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Fußnoten

Friedrich Hebbel, Sämtliche Werke, Abt. 2: Tagebücher, Bd. 1: 18351839, hrsg. von Richard Maria Werner, Berlin 1903, S. 338.

Hebbels Beziehung zu Elise Lensing wird in Kap. 7 dargestellt. Siehe S. 90–96.

Friedrich Hebbel, Sämtliche Werke, Abt. 3: Briefe, Bd. 2: 18391843, hrsg. von Richard Maria Werner, Berlin-Steglitz 1905, S. 246.

Vgl. dazu Kap. 5, S. 65–68.

Hebbel (s. Anm. 3), S. 231, 246342.

Hebbel (s. Anm. 3), S. 246.

Johann Wolfgang Goethe, Faust. Der Tragödie Erster Teil, hrsg. von Wolf Dieter Hellberg, Stuttgart 2014, S. 128.

Vgl. dazu Kap. 7, S. 92.

Vgl. Volker Meid, Sachwörterbuch zur deutschen Literatur, Stuttgart 2001, S. 8991. – Christian Rochow, Das bürgerliche Trauerspiel, Stuttgart 1999. – Theo Elm, Das soziale Drama. Von Lenz bis Kroetz, Stuttgart 2004.

Franz Xaver Kroetz, »Maria Magdalena. Komödie in drei Akten frei nach Friedrich Hebbel«, in: F. X. K., Gesammelte Stücke, Frankfurt a. M. 21976, S. 417475, 438.

Kroetz (s. Anm. 10), S. 452, 462, 430, 475.

Vgl. Meid (s. Anm. 9), S. 27.

Vgl. Wolfgang Ranke, Erläuterungen und Dokumente: Friedrich Hebbel, »Maria Magdalena«, Stuttgart 2003, S. 5571. – Zu Hebbels Leben vgl. unten Kap. 7, S. 89–99.

Vgl. Winfried Freund, Lektüreschlüssel: Friedrich Hebbel, »Maria Magdalena«, Stuttgart 2005, S. 57.

Hebbel (s. Anm. 1), S. 338 f.

Hebbel (s. Anm. 1), Bd. 2: 18401844, Berlin 1905, S. 243, 275, 324.

Heinrich Leopold Wagner, Die Kindermörderin. Ein Trauerspiel, hrsg. von Jörg-Ulrich Fechner, Stuttgart 2014, S. 85.

Vgl. Asfa-Wossen Asserate, Deutsche Tugenden: Von Anmut bis Weltschmerz, München 2013, S. 7 f.

Vgl. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 18001866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 210219.

Vgl. Heidi Rosenbaum, Formen der Familie. Untersuchungen zum Zusammenhang von Familienverhältnissen, Sozialstruktur und sozialem Wandel in der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1982, S. 152161.

Vgl. Wilhelm von Sternburg, Als Metternich die Zeit anhalten wollte. Deutschlands langer Weg in die Moderne, München 2003, S. 227229, 240 f.

Vgl. Edgar Hein, Friedrich Hebbel – »Maria Magdalena«: Interpretationen, München 1989, S. 6872.

Harald Stephenson, »Gedanken zu Hebbels Maria Magdalena«, in: Ida Koller-Andorf (Hrsg.), Hebbel. Mensch und Dichter im Werk, Wien 1987, S. 115128, 118.

Vgl. Ruth von Liebenstein-Kurtz, Stundenblätter Hebbel »Maria Magdalene«, Kroetz »Maria Magdalena«, Stuttgart/Dresden 31993, S. 6771.

Vgl. Rebecca Elaine Steele, »Vergewaltigung, Abtreibung und Mord: Die Konsequenzen der weiblichen Sexualität? Eine tragikomische Deutung von Hebbels Maria Magdalena«, in: Hebbel-Jahrbuch 69 (2014) S. 118143.

Friedrich Dürrenmatt, Theaterprobleme, Zürich 1967, S. 48.

Vgl. Kap. 7, S. 94.

Vgl. Hayo Matthiesen, Hebbel, Reinbek bei Hamburg 51992.

Das Junge Deutschland war eine literarische Bewegung zur Zeit des Vormärz, an der junge, freisinnige Dichter teilhatten.

Vgl. Brief von Hebbel an Auguste Stich-Crelinger (11121843) bei Ranke (s. Anm. 13), S. 63 f.

Vgl. Brief von Auguste Stich-Crelinger an Hebbel (611844) bei Ranke (s. Anm. 13), S. 73.

Vgl. Ranke (s. Anm. 13), S. 79.

Vgl. Ranke (s. Anm. 13), S. 92.

Karl Heinrich Ruppel, »Vision aus dem Inferno«, in: K. H. R., Großes Berliner Theater: Gründgens, Fehling, Müthel, Hilpert, Engel, Velber bei Hannover 1962, S. 142144.

Ernst Wendt, »Komm wir wollen Spießruten laufen, straßauf, straßab«, in: Theater heute (1966) H. 5, S. 1618, 16.

