The Cover Image

Joachim eilts

Petri Dank!

Sternstunden
eines Anglers

KOSMOS.png

Für Erika, Carsten, Simone,
Carina, Fritjof und Henri

Wie alles begann

Seit Menschen die Erde bewohnen, gibt es Angler und Jäger. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Zwar müssen wir uns nicht mehr ausschließlich vom Fischfang und von der Jagd ernähren, aber dennoch kommen unzählige Petrijünger und Waidmänner nach jedem Tag in der Natur glücklich und mit einem gefüllten Rucksack nach Hause. Nicht, weil sie Riesenfische gefangen oder einen kapitalen Bock geschossen hätten, sondern weil sie von ihren Pirschgängen weit mehr mitbringen: wunderbare Erlebnisse, farbenprächtige Stimmungsbilder, unwiederbringliche Abenteuer ... Sie waren draußen und vergaßen die Welt.

Schön, dass es Menschen gibt, die die Gabe haben, all ihre Empfindungen in Worte zu fassen. Einer von ihnen, der das meisterhaft versteht, ist Joachim „Akki“ Eilts. Er ist leidenschaftlicher Angler von Kindesbeinen an und seit 24 Jahren hauptberuflich im Paul Parey Zeitschriftenverlag in der Redaktion FISCH & FANG beschäftigt. Seit nunmehr 18 Jahren arbeite ich mit ihm zusammen und weiß, dass ihn die Abenteuer nicht nur anziehen – sie springen ihn förmlich an!

Die Abgeschiedenheit der ostfriesischen Landschaft, die Weite der Wiesen und Felder, durchzogen von naturbelassenen, schilfgesäumten Gewässern mit einem enormen Fisch- und Fischartenreichtum, bildete das Gebiet seiner jugendlichen Streifzüge. Hechte, Zander, Barsche, Aale, Karpfen, Schleien, Brassen, Güstern, Plötzen, Rotfedern, Alande ... All diesen Flossenträgern, und vielen anderen mehr, stellte er nach.

Brandungsfischen an der Küste, Hochseeangeln auf Makrelen, Dorsche und Grundhaie, Angeltrips an die verschiedensten Gewässer Deutschlands ... Es gab wahnsinnig viel zu entdecken. Zwangsläufig folgten Reisen rund um die Welt: zum Beispiel nach Norwegen, Schweden, Finnland, Irland, Österreich, Spanien, Rumänien, Mauritius, Kanada und Alaska. Nicht zuletzt aufgrund der beruflichen Tätigkeit in der Redaktion FISCH & FANG.

Turbulente Drills, Begegnungen mit wilden Tieren, originelle, kauzige Menschen ... Mit schier überspringender Begeisterung nimmt Akki den Leser mit an Seen und Flüsse, lädt ihn ein zum Meeresfischen, zerrt ihn ins Auto und schubst ihn ins Flugzeug, lässt ihn teilhaben an Erlebnissen der besonderen Art.

In seinen Memoiren, einem Potpourri herrlicher Geschichten, versteht es der Autor, neben der unterhaltsamen Erzählung ebenfalls viel von der Technik des Angelns zu vermitteln, was das Buch für den versierten Petrijünger ebenso wertvoll macht wie für den, der sich dieser Materie erst nähert.

„Petri Dank!“: Ein Werk, das in jeder Zeile höchste Erzählkunst atmet. Spannung pur, von der ersten bis zur letzten Seite! Ich bin sicher, Ihnen werden die anglerischen Sternstunden von Joachim Eilts genau so viel Freude bereiten wie mir.

 

Thomas Wendt,
FISCH & FANG-Chefredakteur
von 1994 bis 1998.
Chefredakteur DER RAUBFISCH

Vom Glück verfolgt ...

Ja, das wurde ich wirklich. Ständig. Mein ganzes Leben lang – fast immer, wenn ich am Wasser saß und den Fischen nachstellte. Irgendetwas Verrücktes passierte immer. Und genau diese ungewöhnlichen Tage, von denen es so unendlich viele gab, waren für mich das Salz in der Suppe. Das Erlebnis zählte, nicht nur der Erfolg.

Da man jedoch nicht zwei verschiedenen Büchern den gleichen Titel geben kann, und weil meine vorhergegangenen Memoiren „Vom Glück verfolgt ..., Erinnerungen eines Anglers“, ebenfalls im Kosmos Verlag Stuttgart erschienen, nur die Hälfte dessen war, was ich erlebt habe, nenne ich dieses Buch – sozusagen den zweiten Teil – „Petri Dank – Sternstunden eines Anglers“. Und dankbar bin ich in der Tat. Unendlich dankbar dafür, dass ich ein Angler und Jäger werden durfte.

Begleiten Sie mich ein wenig durchs Leben. Schmunzeln Sie über den Dreikäsehoch, der in Ostfriesland bereits im Alter von fünf Jahren mit viel zu großen, getragenen Klamotten und leckenden Stiefeln allein zum Angeln an den Kanal stapfte, um mit Würmern Weißfische und Barsche zu fangen. Freuen Sie sich mit mir über die Beute, die damals nicht nur mich, sondern die ganze Familie satt machte. Zerschunden von Stacheldraht, zerstochen von Mücken, nass bis auf die Haut ... Na und?

Fahren Sie mit mir und meinem Sohn nach Österreich, um den Reinanken auf die Schuppen zu rücken, nach Norwegen zum Fjordangeln auf die verschiedensten Meeresfische und nach Schweden zum Schleppfischen auf die größten Binnenlachse der Welt.

