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HANS BRENNER
„… VIELLEICHT BIN ICH WIRKLICH SO“

EINE BIOGRAPHIE
VON MARTIN KOLOZS

 

„Es ist nicht genug zu sagen, was ein Mensch geleistet hat. Die Leute wollen wissen, wer und was er war.“

Aus dem Film Citizen Kane

Hans Brenner
„… vielleicht bin ich wirklich so“

Eine Biographie
von MARTIN KOLOZS

Universitätsverlag Wagner

Geleitwort

von Tobias Moretti

Zum ersten Mal gesehen hab ich den Hansl 1981, in Kranewitters „Die sieben Todsünden“, bei den ersten Tiroler Volksschauspielen in Hall. Die ersten vier Zeilen – „Bin i aufi g’stiegn, bin i abi g’falln, bin i hangen bliebn an der Kammerschnalln“ – haben in Sekunden eine Figur auf die Bühne gestellt, die einen nicht mehr losgelassen hat. Sie hat gepackt, fasziniert, verletzt, provoziert, so dass einem das Lachen im Maul stecken geblieben ist.

Nie zuvor habe ich so was gesehen. Ich war gerade im vorletzten Jahr an der Falckenberg und umringt von den Olympioniken der Münchner Kammerspiele und der Schaubühne, aber das hat etwas ganz Eigenes, Neues für mich aufgebrochen. Als Tiroler hat man sich ohnehin mit der Schizophreniewelt zwischen dem Leben und dem Schauspielerdasein notgedrungen arrangiert, aber dass es sich so verzahnen kann, dass aus dem Eigenen eine dramatische und eine proletarische, archaische Kraft entsteht, ohne Volkstümelei und Verwässerung der Sprache, war mir neu. Mein Vater hat mir öfter von ihm erzählt, sie kannten sich als Straßenbuben aus den Fehden zwischen Altstadt und St. Nikolaus.

Wenn man von einer Prägung sprechen kann, dann waren es zwei Schauspieler, die mich immer verzaubert haben: Hans-Michael Rehberg und Hans Brenner. Brenner war vielleicht noch wichtiger, unser Schauspielvater gewissermaßen, durch die Arbeit bei den Volksschauspielen, mit Ruth Drexel, die mich dann auch zu Baumbauer gebracht hat.

Das, was sich vielleicht Brecht unter einem Matti vorgestellt haben mag – einen widerspenstigen, widerborstigen, zwangskultivierten anarchischen Charakter –, hat er in fast allen Figuren einzusetzen vermocht. Er hat alles in sich gehabt.

Es gab wenige Schauspieler – die haben eine Fresse gehabt –, in der sich Welten, Universen von menschlicher Fülle abgespielt haben, bevor sie überhaupt etwas gespielt haben. Einer davon war Hans Brenner. Always on my mind.

Dein Tobender Hias

Vorwort

oder: „Wos mogst do schreibn?“

Anfangs hat man mir wenig Hoffnung gemacht, denn meistens wurde ich von meinen Gesprächspartnern mit den Worten empfangen: „Der Hansl hätt’ di a gfrogt, wos do schreibn mogst.“

Erst später habe ich begriffen, was damit wirklich gemeint war, nämlich nicht die Feststellung, dass es da nichts zu schreiben gäbe, sondern die Frage von Familie und Freunden nach meiner eigenen Beziehung zu Hans Brenner, verbunden mit der Sorge, dass ich mich als quasi Fremder in das Privatleben des beliebten wie bewunderten (Tiroler bzw. bayerischen) Volksschauspielers einmische und vielleicht darauf aus bin, seiner unsterblichen Legende zu schaden.

Letzten Endes hat man mir jedoch vertraut und geglaubt, dass ich als Biograph, selbst wenn ich über jemandes Fehler und Schwächen berichten sollte, kein Urteil über ihn fälle, sondern ausschließlich versuche, ein klareres Bild dieser Person in der Öffentlichkeit zu zeichnen, frei nach dem Motto: „Sein Fehl sei uns zur Lehre, sein Gut sei ihm zur Ehre.“

Daran schloss sich allerdings bald eine weitere Schwierigkeit an: Seit dem frühen Tod von Hans Brenner (1998) waren annähernd zwei Jahrzehnte vergangen, und die spärlichen persönlichen Spuren, die er hinterlassen hatte, verschwanden ebenso allmählich wie die Erinnerungen an ihn als Menschen, im Gegensatz zu den vielen Erinnerungen an ihn als Schauspieler von Weltrang, welche beinahe vollständig und umfassend in Form zahlreicher Zeitungsartikel und -berichte vorliegen.

