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Nr. 86

 

Inferno der Dimensionen

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Wir schreiben das Jahr 3581. Perry Rhodan sucht mit dem Fernraumschiff SOL noch immer den Weg zurück in die heimatliche Milchstraße. Mit Mühe hat die Besatzung das Ende der Galaxis Balayndagar überstanden. Doch nun ist die SOL im Dakkardimballon der Zgmahkonen gefangen. Wird es Perry Rhodan gelingen, die Freiheit wiederzuerlangen?

 

Inzwischen droht der Erde, die auf der Flucht vor den Laren in den Mahlstrom der Sterne versetzt wurde, neues Unheil. Der Sturz in den Schlund, einen gigantischen Wirbel kosmischer Gewalten, erscheint unabwendbar. Nur eine gemeinsame Anstrengung der zutiefst zerstrittenen Terraner kann die Erde retten. Aber gibt es da noch eine unbekannte Macht, die skrupellos eigene Ziele verfolgt?

Vorwort

 

 

Der Aphilie-Zyklus steht noch an seinem Anfang, dennoch wartet dieser Band mit gleich zwei Höhepunkten auf. Da ist zum einen das Fernraumschiff SOL, dessen Besatzung nach ihrer langen Odyssee zwar endlich die Position der heimischen Milchstraße gefunden hat, aber nun im abgeschiedenen Weltraum der Zgmahkonen gefangen ist. Und da ist die Erde, die Heimatwelt der Menschen, die im Mahlstrom der Sterne dem scheinbar sicheren Verderben entgegentreibt.

Beide Handlungsebenen und den Kampf aller Beteiligten ums Überleben zu begleiten war auch für mich wieder faszinierend und hat mehr als nur Spaß gemacht. Es war ein kurzweiliges Eintauchen in die packende und gefährliche Welt der Zukunft, in die größte Science Fiction-Serie der Welt mit ihren vielen Facetten – und es war vor allem spannend!

Diese Spannung wünsche ich auch Ihnen beim Lesen. Und ich bin überzeugt, Sie werden wie ich die Zukunft nicht missen wollen.

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Inferno der Dimensionen (743) von Hans Kneifel; Die Letzten der Koltonen (744) von H. G. Francis; Die Rache der Dimensionauten (745) von H. G. Ewers; Der Zeitlose (746) von William Voltz (aber nur der halbe Roman; die zweite Hälfte wird in einem der folgenden Bücher erscheinen); Die Körperlosen von Grosocht (747) von Harvey Patton sowie auf der Handlungsebene der im Mahlstrom verschollenen Erde Operation Gehirnwäsche (734), Die Armee aus dem Getto (735), Raphael, der Unheimliche (748) und Plan der Vollendung (749) jeweils von Kurt Mahr.

 

Hubert Haensel

Zeittafel

 

 

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan sucht die Unterstützung alter Freunde, die Galaktische-Völkerwürde-Koalition (GAVÖK) wird gegründet. (HC 82, 84, 85)

Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. Der Sturz in den Schlund droht. (HC 83)

3581 – Die SOL erreicht die Dimensionsblase der Zgmahkonen und begegnet den Spezialisten der Nacht. Um die Rückkehr zu ermöglichen, dringt ein Stoßtrupp in die Galaxis der Laren vor und holt das Beraghskolth an Bord. (HC 84–85)

Prolog

 

 

Die Menschheit des 36. Jahrhunderts erlebt die bislang schwerste Krise ihrer ohnehin bewegten Geschichte. Seit die Laren, ein Volk des Konzils der Sieben Galaxien, in der Milchstraße herrschen, existiert das Solare Imperium nicht mehr. Es ist ein Kampf ums Überleben, dem sich die Menschen seitdem in weit voneinander entfernten Regionen des Universums stellen müssen.

An Bord des Fernraumschiffs SOL haben Perry Rhodan und seine Gefährten das Ende der Galaxis Balayndagar und den Sturz durch die Große Schwarze Null, ein gigantisches Black Hole, unbeschadet überstanden. Sie wurden mit den Zgmahkonen konfrontiert, einem Volk des Konzils der Sieben. Doch wenn sie ihr neu gewonnenes Wissen nutzen wollen, müssen sie aus dem Dakkardimballon der Zgmahkonen in ihren angestammten Weltraum zurückkehren. Dabei sollen ihnen die Spezialisten der Nacht und das Beraghskolth helfen. Doch es ist ein langer und gefahrvoller Weg, den alle gehen müssen. Am Ende dieses Wegs erwartet sie entweder die Freiheit – oder die Vernichtung der SOL.

Inzwischen droht der Erde, die auf der Flucht vor den Laren in den Mahlstrom der Sterne versetzt wurde, neues Unheil. Der Sturz in den Schlund, einen gigantischen Wirbel kosmischer Gewalten, erscheint unabwendbar. Bislang stehen Aphiliker und die Immunen der Organisation Guter Nachbar einander unerbittlich gegenüber, und die Zeit wird knapp, wenn in einer gemeinsamen Anstrengung alle Terraner vor dem Schlund gerettet werden sollen. Aber gibt es da noch eine dritte Macht, die skrupellos eigene Ziele verfolgt?

Fernraumschiff SOL

 

1.

 

 

Die Uhren zeigten den 21. März 3581. Die SOL war in Gefahr, wie schon so oft. Weil der Einbau jener für Menschen nahezu unbegreiflichen Maschine, die in halb energetischer Form existierte, alles andere als störungsfrei verlief.

Eines der größten Segmente befand sich in einem leeren und isolierten Raum. Die Projektoren saßen in den vorgesehenen Aussparungen und würden – hoffentlich – die Energie aus den SOL-Kraftwerken auf das Beraghskolth übertragen.

Dobrak diskutierte mit einigen Wissenschaftlern. Mit beiden Greiflappen einer Hand deutete er auf die Messgeräte. Nur der fast dreieinhalb Meter große Kelosker konnte erahnen, was sich in Kürze abspielen würde. Die Einflüsse der fünften Dimension schlugen immer wieder durch.

Urplötzlich geschah es.

Hinter einem Roboter flimmerte die Luft, bildete sich ein nebliger Wirbel. Wie Krakenarme schlugen fahle Ausläufer um sich und warfen einen Projektor um, der in einer heftigen Explosion verging. Für Sekundenbruchteile formte sich der Wirbel zur Spirale, dann platzte er in einer Unmenge farbiger Fragmente auseinander, die zum Beraghskolth schwebten und sich dort auflösten.

Der Kelosker sah diese Vorgänge nicht bildlich, sondern nahm sie in Form von Zahlenkombinationen wahr, die ihm verrieten, was der Wirbel bedeutete.

