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Robert Rauh

Fontanes Frauen

Fünf Orte - fünf Schicksale -
fünf Geschichten

Mit einem Nachwort von Gotthard Erler

 

 

 

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Für Re

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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© edition q im be.bra verlag GmbH, 2018

KulturBrauerei Haus 2

Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin

post@bebraverlag.de

Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin

Umschlag: hawemannundmosch, Berlin

 

ISBN 978-3-8393-2131-7 (epub)

ISBN 978-3-86124-716-6 (print)

 

www.bebraverlag.de

»Wenn es einen Menschen gibt, der für Frauen schwärmt,
und sie beinah doppelt liebt, wenn er ihren Schwächen und
Verirrungen (…) begegnet, dann bin ich es.«

Theodor Fontane in einem Brief vom 10. Oktober 1895

VORWORT
Elisabeth von Ardenne

Fontane war nie in Zerben. Aber der Dichter ist dort überall präsent. Genau genommen: seine Effi. Das kleine Dorf an der Elbe wirbt mit einer Effi-Tour, die Website nennt sich Effis Zerben. Fontanes weltberühmter Roman spielt aber nicht in Zerben. Effi schaukelte in Hohen-Cremmen. In Zerben wuchs ihr literarisches Vorbild auf: Elisabeth Baronin von Ardenne, geborene von Plotho, genannt Else. Mit dem Fräulein von Plotho lasse sich jedoch schwer werben, sagen die Marketingexperten im Ort. Effi dagegen kennt jeder. Und so finden es die Zerbener nicht bedenklich, dass die Besucher nach der Schaukel fragen. Sie steht jetzt vor dem Schloss – gesponsert vom ortsansässigen Tischler und von einer Fontane-Fan-Gruppe aus Westfalen. In Zerben verschwinden die Grenzen zwischen Leben und Literatur.

Dabei hat die Biografie der Baronin wenig gemein mit der fiktiven Romanfigur. Die junge Effi zerbricht an den Folgen ihres aufgedeckten Seitensprungs und stirbt. Else hingegen überlebte ihren Ausschluss aus der adligen Gesellschaft: Sie erlernte einen bürgerlichen Beruf und wurde 98 Jahre alt. Fontane kannte nicht einmal ihren Vornamen, geschweige denn dass er wusste, wo sie geboren und aufgewachsen war. Das musste er auch nicht, ihm reichten wenige Eckdaten. Er wollte eine literarische Gestalt erschaffen und keine Biografie verfassen.

Das vorliegende Buch erzählt das Schicksal der realen Effi – ausgehend von ihrem Geburtsort Zerben. Darüber hinaus widmet es sich vier weiteren Lebensgeschichten, die Fontane als Vorbilder für seine literarischen Frauengestalten dienten: Tochter Martha Fontane für Corinna Schmidt im Roman Frau Jenny Treibel; Grete Minde für die gleichnamige Novelle; Karoline de La Roche-Aymon für Gräfin Amelie von Pudagla im Roman Vor dem Sturm und für Prinzessin Goldhaar im ersten Wanderungen-Band sowie Charlotte von Arnstedt für die Krautentochter in Fünf Schlösser.

Insofern ist der Buchtitel Fontanes Frauen auf den ersten Blick vielleicht irreführend. Fontane war fast ein halbes Jahrhundert mit der gleichen Frau verheiratet und gestand sich – abgesehen von der Verlobungszeit, in der zwei Kinder zur Welt kamen – keine Seitensprünge zu. Zeitlebens hielt er sich jedoch für einen Menschen, der für Frauen schwärmt.

Den für dieses Buch ausgewählten Frauen ist eines gemeinsam: Sie haben, wie viele von Fontanes Frauengestalten, alle einen Knax weg. Das schreibt der Dichter selbst und kann es auch erklären: Der natürliche Mensch will leben, will weder fromm noch keusch noch sittlich sein. Von diesem Natürlichen fühlte Fontane sich angezogen. Er verliebe sich in seine Frauengestalten, nicht um ihrer Tugenden, sondern um ihrer Schwächen und Sünden willen. Dafür lieben Millionen Fontanes Bücher. Und nicht wenige identifizieren sich mit diesen unangepassten Frauen, weil sie keine Kunstprodukte ohne Echtheit und Natürlichkeit sind.

Ihre Biografien gleichen nicht normierten, gepflasterten Einbahnstraßen, sondern holprigen Pfaden, die querfeldein führen und auf denen die Frauen mehr als einen Schritt vom Wege wagen. Das gilt sowohl für die fiktiven als auch für die realen Frauen, deren Leben in diesem Buch erzählt wird. Es gibt allerdings auch einen entscheidenden Unterschied: Die Lebenswege der Vorbilder sind noch ereignisreicher als die der erdichteten Personen in Fontanes Werken.

Bei der Beschäftigung mit den Schicksalen der fünf Frauen haben sich mir eine Reihe spannender Fragen gestellt:

Ist Else ihre Ehe wirklich widerwillig eingegangen und war sie überhaupt in ihren Liebhaber verliebt? Wer war ihre Begleiterin im letzten Lebensdrittel in Lindau am Bodensee? Und hat die Baronin jemals Fontanes Roman Effi Briest gelesen?

War Marthas Schicksal als ewige Tochter und gesundheitlich leidende Frau vorgezeichnet oder hätte es für sie Alternativen gegeben? Und hat sie in Waren an der Müritz 1917 tatsächlich Selbstmord begangen?

Hat Grete Minde die Stadt Tangermünde angezündet oder hat sie ihren Mann dazu angestiftet? Was geschah nach ihrer Hinrichtung 1619 mit ihrem Sohn Balthasar?

Welche Rolle spielte Gräfin Karoline de La Roche-Aymon am Rheinsberger Hof des Prinzen Heinrich und auf dem Gut Köpernitz? War sie falsch und intrigant, wie ein Zeitzeuge ihr vorwarf? Welche Konsequenzen hatte ihre Affäre mit Prinz Louis Ferdinand, dem »preußischen Apoll«?

Warum gingen die drei Ehen der Krautentochter Charlotte in die Brüche und wie endete ihre Gutsherrschaft in Hoppenrade? Und was hat es mit ihrem Badehäuschen im geheimnisvollen Mon Caprice auf sich?

Für die Recherche habe ich mich nicht nur in die Archive begeben, sondern bin zu den Orten gereist, in denen die Frauen geboren, aufgewachsen oder gestorben sind und wo sie gewirkt haben. Dabei bin ich Menschen begegnet, die sich mit diesen Frauen beschäftigen oder sich ihnen auf vielfältige Weise verpflichtet fühlen. Und die in meinem Buch nun selbst zu Protagonisten geworden sind.

Am ungewöhnlichsten verlief meine Recherche in Mon Caprice, wo die Krautentochter aus Hoppenrade mit ihren Freundinnen – wie Diana und die Nymphen – baden ging und wo sich laut Fontane ein Badetempelchen befunden haben soll. Zwei der acht Einwohner in dieser abgeschiedenen Waldsiedlung streiten darüber, wo der Pavillon genau stand. Am Ende half nur die Überprüfung vor Ort, indem ich auf den am Ufer völlig zugewucherten See hinausschwamm. Nirgends ist der topografische Zugang spürbarer als auf der Seemitte in Mon Caprice.

