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Das leere Grab

erzählt von André Marx

Kosmos

 

 

 

 

 

Umschlagillustration von Aiga Rasch (9.Juli 1941–24.Dezember 2009)

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch

 

 

 

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

 

 

 

 

© 1997, 2010, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on characters by Robert Arthur.

 

ISBN 978-3-440-12504-5

Produktion: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Eine Zentrale voller Erinnerungen

»Justus! Post für dich!« Tante Mathildas durchdringende Stimme schallte über den Schrottplatz und riss Justus aus seiner Arbeit: Er hockte auf dem Fußboden der Zentrale inmitten eines Berges von Aktenordnern und hatte gerade über deren widersprüchliche Bezeichnung nachgedacht. Wie konnte man diese Dinger Aktenordner nennen? Von Ordnung war hier keine Rede: Die Aktenstapel hatten sich über den ganzen Boden verteilt. Ratlos fuhr er sich durch das dunkle Haar und stemmte sich in die Höhe. Die Post war verlockender als das Chaos, das er in der Zentrale angerichtet hatte.

Er verließ den Campinganhänger, der seinen Freunden und ihm als Büro für ihr Detektivunternehmen diente, überquerte den Schrottplatz und griff nach der Post, die seine Tante auf die Treppe der Veranda des Jonas’schen Wohnhauses gelegt hatte: die Telefonrechnung und eine Postkarte. Während er die Karte las, schlenderte er zurück zur Zentrale. In diesem Moment radelten Bob Andrews und Peter Shaw auf den Platz. Peters Sportlichkeit und Bobs Umweltbewusstsein veranlassten sie immer häufiger dazu, ihre Autos zu Hause zu lassen.

»Hi, Justus!«, rief Peter. »Post für uns? Vielleicht ein neuer Fall?«

»Wäre dir das denn recht?«, erwiderte der Erste Detektiv. »Kelly raubt dir doch jede freie Minute.«

»Ach! Wäre ich dann hier?«

Bob hielt sich zurück. Er kannte die ewigen Frotzeleien der beiden nur zu gut und mischte sich selten ein.

»Es ist kein neuer Fall«, fuhr Justus fort, während seine Freunde ihre Räder abstellten, »sondern eine Karte von Allie.«

»Allie? Doch nicht etwa Allie Jamison?« Bob zog die Augenbrauen hoch.

»Doch, genau diese Allie.«

»Die gibt es noch?«, sagte Peter verblüfft. »Wir haben seit Ewigkeiten nichts von ihr gehört.«

»Das macht gar nichts, wenn du mich fragst.« Bob dachte mit gemischten Gefühlen an das Mädchen, mit dem sie zweimal in der Vergangenheit zusammengearbeitet und spannende Fälle gelöst hatten. Obwohl sie nett war, war ihnen Allie durch ihre ungestüme und besserwisserische Art manchmal ziemlich auf die Nerven gegangen. »Was schreibt sie denn?«

»Nur ein paar Grüße an uns drei. Sie geht jetzt in San Francisco aufs College.«

Peter öffnete die Tür zur Zentrale und stoppte abrupt. Entgeistert starrte er auf das Chaos zu seinen Füßen. »Was ist das denn!«

»Das ist der Grund, warum ihr heute Nachmittag hierherkommen solltet. Ich habe euch extra nicht gesagt, dass es ums Aufräumen geht. Sonst hättet ihr euch bestimmt eine überzeugende Ausrede einfallen lassen.« Justus grinste breit.

»Aufräumen?« Peter schob sich an dem Aktenberg vorbei in den Campinganhänger. »Vorgestern sah es hier aber noch nicht so aus. Hast du den ganzen Krempel extra reingeschleppt, damit wir ihn aufräumen?«

Justus schüttelte den Kopf. »Weißt du, was das für einKrempel ist? Unsere Akten, die wir irgendwann mal in einem Ausbruch destruktiver Energien in unseren Tunnel II geworfen haben.«

Peter und Bob starrten ihn an, dann fing Bob an zu lachen. »Richtig! Das hatte ich schon ganz verdrängt. Wir wussten nicht, wohin mit dem Kram, da haben wir ihn mangels Platz einfach in den Geheimgang geschmissen.« Er wurde wieder ernst: »Aber was hast du jetzt damit vor? Wir haben immer noch nicht mehr Stauraum.« Er sah sich um: Die Zentrale war mit dem großen Schreibtisch samt Computer, der kleinen Spüle, dem Faxgerät, dem Kopierer, dem Aktenschrank und dem Labor im hinteren Teil des Wagens voll. Die drei ??? waren jedes Mal froh, wenn es ihnen gelang, noch drei Stühle unterzubringen.