Drei Techniker standen wie erstarrt. Medoroboter rasten auf sie zu. Es gelang den Maschinen gerade noch, beide Männer aufzufangen, ehe sie stürzten. Sekunden später lagen die Techniker auf Antigravtragen, und die Roboter verließen mit ihnen den Isolationsraum. Alle drei veränderten sich unaufhaltsam, und niemand konnte ihnen helfen. Finger und Hände verwandelten sich in eine kristallene Masse, die wie krümeliger Stein aussah. Dann wurden die Körper zur weißen Masse, bleich wie Marmor. Aber der Vorgang war noch nicht beendet.

Sie lösten sich auf. Nach dreißig Sekunden existierten sie nicht mehr.

 

Die MORGEN, das gekaperte Zgmahkonen-Schiff, hatte tagelang ihre Position neben der SOL nicht verlassen. Noch blieb alles ruhig, aber die Terraner mussten damit rechnen, dass sie bald entdeckt wurden. Der Notruf elektrisierte folglich jeden, der ihn hörte.

»Hier ist die MORGEN! Wir brauchen Hilfe! Schnell!«

Augenblicklich startete Perry Rhodan eine Rettungsaktion. Das gekaperte Schiff war in voller Größe auf den Schirmen zu sehen. Schon verließ die erste Korvette ihren Hangar auf der SOL, eine Space-Jet folgte. Beider Scheinwerfer entrissen das Zgmahkonen-Schiff der Dunkelheit und offenbarten einen unglaublichen Effekt. Die Strukturen des gekaperten Schiffs verschoben sich, sie wirkten wie Wachs, das ungleichmäßig erhitzt wurde und zähflüssig wegsackte.

»Die Wände werden instabil ... Holt uns hier heraus!«

Stellenweise war die Bordwand schon abgeschmolzen und ließ die Decksstrukturen erkennen. Zum Glück befanden sich nur noch wenige Menschen auf der MORGEN. Ein hyperphysikalischer Effekt griff unkontrolliert nach ihnen.

Andere Bereiche der Bordwand brachen in Myriaden winziger Splitter ab. Wie Schneeflocken segelten sie davon, im Scheinwerferlicht grell aufleuchtend.

Die Rettungsschiffe, der MORGEN schon sehr nahe, drehten unvermittelt ab. Die Stimme des Piloten der Space-Jet überschlug sich schier: »Wir können das nicht schaffen! Ich habe ebenfalls schon ein Loch in der Kuppel. Und die Landestützen lösen sich auf. Die Zone rund um das Schiff ist von hyperenergetischen Überlappungen verseucht.«

»Brecht den Versuch ab!«, bestimmte Perry Rhodan. »Aber zum Eingreifen weiter bereithalten!«

Die Menschen auf dem erbeuteten Schiff waren verzweifelt. Sonst hätten sie kaum die Lecks in den Bordwänden benutzt, um das Schiff zu verlassen.

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

»Das ist unmenschlich, Ody!« Arcarea keuchte.

Wir verfolgten das Geschehen auf den Schirmen. Etliche Beiboote verharrten entlang einer unsichtbaren Grenze, die das gekaperte Schiff wie eine Kugelschale umgab. Die Zerstörungen auf der MORGEN wuchsen zusehends.

»Hörst du, die Triebwerke laufen an!«

Ich lauschte. Selbst Dippo, die intelligente Flugmaus vom Planeten Tolot III, schwieg erschrocken. Was hatte Rhodan vor? Was versuchten die Piloten der SOL? Aus den düsteren Lecks des Zgmahkonen-Schiffs flohen immer mehr Besatzungsmitglieder.

»Ody, ein Sturm!«, schnarrte Dippos Stimme. Ich drehte mich um und sah ihn aufgeregt hin und her rennen. »Ein Heulen!«

Ich wandte mich an Arcarea. »Hörst du es auch?«

»Irgendwie unirdisch«, erwiderte sie.

Dann vernahm ich das Geräusch ebenfalls. Es wirkte wie das kosmische Heulen aus einem anderen Weltraum: jaulend, an- und abschwellend, unwirklich, gespenstisch und Panik erzeugend. Vor allem war es wirklich akustisch wahrnehmbar und nicht nur ein Eindruck, den das Gehirn ohne den Umweg über das Gehör empfing. Dieses Geräusch vermittelte mir tatsächlich den Eindruck, als stünde ich auf einem Berg inmitten eines aufkommenden Orkans.

»Vielleicht erzeugt das anlaufende Beraghskolth diesen Ton«, vermutete Arcarea unsicher.

»Ja, vielleicht. Oder es ist die Melodie des beginnenden Untergangs.«

Wir sahen, dass schon mehrere Beiboote Lecks aufwiesen. Trotzdem verharrten sie auf Distanz zur MORGEN und warteten auf die heranschwebenden Menschen. Das gekaperte Schiff schien verloren zu sein. Immer großflächiger zersetzte sich die Außenhaut.

Der Ton aus einer fremden Unendlichkeit war lauter geworden. Eine schneidende Schärfe riss an den Nerven und ließ mich schaudern. Über den Holoschirm, der fast die gesamte Längswand meiner Kabine bedeckte, zuckte ein Blitz. Die Helligkeit, zuerst nur ein gezackter Balken quer durch die Ausbuchtung des Dakkardimballons, in der die SOL Zuflucht gesucht hatte, breitete sich von zwei entgegengesetzten Punkten schnell aus.

»Das ist Hyperenergie, Ody! Was geht dort draußen vor?«

»Ich weiß es nicht!« Ich erschrak über meine belegte Stimme, und ich hörte das angstvolle Wimmern der Flugmaus. Das Heulen und Jaulen aus der fremden Dimension war stärker geworden und erklang in vielfältigem Echo.

 

Gucky schloss den Helm seines Raumanzugs und konzentrierte sich auf eines der Löcher im Schiffsrumpf. Sein Ziel war ein schon halb zerfressener Hangar, in dem noch mehrere Personen umherliefen.

Er teleportierte – und wurde zurückgeschleudert. Benommen landete der Ilt wieder in der Hauptzentrale der SOL, torkelte einige Meter weit über den Boden und stürzte gegen einen Aggregatesockel.

»Kleiner!«, rief Rhodan und rannte auf ihn zu. Nur eine Sekunde lang war der Platz, von dem der Ilt teleportiert war, leer gewesen. Aber schon richtete Gucky sich wieder auf. Er schien unverletzt zu sein.

»Was ist passiert?«, fragte Perry Rhodan besorgt.

»Dort draußen ist eine Wand. Sie besteht aus einer Energieform, die ich nicht durchdringen kann.«

»Ich verstehe.« Rhodans Blick wanderte wieder zur Panoramagalerie hinauf.

Endlich erreichte ein Erster der Schiffbrüchigen die Space-Jet. Alle anderen schwebten noch zwischen der MORGEN und den Booten. Sie schienen mit ihren Flugaggregaten gegen eine unsichtbare Strömung anzukämpfen.