Die Gründe dafür sind vielfältig, aber vor allem einer ist dafür maßgeblich: Hans Brenner hat sein Leben abseits von Bühne und Fernsehkameras nie ganz öffentlich gemacht. Darin war er sich mit seiner Langzeitlebens- und Berufspartnerin Ruth Drexel einig: Beide wollten an ihrer Arbeit gemessen werden und hielten darum ihre Haustür für sogenannte Homestories fest verschlossen.

Auch in dieser Lesart musste ich also das erwähnte „Wos mogst do schreibn?“ verstehen und gleichfalls erkennen, dass eine Biographie nur so vollständig sein kann, wie ihre Quellen ergiebig sind, weshalb ich mich auch bemühte, zusammenzutragen, was noch zu finden war, und die letzten Zweifler davon zu überzeugen, dass meine Absicht, über Hans Brenner den Menschen (sprich: Sohn, Ehemann und Vater) zu schreiben, nichts von seiner Bedeutung oder Leistung als umjubelter Volksschauspieler wegnahm, sondern unter Umständen diese sogar erhellte.

Leider hatte ich nicht die Gelegenheit, mit jedem zu reden, mit dem ich es vorhatte, weswegen ich auch all jenen umso dankbarer bin, die sich dazu bereit erklärt haben und mir ihr Vertrauen und ihre Zeit schenkten.1

Bei den vielen Gesprächen, die ich während der vergangenen zwanzig Monate führen durfte, gab es in einer bestimmten Frage keinerlei Uneinigkeit: „Hans Brenner war ein Naturtalent, ein Jahrhundertschauspieler.“ Das sagten alle. Und ich stimme ihnen zu.

Anders hörte es sich an, wenn über den Hansi, den Hansl oder den Honns gesprochen wurde, den Privatmann. Darin gingen die Meinungen oft weit auseinander, bis hin zur völligen Widersprüchlichkeit und zum erneut alles in Zweifel ziehenden Satz „Wos mogst do schreibn“, wenn es über den Brennerhansl doch nichts Eindeutiges gab?

Ich behalf mir dann mit einer Metapher: Es ist wie in einem Spiegelkabinett. Ich sehe den Mann zigmal vor mir, und wenn ich auch nicht sicher sein kann, auf den richtigen zu zeigen, so weiß ich dennoch, dass er unter ihnen ist und ich ihn finden werde, wenn ich nur genau hinschaue.

Außerdem: Zeigt sich die Einzigartigkeit eines Menschen nicht auch in seinen unterschiedlichen Gesichtern, die er für andere hat, und in der Fähigkeit, letztlich uneinordenbar zu bleiben?

Martin Kolozs, Oktober 2017

Inhalt

Geleitwort von Tobias Moretti

Vorwort oder: „Wos mogst do schreibn?“

TEIL I … Mein Hansl, Sie kennen ihn eh!?

1. Johann (1938–1961)

2. Hansi (1961–1963)

3. Hansl (1963–1966)

4. Hans (1966–1968)

5. Honns (1968–1976)

Hans Brenner in Bildern

TEIL II … Zum großen Teil eine Lichtgestalt

6. Brennerhansl (1976–1998)

6.1 Familienleben

Einschub:

–   „Papa“ von Stephanie Brenner

–   „Erinnerungen an meinen Vater“ von Anna Therese Brenner

6.2 Berufsleben

6.3 Theaterleben

6.4 Das volle Leben

Nachspiel oder: Vom Schreiben über Hans Brenner

Anhang

Anmerkungen

Personenverzeichnis

Verwendete und weiterführende Literatur

Öffentliche Archive und private Sammlungen

Bildnachweis

Dank des Autors

TEIL I

… Mein Hansl, Sie kennen ihn eh!?2

In der Gesamtübersicht zeigt sich, dass das Leben von Hans Brenner aus zwei annähernd gleich langen Teilen besteht, mit einem Wendepunkt in der Lebensmitte. Teil eins betrifft die Zeit zwischen seiner Geburt 1938 und seinem Schauspielengagement in Berlin 1968; Teil zwei umfasst die Jahre danach bis zu seinem Tod 1998.