Mit diesem Buch möchte ich meine Leser ermuntern, die beschriebenen Lebensorte der fünf Frauen aufzusuchen, um sich selbst ein Bild zu machen. Oder sie für eine Sommerfrische zu entdecken. Fontane hat es vorgemacht und bei seinem Aufenthalt in Waren 1896 eine erstaunliche Weitsicht formuliert: Warum in die Ferne schweifen […] die Menschen werden wieder anfangen, sich bei sich selbst zu erholen. Sie müssen ja nicht gleich in die Fluten des Moncapricesees steigen – Fontane ist auch nicht geschwommen.

 

Robert Rauh

Berlin, im Sommer 2018

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Die schaukelnde Effi, Zeichnung von Max Liebermann für die Buchausgabe Effi Briest von 1926

Es ist nämlich eine wahre Geschichte,
die sich hier zugetragen hat […]

Theodor Fontane an eine Leserin, 12. Juni 1895

DIE WIRKLICHE EFFI LEBT NOCH
Elisabeth von Ardenne

… das musst du schreiben
Else, Effi und Fontane

»Hier haben sie sich getroffen!«, ruft Sandra Hagen und deutet mit lang ausgestrecktem Arm auf ein Haus. Zwanzig Augenpaare folgen der angezeigten Richtung. Dann hebt die junge Studentin feierlich die Stimme: »Hier sind sich Theodor Fontane und Effi Briest begegnet.« Umgehend meldet sich eine Frau aus der Gruppe zu Wort: »Sie meinen doch sicher Elisabeth von Ardenne!?« »Ja, natürlich meine ich Elisabeth. Aber berühmt wurde sie als Effi«, antwortet Sandra. Weil es zu nieseln beginnt, holt sie einen Schirm aus ihrem Rucksack, spannt ihn auf und drückt ihn einem Mann in die Hand, der direkt neben ihr steht. »Damit meine Unterlagen nicht nass werden.«

Etwas bedröppelt verfolgt die Gruppe den Vorgang. Niederschläge waren für Berlin heute nicht vorhergesagt. »Auf Regen folgt ja Sonnenschein«, zitiert Sandra gut gelaunt aus einem Fontane-Gedicht, nestelt in ihren Papieren und zieht einen Notizzettel hervor. »Fontane besuchte regelmäßig den Salon von Emma und Carl Robert Lessing, die hier in der Dorotheenstraße 15 ihr Haus hatten. Und hier traf er um 1876 das junge Ehepaar Ardenne. Außerdem saß mit Friedrich Spielhagen ein weiterer Autor am Tisch, der das Schicksal Elisabeths literarisch verarbeitet hat. Sein Roman Zum Zeitvertreib geriet aber in Vergessenheit. Fontanes Effi Briest erlangte dagegen Weltruhm.« Die Augen der Germanistikstudentin leuchten. Angesichts des Nieselregens hält sich die Begeisterung der zwanzig Literaturtouristen in Grenzen. Sandra präsentiert jedoch einen weiteren Joker von Lessings Gästeliste. »Neben Fontane und Spielhagen war auch Max Liebermann hier.« Weil der Maler im Gegensatz zu Spielhagen allen etwas sagt, nicken einige aus der Gruppe.

Sandra scheint ihre Zuhörer wieder gefangen zu haben und fischt nun in Folien eingeschweißte Zeichnungen des Künstlers aus ihrem Rucksack. »Liebermann hat nach dem Tod Fontanes dessen Roman Effi Briest illustriert.« »Wirklich? Das wusste ich nicht«, meint eine ältere Frau, die sich ihr Halstuch um den Kopf gebunden hat. Die Gruppe rückt näher heran und Sandra zeigt als Erstes Liebermanns schaukelnde Effi. Für einen Moment scheint der Regen vergessen und die heile Welt in Hohen-Cremmen wachgerufen. Effi schaukelt unbeschwert im sonnendurchfluteten Garten des Briestschen Herrenhauses. In Berlin, Dorotheenstraße 15, wird die Husche zum Schauer. Sandra registriert den Ernst der Lage und fasst schnell zusammen: »Hier, im Hause der Lessings, sind also Fontane, Spielhagen und Liebermann der jungen Elisabeth begegnet.«

»Hier?«, ruft ein Mann missmutig. Er scheint angesichts der realen Umstände nicht bereit, den feierlichen Moment zu würdigen. Sein Einwurf lenkt den Blick wieder auf das Haus, vor dem die Gruppe vor ein paar Minuten, aus der Friedrichstraße kommend, einen Stopp eingelegt hat. Sandras Träger nimmt den Schirm zur Seite, um die Sicht freizugeben. Nun steht auch die Studentin im Regen. Niemand achtet mehr auf Liebermanns Zeichnung. Alle schauen auf den Neubau, der sich heute hier befindet und mit dem einst in schlichter Eleganz von Martin Gropius errichteten zweigeschossigen Stadthaus so wenig gemeinsam hat wie die wunderbare Szene in Lessings Salon mit der Realität.

Dabei wollte die Studentin, die in ihren Semesterferien von einer Reiseagentur für die neue Fontane-LiteraTOUR durch Berlins Mitte engagiert worden ist, den historisch, aber heute eher schmucklosen Ort in der Dorotheenstraße mit einer »tollen Geschichte« nur etwas »aufpeppen«. Über das Effi-Gipfeltreffen im Haus der Lessings hat sie beim Elisabeth-Biografen Manfred Franke gelesen. Auch andere Fontanisten erzählen gern von dieser ungewöhnlichen Begegnung. Franke greift jedoch zum Superlativ: Niemand ahnte, dass hier ein »Stoff«, zwei »Stoffverwerter« und ein Illustrator beisammen sitzen – eine Sternstunde der deutschen Literatur bereitet sich vor. Es wäre zu schön, um wahr zu sein.

Ist Fontane Elisabeth von Ardenne begegnet?

Zwar gehörten die Ehepaare Fontane und von Ardenne zur Abendgesellschaft von Emma und Carl Robert Lessing, Miteigentümer und Herausgeber der Vossischen Zeitung; vieles spricht jedoch dafür, dass sich Theodor Fontane und seine reale Effi weder in der Dorotheenstraße noch anderswo jemals persönlich begegnet sind.

Für ein mögliches Zusammentreffen kommt nur die Zeit zwischen Herbst 1875 und Herbst 1877 infrage. In diesen zwei Jahren wohnten Armand und Elisabeth von Ardenne in Berlin. Es war der zweite berufsbedingte Aufenthalt des jungen Ehepaares in der Hauptstadt. Wie die Ardennes Zugang zum Salon der Lessings fanden, ist nicht bekannt. Armand von Ardenne war zu der Zeit jedoch kein unbekannter Offizier mehr. Im Auftrag des »Roten Prinzen« Friedrich Karl, eines Neffen des Kaisers, hatte er die Geschichte des Zieten’schen Husaren-Regiments (1874) verfasst und so vielleicht die Aufmerksamkeit der Gastgeber auf sich gezogen. Der Klavier spielende Offizier, der seit 1875 im Generalstab der Königlich-Preußischen Armee diente, galt als vielversprechendes Talent.

