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Die Autoren

 

Dr. Julia Mendzheritskaya ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Immanuel Ulrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Koordinator der Praxissemesterevaluation in der hessischen Lehramtsausbildung der Goethe-Universität Frankfurt/Main.

Dr. Miriam Hansen ist Akademische Oberrätin und Operative Leitung des Interdisziplinären Kollegs Hochschuldidaktik der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Carmen Heckmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik, Arbeitsstelle Service Learning (Prof. Dr. Holger Horz), der Goethe-Universität Frankfurt/Main.

Julia Mendzheritskaya, Immanuel Ulrich, Miriam Hansen & Carmen Heckmann

Gut beraten an der Hochschule

Wege zum besseren Lehren und Lernen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17- 031274-6

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-031275-3

epub:   ISBN 978-3-17- 031276-0

mobi:   ISBN 978-3-17- 031277-7

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Dank

 

 

 

Wir danken Melda Kirkdal für die Literaturrecherche und Pflege der Literaturdatenbank bei der Erstellung dieses Buches sowie Ricarda d’Heureuse-Harosky für ihre hilfreiche Unterstützung bei stilistischen Korrekturen. Weiterhin danken wir den Herausgebern Prof. Dr. Christoph Steinebach und Prof. Dr. Birgit Spinath für ihr Vertrauen in uns und ihre hilfreichen Hinweise. Ein herzlicher Dank geht auch an Prof. Dr. Holger Horz, in dessen Team wir arbeiten dürfen und der uns – nicht nur bei diesem Buchprojekt – mit zeitlichen und materiellen Ressourcen unterstützt und beratend zur Seite steht.

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Dank
  2. Vorwort zur Buchreihe
  3. Geleitwort
  4. 1 Einleitung
  5. 1.1 Fokus dieses Buches
  6. 1.2 Begriffsdefinitionen und konzeptuelle Grundlagen
  7. 1.2.1 Unterschiede zwischen pädagogisch-psychologischer Beratung und Psychotherapie
  8. 1.2.2 Beratungsverständnis und Grundhaltung von Beratenden
  9. 1.2.3 Beratungskompetenzen
  10. 1.2.4 Beratungsansätze
  11. 1.2.5 Einige Beratungstechniken
  12. 2 Beratung von Lehrenden durch Hochschuldidaktiker
  13. 2.1 Setting und Prozess der Beratung
  14. 2.1.1 Einzelberatung von Lehrenden
  15. 2.1.2 Beratung von Lehrendengruppen
  16. 2.1.3 Kollegiale Beratung
  17. 2.1.4 Lehrveranstaltungshospitation und Beratung
  18. 2.2 Inhaltsbereiche der Beratung
  19. 2.2.1 Beratung bei der Curriculumsentwicklung
  20. 2.2.2 Lehrveranstaltungsplanung und Einsatz von Methoden
  21. 2.2.3 Aktivierung und Motivierung von Studierenden
  22. 2.2.4 Konflikte in der Lehre
  23. 2.2.5 Rückmeldungen in der Lehre
  24. 2.2.6 Prüfen: Diagnostische Kompetenz
  25. 2.2.7 Qualitätsmanagement in der Lehre: Forschendes Lehren und Evaluation
  26. 3 Beratung von Studierenden durch Lehrende
  27. 3.1 Setting und Prozess der Beratung
  28. 3.1.1 Einzelberatung von Studierenden
  29. 3.1.2 Gruppenberatung von Studierenden
  30. 3.1.3 Diversitätsaspekte in Beratungskontexten
  31. 3.1.4 Schwierige Situationen in der Beratung von Studierenden
  32. 3.2 Beratungsanlässe – Rollen der Lehrenden
  33. 3.2.1 Fachliche und/oder methodische Beratung – Die Lehrenden als Feedbackgeber
  34. 3.2.2 Rückmeldung zu einer Studien- oder Prüfungsleistung – Die Lehrenden als Prüfende
  35. 3.2.3 Beratung zu Studien- und Karriereplanung – Die Lehrenden als Mentoren
  36. 3.2.4 Grenzfälle: Soziale und persönliche Beratungsanlässe – Die Lehrenden als Erstansprechpartner
  37. 4 Fazit und Ausblick
  38. 5 Literatur
  39. Stichwortverzeichnis