Die einschneidende Zäsur stellen das Epochenjahr 1968 und die daraus hervorgegangenen gesellschaftlichen Umwälzungen dar, welche Hans Brenner als knapp Dreißigjähriger (begrenzt) mitmachte: „Das war eine Radikalkur in Sachen Nachdenken.“3 Seine Selbstwahrnehmung und sein ganzes Wertesystem verkehrten sich während dieser kurzen Zeitspanne beinahe ins Gegenteil und schufen den Brennerhansl, wie er den meisten Bewunderern seiner Spielkunst bis heute bekannt ist: „I bin halt a Linker.“4

Im nachfolgenden ersten Teil wird ein etwas anderer Hans Brenner vorgestellt; ein suchender, unsicherer, verlorener Typ, tiefgläubig und hochtalentiert, der seine innere Einsamkeit mit Alkohol zu kurieren versucht, sich Hals über Kopf verliebt, bei den Frauen nach Mütterlichkeit giert, sich an dieser festhält und dennoch frei und unabhängig bleiben möchte.

Er ist nicht der Antipode des späteren Hans Brenner, des Volksschauspielers und Fernsehstars. Er ist dessen Ergänzung, dessen Erklärung, dessen früheres Selbst. Er ist sein seitenverkehrtes Spiegelbild.

1. Johann (1938–1961)

oder: „Es war eine schöne Kindheit,
denn ich habe sehr freundliche Eltern gehabt.“5

Es heißt, nicht wir machen die Erfahrungen, sondern die Erfahrungen machen uns. Es ist daher von besonderer Bedeutung, wann und wo jemand geboren wird und welche Einflüsse ihn prägen. Sein ganzes Leben wird davon bestimmt und in die eine oder andere Richtung gelenkt.

Als Johann (Hans) Brenner am 25. November 1938 geboren wurde,6 waren die Vorzeichen des Zweiten Weltkriegs, in welchen das Naziregime die ganze Menschheit kaum zehn Monate später stürzen sollte, schon zu erkennen. Seit März 1938 galt Österreich offiziell als Teil des deutschen Nationalstaates bzw. Großdeutschen Reiches, und in Tirol regierte seit 24. Mai desselben Jahres Franz Hofer als Gauleiter, ein willfähriger Helfer und fanatischer Bewunderer von Adolf Hitler, mit unfassbarer Brutalität und Menschenverachtung, der ebenso unerbittlich gegen politische Gegner wie den Klerus und das gesamte Kirchenvolk im Land vorging.

Beides traf bis zu einem gewissen Grad auf die Familie Brenner zu, welche als links denkende und sich katholisch bekennende Familie in St. Nikolaus, dem ältesten Stadtteil von Innsbruck, in einer Parterrewohnung des Hauses Innstraße 105 lebte. Hier in der „Koatlackn“, wie die heimische Bevölkerung diese einstmals raue Gegend halb abschätzig, halb bewundernd noch bis heute nennt, wuchs Hans Brenner als zweites Kind7 seiner Eltern Johann und Maria Brenner in „ungeordneten Verhältnissen“ auf, wie er es selbst später immer wieder beschreibt.8

Sein Vater war Mechaniker und wegen seiner Arbeit häufig unterwegs. Er galt als eingefleischter Kommunist, der aus Wien stammte und dort während des Februaraufstandes von 1934, welcher sich gegen den damaligen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und dessen austrofaschistischen Ständestaat richtete, an den Kampfhandlungen rund um den Karl-Marx-Hof in Wien/Döbling beteiligt gewesen sein soll.

Obwohl die Beziehung zu Johann Brenner nie besonders tief ging,9 erinnerte sich Hans Brenner in mehreren Interviews an seinen Vater und dessen unbestechliche politische Überzeugungen, welche schließlich auf den Sohn abfärbten: „Es gibt ein Schlüsselerlebnis. Die Hitlerjugend und die Pimpfs sind in Innsbruck immer durch die Straßen gezogen. Ich habe die Trommler gesehen und mir nichts sehnlicher als eine Trommel gewünscht. Mein Vater, ein alter Sozi, hat geantwortet: Kommt überhaupt nicht in Frage! Die Schwestern meiner Mutter10 – lauter ledige Fräuleins – haben mir eine Trommel gekauft. Beim nächsten Aufmarsch bin ich auf die Straße und mit der Trommel dem Zug hinterher – im Alter von vier Jahren. Mein Vater kommt auf seinem uralten Radl von der Arbeit heim, entdeckt mich, stellt das Radl ab, hebt mich auf den Gehsteig und haut mir rechts und links eine herunter. Ich habe ihn immer wieder für den Grund für die Watschn gefragt, und er hat immer wieder irgendwelche Ausreden erfunden. Als ich neun Jahre alt war, hat er mich zur Seite genommen und hat mir einen Abriss der Geschichte gegeben – einschließlich Auschwitz. Von da an habe ich nach einem Medium gesucht, wo man alles hinausschreien kann, was an Unrecht geschehen ist.“11