Nicht überliefert ist zudem, ob die Ardennes regelmäßig bei den Lessings verkehrten. Sie können nicht oft dort gewesen sein, denn Elisabeth erwähnt in ihren autobiografischen Texten die Abendgesellschaft mit keinem Wort. Ungeachtet dessen konnte die 22-jährige Elisabeth ihren Mann auch nicht jedes Mal begleiten, weil sie am 4. Januar 1877 ihr zweites Kind zur Welt brachte.

Womöglich ist Fontane bei Lessings nur Armand von Ardenne begegnet. Ein solches Treffen ist belegt. In einem Brief an seine Frau Emilie vom Frühjahr 1880 ärgert sich Fontane über eine schlecht bezahlte Auftragsarbeit für die Vossische Zeitung: Er muss eine Zusammenfassung von Ardennes Geschichte über Zietens Husaren-Regiment schreiben. In diesem Kontext erinnert er seine Frau daran, dass der Autor Dein Tischnachbar bei Lessings gewesen sei. Sieben Jahre später, schreibt Fontane seinem Verleger Hertz 1895, fragt er Emma Lessing: »Was macht denn der?« Mit der meinte Fontane Armand – ein[en] Offizier, der früher bei Lessings verkehrte und den ich nachher in Innstetten transponiert habe. Auch gegenüber seinem Kollegen Spielhagen erwähnt er 1896 seine an Emma Lessing gestellte Frage: »Wo ist denn jetzt Baron A.?« fragte ich von ganz ungefähr. Emma Lessing habe geantwortet: »Wissen Sie nicht?« Dann hörte Fontane die Geschichte, die ihm später als Vorlage für Effi Briest diente. Übrings, glaube ich, schreibt er weiter an Spielhagen, wusste Frau Lessing den Namen der Dame nicht genau.

Fontane fragt nicht nach ihr, auch nicht nach dem Ehepaar, sondern er fragt nur nach ihm. Er kennt offenbar nicht mal ihren Namen und hat auch später keinen Kontakt zu Elisabeth von Ardenne. Fontane weiß nur, schreibt er im Oktober 1895 an Clara Künast, dass die wirkliche Effi übrigens noch lebt, als ausgezeichnete Pflegerin in einer großen Heilanstalt. Spielhagen hingegen, der mit Elisabeth von Ardenne korrespondierte, gedachte noch gern jenes liebenswürdigen Paares, das er im Hause Lessing kennenlernte.

Es ist bemerkenswert, dass Elisabeth vom Frauenbewunderer Fontane auch sonst nirgends erwähnt wird. Sie wäre ihm aufgefallen, ja, sie hätte ihm auffallen müssen: Aufgrund ihrer Ausstrahlung wurde die junge Baronin nur einige Jahre später in Düsseldorf der Mittelpunkt der Benrather Tafelrunde. Mit ihrem ganzen Wesen und ihren intensiven geistigen Anregungen hätte sie, schwärmt der Düsseldorfer Maler Walter Beckmann, auf alle in einer beglückenden Weise eingewirkt, dass ein jeder von dem Zeitpunkte an, wo er in ihren Bannkreis trat, fühlte, wie seine Schaffenskraft gesteigert wurde.

»Effi, komm«

Ist es wichtig zu wissen, ob Fontane seiner realen Effi tatsächlich begegnet ist? Die Frage hat ihre Berechtigung. Den Dichter interessierte ausschließlich der Stoff, den er gefunden hatte, als Emma Lessing ihm 1787/88 auf seine Frage nach Baron A. den Ardenne-Skandal erzählte. Allerdings hätte die Ehebruchgeschichte, von der es hundert andere mehr gäbe, keinen großen Eindruck auf ihn gemacht, schreibt Fontane an Marie Uhse im November 1895, wenn nicht die Szene bez. die Worte »Effi, komm« darin vorgekommen wären. Seinem Verleger Hertz hatte er bereits im März 1895 mitgeteilt, dass mit diesem Ausruf festgestanden hätte: »Das musst du schreiben.«

»Effi, komm« wird ein Leitmotiv des Romans. Fontane verwendet es gleich zu Beginn, als die Mutter Effi vom Spielen mit den Zwillingen Hulda und Hertha ins Haus holt. Frau von Briest teilt der völlig überrumpelten Tochter mit, Baron Innstetten, der vom Alter her ihr Vater sein könnte, hätte um ihre Hand angehalten. Effi, als sie seiner ansichtig wurde, kam in ein nervöses Zittern; aber nicht auf lange, denn im selben Augenblicke, fast, wo sich Innstetten unter freundlicher Verneigung ihr näherte, wurden an dem mittleren der weit offen stehenden und von wildem Wein halb überwachsenden Fenster die rotblonden Köpfe der Zwillinge sichtbar, und Hertha, die Ausgelassenste, rief in den Saal hinein:»Effi, komm.« An dieser einen Szene, schreibt Fontane an Marie Uhse weiter, würden auch Baron A. und die Dame erkennen, dass ihre Geschichte den Stoff gab.

Ob Emma Lessing genau diese Formulierung verwendete, ist nicht überliefert. Aber sie muss Fontane mit einigen Details über die Ardenne-Geschichte versorgt haben. Denn für die »Effi, komm«-Szene existiert eine reale Vorlage, die Elisabeth von Ardenne Jahrzehnte später auch in ihren autobiografischen Niederschriften festhielt: Schon wen[n] ich wilde Spiele mit meinem Fünf[er]gespann spielte, ich mich schnell vor den Zietenhusaren hinter dem Zaun versteckte, sagte mir der Schäfer, auf die herein reitenden Offiziere weisend, »mach man, dass du in’s Schloß kommst, sonst kriegst du keinen von denen noch aff.« Das kam mir nur lächerlich vor. Dagegen ärgerte ich mich wütend, sah ich unseren Carl, den Bedienten[,] suchend kom[m]en mit der üblichen Order »Elseken, mach rasch, daß du reinkom[m]st, Du sollst den Fähnrich Ardenne Klavier spielen hören, sagt die Frau Mama.« Wer mehr über den Störenfried geschimpft, die Jungens oder ich, kan[n] ich nicht mehr sagen.

Gemeinsam ist beiden Szenen, dass sowohl Elisabeth als auch Effi von ihren Müttern ins Haus geholt werden, damit sie ihren zukünftigen Ehemann kennenlernen. Und beide Szenen haben auch eine symbolische Bedeutung. Während das Draußen für das kindliche Spiel in der Natur steht, verweist der Innenraum auf die gesellschaftlichen Normen, denen sich die adligen Töchter zu fügen hatten.