»Richtig. Deshalb werden wir alles in den Computer eingeben. Wozu haben wir ihn denn? Die Informationen, die sich auf Tonnen von Papier verteilt haben, passen locker auf die Festplatte oder drei bis vier Disketten. Und schon sind wir unser Platzproblem ein für alle Mal los. Wir könnten sogar unseren Tunnel wieder benutzen. Aber bevor wir mit dem Tippen anfangen, sollten wir den ganzen Wust sortieren. Dann geht es nachher schneller.«

Peter seufzte. »Muss das jetzt wirklich sein? Es ist heute so ein schöner Tag. Ich habe wenig Lust, ihn in der stickigen Zentrale zu verbringen.«

»Mach doch die Tür auf«, schlug Justus trocken vor. »Im Ernst: Gestern war ein schöner Tag und morgen wird auch ein schöner Tag sein. Wir drücken uns schon seit Monaten um die Arbeit herum. Immer wenn wir anfangen wollten, kam etwas dazwischen. Diesmal nicht. Diesmal kriegen wir es hin. Das habe ich mir fest vorgenommen. Auf geht’s!«

Er hockte sich auf den Boden, angelte nach dem erstbesten Ordner und blätterte ihn durch. Währenddessen erklärte er den beiden sein System. Widerwillig setzten Bob und Peter sich dazu und durchforsteten die Papierberge, um sie nach Rechnungen, Quittungen, Fallberichten, Adressen und Informationsmaterial zu ordnen.

Peter wühlte in einem Schuhkarton herum und zog einenZettel heraus. »Seht euch das an! Eine uralte handschriftliche Notiz von Bob zu unserem allerersten Fall. Sollen wir die auch behalten?«

»Klar!«, rief Bob. »Dieser Zettel hat bestimmt mal Sammlerwert und wird im ersten Drei-???-Museum ausgestellt. Den müssen wir aufheben. Haben wir auch eine Ablage für sentimentale Erinnerungen, Just?«

»Die sollten wir vielleicht einrichten. Ich habe hier nämlich auch etwas Interessantes: eine unserer ersten Visitenkarten!« Er reichte sie herum. Auf den kleinenKarten, die sie damals noch mit einer alten Druckerpresse aus ihrer Freiluftwerkstatt hergestellt hatten, stand:

 

Visitenkarte

 

»Die ist ja schon ziemlich ramponiert«, stellte Bob fest. »Damals waren wir unglaublich stolz. Erinnert ihr euch noch, wie wir damit in Albert Hitfields Büro stolziert sind und ihm unsere Dienste angeboten haben?«

»Werde ich nie vergessen.« Peter lachte. »Justus hat sich ganz schön aufgedrängt.«

»Und uns damit unseren ersten Fall beschafft«, ergänzte Justus selbstsicher.

»Ist noch mehr in der Kiste, Peter?«, wollte Bob wissen und nahm sie ihm aus der Hand. Nach einigem Suchen zog er eine silberne Kette heraus. An ihr baumelte ein Anhänger.

»Die silberne Spinne!«, rief Peter. »Meine muss auch noch irgendwo herumfliegen.« Die drei ??? hatten die silbernen Anhänger in Form einer Spinne einmal von einem Klienten als Andenken bekommen, sie jedoch nie getragen. »Eigentlich zu schade, sie in irgendeiner Ecke verstauben zu lassen.«

»Du kannst sie ja Kelly schenken«, schlug Justus vor.

»Ausgerechnet eine Spinne! Die wird sich bedanken.« Peter dachte an die vielen Situationen, in denen er als heldenhafter Retter in der Not Spinnen aus Kellys Zimmer befördern musste, weil sie sich vor lauter Angst nicht einmal in ihre Nähe traute. Dass ihm selbst nie besonders wohl dabei war, hatte er bisher erfolgreich verbergen können.