Georg Hensel, »Hebbels Maria Magdalena in Darmstadt«, in: Theater heute 9 (1968) H. 6, S. 1820.

Horst Köpke, »Ehrbares Bürgertum – genau beobachtet«, in: Frankfurter Rundschau, 1541980.

Gerhard Stadelmaier, »Brunnenvergiftung«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1491998.

Vgl. Doris Meyerich, »Möbeltischlers Furnierdecowelt«, in: Berliner Zeitung, 1092007.

Vgl. Martin Krumbholz, »Der Regisseur, die Stadt und der Tod«, in: Neue Zürcher Zeitung, 26./2742003.

Vgl. Wilhelm Roth, »Ein Hebbel für heute«, in: Frankfurter Rundschau, 1392010.

Birgit Nüchterlein, »Die verlorene Ehre der Tischlerstochter Klara«, in: nordbayern.de, 1242013. (www.nordbayern.de/kultur/die-verlorene-ehre-der-tischlerstochter-klara- 1.2822935, Stand: 3132018.)

Berndt Herrmann, »Differenziert, packend, radikal«, in: Donaukurier Ingolstadt, 17.02.2011.

Heinrich Oehmsen: »Maria Magdalena: Die starren Regeln der Moral«, in: Hamburger Abendblatt, 2742015. (Online einsehbar unter: www.abendblatt.de/kultur-live/article 205279199/Maria-Magdalena-Die-starren-Regeln-der-Moral.html, Stand: 3132018.)

Hensel (s. Anm. 36), S. 1820.

»Ich verstehe die Welt nicht mehr!« (III,11; S. 95) – mit diesem Satz schließt das Drama; Meister Anton bleibt allein zurück – verstört, seelisch Trümmer einer Existenzzerbrochen, mit seiner Weltanschauung in tiefem Zwiespalt. In diesem berühmten Schlusswort ist das zentrale Thema des Dramas gebündelt.

Was ist geschehen? Meister Anton, ein rechtschaffener Bürger, allseits geschätzt in seinem Metier als Tischler, ehrbarer Familienvater und geachtetes Mitglied der städtischen Gesellschaft, erlebt binnen einer Woche den Zusammenbruch all seiner Überzeugungen, die sein festgefügtes Weltbild ausmachten. Die bürgerlichen Moralvorstellungen von Sitte und Tugend, die für ihn unverrückbare Gültigkeit besaßen, scheinen in Auflösung bürgerlicher TugendvorstellungenAuflösung begriffen. Sein Sohn Karl wird eines Diebstahls bezichtigt. Die Tochter Klara ist schwanger; der Erzeuger des Kindes verweigert die Heirat, die den Fehltritt vor der Öffentlichkeit kaschieren würde, und sie begeht Selbstmord. Die Bloßstellung der Familie ist unausweichlich.

Man könnte meinen, dass eine derartige Problematik in der heutigen Zeit hoffnungslos Problematik: Veraltet oder aktuell?veraltet ist. Wer nimmt heutzutage noch an einer unehelichen Schwangerschaft Anstoß? Und dennoch erfreut sich das Stück auf deutschsprachigen Bühnen nach wie vor ungebrochener Beliebtheit. Dafür muss es Gründe geben.

Über Klara äußerte sich Hebbel 1839 in einem Tagebucheintrag: »Durch Dulden Tun: Idee des Weibes.«1

Meister Anton wird in der Sekundärliteratur durchgängig als ein Mensch gedeutet, der engstirnig an überholten Tradition und ErneuerungTraditionen festhält, so dass er an der gesellschaftlichen Fortentwicklung, wie sie unvermeidlich ist, zerbricht. Das Defizit in seinem Wesen bestehe somit in seiner Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit zu flexibler Wandlung und Anpassung.

Fraglos kann eine derartige Einstellung auf viele Menschen in heutiger Zeit übertragen werden. Der dynamische Gesellschaftlicher Wandel heuteWandel gesellschaftlicher Anschauungen, der neue Normen definiert, raubt dem Althergebrachten seine Gültigkeit; folglich büßen viele

In unserer Gesellschaft herrscht Konsens darüber, dass Innovationen weitgehend per se positiv betrachtet werden. Was aber, wenn das nicht ohne Weiteres zutrifft? Wie ist das mit der Gentechnik, mit dem Datenschutz im Internet, mit sozialen Netzwerken und Mobbing?

Auch gegenwärtig erkennt man Entwicklungen zuhauf, die in manchen Menschen Verunsicherung und Orientierungslosigkeit erzeugen, weil bisher allseits anerkannte Normen ihre Gültigkeit verlieren: sei es die Lockerung des Familienverbandes, mit der ein Verlust an Geborgenheit und Zuwendung einhergeht; sei es die Öffentlichkeit persönlicher Daten in sozialen Netzwerken, die Reduzierung von Face-to-face-Kontakten infolge der Internetnutzung, die vertraute Gewohnheiten infrage stellen.