Allerdings haben sich die Gemeinsamkeiten zwischen Effi und Elisabeth damit weitestgehend erschöpft. Fontane ging es nicht um den poetisierten Bericht eines Ehebruchs, ihn interessierte vorrangig, wie er dem Journalisten Friedrich Sephany 1894 schrieb, der Gesellschaftszustand, das Sittenbildliche, das versteckt und gefährlich Politische, das diese Dinge haben. Für die Gestaltung seiner fiktiven Heldin orientierte sich Fontane daher nur in groben Linien an der realen Person. Und dramatisierte deren Schicksal, wenn es seiner Intention diente. Bereits die unmittelbaren Folgen der berühmten »Effi, komm«-Szene sind nicht deckungsgleich. Während Effi sich in Hohen-Cremmen dem Druck der Eltern beugt und in eine sofortige Verlobung mit Baron Innstetten einwilligt, wies Elisabeth Fähnrich Ardenne zunächst ab. Effi ist nicht mehr in der Lage einzulösen, was sie den Zwillingen vor dem Betreten des Hauses noch zugerufen hatte: Spielt nur weiter; ich bin gleich wieder da. Elisabeth hingegen tollte noch ein paar Jahre unbeschwert auf dem Familiensitz in Zerben – bevor auch ihr Schicksal seinen Lauf nahm. Und in einer Katastrophe endete.

Wie wenig Fontane letztendlich von der realen Effi wusste, zeigt der Brief an eine unbekannte Leserin von 1895: Effi lebt noch ganz in der Nähe von Berlin. Vielleicht läge sie lieber auf dem Rondel in Hohen-Cremmen. Da irrt der Dichter. Elisabeth von Ardenne erlitt zwar das gleiche Schicksal, indem sie nach der Aufdeckung ihrer erotischen Liaison mit einem anderen Mann geschieden und aus der Gesellschaft ausgestoßen wurde, aber anders als Effi zerbrach sie daran nicht. Sie lebte ein völlig anderes Leben, als ihr durch die adlige Herkunft zugewiesen war. Aber sie ergab sich ihrem Schicksal nicht, sondern lebte weiter. Und wurde 98 Jahre alt.

Weil die reale Effi nicht aufgab, findet ihr Schicksal bis heute Bewunderung. Elisabeth Baronin von Ardenne, geborene Edle und Freiin von Plotho-Zerben (1853–1952), dient vielen Menschen als Identifikationsfigur. Liebevoll sprechen sie von Else, ein Name, den sie gar nicht mochte. Weil ein Onkel »Elisabeth« für ein ganz kleines Mädchen zu lang fand, wurde sie ein Leben lang – zu ihrem Leidwesen – nur Else gerufen. Letztendlich fügte sie sich – und unterzeichnete Briefe und Dokumente selbst mit »Else«.

Auf meiner Recherchetour erfahre ich aber zugleich, wie wenig über ihr bewegtes Leben bekannt ist und wie oft – auch in Veröffentlichungen – die Daten und Fakten ihres langen Lebens durcheinanderpurzeln. Was auch an Else selbst liegt: In ihren Erinnerungen handelt sie die dramatischsten Wochen ihres Lebens, in denen sie nicht nur ihren Liebhaber, ihren Ehemann und ihre Kinder, sondern auch ihr Leben als Adlige verlor, lediglich mit einem Satz ab.

Meine Spurensuche führt mich nach Zerben, dreißig Kilometer nordöstlich von Magdeburg, wo Elisabeth aufwuchs und ihre unglücklich Ehe einging, nach Schloss Benrath in Düsseldorf, wo sie sich in Emil Hartwich verliebte, nach Lindau am Bodensee, wo sie ihr letztes Lebensdrittel verbrachte, und auf den Stahnsdorfer Friedhof, wo sie 1952 begraben wurde. Im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften finde ich zu meiner Überraschung nicht nur die Kopie der Scheidungsklage, sondern auch ihre beiden – bisher nicht vollständig veröffentlichten – autobiografischen Niederschriften aus den 1930er Jahren. Und ich spreche mit dem offenbar letzten lebenden Zeitzeugen, der »Frau Baronin« noch persönlich gekannt hat.

Mein schönes sonniges Kinderland
Elses Zerben

An keinem Ort sind die Grenzen zwischen Effi und Else, zwischen Dichtung und Wahrheit, so fließend wie in Zerben. Zumindest auf den ersten Blick. Dort wirbt man zwar im Internet mit Schloss Zerben, dem glamourösen und geschichtsträchtigen Geburtshaus der Elisabeth von Plotho, aber die entsprechende Website heißt Effis Zerben, vor Ort wird die Effi-Tour angeboten. Es soll einen Heimatkreis Effi Briest und im Schloss ein Effi-Briest-Museum geben. Effi kennt schließlich jeder. Aber Elses Zerben?

Zerben, dachte ich immer, liegt natürlich in Brandenburg. Wo sonst soll die reale Effi zur Welt gekommen sein? »Da habense wohl in Heimatkunde nicht aufgepasst.« Das ist keine Frage, sondern die Feststellung eines Ur-Zerbeners. Ihm begegne ich am Dorfeingang, als ich das Ortsschild fotografiere und unaufgefordert von meiner jahrzehntelangen Wissenslücke berichte. Nun halte ich es schwarz auf gelb in der Smartphone-Ewigkeit fest: Zerben – Gemeinde Elbe-Parey – Landkreis Jerichower Land. »Vergessense nicht das Bundesland! Wir sind hier nicht in Brandenburg, sondern in Sachsen-Anhalt«, sagt der Mann, der an dem Schild jeden Morgen mit seinem Hund Rollo vorbeiläuft und nun kopfschüttelnd das Berliner Kennzeichen meines Autos betrachtet. Meine heimatkundliche Unkenntnis lässt ihm offenbar keine Ruhe. »In Bayern habense längst ein Heimatministerium; im Osten scheint dit wohl nicht nötig.« Ich überlegte kurz, ob es Sinn macht, an einem kühlen Morgen acht Tage vor Weihnachten am Ortseingangsschild von Zerben über Heimat zu diskutieren. Rollo will zum Glück weiter und Herrchen erteilt Absolution: »Als Else von den Plothos hier geboren wurde, da gehörte Zerben noch zu Brandenburg«, sagt er mit einem milden Lächeln, »aber zum Staat Brandenburg-Preußen. Seit 1680 übrigens.«

»Das wusste ich allerdings«, versichere ich schnell.

»Gute alte Bildung«, sagt der Mann erfreut und fügte hinzu: »Würdense heute zur Schule gehen, würdense nicht mal das mehr erfahren.«

Ich nicke tapfer. Während ihn sein Hund langsam weiterzieht, frage ich noch schnell: »Und wo geht’s zum Schloss?«

»Sie haben doch Navi!« Rollo hat längst das Kommando übernommen.

Weil es im Ort Hinweisschilder gibt, ist der Weg zum Schloss leicht zu finden. Fährt man über Elbe-Parey nach Zerben, bleibt man nach dem Ortseingangsschild auf der Pareyer Straße und biegt, kurz nachdem sie zur Karl-Marx-Straße wird, rechts in den schmalen Weg »Am Park« ab. Er führt um den kleinen Schlosspark herum, direkt vor das Schloss. Schloss? Genau genommen sind es die Reste: zwei Gebäudeflügel, die sich unverbunden gegenüberstehen. Weil der gesamte Mittelteil fehlt, klafft zwischen ihnen eine große Lücke, die den Blick auf die dahinterliegenden Elbauen freigibt. Allenfalls die Fassade der beiden zweistöckigen Flügel und deren rote Spitzdächer erinnern daran, dass es sich um ein repräsentatives Haus gehandelt haben muss. Was davon noch übrig ist, kann sich jedoch sehen lassen. Die restaurierte Fassade der beiden Gebäudeflügel strahlt mit ihrem blassgelben Anstrich und den grünen Fensterläden in neuem Glanz.