»Sind noch andere Schätze in dem Karton?«, fragte Justus.

Bob wühlte weiter und zog einen Schlüsselbund hervor. »Was ist das denn?«

Justus nahm ihn ihm aus der Hand und betrachtete sich die Schlüssel genauer. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Mensch! Das sind die Schlüssel von Anne, die uns bei dem Fall um das Bombenattentat imZoo geholfen hat. Wisst ihr noch, wir vergaßen damals, sie ihr zurückzugeben. Und als ihr das auffiel, konnten wir sie nicht mehr finden. Wie sind die denn in diesen Karton gekommen?«

Peter zuckte die Schultern. »Inzwischen wird sie wohl Zweitschlüssel haben.« Er nahm Bob die Kiste aus der Hand und stöberte weiter. Er fand noch einige Erinnerungsstücke, die die drei ??? auf immer weitere alte Fälle brachten. Manchmal konnten sie sich an die Einzelheiten nicht mehr genau erinnern und so schlug Bob in den Akten nach, in denen er alle ihre Fälle fein säuberlich dokumentiert hatte. Nach zwei Stunden herrschte in der Zentrale ein größeres Chaos als zuvor und nicht ein einziges Blatt war sortiert worden.

»Meine Güte! Es ist gleich fünf!«, rief Peter erschrocken, als er auf seine Uhr sah. »Ich hatte meiner Mutter doch versprochen, heute mit ihr die neuen Tapeten fürs Wohnzimmer auszusuchen. Tut mir leid, Leute, aber ich muss weg!« Er erhob sich.

»Und ich habe eine Verabredung mit Elizabeth«, sagte Bob. »Ich schließe mich dir an.«

»He! Wir wollten aufräumen! Ihr könnt doch nicht so einfach abhauen«, protestierte Justus empört.

»Aufräumen?« Bob lachte. »Ist ja nicht viel draus geworden, was?«

»Wir haben uns an alten Erinnerungen festgebissen«, sagte Justus. »Das kommt vor. Aber wenn wir uns jetzt zusammenreißen, können wir heute noch viel schaffen.«

»Nein, heute nicht mehr«, widersprach Peter. »Morgen, okay? Morgen fangen wir gleich nach der Schule an. Tschau!« Er verließ die Zentrale. Bob folgte ihm.

Der Erste Detektiv seufzte. »Es ist immer dasselbe. Ständig bleibt die Arbeit an mir hängen.« Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das vor ihm aufgetürmte Chaos aus Papieren, Ordnern und Kisten. Sein Blick fiel auf einen kleinen Karton mit Fotos. Nur für einen Augenblick rang er mit seinem Gewissen. Dann gab er nach, ließ die Unordnung Unordnung sein und widmete sich den Bildern:

Peter am Strand mit seinem Surfbrett, Justus daneben. Er fand, dass er neben dem sportlichen Zweiten Detektiv eine ziemlich unglückliche Figur abgab. Seine Diäten hatten zwar etwas gebracht, trotzdem hatte er nach wie vor einige Pfunde zu viel. Schnell legte er das Foto beiseite. Das nächste zeigte Bob in Los Angeles vor einem Plakat für die Verleihung des Filmpreises ›Der Goldene Rabe‹. Justus, Bob und Albert Hitfield, mit dem sie einmal zusammengearbeitet hatten. Peter und sein Großvater irgendwo in Missouri: Das war auf ihrem Trip zur Ostküste gewesen.

Justus bewegte sich rückwärts durch die Zeit. Irgendwann wurden die Fotos von Peter und Bob weniger, dafür waren öfter Tante Mathilda, Onkel Titus und er selbst zu sehen: als Zehnjähriger, als Achtjähriger auf einer Schaukel, bei der Einschulung... Es waren eine Menge Fotos und Justus bemerkte gar nicht, wie die Zeit verging. Draußen wurde es langsam dunkel, doch erst als sein Rücken zu schmerzen begann, stand er auf und setzte sich an den Schreibtisch.