Im angelsächsischen Raum wird derlei Unbehagen als ›German angst‹ milde belächelt. Doch sollte man das Problem nicht leichtfertig bespötteln, da es sich um ein weit verbreitetes Phänomen handelt. Die allgemeine Verunsicherung und Orientierungslosigkeit führen vielfach zu einem Festklammern an Althergebrachtem und Gewohntem, weil man anderweitig keinen Halt mehr zu finden glaubt.

Trotzdem muss das Mitgefühl für Meister Anton in einer zentralen Hinsicht infrage gestellt werden. Wie er die Vorgaben bürgerlicher Tugendprinzipien verabsolutiert, ist äußerst zweifelhaft, ja inakzeptabel:

Wie ist eine sittliche Richtschnur zu bewerten, wenn sie derlei Fanatismus hervorzubringen vermag? – Können von hier aus Parallelen zu den gegenwärtigen Exzessen des Islamismus gezogen werden, der sich zur Rechtfertigung terroristischer Gewalt auf seine Religion beruft?

Maria Magdalena – nur verstaubte Literaturgeschichte?

Vorwort

Hebbel hat den Dramentext mit einem Neubegründung des bürgerlichen TrauerspielsVorwort versehen. In verschlungener Argumentation setzt er sich gegen die traditionelle Form des bürgerlichen Trauerspiels ab, in dem Standeskonflikte zwischen Adel und Bürgertum die tragischen Konflikte hervorriefen; vielmehr seien bürgerliche Menschen wie Personen höheren Standes gleichermaßen von tragischen Verwicklungen betroffen (vgl. Text S. 25). Hebbel möchte den tragischen Konflikt aus den bürgerlichen Verhältnissen selbst entstehen lassen. Insofern werde ein neuer Typus der Gattung begründet. – Wegen seiner theoretischen Ausrichtung stellt das Vorwort allerdings keinen direkten Bezug zum Inhalt des Dramas her.

Erster Akt

I,1: Ein Sonntagmorgen. Therese, die Ehefrau des Tischlermeisters Anton, ist von einer schweren Krankheit genesen. Aus Dankbarkeit zu Gott legt sie zum Abendmahlsgottesdienst ihr weißes Brautkleid an; mit der Farbe will sie ihr Bürgerliche Wertesittsames, gottesfürchtiges Leben dokumentieren. Ihre Tochter Klara hingegen bewegen trübsinnige Vorstellungen: In tiefer Sorge um das Wohlergehen ihrer Mutter denkt sie bei der weißen Farbe an ein Leichenkleid.

I,3: Die Mutter bedauert, dass sich Leonhard, der Klara versprochen ist, schon längere Zeit nicht habe blicken lassen. Sie befürwortet die Verbindung. Klara äußert sich über Leonhard entschieden reservierter. In der Technik der sogenannten ›Mauerschau‹ blickt sie ihrer Mutter durchs Fenster nach und beschreibt deren Gang zur Kirche sowie die Begegnung mit dem Totengräber. Diese deutet Klara als Unheilvolle Vorzeichenverhängnisvolles Omen. Sie fühlt sich in ihrer evangelischen Konfession, die sie als rigiden Zwang zum Gehorsam gegenüber den christlichen Geboten versteht, nicht geborgen; katholische Gläubige könnten, anders als die Protestanten, die Gottesmutter Maria verehren, die Erbarmen, Gnade und Vergebung verkörpere.

I,4: Leonhards KalkülLeonhard erscheint. Er argwöhnt, Klara fühle sich nach wie vor zu ihrem Jugendfreund Friedrich hingezogen, der als Sekretär beruflich vorangekommen ist. Um sie unwiderruflich an sich zu binden, hatte er sie schon vor einiger Zeit genötigt, sich ihm hinzugeben. Voller Abscheu hatte Klara das erduldet; nun ist sie schwanger. Zu Hause hatte sie die Mutter erkrankt aufgefunden; seitdem misst sie sich wegen ihrer Sünde die Schuld an deren Krankheit zu.

I,5: Meister Anton kommt vom Gottesdienst nach Hause. Gegenüber Leonhard legt er die Prinzipien seiner Antons LebensführungLebensführung dar: Aufrecht und unbescholten gehe er seinen Weg. Sein leichtlebiger Sohn Karl folge ihm hierin leider nicht. Leonhard deutet an, um Klaras Hand bitten zu wollen, und lässt durchblicken, dass er auf eine erkleckliche Mitgift spekuliere. Anton jedoch eröffnet ihm, dass Leonhard nichts dergleichen zu erwarten habe. Der kürzlich verstorbene Meister Gebhard habe Anton früher zu sich in die Lehre genommen und ihm so den Weg zu seiner gesicherten Existenz geebnet. Daher sei er ihm zeit seines Lebens zu Dank verpflichtet gewesen und habe ihn, als Gebhard einmal zahlungsunfähig gewesen sei, durch ein beträchtliches Darlehen vor dem Selbstmord bewahrt. Nie habe er die Verlorene MitgiftSumme zurückgefordert; den Schuldschein habe er in Gebhards Sarg gelegt. Das Geld sei somit verloren.

I,6:Karl – ein Juwelendieb?