Als ich aussteige, überwältigt mich die Ruhe. Das 300-Seelen-Dorf Zerben wirkt an diesem Samstagvormittag wie ausgestorben. Niemand ist zu sehen. Nicht mal ein Hahn kräht. Aber im Schloss bin ich angemeldet. Mit Ortsbürgermeister Dietmar Kohrt ließ sich unkompliziert ein Termin vereinbaren: »Meine Schlossführer stehen am 16.12.17, um 11:00 Uhr, für Sie bereit und erwarten Sie.« Jeder Interessierte kann eine Führung buchen; für mich ist sie heute exklusiv. Ich parke das Auto neben dem Westflügel, aus dem jetzt ein Mann tritt und mir langsam entgegenkommt. Freundlich reicht er mir die Hand, stellt sich als Manfred Kohrt vor und bejaht nur knapp meine Frage, ob er der Vater des Ortsbürgermeisters sei. Er führt mich in einen großen Raum, in dem zwei weitere Schlossführer warten: seine Frau Heidrun und Margred Baumert, die im Schlossführerteam als Else-Kennerin fungiert. An einer Wand hängen in vergoldeten Rahmen Porträts von Elisabeth von Ardenne, geborene von Plotho, und ihren zwei Männern: Ehemann Armand von Ardenne und Liebhaber Emil Hartwich. Ein Fontane-Bild ist nicht zu sehen.

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Schloss Zerben, 2017

Früher, unter den Plothos, hieß der Raum der »Rote Salon«; heute finden hier Veranstaltungen und Hochzeiten statt; die Zerbener nennen ihn Luisencafé – »in Erinnerung an die vielen Luises in den Vornamen der weiblichen Plothos«, erklärt Baumert.

Der Raum, der durch alte Holzbalken unterteilt wird, ist vollgestellt mit mehreren Stuhlreihen und kleinen Stehtischen. Der hintere, kleinere Teil wird für Trauungszeremonien genutzt. Es gibt noch ein Trauzimmer im ersten Stock, aber die Bräute kamen mit ihren immer üppiger werdenden Hochzeitskleidern nicht mehr die schmale Treppe hinauf. Mit seinem kräftigen bordeauxroten Anstrich, eine Reminiszenz an den »Roten Salon«, einem riesigen, silbergerahmten Spiegel an der Stirnwand und mit zwei davorstehenden, in weißes Tuch gehüllten Stühlen bedient dieses Hochzeitsabteil den gewünschten Kitschfaktor, verstärkt noch durch zwei fünfarmige Kerzenleuchter, die auf den Holzbalken platziert sind und deren zehn Kerzen vor meiner Ankunft angezündet wurden.

Manfred Kohrt bittet mich, in der ersten Reihe direkt gegenüber dem kleinen bordeauxroten Trauzimmer Platz zu nehmen, und beginnt den Ablauf zu erklären. Zunächst wolle er mich kurz über die Geschichte Zerbens informieren, dann halte Frau Baumert einen Vortrag über Else und anschließend würden sie mich durch den Westflügel des Schlosses führen. Ihr Anliegen sei es, erklärt er, bei den Führungen gerade die Unterschiede zwischen Effi und Else herauszustellen. Allerdings schraubt er die Erwartungen gleich wieder herunter: »Wir sind nur Amateure.« Dafür sind die drei jedoch erstaunlich gut informiert und verstehen die Geschichte ihres Ortes unterhaltsam und anschaulich zu präsentieren. Rollos Herrchen hätte, wenn er nicht längst alles wüsste, seine Freude an dieser Art von Heimatkunde. Manfred Kohrt hat immer eine Pointe auf Lager; so sagt er mit Verweis auf meine Berliner Herkunft über die Zerbener: »Wir sind Randberliner, uns fehlt nur der U-Bahnanschluss.« Margred Baumert, die Else-Kennerin, hat jede Menge Fotos und Dokumente in einer Mappe dabei. Seit Jahren engagieren sich die drei ehrenamtlich – für Else, Zerben und das Schloss. Lediglich Kohrts Outfit – Lederjacke, Jeans und Sneaker – will nicht so recht ins Raumambiente passen. Vielleicht bleibt er auch deshalb am Rand und stellt sich später nicht wie Margred Baumert in die Hochzeitskulisse. Mit ihrer glänzenden Bluse, ihrem auffälligen Halsschmuck, einer großen silbernen Kette mit Weintraubenzweigen, und ihrer hellen, freundlichen Stimme wirkt sie wie eine Standesbeamtin, die allen Menschen nur Gutes wünscht.

Eine Hochzeit wider Willen?

Geheiratet hat hier auch die 18-jährige Elisabeth von Plotho. Schloss Zerben war nicht nur ihr Geburts- und Elternhaus, sondern auch der Ort ihrer Trauung. Im Archiv findet sich die von der Mutter in Auftrag gegebene Einladungskarte für die Hochzeit: Marie Freifrau von Plotho beehrt sich […] zu der am 1. Januar 1873 stattfindenden Trauung ihrer Tochter Elisabeth mit dem Königlichen Lieutnant im Zieten-Husaren-Regiment Nr. 3 Herrn Freiherrn von Ardenne und dem darauf folgenden Diner ergebenst einzuladen. Wie es aussah, wenn man im Zerbener Schloss zum Diner vorfuhr, lässt sich anhand alter Fotos erahnen. Die noch erhaltenen West- und Ostflügel verband ein repräsentativer Gebäuderiegel, der in der Mitte durch einen spitzen Turm gekrönt war. Auch die beiden Flügel zierten Türme. Und die Dächer des dreiflügligen Schlossensembles, das um 1877 errichtet wurde, waren mit typischen Renaissance-Giebeln ausgestattet.

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Schloss Zerben, Postkarte, um 1930

Erhalten geblieben ist neben Ost- und Westflügel auch der Ausblick. Auf der einen Seite schaut man in den heute denkmalgeschützten Park, in dem Ahornbäume, Eichen, Akazien, Kastanien und ein uralter Holzapfelbaum stehen. Weil eine Rotbuche und ein seltener Lederhülsenbaum nicht denkmalgerecht waren, mussten sie kurzerhand gefällt werden – sehr zum Bedauern von Margred Baumert, die meint, Geschichte wachse doch auch weiter. Auf der anderen Seite des Schlosses blickt man über die weiten Elbwiesen. Die Landschaft war reich, aber häßlich, kommentiert Elisabeth in ihren Erinnerungen knapp.