»Schaut euch die Energieblase an!«, sagte Perry Rhodan leise, in den Ohren das unirdische Rauschen und Heulen.

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

Die Lichterscheinung glich einem Ballon. Lang gestreckt und gewölbt irrlichterte sie rund um die Schiffe. Seit der ersten Meldung, die Bordwände würden sich auflösen, war mehr als eine Stunde vergangen.

Erneut schlug der rätselhafte Kosmos zu. Inmitten der wallenden Dakkardimwand entstand eine konvexe Ausbeulung. Sie wuchs in die Länge, und als sie in einem grellen Lichtblitz aufbrach, wurden mehrere Schiffbrüchige von einem unsichtbaren Sog erfasst. Immer größere Bereiche des Innenraums gerieten in diesen Wirbel, und die fremde Energie veränderte alle Gesetzmäßigkeiten ...

Die entsetzten Schreie der Männer und Frauen, die ihre Rettung schon vor Augen gehabt hatten, wurden von den Energieströmen in die SOL übertragen. Als markerschütterndes Heulen, verzerrt und ins Entsetzliche gesteigert, hallten sie durch unser Schiff. Nichts Menschliches war mehr herauszuhören.

Auch die Boote wurden von dem Sog erfasst. Mit auf Volllast arbeitenden Triebwerken stemmten sie sich gegen den Dimensionseinbruch und nahmen Kurs auf die offenen Hangars der SOL.

Inzwischen verzeichnete auch die SOL unbekannte Einwirkungen. Fast gleichzeitig flaute die erste Woge der sechsdimensionalen Energie ab.

Aber schon Minuten später, als Korvetten und Space-Jets das Mutterschiff fast wieder erreicht hatten und sogar die noch unzerstörten Triebwerke des keloskischen Schiffs ansprangen, öffnete sich unter brodelnden Erscheinungen ein noch größerer Riss im Weltraum. Das Wimmern des letzten Schiffbrüchigen endete, als er von einer unwiderstehlichen Kraft erfasst und ins Nirgendwo geschleudert wurde.

Ich ahnte, dass die nächsten Minuten unser Untergang sein würden, wenn nicht so etwas wie ein Wunder geschah. »Wir können nichts tun, Arcarea!«, sagte ich tonlos. »Nur abwarten.«

Heftigste Vibrationen durchliefen das Schiff, als die Triebwerke auf eine höhere Leistungsabgabe gefahren wurden. Rhodan war stets überzeugt gewesen, er könne die Geschichte beeinflussen und den Einfall der Laren und der Konzilsvölker in die Heimatgalaxis revidieren. Ich kannte einige seiner diesbezüglichen Pläne. Bis vor wenigen Stunden wären sie noch durchführbar gewesen, aber nun nicht mehr.

»Noch leben wir«, flüsterte Arcarea, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Sowohl das schaurige Inferno als auch die Triebwerksgeräusche steigerten sich. Die SOL stemmte sich mit aller Kraft gegen den Sog.

In der Bildübertragung wechselten in schneller Folge die Szenen. Wir sahen, dass sich hinter einem einfliegenden Rettungsboot das Hangarschott schloss. Doch diese scheinbare Sicherheit war trügerisch.

Ein wenig länger verweilte das Bild in dem Raum, in dem das Beraghskolth an den Schiffskreislauf angeschlossen wurde. Falls wirklich schon die ersten Aktivitäten das Geschehen außerhalb des Schiffs ausgelöst hatten, würde beim Einschalten oder »Integrieren« die Hölle über uns hereinbrechen – sofern die Abstimmung aller Funktionen nicht perfekt war. Nur ein Prozent weniger würde den Tod bedeuten.

Die Kelosker der MORGEN, die von Volterhagen das Aggregat geholt hatten, das die SOL befähigen sollte, einen Dimensionstunnel zu durchfliegen, ahnten zweifellos, was geschehen konnte. Wir sahen deutlich, dass die Triebwerke des Zgmahkonen-Schiffs mit höchstem Schub arbeiteten. Dennoch kam das Schiff gegen den Wirbel nicht an.

Augenblicke später berührte die schillernde, zuckende Energie die MORGEN. Wie das Maul eines hungrigen Tiefseewesens schloss sie sich um das Schiff und zerrte es mit sich. Zugleich verringerte sich die Länge des Trichters, der Fortsatz zog sich zusammen.

Furchtbar klangen die Schreie der Kelosker auf. Vielleicht starben diese Intelligenzen nicht – aber die Daseinsform, die sie jenseits des Sogs vorfinden würden, war möglicherweise schlimmer als der Tod. Erst als das Schiff in die Wandung der konvexen Erhebung eindrang, rissen die Schreie ab.

Der starke Sog erlosch.

Die SOL schnellte förmlich vorwärts und raste mit tobenden Triebwerken davon, als wolle sie unser Versteck, die Ausbuchtung des Dakkardimballons, endgültig verlassen. Immer noch tobten ringsum fremde Energien.

Der Raumalarm vertrieb meine aufkeimende Hoffnung. »Wir haben soeben eine Suchflotte der Zgmahkonen geortet!«, wurde gemeldet.

Ich scheuchte Dippo in den stählernen Kasten, in dem er überleben konnte, und aktivierte die miniaturisierte Innenversorgung. »Halt die Flügel gerade, Kleiner!«, befahl ich noch. Keine halbe Minute später hatte ich meinen Raumanzug angelegt.

»Offensichtlich«, erklang Rhodans Stimme über Bordfunk, »haben die Zgmahkonen die Energieausbrüche richtig gedeutet. Wir versuchen, uns zu verstecken. Solange die Integration des Beraghskolths nicht vollkommen ist, dürfen wir kein Risiko eingehen. Alle Stationen sind sofort doppelt besetzt.«

Das gilt nicht für mich, dachte ich. Auf dem Schirm erschien eine Einspielung der Fernortung. Eine Vielzahl deutlicher Echos hatte sich am Übergang zum Dakkardimballon versammelt.

»Wie lange wird dieses Patt dauern?«, fragte ich mich im Selbstgespräch, denn Arcarea hatte mit dem Aufheulen des Alarms meine Kabine verlassen. Die Suchschiffe riegelten die Ausbuchtung wirkungsvoll ab. Jeder Ausbruchsversuch würde an Selbstmord grenzen. Andererseits konnte uns das Schicksal inmitten der brodelnden Ausbuchtung ebenso schnell ereilen wie das Ende im Geschützfeuer der Zgmahkonen.

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

Die wichtigsten Personen auf der SOL waren im Augenblick der keloskische Rechner Dobrak, Olw, der zierliche Spezialist der Nacht, und seine Gefährtin Py. Jeder, der die drei sah, erkannte sofort Dobraks ungeheure Autorität. Er gab seine Anweisungen, die von Olw und Py interpretiert werden mussten.