Fliegen Sie mit mir nach Irland, um den Blauhaien und Congern nachzustellen, nach Finnland zum Hechtangeln, nach Kanada in den Yukon, wo die Namaycush, die wunderschönen, farbenprächtigen Riesensaiblinge zu Hause sind, und an den Frazer River, um gigantische Weiße Störe zu drillen. Folgen Sie mir an den Nushagak River in Alaska, um Königslachse, Ketas, Silber- sowie Rotlachse zu überlisten. Kommen Sie mit zum spannenden Zander- und Rapfenangeln an die Elbe, zum Barbenfischen an den Rhein und zum Döbelangeln an die Lahn.

Staunen Sie über die großartigen Angler, die mir im Laufe der Jahrzehnte begegneten, lachen Sie über die Originale, die ich traf, und genießen Sie mit mir die Natur, die mich umgab. Stellen Sie sich unter meinen Schirm, wenn es regnet oder zu stürmen beginnt! Schlürfen Sie den aus erhitztem Quellwasser frisch gebrauten Kaffee aus einer alten, verschrammten Holztasse, und lassen Sie sich die über dem Lagerfeuer gegrillten Forellen schmecken.

Aber tun Sie mir einen Gefallen, bleiben Sie einfach stehen, wenn sich Ihnen in den Brooks im Katmai-Nationalpark in Alaska ein kapitaler Küstenbraunbär nähert. Weglaufen ist sinnlos! Einfach in die Hände klatschen, laut „La Paloma“ singen und alles wird gut!

 

Joachim Eilts

So ein Pech aber auch

„Beim Kerzenschein in dunkler schwarzer Nacht, sah ich die Toten wieder, die einst mit uns gelacht ...“ Unwillkürlich muss ich an ein Gedicht meines verstorbenen Onkels denken, das er vor langer Zeit schrieb, denn es ist absolut finster, als Klaas Jan, mein holländischer Freund, und ich Anfang Oktober 2004 Smøla in Norwegen erreichen: Schwarz, düster und drohend!

Zum Glück fährt Klaas Jan mit seinem zum Angler-Auto umgebauten VW-Bus wie immer vorsichtig, kann rechtzeitig bremsen, als in unmittelbarer Nähe eine Elchkuh und ein Kalb die Straße passieren. Es dauert fast zwei Minuten, bis die beiden dem Scheinwerferlicht entschwinden.

Als wir am Hotel ankommen, ist dieses zwar hell erleuchtet, aber wie die Umgebung aussieht, können wir nicht einmal erahnen. Sichtweite höchstens 30 Meter. Da wir von der Reise ein wenig müde sind, begeben wir uns nach dem Abendessen schon bald in die Zimmer.

Am nächsten Morgen schleppe ich mich schlaftrunken ans Fenster, öffne den Vorhang und bin auf der Stelle hellwach: Was für ein Ausblick, was für eine wunderschöne Fjordlandschaft! Rote, blaue, grüne und gelbe Holzhäuser auf steinigen Felsen, hysterisch schreiende Möwen, ein Seeadler, der sich darum nicht im Geringsten kümmert ... Gemächlich manövriert ein Angler sein Boot an einem Kutter vorbei, und kaum 40 Meter entfernt lässt sich ein Kormoran auf einem Pfahl sitzend mit ausgebreiteten Flügeln von der Sonne die Federn trocknen. Fantastisch! Was für Bilder!

Innerhalb weniger Minuten habe ich mich rasiert, die Zähne geputzt, gewaschen, angezogen und stürze in den Frühstücksraum. Klaas Jan ist bereits fertig und frotzelt: „Na, alter Mann, auch schon wach?“ Eine Tasse Kaffee allerdings trinkt er noch mit mir.

Bald darauf sitzen wir mit Harald, einem einheimischen Krabbenfischer, der jeden Meter des Meeresbodens vor Smøla kennt, im Boot und „brettern“ auf den Atlantik hinaus. Der Fahrtwind drückt mir die Tränen aus den Augenwinkeln. Ein scharfer Windstoß zerzaust meine Haare, bläht die Jacke auf wie einen Luftballon. Ein Wunder, dass ich nicht abhebe.

Kaum 20 Minuten dauert es, dann sind die Schären durchfahren und die Fischgründe auf dem offenen Wasser erreicht. Ausgerüstet mit einem Echolot sowie Seekarten mit genauen Tiefenangaben, finden wir bereits kurze Zeit später unter der heute absolut ruhigen Wasseroberfläche eine erfolgversprechende Stelle. „Wenn ihr hier nichts fangt, fresse ich einen Kescherstiel aus Aluminium“, sagt Harald. Das allerdings bleibt ihm erspart.

Wir fischen mit Pilkern und Beifängern in Tiefen von maximal 120 Metern und erwischen mehrere Dorsche, Köhler, Pollacks, Lumbs sowie Lengs. Einer der Dorsche bringt satte 24 Pfund auf die Waage. Als ich während des Drills die Bremse der Multi schließe, zieht er mir die Arme lang, sodass ich die Bremse wieder etwas lockern muss, um einen Schnurbruch zu vermeiden. „Das ist ein groooooßer Fisch“, sagt Klaas Jan. „Was bist du doch für ein pfiffiges Kerlchen“, antworte ich.

Kaum sind die Köder nach der Landung des schönen Fisches wieder draußen, folgen Schellfische sowie ein paar kleine Rotbarsche. Klaas Jan quält sich zehn Minuten mit einem zweistelligen Dorsch herum. Kaum hat er etwas Schnur gewonnen, saust der Fisch in rasanter Flucht wieder davon. Nach und nach jedoch gelingt es ihm, den Räuber zu ermüden und schließlich an die Wasseroberfläche zu dirigieren. „Bravo“, sage ich und hebe den Fisch ins Boot.