Unter dem Licht der Lampe sah er sich die restlichen Fotos an: Bilder von ihm und seinen Eltern. Julius und Catherine Jonas waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als Justus noch ein kleiner Junge war. Danach war er zu seinem Onkel und seiner Tante gezogen. An seine Eltern konnte er sich kaum noch erinnern, nur einige wenige Szenen aus seiner frühsten Kindheit waren ihm in Erinnerung geblieben.

Justus betrachtete die Bilder mit gemischten Gefühlen. Wenn er anderen Menschen erzählte, dass seine Eltern vor vielen Jahren gestorben waren, reagierten sie oft mit einer merkwürdigen Betroffenheit, die er selbst gar nicht richtig nachvollziehen konnte. Tante Mathilda und Onkel Titus waren seine Eltern. Von Julius und Catherine Jonas gab es nur noch ein paar blasse Bilder in seinem Kopf und einige Fotos. Trotzdem beschlich ihn ein bedrückendes Gefühl, wenn er an sie dachte. Er fragte sich manchmal, wie es wäre, wenn seine Eltern damals nicht gestorben wären. Vermutlich hätte sein Leben dann ganz anders ausgesehen. Besser oder schlechter? Aber hatte es Sinn, diese Frage zu stellen?

Das schrille Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Er zuckte zusammen und brauchte einen Moment, um sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden. Dann nahm er den Hörer ab. »Justus Jonas?«

»Justus? Hier spricht Albert Hitfield.«

»Mr Hitfield! Schön, mal wieder von Ihnen zu hören. Ich habe gerade an Sie gedacht.«

»Tatsächlich? Wie komme ich zu der Ehre?«

»Ich habe mir ein paar alte Fotos angesehen und auf einem waren Sie«, erklärte Justus. Mr Hitfield war früher Privatdetektiv in New York gewesen, bevor er sein erstes Buch geschrieben hatte und innerhalb kürzester Zeit ein berühmter Krimiautor geworden war. Die drei ??? hatten in der Vergangenheit ein paarmal mit ihm zu tun gehabt. »Wie geht es Ihnen?«

»So weit recht gut. Ich war ein paar Wochen in Südamerika, um für ein neues Buch zu recherchieren. Heute bin ich zurückgekommen. Ich habe eine Frage an dich, Justus.«

»Geht es um den neuen Roman?«

»Nein, um etwas ganz anderes: Wie heißen deine Eltern, Justus?«

Der Erste Detektiv war verblüfft. »Sie meinen Tante Mathilda und Onkel Titus?«

»Nein, ich meine deine richtigen Eltern.«

»Merkwürdig, dass Sie danach fragen. Ich habe mir gerade auch Fotos von ihnen angesehen. Sie heißen Julius und Catherine. Sie hießen. Sie sind vor vielen Jahren gestorben.«

Einen Moment lang herrschte Schweigen am anderen Ende. Dann sagte Albert Hitfield: »Vielleicht nicht.«

Whisky für Justus

»Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit hatten, Morton.« Justus stieg in den Rolls-Royce.

»Eine Dienstfahrt für die drei Detektive ist mir immer eine willkommene Abwechslung«, antwortete der Chauffeur, der den drei ??? seit Beginn ihrer detektivischen Karriere zur Verfügung stand. In der letzten Zeit hatten sie seine Dienste nur noch selten in Anspruch genommen, da sie inzwischen selbst den Führerschein hatten. Doch Justus besaß keinen Wagen und er hatte weder Bob noch Peter bitten wollen, ihn nach Malibu zu fahren. »Aber diesmal benötigt wohl nur ein einziges ? meine Dienste. Oder soll ich Peter und Bob noch abholen?«

»Nein, Morton, ich bin heute Ihr einziger Fahrgast.«

»Wohin soll es denn gehen?«

»Nach Malibu. Zum Cypress Canyon Drive.«

»Geht es um einen neuen Fall?«

Justus schüttelte den Kopf. »Es ist eine private Sache.«

Morton stellte keine weiteren Fragen. Dafür schätzte Justus ihn sehr. Die Berufsehre des Chauffeurs verlangte Diskretion, an die er sich in den meisten Fällen auch hielt. Wenn Justus schwieg, würde Morton nicht versuchen, ihn auszuhorchen. Und im Moment hatte der Erste Detektiv keine Lust zu reden. Tausend Dinge schwirrten ihm durch den Kopf, seit Albert Hitfield ihn angerufen hatte. Der Schriftsteller hatte ihm vorgeschlagen vorbeizukommen, statt die Angelegenheit am Telefon zu besprechen. Was konnte ihn auf die Idee gebracht haben, dass Justus’ Eltern möglicherweise nicht tot waren?