Die in alle Räume des Schiffs übermittelten Bilder wurden von einem Fachmann kommentiert: »Ich höre soeben, dass das Beraghskolth etwa zur Hälfte installiert ist. Die Arbeitsteams werden aus den betreffenden Sektoren abgezogen, die Steuerung wurde an SENECA übertragen. Allerdings ließ Dobrak mitteilen, dass noch nicht alle Schirmfelder gleichmäßig arbeiten. Das führt bei Energiefluss dazu, dass die fünfte Dimension mit Störfaktoren durchschlägt. Darauf sind die eben überstandenen Erscheinungen zurückzuführen. Noch sind wir mit der Abschirmung befasst, um die letzten Verbindungen störungsfrei zu halten. Die Energien wurden in den größten der einundzwanzig Segmentteile geschaltet, was zugleich die anderen Segmente mit Anlaufstrom versorgt hat.«

Ich schüttelte den Kopf und wünschte mich ans Ufer eines Dschungelsees oder an den Strand einer Insel unter heißer Sonne. Was beim Beraghskolth vor sich ging, war für mich gespenstisch und unerklärlich. Ich hörte die Erklärungen und sah aufregende Bilder, doch alles blieb weitgehend fremd für mich.

»... als es uns durch eine erste Schaltung gelang, die fünfdimensionalen Störungen auszusperren, löste sich die MORGEN auf. Inzwischen haben die Kelosker erklärt, dass das Beraghskolth unvorhergesehen die Arbeit aufgenommen und einen Versorgungszapfstrahl ausgeschickt hat. Dabei sind, weil die Anlage noch nicht vollständig abgeschirmt werden konnte, Schwankungen aufgetreten. Der Zapfstrahl provozierte Streuenergien. Olw und Py erklärten, dass unsere Schaltversuche die Ursache für die Geräusche aus der anderen Dimension waren, ebenso dafür, dass feste Materie mitgerissen wurde. – Es gibt leider bislang keine Antwort auf die Frage, wie die MORGEN und unsere Kameraden in der übergeordneten Dimension existieren.«

Das Bild wurde dunkel. Ich verstand nichts von Abläufen über die vierte Dimension hinaus. Ich war kein Wissenschaftler, sondern ein Mensch, der sich in der realen Wildnis bewegen konnte wie kaum ein Zweiter. Seit zehn Jahren, seit meinem Aufenthalt auf Tolot III, sehnte ich mich nach einer neuen Landung und den damit verbundene Problemen. Der Zwischenfall auf Last Stop hatte mich nicht gefordert, ich hatte lediglich einige Jagdgruppen organisiert.

Hoffentlich überlebten wir die nächsten Tage.

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

Die Ruhe im Schiff dauerte fünf Stunden. Noch standen die Suchschiffe vor der Ausbuchtung des Dakkardimballons, in der wir Zuflucht gesucht hatten, und noch immer schwebte die SOL relativ ruhig im Raum. Aber mit dem Fortgang der Arbeiten kam der Augenblick einer neuen Initialzündung unaufhaltsam näher.

22. März, 40 Minuten nach Mitternacht. Ich merkte mir diese Zeitangabe, weiß aber nicht, aus welchem Grund. Arcarea versah ihren Dienst, ebenso wie wir alle, im Raumanzug. Ihre Zuständigkeit war die Nahrungsmittelversorgung der vielen Messen und Restaurants, Büfetts und Bars, der Automaten und sonstigen Ausgabestellen. Arcarea war in der Hinsicht SENECAS verlängerter Arm.

»... erfolgt der nächste Versuch. Es wird mit erneuten Schwierigkeiten gerechnet.«

Der Sprecher sollte Recht behalten.

»Diese elenden Pfuscher!«, schimpfte ich, als ich wieder das metallische Singen und Sirren vernahm. Schlagartig hatte sich unsere Umgebung erneut verwandelt. Die Ausbuchtung wurde von Farbschlieren überlaufen, die mich an eine Seifenblase kurz vor ihrem Zerplatzen erinnerten, und wieder bildete sich ein wirbelnder Trichter aus. Keine sechzig Sekunden danach erschütterten unkontrollierte Vibrationen das Schiff.

Die Bildübertragung wurde auf die Hauptzentrale umgeschaltet, jeder konnte Perry Rhodans von Sorgen und Schlaflosigkeit gezeichnetes Gesicht sehen. Aber er dachte nicht einmal an Resignation. »Freunde!«, sagte er eindringlich. Seine Stimme klang frei von Müdigkeit. »Uns bleibt keine Wahl. Beim Probebetrieb des Beraghskolths ergeben sich diese verteufelten Effekte. Trotzdem müssen wir das Gerät testen, und das noch einige Male. Der Raum um uns her ist zu beengt, deshalb werden wir einen Durchbruch versuchen. Wir müssen an der Suchflotte vorbei und ein neues Versteck finden. Olw wird vielleicht in der Lage sein, einen Ort zu finden, an dem wir uns nicht stetig in Lebensgefahr befinden. Wir warten jedenfalls nicht länger.« Ein verlorenes Lächeln huschte über sein Gesicht.

Die Triebwerke rissen die SOL vorwärts, die obere Kugelwandung in Fahrtrichtung, das Mittelstück hinter sich herschleppend wie einen amputierten Körper. Es war ein verzweifelter Ausbruchsversuch. Die Zgmahkonen hatten uns längst geortet und sich auf alle Reaktionen vorbereitet. Aber für uns gab es keinen anderen Weg in die Freiheit.

Das Singen aus der fremden Dimension wurde leiser, je weiter wir uns von den zuckenden Aufrissen entfernten.

Als wir das letzte Viertel unseres Weges erreichten, reagierten die Zgmahkonen. Sie empfingen uns mit einem Feuerwall aus ihren Geschützen. Selbst für einen Koloss wie unser Schiff konnte es kein Durchkommen geben.

Mir war schleierhaft, woher Perry Rhodan auch weiterhin seine Selbstsicherheit nahm, als die SOL mit Höchstwerten auf Gegenschub ging. »Wir haben es versucht«, stellte er fest. »Nun wissen wir endgültig, dass es nur einen einzigen Weg für uns gibt. Erst wenn das Beraghskolth arbeitet, sind wir gerettet.«

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

Die SOL war, verglichen mit den Ausmaßen der energetischen Ausbuchtung, ein winziges Stäubchen. Langsam trieb sie wieder tiefer in diese »Zotte« des Dakkardimballons hinein. Ein Teil der fünfdimensionalen Wandung wirkte wieder stabil und zeigte das charakteristische Graublau. Aber nach wie vor – oder schon wieder – gab es deutliche Turbulenzzonen.