Auch der Hochzeitstag ist ihr – im Gegensatz zu äußerst detailliert geschilderten Kindheitserlebnissen – keine Beschreibung wert. Kein Wunder: Schon der Weg in die Ehe war holprig und alles andere als romantisch. So richtig gewollt hat die Ehe ohnehin nur einer, der Bräutigam Armand von Ardenne. Elses Mutter fädelte die Verbindung zwar ein, aber sie zwang ihre Tochter nicht. Armands Vater zeigte sich äußerst skeptisch und erlegte den Verlobten später eine Wartezeit auf. Und Else gab Armand zunächst einen Korb. Die Zurückweisung der damals erst 14-Jährigen hatte womöglich gar nichts mit ihm zu tun. Elisabeth erinnert sich später, dass sich der Klavier spielende Husar aufgrund besonderer Klugheit u[nd] Bildung aus dem Kreis seiner Kameraden, die nach Zerben eingeladen wurden, hervorgehoben habe.

Die am 26. Oktober 1853 als Jüngste von fünf Kindern, vier Töchter und ein Sohn, geborene Else war ein verspieltes Naturkind. Sobald sie der Gouvernante entfliehen konnte, tobte sie mit den von mir bevorzugten 5 Buben herum, die auf einen Pfiff von mir eilfertig erschienen. Das Pfeifen hatte sie vom Gärtner gelernt, die Buben stammten aus Zerben. Das ungezwungene Verhältnis zum Personal und zur Dorfjugend erklärt Elisabeth mit dem frühen Tod ihres Vaters, der überraschend starb, als sie noch keine elf Jahre war. Sie schreibt, dass der Verlust ihr neben vielem Traurigerem und Schwerwiegendem auch eine sehr viel größere Freiheit verschaffte – die sie gründlich auszunutzen verstand. Mit ihrem lebhaften Wesen erinnert die kleine Else nicht nur an Effi, die Tochter der Luft, sondern auch an Fontanes Tochter Martha, die, wie ihr Vater besorgt diagnostizierte, an der Kletterkrankheit litt. Mit zwölf brach sich Else den Arm, als sie wieder einmal ganz wild herumsprang. Es war nicht der letzte Unfall.

Elses Temperament und die ungezwungene Erziehung ließen sie schon frühzeitig Autoritäten infrage stellen. Der Pfarrer galt als kein weiser Führer, weil ihm die Fragen der Konfirmanden leicht unbequem waren und er sie mit der Antwort abfertigte: »Darüber denkt man nicht nach.« Und von der Erzieherin habe sie nichts gelernt, weil sie sich im Unterricht meist recht gelangweilt u[nd] unwissend gegenüber saßen. Als noch alberner empfand die Schülerin ihre Privatlehrerin, wen[n] sie mir, um mich anzuspornen, in der Klavierstunde sagte, »ich weiß, Ardenne heiratet dich doch mal«. Die Lehrerin sprach offenbar nur aus, wovon in Elses Umgebung alle ausgingen – und was die Mutter längst plante. Else ärgerte sich, wenn der Diener Carl sie beim Spiel mit der üblichen Order störte: »Elseken, mach rasch, daß du reinkom[m]st, Du sollst den Fähnrich Ardenne Klavier spielen hören, sagt die Frau Mama.«

Armands Avancen

Maria von Plotho (1822–1892) sah sich nach dem Tod ihres Mannes, der 1864 bei einem Jagdunfall ums Leben kam, vor eine doppelte Herausforderung gestellt: einerseits das Gut bis zur Übernahme durch den zu diesem Zeitpunkt noch halbwüchsigen Sohn Wolfgang zu leiten und andererseits die Zukunft der vier Töchter möglichst frühzeitig mit gut situierten Ehemännern abzusichern. Für Else hatte die Mutter Armand Léon von Ardenne (1848–1919) ausgewählt. Der Fähnrich, fünf Jahre älter als Else, absolvierte gerade seine Offiziersausbildung bei den Zieten-Husaren in der brandenburgischen Garnisonsstadt Rathenow, rund fünfzig Kilometer von Zerben entfernt. Er gehörte zum Kreis der Husaren, die regelmäßig von Marie von Plotho auf Gut Zerben eingeladen waren. Allerdings hatte der junge karrierebewusste Offiziersanwärter ein Problem: Im Gegensatz zu den Plothos, einem alten ostelbischen Adelsgeschlecht der Mark Brandenburg, deren erste urkundliche Erwähnung in das Jahr 1135 zurückreicht, entstammte er einer belgischen Familie, die erst 1857 geadelt worden war. Der Vater kam als junger Kaufmann nach Leipzig und avancierte nach der Entstehung des belgischen Staates 1830 zum Generalkonsul für das Königreich Sachsen.

Der 1848 in Leipzig geborene Armand besuchte die renommierte Thomasschule, ein humanistisch-altsprachlich und musisch geprägtes Gymnasium. Frühzeitig entschied sich der ehrgeizige junge Mann für eine Offizierslaufbahn in Preußen. Weil ihm dort die Anerkennung des Barontitels fehlte, waren seine Aufstiegsmöglichkeiten im Militär jedoch von vornherein begrenzt. Daher habe sich Elses Mutter Maria, so eine Vermutung der Familie von Plotho, dafür eingesetzt, dass Armand auch den preußischen Barontitel erhielt. Es dürfte kein Zufall sein, dass die spätere Ernennung ausgerechnet im Jahr der Hochzeit erteilt wurde. Allerdings existieren keinerlei Belege für eine derartige Absprache zwischen Maria und ihrem Schwiegersohn in spe. Ohnehin war der Eheplan zunächst rasch Makulatur, weil sich Else einer Beziehung mit Armand zunächst verweigerte.

Als sich die 14-jährige Else und der 19-jährigen Armand unverhofft in dem Zerbener Entrée sehr verlegen zum ersten Mal sahen, huschte sie schnell davon, und er brachte, offenbar gehemmt, kein Wort heraus. Zwanzig Jahre später bekannte er gegenüber seiner Mutter, dass schon die kleinen Mädchen in der Tanzstunde mich nicht leiden konnten. Mit 15 Jahren wurde Else in die Gesellschaft eingeführt und durfte nun an den Bällen in den umliegenden Garnisonsstädten teilnehmen. Ob sie dort von Armand zum Tanz aufgefordert wurde, berichtet Elisabeth nicht, aber sie schildert ausführlich einen gemeinsamen Ausritt über die Elbwiesen, bei dem sich die Kommilitonen ihres Bruders mit den Zieten-Husaren messen wollten und an dem sie teilnahm. Sie ritt Armands brilliant zugerittenes Pferd. Vor einem Graben wandte sie sich dem Fähnrich zu und fragte: H[err] v[on] A[rdenne]soll ich ihn nehmen? Seine ängstliche Antwort »um Gottes Willen nein« reizte die tollkühne Else erst recht. Das Pferd sprang über den Graben, die Reiterin verlor den Halt und stürzte vom Pferd. Es setzte ein heilloses Durcheinander ein. Ihre Schwester sprintete mit ihrem Verehrer nach Zerben, ihr Bruder zum Arzt nach Parey und ein anderer zur Elbe, um Wasser zu holen. Nur Ardenne hat mich Leblose in seine Arme genommen, giebt mich erst ab, wie Mama mit dem Wagen kommt. Armand hätte aus den Elbwiesen als Lebensretter aufsteigen können, aber er erhielt einen Platzverweis.