Unbarmherzig brennt die Sonne auf die Wasseroberfläche und lässt sie millionenfach funkeln. Ich schaue aufs Thermometer. Exakt 30 Grad zeigt es an. Die Wassertemperatur liegt gerade mal acht Grad darunter.

Als Klaas Jan sein Glück mit Fischfetzen an einem Heilbutt-System in Grundnähe versucht, erhält er einen vehementen Biss, und nach dem Anhieb biegt sich die Rute zum Halbkreis. Das muss ein richtig guter Fisch sein. Unwiderstehlich nimmt er Schnur. Zu vergleichen mit einer Gondel, die per Seilwinde in Richtung Bergstation gezogen wird. Als Klaas Jan im Boot ausrutscht, verletzt er sich am rechten Schienbein.

In seiner Not stemmt er sich gegen die Reling, denn sein Kontrahent reißt nunmehr in einem Rutsch fast 50 Meter geflochtene Schnur von der Spule der Multirolle. Und das, obwohl die Bremse relativ hart eingestellt ist. Wir werden nie erfahren, was da gebissen hat, denn Sekunden später schlitzt der Haken aus. Aus! Vorbei! „Vielleicht war’s ein Heilbutt“, sagt Klaas Jan und sieht ziemlich bedröppelt aus. Das Einzige, was ihm bleibt, ist eine wunderschöne Schürfwunde und eine unvergessliche Geschichte.

Ich garniere den Pilker mit einem Fischfetzen und erwische im Mittelwasser einen schönen Pollack. Vier Kilo wiegt er. Kaum ist er versorgt, beißt ein etwa zweipfündiger Rotbarsch. Fast widerstandslos lässt er sich über die Reling hieven.

Je tiefer wir die Köder anbieten, desto größer werden die Fische. Aber das kennen wir ja vom Angeln in Norwegen zur Genüge. Oft lassen wir uns einfach treiben. Im Mittelwasser stehen prächtige Pollacks, die dicken Rotbarsche dagegen ausschließlich in der Tiefe.

Nach sechs Angelstunden lassen wir es gut sein, denn Klaas Jan hat noch etwas Besseres zu tun, als einen, wie er sagt, „seltsamen Ostfriesen“ zum Angeln zu begleiten. Zum Abendbrot im Restaurant der Anlage allerdings lässt er sich noch einladen.

Er hat nicht nur Fischblut in den Adern, sondern außerdem einen Blecheimer im Bauch. Es ist unglaublich, was er alles in sich reinhaut. In der Hälfte der Zeit isst er drei Mal so viel wie ich. Da kann man regelrecht Komplexe bekommen. „Wann wird dir eigentlich der Eimer entfernt?“, frage ich. Die Antwort kommt spontan: „Wenn Deutschland im Fußball mal wieder gegen Holland gewinnt!“ „Au weia“, denke ich, „das kann dauern!“

Während der nächsten Tage fische ich allein und fange insgesamt 16 verschiedene Flossenträger in zum Teil prächtigen Gewichten. Eines Morgens, ich habe es mir genau notiert, erbeute ich in weniger als zwei Stunden zehn verschiedene Arten: Wittling, Dorsch, Franzosendorsch, Makrele, Pollack, Rotbarsch, Schellfisch, Leng, Lumb sowie mit entsprechendem Paternoster ein paar Heringe.

Obwohl: Allein bin ich eigentlich nie, denn bis auf zwei Tage, an denen ich wegen zu starken Sturms von der Küste aus fische, erhalte ich ständig Besuch von neugierigen Schweinswalen. Manchmal sehe ich sie nicht gleich, werde jedoch aufgrund ihres unnachahmlichen Blasens an der Wasseroberfläche, ähnlich dem einer warnenden Bache, die Angst um ihre Frischlinge hat, sofort auf sie aufmerksam, wenn sie in Bootsnähe kommen. Unaufhörlich erfreuen sie mich mit elegantem „Buckeln“.

Als ich mich mitten über einem riesigen Fischschwarm befinde, wie ich dem Echolot entnehme, glaube ich, nach dem gerade erfolgten Biss und einem kräftigen Anhieb das große Los gezogen zu haben, denn mit Urgewalt wird mir die Geflochtene von der Spule gerissen. Aber zum Vorschein kommen schließlich statt eines Kapitalen zwei Köhler in Gewichten von jeweils etwa acht Pfund. Klaas Jan würde in seiner bekannt liebenswürdigen Art sagen: „So ein Pech aber auch!“

Als es den Tag darauf stürmt und Blasen regnet, versuche ich mit der Spinnrute vom Ufer der Fjell-Landschaft aus im „Kindergarten der Fische“ mein Glück und fange sogar bei diesem Sauwetter mehrere Küchen-Dorsche in Gewichten bis acht Pfund. Wahrscheinlich war es auch ihnen auf hoher See zu ungemütlich.

Wahnsinn, diese Stimmung: Lautlos duellieren sich in der Luft vom Wind gehetzte Wolkenphantome. Rasend schnell rauschen sie vorüber. Keine einzige Wolke wird sich ein zweites Mal blicken lassen. Die Bäume am Ufer biegen sich, die Möwen darüber schreien sich die Kehle aus dem Hals. Völlig respektlos kümmern sie sich um die Verdauung. Nur knapp verfehlt mich das „Schneegestöber“.

Von Zeit zu Zeit setzt der Regen aus, und ein paar Sonnenstrahlen stehlen sich zaghaft durch die dichten Wolken. In der Ferne fallen sie kegelförmig auf den Boden. Es sieht aus, als würde der liebe Gott mit einer riesigen Taschenlampe auf die Erde herniederscheinen. Mehr als 40 Möwen leuchten strahlend weiß am nunmehr schiefergrauen Himmel.