Ohne Pause gingen die Arbeiten weiter. Alle Spezialisten, die beiden Wesensspürer Py und Olw, die Kelosker und Dobrak, arbeiteten zusammen. Nur noch winzige, kaum mehr messbare Korrekturen mussten durchgeführt werden. Dabei galt es, die Leistung Hunderter Projektoren aufeinander abzustimmen, auch wenn die Eigenstrahlung des Beraghskolths wiederholt die Einstellungen veränderte. Der Versorgungszapfstrahl durchbrach weiterhin unkontrolliert die fünfte Dimension und öffnete den übergeordneten Energien den Weg in den Dakkardimballon.

Diese Pannen waren einerseits Beweis dafür, dass an der Justierung gearbeitet wurde, andererseits gefährdeten sie das Schiff. Es konnte dasselbe geschehen wie mit der MORGEN – die Gefahr war groß, dass die SOL aus dem schützenden Dakkardimballon hinaus in die sechste Dimension gerissen wurde.

Riesige Trichter bildeten sich rasend schnell aus und zuckten dem Schiff entgegen. Unaufhörlich tobte der Kampf der SOL gegen die sechste Dimension. Noch arbeitete das Beraghskolth nicht gut genug, um eine schützende Sphäre erschaffen zu können. Es war für die Kontrolle des Energieflusses in den Dimensionstunneln konstruiert worden. Aber wenn schon die ersten tastenden Versuche derartige Gefahren heraufbeschworen, konnte sich jeder ausmalen, der über ein wenig Fantasie verfügte, was uns noch erwartete.

Irgendwann griffen die sechsdimensionalen Energien – oder Nebenerscheinungen, die uns alle in Schrecken versetzten, fremdartige Illusionen, Überlappungseffekte oder was auch immer – auf die SOL über. Unsere Realität ging langsam verloren. Inseln entstanden, in denen die Gesetze der Physik und der menschlichen Erkenntnisfähigkeit außer Kraft gesetzt wurden.

Schließlich wurde ich zum Opfer dieser tückischen Fehlenergien.

 

Die SOL befand sich jetzt im Zentrum eines Sogs. Die Triebwerke verloren den Kampf. Meter um Meter trieb das Schiff auf eine gigantische Bruchstelle zu. Die Techniker, die verzweifelt versuchten, das Beraghskolth zu justieren, gerieten in Panik.

Wenn das Schiff in diesem Kräftemessen unterlag, waren nicht nur Tausende Menschenleben verloren, sondern zugleich die Hoffnung auf eine von den Laren befreite Menschheit.

Perry Rhodan konferierte mit Dobrak. Der Kelosker riet eindringlich, unter keinen Umständen mit den Integrationsversuchen aufzuhören. Obwohl sich die SOL in ein Gespensterschiff verwandelte.

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

Eine lähmende Woge der Angst schlug über mir zusammen. Die SOL war vernichtet, sämtliche Schiffsinsassen waren im Strudel der fremden Energien auf einen menschenleeren Planeten geschleudert worden. Stechende Helligkeit überflutete alles, als würde die Korona der Sonne die Atmosphäre dieser unheimlichen Welt berühren.

Ich stemmte mich mit beiden Armen hoch. Überall war Sand. Staubfeiner, silberner Sand. Wüste breitete sich ringsum aus. Ich starrte auf den rieselnden Staub und erkannte, dass ich mich auf einer unmöglichen Welt befand, denn ich warf keinen Schatten.

»Arcarea! Dippo! Wo seid ihr?« Meine Stimme war nur ein verwehendes Flüstern.

Ich zwang mich in die Höhe. Endlich stand ich auf schwankenden Beinen und drehte mich langsam um die eigene Achse. Wo waren die anderen? Wo befand sich das ausgeglühte Schiffswrack?

»Arcarea!«, keuchte ich wieder. Unerträgliche Schmerzen tobten in den Schultergelenken, meine Augen tränten. Es war nicht eigentlich heiß, aber diese wahnwitzige Helligkeit war mörderisch. Mit beiden Händen beschattete ich die Augen. In unendlich anmutender Ferne sah ich eine riesige Kugel. Sie loderte wie schmelzendes Silber in dem furchtbaren Licht.

Dann entdeckte ich meine Spuren. Waren es wirklich meine eigenen Spuren?

Kein Schatten.

Kein Windhauch.

Keine lebende Seele weit und breit. Nicht einmal ein Grashalm in dieser Flut von weißsilbernem Staub. Nur eine Spur von zwei Stiefeln führte hierher und endete vor dem tiefen Abdruck meines Körpers.

Ich musste Arcarea finden.

Ich schloss den Helm bis auf einen kleinen Spalt, und der Eindruck der mörderischen Helligkeit wurde etwas gemildert.

Die fremde Luft schmeckte nach Kräutern und Gerüchen, die ich niemals bewusst wahrgenommen hatte. Ich marschierte los. Bis zu der schwebenden Erscheinung am Horizont waren es vielleicht Tausende von Kilometern.

Was war passiert?

Stumpfsinnig setzte ich Fuß vor Fuß und folgte meinen eigenen Spuren, die mich an diesen Ort geführt hatten. Seltsamerweise besaß ich nicht die geringste Erinnerung daran, was geschehen war, nachdem die SOL trotz brüllender Kraftwerke vom Sog mitgerissen worden war. Jene Zeitspanne war ausgelöscht, für mich nicht mehr existent.

Ein Schritt, fünf, zehn, hundert ... Unaufhaltsam weiter, immer geradeaus und immer, wenn ich den Kopf hob und die kaum sichtbaren, schattenlosen Eindrücke vergaß, die silberne Kugel über dem Horizont. Sie war mein Ziel. Ich würde sie erreichen, selbst wenn ich am Schluss nur noch kriechen konnte.

Ich weiß nicht, wie lange ich ging. Ich weiß nur, dass ich das Tempo weder beschleunigte noch entscheidend langsamer wurde. Inzwischen hatte ich für mich die Theorie aufgestellt, dass ein trainierter Mensch auf jedem Planeten überleben konnte, auf dem es atembare Luft, Wasser und ein paar andere wichtige Dinge gab. Folglich musste ich es schaffen, mich mit dieser Wüste zu arrangieren.

Ich entsann mich der Funkanlage im Raumanzug und aktivierte sie. »Dippo?«, rief ich, nicht einmal »Arcarea«.

»Du scheinst deine Umwelt nicht mehr zu begreifen, du Halbblinder!«, erklang es vorwurfsvoll. Kein Zweifel. Das war die freche Flugmaus. Gleichzeitig vernahm ich Arcareas Stimme. Sie sagte, flüsternd und von langen Pausen unterbrochen: »Ody, hol mich hier heraus!«

»Da bist du überrascht, wie?«, kreischte Dippo. »Du weißt, dass wir alle tot sind. Tot und nur noch Gespenster.«

»Wo bist du, Arcarea?«, schrie ich.

Ich wankte weiter, ohne dass mich der starre Raumanzug behinderte. Seit meinem Erwachen konnten zehn Minuten oder zwei Stunden vergangen sein, ich wusste es nicht.