Vorwort zur Buchreihe

 

 

 

Über Beratung lässt sich durchaus streiten. Was ist Beratung? Wann und unter welchen Bedingungen ist sie ein professionelles Angebot? Welchen Beitrag leisten einzelne Fachwissenschaften für ein besseres Verständnis von Beratung? Wann ist Beratung eher Coaching? Wie ist sie von Training oder Therapie abzugrenzen? Und welchen Beitrag kann die Psychologie als Wissenschaft leisten, um diese und ähnliche Fragen zu beantworten?

Die Fragen sind so komplex wie ihr Gegenstand – die Beratung – selbst. Diese Buchreihe vermittelt Wissen und Kompetenzen in der professionellen, auf psychologischen Theorien und Konzepten basierenden Beratung. Dabei wird Beratung als ein bevormundungsfreier Prozess verstanden, in dem Probleme der Ratsuchenden in ihrem Verhalten, Handeln und Erleben geklärt werden. Zur Klärung der anstehenden Fragen und zur Reflexion des Beratungsprozesses werden psychologische Theorien herangezogen. Professionelle Beratung findet in einem entsprechend ausgewiesenen und damit geschützten Setting statt. Im Dialog werden Informationen ausgetauscht, Bedingungen und Möglichkeiten reflektiert und Lösungsversuche begleitet. Im Transfer von fachwissenschaftlichen und subjektiven Theorien zeigt sich die professionelle Beratungskompetenz. Dabei kommt der kritischen Reflexion der eigenen Praxis zur Entwicklung der eigenen Kompetenzen wie auch der theoretischen Grundlagen eine besondere Bedeutung zu. Mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Praxisfelder psychologischer Beratung sollen der Buchreihe als Ganzes eher allgemeine Theorien der Beratung zugrundeliegen. Allgemeine Theorien verweisen auf übergreifende Wirkfaktoren psychologischer Beratung und erleichtern eine Abgrenzung der Beratung von der Psychotherapie.

Damit werden (1) persönliche Kompetenzen der Beratenden, (2) die Fokussierung auf Ressourcen und (3) die Förderung einer optimalen Entwicklung in der jeweils individuellen Lebenswelt angesprochen. Konkretisiert wird dies in der Orientierung auf persönliche Bedürfnisse und Stärken der Ratsuchenden in ihren Lebenswelten, auf die Kompetenzen der Beratenden und die Stärken der Beratungssettings sowie auf das Anliegen einer nachhaltigen Resilienzförderung über das Beratungssystem.

Je nach Zielgruppe mit ihren unterschiedlichen Lebenswelten und Lebenslagen gewinnen unterschiedliche Beratungskonzepte an Bedeutung. Wenn es also in den verschiedenen Bänden dieser Reihe um unterschiedliche Zielgruppen (Jugendliche, Familien, Paare, Menschen im hohen Alter), unterschiedliche Orte (Schule, Hochschule, Unternehmen), unterschiedliche Anlässe (Migration, Erkrankung) und unterschiedliche Themenfelder (Mobilität und Verkehr, Sport) geht, dann haben wir einen weiten theoretischen Rahmen, der jeweils gegenstandsbezogen konkretisiert wird. Damit Details und Ganzes sich auch über die Buchreihe stimmig zusammenfügen, wird jeder einzelne Band von zwei Herausgebern betreut. So sichern die Mitglieder das Editorial Boards, dass sich in dem von ihnen betreuten Band Theorie und empirische Befunde eine wissenschaftsbasierte Praxis verdeutlichen.

Als »Editor in Chief« möchte ich allen Mitgliedern des Editorial Bords für ihre aktive Mitwirkung danken. Im Namen des ganzen Beirats danke ich den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge zur Buchreihe. Sie ermöglichen einen differenzierten Blick auf Theorie und Praxis, auf Konzepte und Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Feldern der Beratung.

Danken möchte ich Frau Annika Grupp, Verlag Kohlhammer, die mit großer Kompetenz und Tatkraft die Arbeit an der Buchreihe begleitet. Mein Dank gilt auch Frau Flurina Hefti, ZHAW Angewandte Psychologie, die als Lektorin und Redakteurin das Projekt unterstützt.