Schließlich jedoch kann ich wieder weit draußen angeln und erbeute außer der genannten Fischpalette einen Katzenhai, einen Dornhai sowie einen kleinen Seeteufel. Länger als eine Stunde bleibe ich nie ohne Biss. Einige der Fische entnehme ich, denn ich will nicht vergessen, ein paar Filets mit nach Hause zu nehmen.

Kaum zurück im Hafen von Smøla, finden sich auch andere Angler ein, die in den vergangenen Stunden ebenfalls äußerst erfolgreich waren. Stolz heben sie große Dorsche und Köhler aus ihren Fischkisten. Einer von ihnen beginnt zu jodeln. Als er sich daraufhin lautstark mit mir unterhält, weiß ich, aus welchem Bundesland er kommt. Herrlich! Ich mag sie, die Bayern! Sein Rotbarsch, den er mir direkt unter die Nase hält, wiegt sicher mehr als fünf Pfund.

Als ich nach einem deftigen Mahl im Bett liege, schaukelt der Törn nach. Und wie! Stundenlang werde ich das Gefühl nicht los, noch immer im Boot zu sitzen.

Am letzten Tag meines Aufenthalts kommt Klaas Jan vorbei, um mich abzuholen. Da wir Zeit haben, tuckern wir noch mal raus auf den Atlantik. Und wieder fangen wir hervorragend: neun Fischarten in vier Stunden. Rund um Smøla erwischen wir bereits in Wassertiefen von weniger als zehn Metern stattliche Dorsche und Pollacks.

Den letzten Dorsch hake ich von außen und glaube während des Drills des 11-Pfünders an einen Riesenfisch. Als er an die Oberfläche kommt, sagt Klaas Jan: „So ein Pech aber auch!“ Ich hab’s gewusst! Zur Strafe kommt der Dorsch zu den Kollegen in die Gefriertruhe.

Auch mit Meerforellen sowie mittelschweren Heilbutts ist zu rechnen. Auf der Insel selbst gibt es außerdem mehrere gute Forellenseen. Unter anderem den „Hopavassdraget“, der bei einem Durchschnittsgewicht der Salmoniden von zirka einem Pfund besonders zu empfehlen ist. Klaas Jan nennt ihn, als wir dort angeln, vereinfacht „Hopsasa“. Eine gute Ausweichmöglichkeit bei Sturm. Vom 1. November bis zum 31. August bestehen im Fluss Hopen Vassdraget gute Aussichten, Meerforellen zu erbeuten, aber dafür sind wir zu früh vor Ort.

Auf der Rückfahrt zum Flughafen müssen wir in der Dunkelheit eine Auto-Fähre benutzen. Da diese jedoch erst in 40 Minuten eintrifft, parkt Klaas Jan den Wagen in Wassernähe, steigt aus und holt eine seiner Spinnruten aus dem Laderaum. „Was hat er denn nun vor?“, frage ich mich. Schon steht er am nur spärlich beleuchteten Kai und wirft den grünen Gummifisch mit leichtem Bleikopf aus. „Das mach’ ich immer so, wenn ich hier warten muss!“, ruft er mir zu. Und genau in dem Moment krümmt sich bereits die Rute. Es ist der erste von vier Pollacks, die er insgesamt fängt. Wie es sich für einen Freund gehört, löse ich die Fische vom Haken und versorge sie. Dann kommt leider die Fähre.

Weil ich den Flieger aufgrund einer Reifenpanne erst in letzter Minute erreiche, schaffe ich es nicht mehr, die nach Fisch stinkenden Hände zu waschen. Deshalb wische ich sie mir in der Hose ab. Sehr zur Freude der anderen Insassen auf den Sitzen vor, hinter und neben mir. Unmissverständlich rümpfen sie die Nase und ringen laut schnaufend mit geschlossenem Mund nach Luft. Wie ich den folgenden Gesprächen entnehme, handelt es sich bei den ganz in Weiß gekleideten, vornehmen Herren um die Mitglieder eines renommierten Golfclubs ...

Im Nebel

Riesige Nebelschwaden senkten sich auf die Erde hernieder und bedeckten das ganze Land mit dunkelgrauem Dunst. Kein Ufer, kein Himmel. Die Welt war zusammengeschrumpft: zehn Meter lang, zehn Meter breit, sechs Meter hoch.

Es war frühmorgens um vier, und Klaus und ich saßen im Boot. Allein mit uns und trübseligen Gedanken, versuchten wir, auf dem „Kleinen Meer“ in Ostfriesland ein paar Raubfische zu überlisten.

„Bei Nebel hab’ ich noch nie was gefangen“, nuschelte Klaus und kratzte sich die Müdigkeit aus den Augen. „Das hat nix zu sagen“, antwortete ich. Auch bei Nebel müssen die Fische fressen, sonst würden sie verhungern. Ich hab’ jedenfalls ein gutes Gefühl für heute!“

Also nahm ich meine mit heißem Tee gefüllte Thermosflasche und gönnte mir erst einmal einen kräftigen Schluck. Klaus trank kalten Kaffee, denn er hatte nach der ersten Tasse vor einer halben Stunde vergessen, den Drehverschluss seiner Thermos, wie er sie nannte, wieder zuzuschrauben. „Auf Einzelschicksale kann ich leider keine Rücksicht nehmen“, pöbelte ich und schlürfte provozierend laut meinen dampfenden Tee ... Danach verfielen wir wieder in die alte Döselei.

Fast war ich geneigt, ein wenig zu schlafen, da platzte mitten hinein in unsere Trübseligkeit urplötzlich ein Biss. Wir konnten zwar nur wenige Meter weit sehen, aber die langsam ablaufende Schnur signalisierte, dass da irgendetwas im Busch war. Ich hatte den toten Köderfisch, einen Aland, relativ groß gewählt und kaum mit einem Biss gerechnet. „Vielleicht ist es ja ein Kapitaler“, sagte Klaus.