Nach Malibu war es nicht weit, doch Justus kam die Fahrt endlos vor. Er merkte, dass seine Hände schweißnass waren. Zornig rief er sich in Gedanken zur Ordnung. Was immer Mr Hitfield ihm zu sagen hatte: Alles würde eine logische Erklärung finden. Er musste sich keine Sorgen machen.

Die Straße wurde schlechter. Der Asphalt wich einem mit Schlaglöchern übersäten Schotterweg. Justus warf einen Seitenblick auf Morton, der das Lenkrad krampfhaft festhielt, als fürchtete er, es könne davonfliegen. Der Chauffeur bemerkte die Neugier des Ersten Detektivs. »Ich gebe zu, dass ich den Wagen ungern in eine solche Gegend fahre. Die Straße ist eine Katastrophe. Gut, dass es nicht geregnet hat.«

»Sonst wäre der Rolls bald ziemlich ruiniert«, gab Justus zu. »Aber glücklicherweise ist der Wagen in erstklassigem Zustand. Die Schlaglöcher werden ihm nichts anhaben.«

»Nett von dir, mich beruhigen zu wollen. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn wir bald ankämen.«

»Da sind wir!« Justus wies nach vorn. Zwischen einigen hohen Bäumen schimmerte das Licht eines großen altenHauses hindurch.

»Ich hätte nicht gedacht, dass so weit draußen noch jemand wohnt«, gestand Morton.

»Das ging mir auch durch den Kopf, als ich das erste Mal hier war.«

Der Chauffeur fuhr den Wagen durch die Einfahrt und hielt neben Mr Hitfields Auto. »Ich warte hier.«

»Es könnte aber länger dauern«, warnte Justus.

»Das macht nichts. Ich bin es gewohnt zu warten. Außerdem habe ich mir ein Buch mitgenommen.«

Justus stieg aus, ging auf die Tür zu und klingelte. Albert Hitfield öffnete. Er war ein kleiner, grauhaariger Mann mit dichten Augenbrauen und einer schmalen Nase. In der Hand hielt er einen Stock. Seit einem Unfall vor vielen Jahren humpelte er. »Hallo, Mr Hitfield.«

»Guten Abend, Justus. Du hast dich aber sehr beeilt.«

»Wundert Sie das? Nach dem, was Sie am Telefon angedeutet haben, blieb mir ja nichts anderes übrig.« Sie gingen ins Wohnzimmer, in dessen Kamin ein Feuer prasselte. Justus nahm auf einer wuchtigen altmodischen Ledercouch Platz.

»Möchtest du etwas trinken?«

»Nein, danke, Mr Hitfield. Worum geht es? Verzeihen Sie, dass ich so direkt sein muss, aber mir ist im Moment nicht nach Small Talk zumute.«

»Das kann ich verstehen. Gut, ich werde gleich loslegen: Wie ich dir am Telefon schon sagte, war ich in den letzten Wochen in Südamerika und habe in Venezuela Nachforschungen für einen neuen Krimi angestellt. Ich lebte in einem kleinen Urwalddorf in einer Pension und lernte dort ein nettes amerikanisches Ehepaar namens Jonas kennen.«

Justus zuckte unwillkürlich zusammen.

»Sie waren ebenfalls Touristen. Beim Abendessen kam ich mit ihnen ins Gespräch. Als ich ihnen sagte, dass ich aus Kalifornien komme, waren sie überrascht und erzählten, dass sie früher auch hier gewohnt hätten. Da wurde ich stutzig. Ich hatte natürlich schon an dich gedacht, als sie mir ihren Nachnamen nannten. Der Name Jonas ist nicht gerade häufig. Doch als sie sagten, sie kämen aus Kalifornien, hakte ich nach und sie sprachen von einer kleinen Stadt in der Nähe vonLos Angeles, in der sie früher gelebt hatten. Ab da gab es für mich keinen