Beratung ist ein buntschillernder Begriff und damit schwer zu fassen. Es ist aber fachlich und ethisch unverzichtbar, professionelle Beratung von unprofessionellen Angeboten und von Alltagsgesprächen abzugrenzen. Dies kann nur gelingen, wenn die Beratungspraxis theoretisch und empirisch begründet ist. Mit diesem Anspruch wird jede Beschreibung von Beratungspraxis anspruchsvoll. Wir sind aber sicher, dass jeder einzelne Band der Reihe Theorie und Praxis zielführend verbindet – ansprechend und gut nachvollziehbar. Damit stehen die Chancen gut, dass jeder Band eine Hilfe ist zur Orientierung in einem für sich anspruchsvollen und herausfordernden Beratungsfeld.

 

Christoph Steinebach

Geleitwort

 

 

 

Als Mitglied des Editorial Board der neuen Buchreihe »Psychologische Beratung in der Praxis« durfte ich einen der ersten Bände begleiten. Der hier vorliegende Band »Gut beraten an der Hochschule« wurde durch Julia Mendzheritskaya, Immanuel Ulrich, Miriam Hansen und Carmen Heckmann angefertigt, die alle am Interdisziplinären Kolleg Hochschuldidaktik der Universität Frankfurt arbeiten und in vielfacher Hinsicht Erfahrung mit Beratung in der Hochschullehre haben.

Das Lehren und Lernen an Hochschulen erfährt in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit. Auslöser dieser Entwicklung sind unter anderem die Bologna-Reform, die Notwendigkeit zur Akkreditierung von Studienangeboten, internationale Bildungsstudien, Hochschulrankings wie das des CHE, ausgeschriebene Fördermittel und weiteres mehr. Anders als noch vor einigen Jahren kann es sich heute keine Hochschule mehr leisten, in Bezug auf die Hochschullehre keine Strategie zur Qualitätssicherung und keine Qualifizierungsangebote für Dozierende zu haben. Die Hochschulen werden durch Empfehlungen des Wissenschaftsrats und die Kulturministerkonferenz zur Qualität von Studium und Lehre in die Pflicht genommen, deren Einhaltung von Akkreditierungsagenturen überprüft wird. Es steht sogar die Gründung einer eigenen bundesweiten Institution im Raum, der Deutschen Lehrgemeinschaft, die – analog zur Deutschen Forschungsgemeinschaft – Aufgaben rund um die Förderung der Hochschullehre übernehmen soll. Wenn Hochschullehrende in der Forschung für besonders anspruchsvolle Projekte prestigeträchtige Drittmittel bekommen können, warum dann nicht auch für die Lehre?

Obwohl die enge Verknüpfung von Forschung und Lehre in Deutschland eine lange Tradition hat, so überwiegen doch die Anreize für ein hohes Engagement in der Forschung. Dies ist ein Grund dafür, warum die Hochschuldidaktik mit ihren beratenden und weiteren Angeboten unter schwierigen Bedingungen arbeitet. Nicht alle Hochschullehrenden stellen sich der Herausforderung, die Qualität ihrer Lehrveranstaltungen regelmäßig zu überdenken und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dabei sind Weiterentwicklungen nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich die Rahmenbedingungen der Hochschullehre in den letzten Jahren stark verändert haben. Es kommt nicht mehr eine kleine Minderheit von hoch motivierten und hoch talentierten Studierenden an die Hochschulen, sondern rund 50 Prozent einer Alterskohorte nehmen ein Studium auf. Obwohl an Studierende zurecht hohe Anforderungen an selbstreguliertes Lernen gestellt werden, kommt Hochschullehrenden auch eine Fürsorgepflicht in Bezug auf den Lernerfolg zu. Das Finden der richtigen Balance zwischen dem Setzen von Lernimpulsen, dem Gewähren von Freiheit und Unterstützung sowie der Kontrolle von Lernerfolgen ist eine große Herausforderung.