Oh ja! Hier gab es richtig große Hechte. Freund Werner zum Beispiel hatte im vergangenen Jahr einen von gut 13 Pfund erwischt. Und während die Schnur unaufhörlich weiter ablief, dachte ich an den 300 Tonnen schweren Spüler, der vor vier Jahren auf 70 Luftkissen exakt an dieser Stelle ins Wasser gerutscht war. „Nun bagger man schön“, hatte ich ihm zugerufen. Durch das größere Wasservolumen, das „Kleine Meer“ war jetzt über 20 Meter tief, wurden die Fische wesentlich schwerer als früher, und in harten Wintern verendeten auch keine mehr.

Aber jetzt musste ich mich konzentrieren. Da ich aufgrund des dichten Nebels nicht genau sehen konnte, wohin der Räuber zog, wartete ich, bis die Schnur stramm wurde. Dann setzte ich den Anhieb. Als sich die Schnur bis an den Rand der Belastbarkeit dehnte, schleuderte sie unzählige Wassertropfen perlengleich durch die Luft.

„Das ist ein Dicker“, sagte ich aufgrund des enormen Widerstands, und Klaus kurbelte so schnell er konnte alle anderen Köder ein, damit ich problemlos drillen konnte. Aber dann ging alles relativ schnell. Innerhalb von gerade mal zehn Minuten hatte ich den Kontrahenten am Boot. Von wegen Hecht. „Ein Zander!“, rief Klaus. „Ein richtig Guter!“

Weit öffnete er sein gewaltiges Maul (nicht Klaus, der Zander!), und fast hätte sich der Haken in meinem extra großen Keschernetz verfangen. Aber alles ging gut. Überglücklich hob Klaus die prächtige Beute ins Boot. Ein herrlicher Stachelritter mit einem Gewicht von elf Pfund und 200 Gramm! Unsere Freude war riesengroß, und Klaus tat, was er nur selten übers Herz brachte: Er spendierte einen Schluck Whisky aus seinem Flachmann. Zwar nur einen kleinen, aber immerhin.

Ab zehn Uhr setzte sich dann langsam die Sonne durch und der Nebel löste sich auf. „Soll ich dir mal erzählen, was ich heute Nacht geträumt habe?“, fragte Klaus. „Nee“, antwortete ich. Aber er tat es trotzdem: „Wir beide haben an einem Kanal geangelt, und am gegenüberliegenden Ufer standen zwei Mädchen. Zwei richtig leckere Tütjes. Die riefen dauernd, kommt rüber Jungs, kommt rüber! Dabei wedelten sie mit ihren schneeweißen Schlüpfern, die sie kurz zuvor ausgezogen hatten!“ „Du mit deinen Weibergeschichten“, entfuhr es mir. „Pass’ lieber auf, du hast ‘n Biss. Die Schnur wird stramm!“

Nun ging es Schlag auf Schlag. Anhieb, Drill, Landung: Zander, sechs Pfund. Neuen Köderfisch ran. Angel raus. Biss! Zander, vier Pfund. Und das Ganze dann noch fünf Mal! Alle Stachelritter, die Klaus und ich innerhalb der nächsten Stunde mit toten Güstern fingen, wogen zwischen drei und sechs Pfund. Herrliche Küchenfische. Uns lief das Wasser im Mund zusammen.

„Na?“, triumphierte ich. „Ich denke, bei Nebel fängt man nichts?“ „Lass man“, sagte Klaus. „Ich hab‘ heute keine Lust zum Diskutieren. Außerdem ist der Dunst jetzt weg.“ Dabei allerdings vermied er es peinlichst, speziell den dicksten unserer Zander anzuschauen ...

Damit jedoch war der Tag noch lange nicht gelaufen. Als wir die Angelsachen verstaut hatten und uns ein paar Minuten entspannten, bevor wir zurück „Richtung Heimat“ fuhren, hörten wir platschende Geräusche. Wir verhielten uns absolut ruhig und entdeckten zu unserer Freude zwei Fischotter, die kaum 40 Meter entfernt umhertollten. Sicher ein Männchen und ein Weibchen. Nachdem das größere der beiden Tiere ziemlich lange unter Wasser geblieben war, tauchte es schließlich mit einem Weißfisch, wahrscheinlich einem Brassen, auf, schwamm ans Ufer und begann sofort damit, ihn zu fressen.

So ganz ernst allerdings schienen die beiden das mit dem Fischefangen nicht zu nehmen, denn kaum befanden sie sich nach einem Tauchgang ohne Beute wieder an der Oberfläche, alberten sie herum. Und während sich die beiden vor Vergnügen im Wasser wälzten und ihre runden Schwänze wie die Biber, die natürlich flache Schwänze haben, aufs Wasser schlugen, sagte ich zu Klaus: „Guck dir das an. So geht man mit Frauen um!“ Seine Antwort war kurz und präzise: „Meine Frau ist doch kein Fischotter!“

Und dann hüpfte uns das Herz förmlich in der Brust. Urplötzlich waren sie da! Drei Jungotter. Sofort spielte eins der Elterntiere mit den Rabauken, und das Wasser spritzte, als wären Barsche auf der Jagd. Minutenlang schossen sie durch Röhricht und Binsen. Was für eine Freude! Es war lange her, dass wir in Ostfriesland so hautnah Otter beobachten konnten.