Elisabeth, die als geschundener Raubritter eine leichte Gehirnerschütterung erlitt und Bettruhe halten musste, berichtet, der Reitunfall hätte schnell die Runde gemacht – und man sprach uns bereits verlobt. Else muss bei ihrer Mutter vehementen Einspruch erhoben haben, denn Maria von Plotho bat den Fähnrich nun schriftlich, sich von ihrer Tochter fernzuhalten. Letzte Gewissheit, dass Else nicht in ihn verliebt war, erhielt Armand über einen Freund, dessen Brief in Frankes Elisabeth-Biografie zitiert wird. Der Freund hätte in Erfahrung gebracht, dass Fräulein von Plotho mit Tränen in den Augen gesagt habe, dass leider viele Männer in ihrer Liebe zu blind seien, um feine Andeutungen zu verstehen, und deutlich die Abneigung zu zeigen verbiete oft der Anstand. Auf Nachfrage hätte Else ihm bestätigt, dass sich die Aussage auf Armand bezog. Statt die Ehe mit allen Mitteln durchzusetzen, hat sich Maria von Plotho als Mutter gezeigt, die die Gefühle ihrer Tochter respektierte. Es schien, als wäre Armand von Ardenne im Hause Plotho bereits Geschichte. Dann kam der Krieg.

»Ein Ruf wie Donnerhall«

Es ist eines der Rätsel im Leben der Elisabeth von Ardenne, warum es nun doch, zwei Jahre später, zu einer erneuten Annäherung kam. Was sich sagen lässt: Sie steht im engen Zusammenhang mit der emotional aufgeladenen Stimmung im Vorfeld des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Von der allgemeinen Euphorie unter den Soldaten in den umliegenden Garnisonen wurde auch das Fräulein von Plotho erfasst. Elisabeth berichtet rückblickend, dass sie von den Lippen der in den Krieg ziehenden Zieten-Husaren zum ersten Mal das Lied vom Rhein gehört habe. Wahrlich, es »brauste ein Ruf wie Donnerhall« durch ihre wie unsere Herzen. Elses Schwester, die bereits mit einem Offizier verlobt war, bestand darauf, sich vorher trauen zu lassen. In Stechow, wo ein Onkel sein Gut besaß und die Not-Trauung stattfand, wurde zugleich ein würdiger, dem alten Märkerhaus angepasster Abschied für die in den Krieg ziehenden Soldaten – unter ihnen auch Armand – zelebriert. Die Hausfrau las einen Spruch aus der Hausbibel, gab jedem die Hand [und einen] letzten segnenden Gruß. In dieser Situation fand Else die Gelegenheit, Ardenne einen Spruch zu geben, mit der Bitte[,] nicht zu tollkühn zu sein. In der zweiten autobiografischen Fassung ihrer Lebensgeschichte von 1934 schreibt sie, es handelte sich um einen selbst geschriebenen Bibelspruch. Und ergänzt, die Übergabe sei ein zu unserer Zeit schon – verwegenes Wagnis, in der Heimlichkeit. Was hatte Else zu diesem Sinneswandel bewogen? War es die aufgewühlte Vorkriegsstimmung, in der sie ihre ursprüngliche Abneigung gegenüber Armand verdrängte, oder hatte die Mutter erneut versucht, Einfluss zu nehmen und Else zu einem solchen Schritt sogar ermutigt? Elisabeth lässt den Leser im Unklaren. Abgesehen davon ist bemerkenswert, dass jetzt Else aktiv geworden war und von sich aus den Kontakt wieder aufnahm. Armand hatte nach der schriftlichen Aufforderung der Mutter jegliche Werbung um Else eingestellt und musste nun reagieren. Und das tat er auch.

Obwohl Elisabeth schreibt, sie hätte Ardenne den Bibelspruch in aller Heimlichkeit zugesteckt, muss Maria von Plotho eingeweiht gewesen sein. Denn Armand hatte anschließend darum gebeten, ihrer Mutter, nicht Else, schreiben zu dürfen. Als die Feldpostbriefe Ardennes in Zerben eintrafen und Maria ihrer Tochter daraus vorlas, merkte Else, dass die Mutter einige Passagen übersprang; sie fasste sich ein Herz und erbat sich die Stellen. Die Mutter kam der Bitte mit den Worten nach »es ist wohl richtiger, Du lernst ihn daraus kennen«. Elisabeth befand rückblickend, dass die Briefe, gut geschrieben u[nd] voll Poesie und schönster Erinnerungen, mir natürlich gefielen. Da sie nicht erhalten sind, kann nur gemutmaßt werden, in wieweit Armand seine Kriegserlebnisse für Else beschönigt hat. Folgt man ihrer Gedankenwelt bis ins hohe Alter, offenbart sich eine latente Kriegsschwärmerei, die bis in den Zweiten Weltkrieg reichte.

Schon kurz nach Kriegsbeginn holte den poetisierenden Offizier die Realität ein. Im Oktober 1870 traf Armand eine Kugel in die Wade. Elisabeth berichtet, er sei anschließend zur Heilung ins Elternhaus nach Leipzig gebracht worden. Dort setzte er bei seinem Vater die Erlaubnis der Verlobung durch, die dann am 7. Februar 1871 vollzogen wurde, nachdem Armand wieder nach Rathenow kommandiert worden war. Die Feier fand an dem Ort statt, an dem Else Armand den Bibelspruch zugesteckt hatte – in ihrem geliebten Stechow, im blauen Zimmer unter Palmen und den herrlichsten Gewächsen. Hatte Armands Vater bei der Verlobung noch nachgegeben, blieb der belgische Generalkonsul beim Hochzeitstermin eisern. Weil er aus Erfahrung lebend die beiden für zu unfertig für den ernsten Schritt hielt, verlangte der gute Schwiegervater drei Wartejahre. Misstraute er seiner künftigen Schwiegertochter? Oder ahnte er, was sein Sohn 1886, kurz vor der Scheidung, über Elisabeth in einem Brief an seine Mutter schreiben wird: Seine Frau hätte ihm gestanden, dass sie mich nie geliebt hat und selbst als Braut daran gedacht hat[,] unsere Verlobung aufzulösen. Warum – darüber schweigt Elisabeth in ihren Erinnerungen. Auch zu der Frage, warum sie bei Armand blieb.

Vielleicht hilft hier Effi Briest. Wenn man den Westflügel von Schloss Zerben betritt, läuft man über einen mit roten Ziegelsteinen geschmackvoll gepflasterten Vorplatz, auf dem eine Platte eingelassen ist, die das Rondell eines jungen Baumes umrahmt. In diese Platte ist mit großen Lettern ein Romanauszug graviert: Ich bin für gleich und gleich und natürlich auch für Zärtlichkeit und Liebe. Und wenn es Zärtlichkeit und Liebe nicht sein können, […] dann bin ich für Reichtum und ein vornehmes Haus. Die standesbewusste Else wollte bis zum Ende mit »Frau Baronin« angesprochen werden. Den Titel bekam sie durch Armand.