Einerseits gehört es zur professionellen Weiterentwicklung von Hochschullehrenden, dass sie sich kontinuierlich über wissenschaftliche Erkenntnisse und Good Practices zum Thema Lehren und Lernen up-to-date halten. Andererseits sollen Hochschullehrende Studierende bei ihrem Lernen unterstützen. Hochschullehrende sind daher in Bezug auf die Beratung zur Hochschullehre in einer doppelten Rolle: als Adressaten von Beratung und als aktiv Beratende. Beide Seiten werden in diesem Buch ausführlich beleuchtet.

Diese einführenden Worte sollen verdeutlichen, dass die Hochschule besondere Anforderungen an Beratungsprozesse rund um das Thema Lehre stellt. Das vorliegende Buch enthält einen Fundus an Wissen über diese Beratungsprozesse im Kontext des hochschulischen Lehrens und Lernens. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern viel Erfolg bei ihrem Engagement für die Qualität des Lehrens und Lernens in der Hochschule.

 

Birgit Spinath, Mai 2018

1          Einleitung

 

 

1.1       Fokus dieses Buches

»Psychologische Beratung ist ein bevormundungsfreier Prozess, in dem Probleme der Ratsuchenden [zum Beispiel Lehrenden1 in Kapitel 2 dieses Buches oder Studierenden in Kapitel 3 dieses Buches] in ihrem Verhalten, Handeln und Erleben unter Bezugnahme auf psychologische Theorien in einem als Beratung ausgewiesenen Setting durch Information und Reflexion geklärt und Lösungsversuche begleitet werden« (Steinebach, 2006, S. 13).

Beratung in der Hochschule wird von vielen unterschiedlichen Akteuren durchgeführt: Neben Studienservice-Stellen, Beratungen des Studentenwerks, des ASTAs (Allgemeiner Studierendenausschuss) sowie zahlreicher weiterer Stellen beraten auch Lehrende Studierende in unterschiedlichen Kontexten. Sie beraten Studierende methodisch oder inhaltlich als Feedbackgeber, sie geben Rückmeldungen zu Prüfungsleistungen als Prüfende, sie beraten zu Studien- und Karriereplanung als Mentoren und werden gelegentlich auch als Erstansprechpartner mit persönlichen oder sozialen Beratungsbedarfen von Studierenden konfrontiert.

Hochschullehrende füllen eine große Zahl an Rollen aus (vgl. Schumacher, 2012): Sie sind Wissenschaftlerinnen, Managerinnen, Kollegen, Funktionsträger, Lehrende, Prüfende, Beratende etc. Dabei haben die wenigsten Hochschullehrenden systematisch gelernt, Lehrende zu sein, dasselbe gilt für ihre Funktion als Beratende. Aus der Rollenvielfalt der Lehrenden sowie der häufig nicht vorhandenen systematischen Ausbildung im hochschuldidaktischen Bereich entsteht bei Lehrenden oft selbst Beratungsbedarf, den sie bei den inzwischen an fast allen deutschen Hochschulen existierenden hochschuldidaktischen Zentren oder Arbeitsstellen decken können.

Aus diesen beiden Aspekten – dem Beratungsbedarf von Hochschullehrenden selbst sowie der Vielzahl an Beratungsrollen, die ein Hochschullehrender einnimmt, ergibt sich der Fokus dieses Buches. Er liegt auf folgenden zwei Beratungsbeziehungen im Kontext von Hochschule:

1.  Der Beratung von Lehrenden durch Hochschuldidaktiker (image Kap. 2)

2.  Der Beratung von Studierenden durch Lehrende (image Kap. 3).

1.2       Begriffsdefinitionen und konzeptuelle Grundlagen

1.2.1     Unterschiede zwischen pädagogisch-psychologischer Beratung und Psychotherapie

Auch wenn es sehr schwierig ist, eine klare Abgrenzung von Beratung und Therapie vorzunehmen (zum Beispiel Steinebach, 2006), lassen sich Merkmale identifizieren, die zur Unterscheidung herangezogen werden können (image Tab. 1.1). Im Hinblick auf die beiden im vorliegenden Buch fokussierten Beratungssituationen (Hochschuldidaktiker beraten Lehrende, Lehrende beraten Studierende) soll hervorgehoben werden, dass keine pathologischen Problemstellungen behandelt werden. Vielmehr steht die Lösung von meist klar umschriebenen Problemstellungen zielorientiert im Mittelpunkt. Sollten sich in den beiden Beratungskontexten das Vorliegen pathologischer Problemstellungen identifizieren lassen, so sollten sowohl Hochschuldidaktiker als auch Lehrende, die beide in der Regel keine psychotherapeutischen Qualifikationen aufweisen, die Ratsuchenden an Stellen weiter verweisen, die eine Psychotherapie für die Betroffenen anbieten können.