Zeller Reinanken

Bereits mehrere Wochen bevor wir, mein Sohn Carsten und ich, uns im Herbst 1991 auf den Weg zum Zeller See in Österreich machten, studierten wir den angeforderten Prospekt: „Der 3,8 Kilometer lange, einen Kilometer breite und maximal 70 Meter tiefe See, knapp eine Autostunde von Salzburg entfernt, ist berühmt für riesige Reinanken. Die Maximalgewichte liegen bei etwa fünf Kilogramm. Aber nicht nur die Fischwaid auf diese wohlschmeckenden Salmoniden begeistert, sondern auch die traumhafte Natur und das atemberaubende Alpenpanorama. In Zell am See kann man die Seele so richtig baumeln lassen und einen tollen Erholungsurlaub genießen. Wunderschöne, schneebedeckte Berge, Tennisplätze, Museen, Galerien, gepflegte Gastronomie ... Alles da!“

Ich will es vorwegnehmen: Auch Carsten und ich waren äußerst angetan vom Zeller See. Er gehört ganz sicher zu den eindrucksvollsten und saubersten Badeseen Österreichs, bietet ideale Voraussetzungen für den Fang von über 20 Fischarten in zum Teil kapitalen Einzelexemplaren.

Etwa 80 Prozent der gesamten Fischerei vor Ort allerdings, und das versetzte uns in Erstaunen, gilt dem Fang von Reinanken mit der Hegene. Nicht nur die Österreicher selbst, sondern viele andere mitteleuropäische Angler mehr, sind ganz narrisch auf die Planktonfresser.

Auf der Suche nach Insektenlarven und Zooplankton ziehen die Reinanken über feinem Schlammgrund ihre Bahnen. Und genau da, in Grundnähe, boten Carsten und ich vom Boot aus unsere Köder, vorwiegend braun-rote Nymphen, an.

Wir redeten kaum miteinander, denn alle Sinne waren auf die Spitzen unserer Winkelpickerruten konzentriert. Fast synchron hoben wir sie langsam und kontinuierlich an. Nach etwa 40 Zentimetern begannen wir, die Ruten wieder zu senken. Äußerst behutsam. So lange, bis die Tropfenbleie den Grund berührten. Gleich darauf ging es wieder aufwärts.

Ich weiß nicht mehr genau, wie lange wir unser Glück versuchten, aber urplötzlich, „tak, tak, tak“, spürte Carsten ein leichtes Zupfen und begann, als die Rutenspitze leicht nach unten gezogen wurde, ohne einen Anhieb zu setzen mit dem Drill, denn Reinanken haben ein ausgesprochen weiches Maul, sodass der Haken leicht ausschlitzen kann. Tatsächlich! An einer seiner Nymphen zappelte ein Fisch.

Als die Renke nach mehreren Fluchten an die Wasseroberfläche kam, begann sie, große Kreise zu ziehen. Aber Carsten hatte Zeit und drillte mit viel Gefühl weiter. Einige bange Minuten noch, dann umschloss der Spezialkescher mit Kunststoffmaschen den prächtigen Fisch. 60 Zentimeter lang war er und wog gut zwei Kilogramm. „Bravo Carsten!“, jubelte ich, und wir freuten uns königlich. Immerhin stellen Reinanken geräuchert eine absolute Delikatesse dar. Es sollte nicht unsere einzige Renke an diesem Tag bleiben. Insgesamt fünf Fische konnten wir überlisten: Carsten vier, ich einen.

Manchmal, das stellten wir in den folgenden Tagen fest, wechselt die bevorzugte Nymphenfarbe stündlich. Wer jedoch seine Hegene mit einer hellen, einer dunklen sowie einer bunten oder glitzernden Reiznymphe versieht, ist (fast) immer auf der sicheren Seite. Rote Nymphen allerdings, sie imitieren Schlammröhrenwürmer (Tubifex), montierten wir am unteren Ende der Hegene. „Da gehören sie hin!“, hatte uns ein Einheimischer verraten.

Die großen Reinanken sind ausdauernde Kämpfer und lassen sich nur mit „Geduld und Spucke“ vom Grund lösen. Besonders heikel ist die letzte Drillphase, denn dann flüchten die Fische häufig unters Boot. Außerdem kann sich die Hegene im Ankerseil verfangen. Daher ist es sinnvoll, den Anker sofort nach dem Haken eines großen Fisches zu hieven.

Aufgrund der ausgezeichneten Reinanken-Bestände finden speziell die Hechte im Zeller See Nahrung in Hülle und Fülle. Sie folgen den zum Teil gewaltigen Schwärmen und wachsen hervorragend ab. Zwar sind sie im tiefen Wasser nur schwer zu finden, aber wenn ein Esox beißt, ist es oft ein großer.

Giganten erwischten Carsten und ich zwar nicht, einen Acht- und einen Neunpfünder allerdings konnten wir auf die Schuppen legen. Beide Fische nahmen einen großen, zweiteiligen, blauen Wobbler im Mittelwasser. Obwohl es seit Tagen geregnet hatte und das Wasser stark angetrübt war, fassten sie zielsicher zu und lieferten spannende Drills. „Schwein gehabt“, sagte Carsten. In der Tat, denn in den darauffolgenden Stunden schienen die Mäuler der Räuber wie vernagelt.

Als wir das Boot an einem Pfahl am Ufer festbanden, wurde ich urplötzlich von einem durchdringenden Pfiff aus allen Gedanken geholt. Dicht über dem Wasser, kaum zehn Meter entfernt, schwirrte metallisch blau leuchtend ein Eisvogel vorüber und landete etwa 20 Meter entfernt auf dem Ast einer Schwarzerle.