»Ich bin da, wo du mich suchst, Ody!«, flüsterte Arcarea.

»Das haut dich um, wie?«, höhnte die geflügelte Zwergmaus.

»Wo soll ich dich suchen?«, rief ich verzweifelt.

Die Ebene war so glatt wie eine Tischplatte, die Kugel am Horizont wurde weder größer noch kleiner. Meine Schritte wirbelten kleine Sandstaubwirbel auf. Aber ich hörte keinen Laut, die Stiefelsohlen knirschten nicht einmal. Die einzigen Geräusche in der trügerischen Abgeschlossenheit des Raumanzugs waren meine Atemstöße und der rhythmische Pulsschlag.

»Odysseus Halmarck, ich warte! Ich sterbe, wenn du mir nicht hilfst«, flüsterte meine grünhaarige Geliebte.

»Du bist eindeutig überfordert!«, krächzte Dippo. »Soll ich dir einen Rat geben, Ody?«

»Ja«, sagte ich unendlich verwirrt. Ich war, ohne es zu wollen, schneller geworden. Aber meine Schritte wurden nun unregelmäßig.

»Du musst das Irrsinnige als richtig anerkennen. Du bist der geborene Realillusionist«, belehrte mich Dippo mit der Stimme eines Dozenten. »Das alles ist nicht wirklich. Du agierst in einer Illusion.«

Mir brach der Schweiß aus allen Poren. Ich blieb stehen. Die schattenlose Landschaft – konnte man diese Ebene so nennen? – hatte nicht erkennen lassen, dass ich in der letzten Zeit einen langsam ansteigenden Hang überwunden hatte. Inzwischen stand ich auf der Kuppe dieses Hügels.

Weiterhin unerreichbar schwebte die Kugel am Horizont, aber vor mir gähnte ein Abgrund. Unmittelbar vor meinen Stiefelspitzen fiel der Fels senkrecht ab. Tief unten schimmerte ein See, umsäumt von Grün. Auf dem Wasser bewegten sich weiße, dreieckige Segel.

»Hol mich heraus, Ody!« Arcareas Schrei war qualvoll.

»Besonders wasserscheu warst du noch nie!«, erklärte Dippo trocken. »Spring endlich! Nur Mut!«

Ich schloss die Augen. Das alles war zu viel für mich. Ich wusste jetzt, dass dieser Marsch nur in meiner kranken Fantasie existierte, ebenso wie diese Welt, die es nicht wirklich gab. Waren alle Insassen der SOL wahnsinnig geworden, war dies das Ende, war dies der Effekt der sechsten Dimension? Wir alle waren tot.

So also sah das Leben nach dem Tod aus. Alles drehte sich um mich. Die Helligkeit, die von keiner sichtbaren Sonne erzeugt wurde, die realillusionistischen Bilder und die Kugel rasten plötzlich wie ein Karussell um den Horizont. Ich taumelte und bemerkte, dass ich fiel. Die Bewegung, in der ich mich immer wieder überschlug, hörte nicht auf ...

 

Seit mehr als 120 Minuten kämpfte das Schiff. Energien tobten sich aus, die genügt hätten, den stählernen Koloss über die Distanz einer halben Galaxis hinweg zu versetzen. Sie arbeiteten gegen eine nicht fassbare und ebenso wenig messbare Kraft – gegen die sechste Dimension.

War noch vor kurzem die Bewegung in Metern zu messen gewesen, so driftete die SOL nun kilometerweise dem vielfarbigen Trichterrachen entgegen, der sich ihr gierig entgegenstreckte.

Dobrak ahnte nichts von den Szenen, die sich in vielen Bereichen des Schiffs abspielten. Er bereitete das Beraghskolth vor. Er wusste – die hypergeometrische Weise, in der er die Illusion der Umwelt betrachtete, verriet ihm dies in rechnerischer Klarheit –, dass nur ein gefährlicher Kompromiss die SOL retten konnte.

Dobrak, die Inkarnation vieler keloskischer Rechengenies, erkannte, dass ihm bis zum Eintritt der Katastrophe nur noch Minuten blieben.

 

 

Bericht Arcarea Casalloni

 

 

Jemand schlug wie besessen eine riesengroße Trommel. Der dumpfe Klang fing sich zwischen den mächtigen Bäumen und erschütterte die Luft. Dennoch hatte die Szene den Eindruck vollkommener Ruhe. Sie war der zur Realität gewordene Traum. Endlich hatte ich gefunden, wonach ich mein Leben lang gesucht hatte: Abendstimmung; Lichter über dem See; Wildvögel, die mit müdem Flügelschlag heimwärts strebten. Dazu ein weißes Haus auf Stelzen, halb im Wasser, halb am Ufer. Und auf der anderen Seite, im Dorf der Planetarier, schlug jemand die Trommel. Das war der Rhythmus des Lebens, mein Herzschlag, wenn Odysseus und ich uns liebten. Ich hob das goldgeränderte Glas mit rotem Wein hoch, drehte mich um und sagte zu meinem Geliebten mit den dunkelbraunen Augen: »Ich hätte nicht geglaubt, dass wir dies doch einmal erleben ...«

Abrupt brach ich ab. Odysseus war verschwunden. Ich schreckte zusammen, meine Finger berührten den Platz, an dem er eben noch gesessen hatte. Die Felle im Sessel waren noch warm. »Ody!«, schrie ich. »Wo bist du?«

Ich erhielt keine Antwort. Aber der Klang der Trommel veränderte sich, er wurde schärfer, schneidender und irgendwie metallisch. Ich lief hinaus auf die Terrasse, aber nirgendwo war mein Geliebter zu sehen. Dann erschrak ich zum zweiten Mal. Hinter den Bäumen loderte flackernder roter Feuerschein.

Ich hastete die kurze Treppe hinunter und rannte an den Strand. Vor meinen Füßen plätscherten die kleinen Wellen über die Kiesel. Namenlose Furcht erfasste mich. Deutlicher als zuvor sah ich, dass es hinter den Bäumen brannte. Weiterhin schlug die Trommel ihren rasenden Klang.

»Odysseus, wo bist du? Hol mich hier heraus!«, schrie ich. Aber niemand antwortete. Ich blickte um mich wie ein gehetztes Tier. Die Bäume hoben sich deutlich gegen die Flammenwand ab. Über dem Feuer entstand heller Rauch, der sich auf den See senkte. Ich wusste nicht, was geschehen war, nicht einmal, wie ich es geschafft hatte, von den Monitoren meiner täglichen Arbeit zu fliehen. Ich hatte alles vergessen.

Was bedeutete dieses Feuer? Warum war Odysseus verschwunden? Wo befand ich mich überhaupt?

Ich spürte den feuchten Sand und die kleinen Kiesel unter meinen nackten Füßen. Die Idylle hatte sich in einen Kessel des Chaos verwandelt, der Himmel über mir war dunkel vom Rauch und ohne Sterne.