Bei dieser Suche half ihm von Beginn an vor allem seine Mutter, Maria Brenner (geborene Jäger), eine regelrechte Theaternärrin. Sie arbeitete als Kellnerin beim „Englwirt“ in St. Nikolaus und muss eine recht auffallende Persönlichkeit gewesen sein, kannte man sie allseits doch unter dem Spitznamen „Mary the Tiger“ und wegen ihrer oftmals auffallenden Kleidung, die so gar nicht in die sonst ärmliche Umgebung der „Koatlackn“ passte, sondern eher zu „einer Dame aus der Großstadt“. Zu ihr empfand Hans Brenner zeitlebens eine große Zuneigung und Liebe,12 wenngleich das Verhältnis zu seiner Mutter nie ganz ohne Spannungen verlief, wie ein Brief des fast Fünfundzwanzigjährigen erahnen lässt: „Meine Mutter ist wieder einmal ganz großartig, sie freut sich so richtig, dass ich kein Geld habe und [sie] den Sohn aus diesem Grunde herumkommandieren kann wie in alten Zeiten. Speziell am Abend gibt sie mir keinen Groschen, und so bin ich an den häuslichen Herd gekettet, und das gefällt ihr maßlos. Sie ist, glaub ich, zur endgültigen Erkenntnis gekommen, dass ich ohne sie rettungslos verloren bin […]. Früher hat mich das alles sehr aufgeregt, jetzt muss ich sehr lachen.“13

Wodurch Maria Brenner die musische Begabung ihres Sohnes bemerkt bzw. diese gefördert hat, ist heute nicht mehr bekannt, fest steht jedoch, dass mit ihrer Unterstützung Hans Brenner kurz nach dem Krieg zu den Wiltener Sängerknaben kam und so seine ersten Bühnenerfahrungen machte. Bei einem dieser Auftritte wurde er um 1948 von Eduard Köck für die berühmte Exl-Bühne entdeckt und spielte fortan im sogenannten Volkstheater mit, vor allem in den Stücken des Tiroler Dramatikers Karl Schönherr: „Glaube und Heimat“, „Karrnerleut“, „Erde“14 usw. Hier lernte Hans Brenner nicht nur das nötige Rüstzeug des Schauspielers kennen, sondern verinnerlichte auch die charakteristische Spielweise der „Exl-Leute“, welche seinen eigenen Stil in Zukunft ebenfalls ausmachen sollte: „Ein Theaterstil, der die Grenzen der engeren Heimat sprengte und auch zum anderorts begeisterten Interpreten alpenländischen Menschentums erhöhte, dieses Menschentum über seine äußeren Grenzen in das Ort und Zeitlose erhöhend.“15

Danach ging es Schlag auf Schlag: Neben dem Theaterspielen bekam Hans Brenner etwa seine eigene satirische Radiosendung mit dem Titel „Lange Zöpf und kurze Hosen“16 und wurde regelmäßig vom Tiroler Hörspielstudio engagiert, wenn es Bubenrollen zu besetzen gab. Dabei wurde nicht nur sein immenses darstellerisches Talent bestaunt, sondern es wurden ihm auch die größtmöglichen Freiheiten eingeräumt, um dieses zu entfalten. Dietmar Schönherr, der Hans Brenner in jenen frühen Tagen kennengelernt hatte und später mit ihm zusammen bei den Tiroler Volksschauspielen wirkte, erinnerte sich noch ein halbes Jahrhundert später an die außergewöhnliche Naturbegabung seines Freundes: „Du hast mich damals wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen, denn du brauchtest keinen Regisseur, du konntest es einfach so.“17

1953 kam dann der Durchbruch beim Film. In der Rolle des Hansi Mossleitner alias Haflingersepp spielte Hans Brenner neben damaligen Größen wie Paul Hörbiger in „Junges Herz voll Liebe“18 und wurde zum Kinderstar. Während der Dreharbeiten in Deutschland wurde er für einige Monate vom Akademischen Gymnasium Innsbruck genommen, welches er zwischen 1949 und 1957 besuchte, und erhielt Privatunterricht. Eine Vorzugsbehandlung, die ihm gefallen haben dürfte, denn „Schwierigkeiten in der Schule hat’s gegeben, aber nicht deshalb, weil ich als Arbeiterkind das Gymnasium besuchte, sondern das Pech hatte, als einziges unter lauter ‚Besseren‘ in der Klasse zu sitzen. Ich war der Renommier-Prolet und als solcher einem verstärkten Leistungsdruck ausgesetzt.“19