Scharfäugig musterte er das Wasser unter seinem Hochsitz, und als ein Schwarm mit Kleinfischen vorüberschwamm, stieß er mit angelegten Flügeln zu. Sekunden später, das konnte ich mit dem Fernglas erkennen, tauchte er mit der Beute im Lanzenschnabel auf, hockte sich auf seinen Zweig und schlug das Fischchen mehrmals aufs Holz. Als es aufhörte zu zappeln, schluckte er es.

Am letzten Tag unseres Aufenthalts versuchten wir vom Ufer aus mit der Grundrute unser Glück. Noch vor dem Angeln warfen Carsten und ich einige Hände voll Mais an den ausgeguckten Platz. Erst dann legten wir die Köder, mehrere Maiskörner am Haar, aus.

Nach einer halben Stunde sahen wir, dass sich uns einige Reiherenten näherten, kümmerten uns jedoch nicht weiter um sie. Schließlich erhielt ich einen vehementen Biss und war froh, dass der Anhieb, obwohl relativ spät gesetzt, saß. Was nach kurzem Drill schließlich in einem großen Strudel an der Wasseroberfläche erschien, war jedoch kein Flossenträger, sondern eine ... Ente.

Die Reiherente, um eine solche handelte es sich, hatte in vier Metern Tiefe meine Maiskörner genommen, war jedoch zum Glück nur von außen gehakt. Ich drillte sie unter lautstarkem Protest ihrer Artgenossen heran, und Carsten löste innerhalb von Sekunden den Haken aus ihrem Federkleid. Laut schimpfend verdünnisierte sich daraufhin die ganze Bande. Mit uns wollten sie nichts mehr zu tun haben ...

Das Hotel übrigens, in dem wir untergekommen waren, besaß eine Besonderheit: Ganz oben im Dachgeschoss befand sich die mit einem Glasdach versehene „Wunder-Bar“. Wir hörten, wenn es regnete, sahen, wenn die Wolken zogen und erfreuten uns nachts bei Kerzenschein und einem Schluck Whisky an den hell leuchtenden Sternen und dem Halbmond. Es herrschte eine Wahnsinns-Atmosphäre in dieser „Wunder-Bar“. Wunderbar! Eine Idee, die ich unbedingt auch zu Hause umsetzen wollte. – Ich habe es bis heute nicht geschafft. Mal sehen. Vielleicht im nächsten Jahr ...

Gipfeltreffen

Ich hatte vor, an meinem Meerhäuschen, direkt am Kurzen Tief in Ostfriesland, ein paar Leisten zuzuschneiden, anzubringen und dann zu lackieren. Weiter nichts. Angelfreund Bruno war zwar mitgekommen, wollte jedoch nur angeln. Von Helfen jedenfalls hat er nichts gesagt. „Außerdem hab’ ich zwei linke Hände!“, brummte er und drehte seine in der Tat furchteinflößenden Flossen mehrmals vor meiner Nase hin und her. Wohl wissend, dass ich genau wusste, dass er durchaus technisch begabt war. Schließlich konnte ich es auch nicht lassen und legte, genau wie Bruno, ebenfalls zwei Wurmangeln aus. Er wollte mir Bescheid geben, wenn sich etwas täte.

Kaum hatte ich mich umgedreht, ging’s auch schon los. „Biss!“, rief Bruno. Ich dachte, er will mich mal wieder auf den Arm nehmen, stiefelte jedoch trotzdem von der Arbeitsstätte zum Bootsanleger. Und wirklich! Die Schnur meiner linken Angel wurde vehement von der Rolle gezogen. Anhieb, und ich fing einen Zander von drei Pfund. Auf Tauwurm, an der Posenangel. Na bitte! „Blöder Zander! Der Wurm war für Barsche bestimmt!“, stänkerte Bruno.

Ich warf den Köder erneut aus und ging zu meinen Leisten. Aber ich kam nicht weit. „Kescher!“, brüllte Bruno, und ich musste ihm helfen, seinen ersten Zander zu landen. Kaum war der Stachelritter versorgt, biss es auch an meiner Angel wieder, und ein gut eineinhalbpfündiger Barsch bewarb sich, filetiert die Pfanne aufzusuchen.

Gleich darauf fing Bruno nach turbulentem Drill einen Hecht von fünfeinhalb Pfund. Als er gekeschert war, erhielt ich den nächsten Biss. Ein kleiner Zander. Weiter ging’s: Bruno erwischte einen gut einpfündigen Barsch, Biss an meiner rechten Rute ...

Unfassbar! In den nächsten zwei Stunden kamen wir einfach nicht zur Ruhe. Ein Biss folgte dem anderen. Bruno presste die Oberschenkel zusammen, gab sich jedoch keine Blöße. „Pinkeln kann ich auch später noch!“

„Die ham se wohl nicht alle“, sagte ich. „Wenn wir zum Angeln herkommen, dann gibt’s keine Fische, und wenn ich mal ein bisschen arbeiten will, dann beißen sie wie verrückt.“ „Gipfeltreffen“, nuschelte Bruno und fasste sich in den Schritt. „Jahreshauptversammlung vor Akkis Meerbude!“

Gleich darauf fing er einen richtig großen Barsch. Sicher schwerer als zwei Pfund. Das allerdings war eine ziemlich komische Geschichte: Bruno wollte ihn „aus praktischen Gründen“ ohne Kescher aus dem Wasser heben, aber der zappelnde Fisch fiel im letzten Moment vom Haken. Aus der Luft landete er mit dem Kopf direkt auf der Holzkante des Anlegers und klatschte von da zurück ins Wasser.

Nun dachten wir natürlich, er würde sich verabschieden, aber der Barsch war fachgerecht betäubt und kam mit leicht zitternden, abstehenden Brustflossen benommen an die Wasseroberfläche. Lange genug, um ihn mit dem Kescher aufnehmen zu können. Dass eine Elster kaum 30 Meter entfernt in einem Weißdorn regelrecht zu kichern begann, war sicher Zufall.

