Niedlich naiv« online unter: www.sueddeutsche.de/kultur/kino-der-junge-im-gestreiften-pyjama-niedlich-naiv-1.450232.

Vgl. Kilbs Artikel »Auschwitz als Fiktion« online unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/video-filmkritiken/video-filmkritik-auschwitz-als-fiktion-der-junge-im-gestreiften-pyjama-1105294.html.

Vgl. Dargis’ Artikel »Horror Through a Child’s Eyes« online unter: www.nytimes.com/2008/11/07/movies/07paja.html.

Im Zentrum des HandlungRomans steht der neunjährige Bruno, dessen Vater während des Zweiten Weltkriegs versetzt und Kommandant eines Konzentrationslagers wird. Voller Naivität verkennt Bruno, welche Verbrechen sich in seiner neuen Heimat direkt vor seinen Augen abspielen. Aus Langeweile erkundet er die Gegend, was ihm eigentlich streng verboten ist. Dabei gelangt er auch an den Lagerzaun. Dort trifft er den gleichaltrigen Schmuel, der den üblichen

Der WerkaufbauRoman, der 20 Kapitel umfasst, ist klar in zwei Teile untergliedert: In der Mitte der Erzählung (Kapitel 10) trifft Bruno am Lagerzaun Schmuel. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich sein Leben radikal. In den Kapiteln davor werden Brunos Abschied von Berlin und seine Ankunft am Ort des Lagers, den er konsequent »Aus-Wisch« nennt, thematisiert. Im zweiten Teil des Romans steht die Entwicklung der Freundschaft zwischen Bruno und Schmuel im Zentrum; dennoch wird auch auf die Zeit vor dem Umzug zurückgeblendet (etwa in Kapitel 11).

John Boynes Roman Der Junge im gestreiften Pyjama gehört zu den Erfolgreiches Jugendbucherfolgreichsten Jugendbüchern der

Die Geschichte um Bruno und Schmuel gehörte rasch zu den einflussreichsten Erzählungen, die je über Konzentrationslager oder den Zweiten Weltkrieg geschrieben wurden. Allerdings – und das gilt es von vorneherein zu beachten – will Boyne seinen Lesern nicht realistisch über den Holocaust erzählen: Schon im Untertitel nennt er die Geschichte »Eine Fabel« und markiert damit deutlich, dass es sich um eine Historisches vs. fiktionales Erzählenfiktionale Erzählung handelt, die Gleichnischarakter hat und keinesfalls ›historisch‹ in einem engeren Sinne ist. Einige Auseinandersetzungen um den Roman, die schon direkt nach der Publikation entstanden, drehen sich auch um ein Missverständnis, das nicht nur der Untertitel zu vermeiden suchte: denn zahlreiche Leser haben die Geschichte als Versuch verstanden, über tatsächliche Geschehnisse und Verhältnisse in den Konzentrations- und Vernichtungslagern zu erzählen. Der vorliegende Lektüreschlüssel wird daher ausführlich darauf eingehen, worin bei Boynes

Zentral für das Verständnis des Romans ist die von Boyne gewählte Personale Erzählsituationpersonale Erzählsituation: Die Leser erfahren die Geschichte fast ausschließlich aus der Perspektive Brunos, der – um einen Begriff des Erzähltheoretikers Franz K. Stanzel zu wählen – als Reflektorfigur fungiert. Damit wird zum einen Brunos radikale (und ahistorische) Naivität vermittelt und zum anderen der Rezipient implizit aufgefordert, die so entstehenden »Leerstellen« (Wolfgang Iser) in der Erzählung mit seinem eigenen Wissen über die realen Ereignisse des Holocaust zu füllen. Diese unterschiedlichen Standpunkte von Protagonist und Leser zu den Geschehnissen in Aus-Wisch/Auschwitz sind wichtig, um die literarische Funktion von Brunos beschränkter Weltsicht richtig zu verstehen. Deshalb ist der Roman auch erst für Leser geeignet, die bereits über ein solides historisches Wissen verfügen.2

Insgesamt Intention der Erzählungzielt die Erzählung darauf ab, zu zeigen, wohin Ideologie, Hass und Ausgrenzung führen können, wenn man sich nicht eine menschliche (und in

Die Handlung des Romans spielt überwiegend in »Aus-Wisch« und umfasst eine erzählte Zeit von ca. zwei Jahren. Die ersten neun Kapitel führen in die Geschichte ein: Neben Rückblenden (Analepsen), die Episoden aus dem Leben von Brunos Familie in Berlin schildern, wird die schwierige Eingewöhnung des Jungen in sein neues Zuhause dargestellt. Ab dem zehnten Kapitel fokussiert sich die Erzählung auf die problematische Freundschaft zwischen dem Juden Schmuel und dem SS-Offizierssohn Bruno, durch die Letzterer allmählich – wenn auch bis zum Schluss nur in Ansätzen – versteht, wie prekär die Situation in »Aus-Wisch« ist.

Kapitel 1: Bruno macht eine Entdeckung

Der Roman beginnt medias in res, also ohne große Einführung: Bruno kommt von der Schule nach Hause und erfährt von seiner Mutter, dass die Familie – aufgrund der Arbeit seines Vaters – Berlin Brunos Familie verlässt Berlin1115