Trotz des Erfolgs blieb Hans Brenner ein normales Kind und „in da Koatlackn dahoam“. Er spielte gern und häufig Fußball, traf sich mit „Kumpeln“ und war, wie es seine Jugendfreundin, die Schauspielerin Julia Gschnitzer, ausdrückte, „ein herrlicher Lausbub, den man sofort gemocht hat“.20 Ähnliche Erinnerungen an den jungen Hans Brenner hat der ehemalige Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner, wenn er sagt: „Der Hansl war kongenial mit jedem. Er konnte sich schnell und spielend leicht auf sein Gegenüber einstellen. Egal, wer das war.“ Eine Gabe, die später nicht nur seine Arbeit als viel beschäftigter Schauspieler erleichtern sollte, sondern ihn während seiner Jugendzeit auch zum Mittelpunkt für seine Freunde werden ließ und in Folge wohl damit zu tun hatte, dass Hans Brenner als ungefähr Sechzehnjähriger für die katholische, nicht schlagende Mittelschulverbindung Teutonia21 angeworben wurde, deren Wahlspruch heute wie damals lautet: „In amicitia fortes et hilares – In der Freundschaft stark und froh.“

Im „Biermichl“,22 dem Verbindungslokal der Teutonia, fühlte sich der „Schmoll“, wie Hans Brenners Verbindungsname lautete, wohl. Nicht nur, weil die „Kneipe“ im Herzen von St. Nikolaus lag und somit nur einen Katzensprung von der Wohnung seiner Eltern entfernt war, was im angetrunkenen Zustand eine leicht zu bewältigende Distanz darstellte, sondern weil ihm die dort abgehaltenen Veranstaltungen ausnehmend gut gefielen, da sie wie kleine Theaterstücke organisiert waren. Wendelin Weingartner, der als „Castor“ zu dieser Zeit ebenfalls in die Schülerverbindung eingetreten war, erinnert sich noch gut daran, dass Hans Brenner sein größtes Vergnügen bei den sogenannten „Kneipen“ hatte, sei es, wenn er aufgrund ungebührlichen Verhaltens in den „(verschärften) Bierverschiss“ kam oder bei offiziellen Anlässen zum „Gargieren“ herangezogen wurde: „Er mochte das Spielerische daran und tat bei allem gerne mit.“

Neben dem Vergnüglichen schätzte Hans Brenner aber auch das ernsthafte Gespräch mit seinen Verbindungsbrüdern. Vor allem mit einem der Älteren pflegte er damals einen regen und tiefer gehenden Austausch: Mit Volkmar Hauser alias „Isidor“ konnte er sich über Religion, Literatur, Theater, Kino und Musik ebenso gut unterhalten wie über das für ihn zunehmend wichtiger werdende Thema „Frauen“. „Wir trafen uns dazu in einer kleinen Gruppe im Hofgarten“, erzählt Wendelin Weingartner, „redeten über alles und lasen uns manchmal selbstverfasste Gedichte vor. Obwohl Hansl schon einigermaßen berühmt war, er hatte im Film ‚Haflingersepp‘ gespielt und war regelmäßig auf der Exl-Bühne zu sehen, hielt er sich nicht für besonders wichtig. Man bemerkte, dass er etwas lernen wollte, und von Volkmar Hauser, der erfahrener war als wir, bekam er einiges mit.“

Nach der Matura 1957 am Akademischen Gymnasium in Innsbruck absolvierte Hans Brenner seinen Präsenzdienst bei einer Artillerietruppe und musterte 1958 als Reserveoffiziersanwärter ab. Er war gerade neunzehn Jahre alt geworden und musste sich entscheiden, was er machen wollte. Zuerst dachte er an ein Studium der Forstwirtschaft bzw. daran, Karriere beim Militär zu machen, bevor er ernsthaft auf den Gedanken verfiel, als Schauspieler berufstätig zu werden.

Also ging er nach Wien und bereitete sich für die Aufnahmeprüfung am Reinhardt-Seminar vor. Aber: „Man hat mir Begabungslosigkeit bescheinigt.“23 Weshalb er im Herbst 1958 an die Schauspielakademie des Mozarteums in Salzburg wechselte, um sich für sechs Semester u. a. in Sprechtechnik, Reiten, Fechten und allgemeinem Körpertraining ausbilden zu lassen.

Max Wanker, den Hans Brenner dort während seiner Quartierssuche kennenlernte, erinnert sich noch genau an den talentierten „Tiroler Bub“: „Ein Professor von ihm hat gleich gesagt, er hätte den Marschallstab bereits im Tornister. Er war ungemein begabt. Und sehr beliebt.“

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