Eine Stunde hatten wir noch. Und die angelten wir voll durch. Neun Zander, zwei Hechte, 14 Barsche, ein Aland, zwei Güstern sowie ein Brassen waren unsere Beute. Meine Leisten? Die hab’ ich eine Woche später angebracht ...

Bruno allerdings, das will ich nicht verschweigen, konnte an diesem Tag leider nicht mitkommen, weil er sich nach dem Aufstehen morgens die Zähne geputzt hatte, ohne sich die Brille aufzusetzen ... Er nahm statt der Tube Zahnpasta die Hämoridensalbe, drückte einen großen Streifen davon auf die Bürste und begann zu rubbeln.

Als er den Irrtum bemerkte, war es bereits zu spät! Wie mir seine Frau erzählte, hat er sich aufgeführt wie ein wild gewordener Affe im Käfig. Erst nach mehrminütigem Spülen mit Wasser soll der Schmerz allmählich nachgelassen haben. Schade! Ich meine, Bruno tat mir richtig leid ...

Egal, wo wir in Ostfriesland auch angelten, die gestreiften Stachelritter im Tief vor meinem Meerhäuschen waren die größten. Ich habe bis heute acht Fische über zwei Pfund sowie zwei über drei Pfund dort erbeutet. Außerdem unzählige in Gewichten um ein Pfund. Einmal, es war irgendwann im Februar 1987, haben Bruno und ich 29 Barsche übers Randeis gezogen. Wir fingen sie allesamt mit Tauwürmern.

Im Winter des darauffolgenden Jahres ließen wir mein Kunststoff-Ruderboot vom Steg aus aufs dünne Eis fallen. Dann „ruderten“ wir ein paar Meter in die Runde und schufen uns so eine offene Fläche von etwa 25 Quadratmetern, in der wir fischen konnten. Nachdem wir das Boot wieder an Land gezogen hatten, erbeuteten wir unmittelbar darauf mit Mistwürmern an Stachelschweinposen 14 Barsche. Ängstlich sind sie wirklich nicht, die Stachelritter. Im Gegenteil! Ihr sofortiges Erscheinen konnte nur Neugier sein.

Ende Dezember 1989 erzielte ich vor meinem Häuschen bei relativ milder Witterung im nahezu eisfreien Tief ein ähnlich gutes Ergebnis. Und zwar mit einem kleinen Mepps-Spinner als Köder. Kaum war er im Wasser, stürzte sich bereits ein Barsch darauf. Die 24 Fische, die ich erwischte, wogen insgesamt 28 Pfund. Ich habe alle Barsche noch vor Ort filetiert und sie haben wunderbar geschmeckt.

Auch von einem weiteren ganz besonderen Tag am Kurzen Tief möchte ich noch berichten: Es war Ende August 1992 und es wehte ein kräftiger Südwind. Weil er von hinten kam, konnte ich im Schutz meines Häuschens dennoch gemütlich angeln. Im Tief herrschte starke Strömung und ich beschloss daher, mit nur einer Rute zu fischen. Ich stellte den Spann auf 1,80 Meter und ließ den Tauwurm an der Pose mit Verzögerung treiben. 20 Zentimeter über Grund. Immer und immer wieder. Nach etwa zehn Minuten wurde der Schwimmer urplötzlich vehement gegen die Strömung gezogen und ging schließlich ganz unter. Ein guter Biss!

Der Anhieb saß, und ich spürte am ungestümen, heftigen Rucken, dass ich einen großen Barsch gehakt hatte. Bereits fünf Minuten später war der Fisch müde und ich konnte ihn in den Kescher führen. Was für eine Freude! 3 Pfund, 80 Gramm. Genau 48 Zentimeter lang.

Ich beköderte den Haken neu und warf abermals aus. Ganz nach rechts. Dann lief ich auf dem Bootsanleger einige Meter mit der Strömung nach links und holte die Angel wieder ein. Nach dem vierten Wurf erhielt ich den nächsten Biss. Anhieb, Drill und Landung gingen gut und dieses Mal wog der Barsch zwei Pfund, 90 Gramm. Danach fing ich noch einen dritten Riesenbarsch. Auch er wog über zwei Pfund. Das war natürlich grandios. Drei Barsche in Gewichten von jeweils mehr als zwei Pfund hatte ich an einem Tag noch nie erbeutet. Und Bruno sagte immer, große Barsche seien Einzelgänger ...

Meine Freude jedoch sollte getrübt werden: Ich erhielt einen weiteren Biss und glaubte nach dem Anhieb, einen Hecht gehakt zu haben, denn die Rute bog sich gewaltig. Es war der größte Barsch, den ich je an der Angel hatte! Er setzte sich jedoch leider in der letzten Phase des Drills an einem großen Strauch fest, der mit der Strömung vorbeigetrieben kam und den ich nicht rechtzeitig gesehen hatte. Als der vom Busch gehakte Stachelritter für einen Augenblick an die Oberfläche kam, konnte ich ihn in voller Größe sehen. Ein Riese! Ein Gigant! Er wog mit Sicherheit weit über fünf Pfund! Mir rutschte das Herz förmlich in die Hose und ich bekam Schweißausbrüche.

Dann passierte es: Ein harter Schlag mit der Schwanzflosse, und „zack“ riss die fest am Busch verankerte Schnur. Weg war er, mein Lebensbarsch. Zwar habe ich im Laufe der Jahre noch sehr viele Barsche mit Würmern an der treibenden Pose erbeutet, aber einen so dicken hatte ich nie wieder an der Angel.