Tab. 1.1: Merkmale zur Unterscheidung von pädagogisch-psychologischer Beratung und Psychotherapie (modifiziert nach Hertel, 2009, S.41).

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Pädagogisch-psychologische BeratungPsychotherapie

1.2.2     Beratungsverständnis und Grundhaltung von Beratenden

Grundlage einer erfolgreichen Beratung ist ein gemeinsames Beratungsverständnis von Beratenden und Ratsuchenden. Petersen, Schiersmann und Weber (2014) formulierten Eckpunkte eines gemeinsamen Beratungsverständnisses für Beratungen in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Auf dieser Basis können für den Kontext des vorliegenden Buches folgende Punkte zur Definition des Beratungsverständnisses formuliert werden:

Eckpunkte eines Beratungsverständnisses bei Beratungen in der Hochschule (in Anlehnung an Petersen, Schiersmann & Weber, 2014, S. 6)

 

•  Die Beratenden (Hochschuldidaktikerinnen bzw. Lehrende) agieren professionell. Dies beinhaltet, ein explizites Beratungssetting mit Rahmung, Auftragsklärung, Kontrakt und Transparenz zu schaffen.

•  In der Regel handelt es sich um eine freiwillige, zeitlich umrissene, prozesshafte, interessensensible und ergebnisoffene Interaktion zwischen Ratsuchenden (Lehrenden bzw. Studierenden) und Beratenden (Hochschuldidaktikerinnen bzw. Lehrenden).

•  Im Zentrum der Beratung stehen die Ratsuchenden (Lehrende bzw. Studierende) mit ihren Interessen, Ressourcen und Lebensumständen, wobei Beratung immer in einem geteilten Verantwortungskontext stattfindet, in dem die Beratenden (Hochschuldidaktikerinnen bzw. Lehrende), die Ratsuchenden (Lehrende bzw. Studierende) und die Beratungsorganisation (Hochschule) gleichermaßen Verantwortung für den Beratungsprozess übernehmen.

•  Die Interaktion in der Beratung geht über reine Informationsvermittlung hinaus; sie umfasst vielmehr eine subjektiv relevante Reflexion von Sachverhalten, die u. a. den Ratsuchenden (Lehrende bzw. Studierende) ermöglicht, begründete Entscheidungen zu treffen.

Neben einem gemeinsamen Beratungsverständnis ist auch die Grundhaltung der Beratenden von zentraler Bedeutung für konstruktive und erfolgreiche Beratungen. Die folgenden fünf Grundhaltungen wurden von Hennig und Ehinger (2003) für Beratungen im schulischen Kontext beschrieben. Sie können ebenfalls für den Kontext »Beratungen in der Hochschule« angewandt werden:

•  Empathie: Beratende sollten sich in die Situation der Ratsuchenden einfühlen können, sie als Personen akzeptieren und somit das nötige Vertrauen für eine Beratung schaffen.

•  Berücksichtigung des Lebenskontextes der Ratsuchenden: Um mögliche Ressourcen aber auch Hindernisse und Schwierigkeiten der Ratsuchenden (Lehrende bzw. Studierende) zu erkennen, müssen sich die Beratenden (Hochschuldidaktiker bzw. Lehrende) möglichst gut in den Lebenskontext der Ratsuchenden hineinversetzen.

•  Stärkung der Eigenverantwortlichkeit: Die Verantwortung für das Handeln bleibt bei den Ratsuchenden (Lehrende bzw. Studierende). Dies bedeutet, dass Beratung in der Hochschule stets das Ziel haben sollte, die Beratenden bei der Selbsthilfe zu unterstützen.