Die Trommel wurde leiser, je weiter ich rannte, aber ihr Klang hörte nicht auf. »Hier bin ich, Ody!«, schrie ich in rasender Furcht.

Das Feuer prasselte, der beißende Rauch würgte mich und nahm mir den Atem. Dennoch erkannte ich die schwache Stimme. »Wo bist du, Arcarea?« Odysseus' Ruf kam von überall und von nirgendwoher.

Ich stolperte und versuchte noch, mich abzufangen, aber ich fiel in die auslaufenden Wellen des Sees. Merkwürdig, dachte ich, es geht kein Wind, aber trotzdem bewegt sich das Wasser.

»Ich bin dort, wo du mich suchst!«, schrie ich, so deutlich ich konnte, raffte mich wieder auf und rannte stolpernd weiter. Ich rannte und rannte, verfolgt vom Tosen des Feuers und dem Trommelklang. Ich wusste, dass es nicht nur um mein Leben ging.

Nach hundert Schritten blieb ich stehen und schaute zurück. Die Flammen hatten das Haus erreicht, in dem wir eben noch zusammen gewesen waren. »Odysseus!«, schrie ich verzweifelt, denn ich sah von links ebenfalls eine Feuerwalze auf mich zurollen. »Ich sterbe, wenn du mich hier nicht herausholen kannst!«

Hustend rannte ich weiter, in die erstickenden Rauchschwaden hinein, zwischen Büsche, die mit brennenden Blättern nach mir schlugen, und irgendwie kondensierte sich in meinen verzweifelten Gedanken die Vorstellung, dass jenseits der Rauchfront Ruhe sein würde, die Erklärung für das Feuer und alles andere. Denn ich ahnte, dass dieses Geschehen zwar tödlich für uns alle, aber keineswegs real war.

In dem Moment trat ich in eine völlig veränderte, rauschhafte Welt ein. Ich fühlte mich seltsam frei und gelöst. Der Rauch verwandelte sich in leuchtende Gestalten, deren Ausläufer und Tentakel mich streichelten und mir die Illusion verschafften, dass ich noch nicht tot war.

Endlich erkannte ich, was geschehen war.

Die SOL war in die sechste Dimension gerissen worden, wir alle waren tot und verwandelt. Was jetzt noch handelte, sich fürchtete und reagierte, waren unsere Seelen – Schattenfiguren in einem Totenreich ohne Ausgang.

Ich taumelte weiter. Diese Welt bestand aus Formen und Farben, die ich noch nie gesehen oder geträumt hatte. »Odysseus!«, flüsterte ich noch, als ich stürzte. Es gab keinen Boden. Ich fiel in unergründliche Tiefe, durch einen endlosen Schacht. Ich verlor das Bewusstsein. Alles war zu Ende.

2.

 

 

Als die Welle des Wahnsinns Rhodan erreichte, verließ er die Zentrale und ließ sich im Antigravschacht nach unten tragen, dem Raum entgegen, in dem das Beraghskolth justiert wurde. Aber schon Sekunden später umfing ihn das Chaos, das aus der fremden Dimension ins Schiff eindrang.

Alles veränderte sein Aussehen. Ein einfacher Haltegriff wurde zur Schlange, die sich aufbäumte und ihm die spitzen Giftzähne ins Fleisch grub. Nur fünf Prozent seines Verstands waren noch in der Lage, die Vorkommnisse richtig zu sehen und zu kommentieren.

Rhodan schwebte nach unten, in den zylindrischen Verbindungsteil, ins Mutterschiff. »Ich muss die SOL retten, uns alle und unsere Idee.« Seine Worte hallten von den kahlen Wänden zurück und wurden zum Crescendo. »Ich muss mit Dobrak reden ...!«

Der matt erleuchtete Schacht verwandelte sich in einen korkenzieherartig gedrehten Schlauch, der in die Unendlichkeit zu führen schien. Die Lichtquellen wurden zu Sonnen und Planeten, die an ihm vorbeizischten und im Nichts verschwanden.

Rhodan hatte sich vorgenommen, das Schicksal zu beeinflussen. Seine Welt, die er seit mehr als eineinhalb Jahrtausenden mit aufgebaut hatte, lag in Trümmern, die Menschen waren ihrer Heimat entrissen und im Kosmos verstreut. Aber für die Söhne und Enkel wollte er das einstige Sternenreich wieder auferstehen lassen.

Die Zeit dehnte sich ungleichmäßig – einige Gedanken schlichen dahin, andere liefen wie ein rasender Film ab.

»Der Dimensionstunnel muss in die Freiheit führen!« Perry wich einem Planeten aus, der haarscharf vor ihm vorbeiraste. Diese Welt wirkte wie die wolkenlose Erde aus dem Weltraum gesehen, aber auch das war ein falscher Eindruck.

Ein schmetterndes Krachen schreckte ihn auf. Jede Zelle in seinem Körper wurde erschüttert, und der Schmerz schwemmte für einen Augenblick seine Illusionen und die Ängste fort. Sekundenlang, wie im Licht eines gewaltigen Blitzes, sah er den Schachtausgang vor sich.

Er griff nach den Wurzeln, die sich ihm aus einem borkigen Baumstamm entgegenstreckten, veränderte seinen Schwerpunkt und schwang sich hinaus in einen Korridor aus farbigen Gummiwänden. Jeder Schritt ließ ihn tief einsinken.

Rhodan schloss die Augen. Die Illusion wechselte von außen nach innen und umklammerte seine Gedanken – er sah sich selbst: ein Wurm, ein winziger Organismus, der versuchte, in einer feindlichen Umwelt zu überleben. Es war der Wurm, der sich einst aus einem irdischen Ozean ans Land gewagt hatte. Nun kroch er dahin, um mit einem Gegner zu kämpfen, der abstrakte Größe besaß.

Die Erfahrung befähigte Perry Rhodan, diesen Effekt einigermaßen zu verdrängen. Er ging den Korridor bis zum Ende und versuchte, alle Eindrücke zu ignorieren, die ihm nicht logisch erschienen.

Ich muss handeln!

Sein Ziel erschien nach Minuten, in denen er sich durch die Hölle bewegte. Er wanderte in einer kurzen Zeitspanne, die sich für ihn zur Ewigkeit ausdehnte, durch sein Leben. Eltern und Freunde sprachen mit ihm und sagten Dinge, die er längst vergessen oder verdrängt hatte. Die Kampfgefährten tauchten auf; es war wie ein Spießrutenlaufen durch die Abenteuer, die Zeit und die Ereignisse. Alle sprachen ihm Mut zu, aber sie hielten ihm auch seine Fehler vor, die nicht weniger zahlreich waren als die Triumphe.

Schneller! Weiter zum Beraghskolth!