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Armand und Elisabeth von Ardenne, 1873

Dem Bräutigam gelang es, den Vater zu überzeugen, die Wartezeit auf zwei Jahre zu verkürzen. Im Nachhinein ist klar, warum er die Ehe forcierte: Er wollte verhindern, dass Else es sich doch anders überlegte. Der Hochzeitstag wurde gleich auf den ersten Tag des erhandelten Jahres gesetzt. Getraut wurden die beiden am 1. Januar 1873 in der Kirche von Zerben, gefeiert wurde im Schloss. Mit der Hochzeit endete Elses unbeschwerte Zeit in ihrem geliebten Zerben, ihr schönes son[n]iges Kinderland. Bereits die Hochzeitsnacht verbrachte sie in Berlin, wo das junge Paar eine von ihrer Mutter liebevoll eingerichtete Wohnung bezog. Welche Gefühle Else gegenüber Armand hegte, ist ihr Geheimnis geblieben. Die Ehe hielt vierzehn Jahre. Auf dem Papier.

Was vom Schlosse übrig blieb

Nach Zerben kehrte Else immer wieder zurück. So berichtet Elisabeth in ihren Erinnerungen, sie habe ihren Sommerurlaub in Zerben bei meinem Bruder verlebt. Ihr Bruder Wolfgang (1849–1926) hatte das Gut inzwischen von der Mutter Maria übernommen und ab 1878 mehrere Umbauten im Schloss vorgenommen. Aber er agierte glücklos. Elisabeth liefert für den Zusammenbruch von unserem geliebtem Vaterhaus Zerben keine Erklärung. Man erfährt nur, dass sie 1888/89 ihren Erbteil auf Bitten meines Bruders in den sich schon öffnenden Zerbener Abgrund geworfen habe. Unsere Schlossführer wissen mehr: Wolfgang hatte Schulden, zum einen aufgrund der Übernahme von Bürgschaften für seinen Schwager, den Mann seiner Schwester Luise von Gersdorff, aus dem benachbarten Gut in Jerichow, und zum anderen durch Missernten infolge von Elbüberschwemmungen, die nicht nur Zerben regelmäßig heimsuchten. Im Frühjahr 1888 wurde beispielsweise die gesamte Zerbener Feldmark überschwemmt. Das Wasser sei in einen großen Theil unseres Dorfes eingedrungen, meldete das Genthiner Wochenblatt am 20. März 1888. In der vor noch nicht langer Zeit errichteten Ziegelei des Herrn v. Plotho, welche bereits bis an das Dach im Wasser steht, soll gestern in Folge dessen ein Pferd ertrunken sein. Elses Bruder musste Schloss Zerben aufgeben und bezog das vom Vater errichtete Jagschlösschen in Pennigsdorf, nur wenige Kilometer von Zerben entfernt. Es wurde nach 1945 von der russischen Besatzungsmacht abgerissen. Gut Zerben verpachteten die Plothos 1893 an den Amtmann Friedrich Heinze, der das Schloss 1911 auch kaufte und dessen Familie bis 1945 Eigentümer blieb.

Bei Kriegsende wurde Schloss Zerben zwar geplündert, aber nicht zerstört. Zunächst nutzte es das russische Militär, dann Flüchtlingsfamilien aus dem Osten. Kurz darauf fiel es dem Befehl Nr. 209 der Sowjetischen Militäradministration zum Opfer. Danach sollten in der SBZ Adelssitze zur Gewinnung von Baumaterialien für die durch die Bodenreform geschaffenen Neubauernwirtschaften abgerissen werden. Schloss Zerben verlor 1948/49 seinen prunkvollen Mittelteil. Die Baumaterialien verwendete man für die Errichtung von Neusiedlungshäusern und Stallungen. Die übrig gebliebenen Flügel wurden wie viele einstige Güter der »preußischen Junker« in der DDR als Volkseigentum genutzt: Ins Schloss zogen die Gemeindeverwaltung, das LPG-Büro, ein Kindergarten und eine Gaststätte. Außerdem gab es einen Raum, in dem einmal die Woche ein Frisör die Haare der Dorfbewohner frisierte, und das Schwesternzimmer, in dem eine Krankenschwester an bestimmten Tagen Mütter beriet und deren Kinder medizinisch versorgte.

Zudem richtete die Gemeinde in den beiden Flügeln Wohnungen ein, die bis in die 1990er Jahre genutzt wurden. Auch Margred Baumert wohnte in den 1970er Jahren acht Jahre im Schloss. Ihrer kleinen Familie gehörten anderthalb Räume im ersten Stock des Westflügels. Heute befindet sich dort das erste Trauzimmer – ganz in Blau. Über die damaligen hygienischen Verhältnisse kann sie heute nur schmunzeln: Es gab einen Wasseranschluss im Flur und eine Toilette, ein Plumpsklo – für alle.

In der DDR interessierte sich kaum jemand für die Historie des Gebäudes und für den Erhalt des ehemaligen Herrenhauses standen im Arbeiter- und Bauernstaat keine Mittel zur Verfügung. Obwohl Effi Briest in den Erweiterten Oberschulen der DDR Abiturstoff war, wussten nur wenige in Zerben, dass das historische Vorbild für Effi in ihrem Ort aufgewachsen war. Baumert kann sich daran erinnern, dass eines Tages Anfang der 1970er Jahre – sie war noch ein Kind – ein adrett gekleideter Herr mit seinem Tatra ins Dorf einfuhr. Er hielt bei den spielenden Kindern, die neugierig den Luxuswagen tschechoslowakischer Produktion umringten, und fragte nach dem Schloss, in dem seine Großmutter geboren und aufgewachsen sei. Schloss? Die Kinder schauten den vornehmen Fremden ratlos an und schickten ihn ins Gemeindebüro … also zum Schloss. Dort stellte er sich als Manfred von Ardenne vor. Die Bürgermeisterin, Baumerts Mutter Frida Kohls, kannte den berühmten DDR-Forscher aus Dresden – und auch die Geschichte seiner Großmutter, Elisabeth von Ardenne. Der Enkel erbat ein Andenken von Else. Viel zu bieten hatte die Bürgermeisterin nicht. Sie übergab ihm etwas, das vom alten Schloss übrig geblieben war: einen Dachziegel und eine Türklinke. Ein weiterer historischer Dachziegel liegt heute hinter Glas im ersten Stock des Westflügels. Man stellt aus, was man hat.

Zwischen den Welten

Als die Wende kam, drehte sich auch in Zerben der Wind der Geschichte. Die LPG wurde aufgelöst, die Kneipe geschlossen und die Gemeindeschwester und der Frisör kamen nicht mehr vorbei. Der einstige Adelssitz feierte dagegen seine Renaissance. Allerdings nicht ohne Probleme. Wer sich in Zerben wann als Erstes und mit welchem Einsatz für die Restaurierung der Schlossreste und die Erinnerung an Elisabeth von Ardenne einsetzte, ist für einen Außenstehenden nicht mehr zu ermitteln. In den Streit darüber involviert sind zwei ehemalige Ortsbürgermeister, ein Pfarrer und die ehemalige Bürgermeisterin der Gemeinde Elbe-Parey, zu der Zerben gehört. Es ging dabei nicht nur um ideelle Urheberschaften, sondern auch um Nutzungskonzepte und Zuständigkeiten. Tragisch an dem Streit ist, dass eigentlich alle das Gleiche wollten. Und es am Ende auch zustande gebracht haben.