Perry befand sich jetzt in einem Schiffssektor, der im Fokus der nicht mehr kontrollierbaren Energie lag. Er wusste es nicht, aber die SOL schwebte nur noch wenige hundert Kilometer von dem Aufriss entfernt, der sie endgültig und unwiderruflich in die sechste Dimension entführen würde. Nur die Triebwerke, deren Leistung sich längst im kritischen Bereich bewegte, stemmten das Schiff gegen die Strömung. Die letzten Reserven wurden verbraucht.

Eine unsichtbare Faust traf Rhodan zwischen die Schulterblätter. Er schrie auf. Aber die Kraft, die ihn vor sich her trieb, war nur für ihn überdimensional. Hätte jemand die Szene unbeeinflusst gesehen, er würde bemerkt haben, dass Perry Rhodan den letzten Korridor absolut »normal« durchschritten hatte.

Du hast die Verantwortung, die dir niemand abnehmen kann!

Endlich sah er vor sich die leuchtenden, schwebenden Segmente. Etwa vierzig Meter von ihm entfernt befand sich der Leitstand.

Die Illusionen verwehten, er sah alles wieder klar. Nach einigen schnellen Schritten, während er versucht hatte, seine Ruhe wiederzufinden, stand er vor dem halbmondförmigen Pult.

»Wie sieht es aus, Olw?« Seine Augen glitten über die Legion der Skalen und Anzeigen.

»Wir haben nicht mehr als zwei Drittel der Abstimmungen unter Kontrolle.«

Rhodan wandte sich an Dobrak. Er konnte nur ahnen, dass der Rechner ihn in Diagramme, Zahlenkombinationen und logische Gliederungen zerlegte. Deutlich und drängend sagte er über den Translator: »Ich fürchte, in einigen Minuten sind wir dort, wo die MORGEN ist. Es muss etwas geschehen!«

Er drehte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten. Der Hauptschalter für die endgültige Inbetriebnahme des Zapfstrahls stand noch auf Aus.

»Nur Minuten?«, fragte Olw alarmiert.

»Nicht mehr länger!«, sagte Rhodan hart. Wenn es sein musste, würde er das letzte Milligramm in die Waagschale werfen, das den Ausschlag brachte. Er streckte die Hand nach dem deutlich gekennzeichneten Sensor aus.

»Wir können für nichts garantieren!«, warnte Py.

»Aber ich kann garantieren, dass wir in Kürze verloren sein werden«, erwiderte Rhodan kompromisslos. »Jede Alternative ist besser.«

Tagelang war er hier gewesen und hatte mit sämtlichen Beteiligten geredet und beim Aufbau zugesehen. Jetzt schwebte seine Hand nur noch Millimeter über dem Sensorschalter. Sein Herz schlug einen rasenden Wirbel. Er schloss eine Sekunde lang die Augen, um sich vorzubereiten. Dann sagte er: »Alles, nur nicht verschwinden wie die MORGEN!«

Die Berührung des Sensors war flüchtig, kaum wahrzunehmen. Doch innerhalb der einundzwanzig Segmente entstand sofort ein Summen, es wurde heller, schraubte sich in die Höhe von Ultraschall hinauf und verschwand.

Ein dröhnender Knall erschütterte das Schiff. Es war eines der Geräusche, die jedes lebende Wesen fühlte und hörte, ein fast emotioneller Ton. Die SOL dröhnte wie eine angeschlagene Glocke.

Perry Rhodans Finger zitterten, aber er kam nicht einmal auf den Gedanken, dieses Zittern zu verbergen. Sein erster Eindruck war, dass die Farben verblassten. Dann schloss sich der furchtbare Rachen, der gierig nach den Menschen geschnappt hatte, der leuchtende Trichter zog sich in die Wand des Ballons zurück. Und auch hier lösten sich die Farben auf und wurden endlich wieder zum ruhigen Graublau.

Rhodans Blick glitt suchend weiter. Atemlose Stille herrschte. Alle starrten auf die Schirme, die den Übergang von der Ausbuchtung in den Dakkardimballon erkennen ließen. Es dauerte kaum länger als eine Minute, bis sich rund um die SOL eine riesenhafte Kugelschale aus Hyperenergie gebildet hatte. Die Ortungsechos der zgmahkonischen Suchflotte verblassten.

»Olw?« Rhodans knappe Frage zerbrach die unerträglich gewordene Anspannung. »Was ist dort draußen geschehen?«

Der Spezialist der Nacht drehte sich langsam um. Auch er konnte noch nicht glauben, was er sah. »Das Schiff wird von einem winzigen, selbstständigen Zwischenraum, einer Dakkardimkugel, eingeschlossen. Wir haben sozusagen das Ende des Auswuchses abgetrennt und ein Feld aufgebaut, das die SOL schützt.«

»Stabil?«

»Das weiß ich nicht. Ich brauche einen Ort, von dem ich als Wesensspürer die Kugelschale prüfen kann.«

»Nichts einfacher als das!« Rhodan betrachtete seine Hand. »Aber wir müssen zugleich den Einbau des Beraghskolths beenden.«

»Natürlich!«, sagte Dobrak.

 

 

Bericht Odysseus Halmarck

 

 

Urplötzlich schlug ich hart auf. Alles war verschwunden, die weite Ebene ebenso wie die am Horizont schwebende Silberkugel.

Erneut richtete ich mich auf und ließ den Blick schweifen. Als ich nach oben schaute und die Entfernung zur Decke abschätzte, wurde mir übel. Auf den gewundenen Rampen drängten sich Menschen. Aus den Seitengängen hörte ich Stimmen, und endlich erkannte ich, wo ich mich befand. Das war einer der großen Verkehrsknoten an Bord. Der Korridor vor mir führte zu Arcareas Arbeitsplatz. Ich schüttelte den Kopf, verzog das Gesicht, als ich wieder die Schmerzen spürte, und schlug den Raumhelm nach hinten.

In einer Ecke übergab sich ein junger Mann. Ein anderer lehnte an der Wand und stierte blicklos vor sich hin.

Ich begriff plötzlich alles. »Arcarea ...«, brach es aus mir hervor. Ich war losgerannt, um sie zu suchen, als die Illusion aus der anderen Dimension nach uns gegriffen hatte. Ich erinnerte mich auch an Dippos Worte und an die Funksprüche mit Arcareas Stimme.

Langsam setzte ich mich in Bewegung. Alle Menschen ringsum waren von den Illusionen aus ihrer normalen Umwelt herausgerissen worden. Ich entdeckte auf der Rampe über mir einen jungen Mann, der eine Frau stützte. Sie hielt den Kopf gesenkt, aber das dunkelgrüne Haar gehörte unverkennbar Arcarea Casalloni.

Nichts hätte mich aufhalten können. Ich hetzte die Rampe hinauf, aber bevor ich ihn erreichte, stolperte der Mann und klammerte sich mit der freien Hand ans Geländer.

»Fallen Sie nicht! Ich helfe Ihnen!«