•  Ressourcenorientierung: Häufig werden in Beratungssituationen Probleme oder Defizite thematisiert. Damit eine Beratung erfolgreich ist, sollten darüber hinaus immer auch die Ressourcen, d. h. die Stärken und Fähigkeiten der zu Beratenden (Lehrenden bzw. Studierenden) ins Auge gefasst werden.

•  Lösungsorientierung:Lösungsorientierung ist ein zentrales Kennzeichen pädagogisch-psychologischer Beratung (image Tab. 1.1). Neben einer kurzen, anfänglichen Problemdefinition sollte demnach der Lösungsfindung die Hauptzeit des Beratungsgesprächs gewidmet werden

1.2.3     Beratungskompetenzen

Eine weitere Grundlage erfolgreicher Beratung sind kompetente Beratende. Das nachfolgende von Petersen, Schiersmann und Weber (2014) beschriebene Kompetenzprofil für Beratende beruht auf einem systemischen Verständnis von Beratung. Dieses systemische Verständnis bezieht als weitere für die Beratung relevante Systeme neben dem Beratungssystem (bestehend aus Ratsuchenden und Beratenden, die sich im Beratungsprozess begegnen) auch den organisationalen sowie den gesellschaftlichen Kontext mit ein. In Tabelle 1.2 werden die systemumfassenden und prozessbezogenen Kompetenzen (Petersen, Schiersmann & Weber, 2014) für den Kontext der Beratung in der Hochschule spezifiziert (image Tab. 1.2). Eine detaillierte Auflistung von Kompetenzindikatoren und kognitiven Ressourcen für jede der beschriebenen Kompetenzen findet sich bei Petersen und Kollegen (2014).

Tab. 1.2: Beratungskompetenzen zur Beratung an der Hochschule (in Anlehnung an Petersen et al., 2014, S. 10 ff.).

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Kompetenzdazu notwendige Kenntnisse

Exkurs: Beratung an Hochschulen als Experten-Laien-Kommunikation

In beiden Arten der Beratungssituationen an Hochschulen, die in diesem Buch betrachtet werden (Hochschuldidaktiker beraten Lehrende und Lehrende beraten Studierende), bestehen in der Regel Wissensunterschiede zwischen Beratenden (Hochschuldidaktiker image Kap. 2, Lehrende image Kap. 3) und Ratsuchenden (Lehrende image Kap. 2, Studierende image Kap. 3). Daher sind Effekte zu erwarten, die in der Forschungsliteratur zur Experten-Laien-Kommunikation beschrieben wurden: Zu nennen sind beispielsweise der »Fluch des Wissens« oder »Fluch der Expertise« Effekt (zum Beispiel Hinds, 1999, Hinds, Patterson & Pfeffer, 2001) oder die »Illusion der Evidenz« (zum Beispiel Bromme & Jucks, 2001). Demnach haben Experten Schwierigkeiten, das Wissen von Laien richtig einzuschätzen und überschätzen generell, was diese wissen. Daher verwenden sie häufig ein zu abstraktes und fachspezifisches Vokabular, wenn sie mit Laien kommunizieren und sehen es als gegeben an, dass ein Sachverhalt für alle Beteiligten sehr einfach zu verstehen ist.

Übertragen auf die Situation der Beratung an Hochschulen bedeutet dies, dass sowohl Hochschuldidaktiker bei der Beratung von Lehrenden als auch Lehrende bei der Beratung von Studierenden diesen Effekten bewusst entgegensteuern sollten. Sie sollten darauf achten, das Vorwissen der Ratsuchenden nicht zu hoch einzuschätzen und einen verwendeten Begriff lieber einmal mehr erläutern als sie es vom Bauchgefühl her für nötig erachten würden.

1.2.4     Beratungsansätze

Es existieren eine sehr große Anzahl an unterschiedlichen Beratungsansätzen, die in der Literatur zum klinischen sowie auch pädagogisch-psychologischen Beratungskontext zitiert werden (vgl. Steinebach, 2006; Steinebach, Süss & Kienbaum, 2016).

Im Folgenden wird nur kurz auf einige zentrale Beratungsansätze eingegangen, wie sie bei Hertel und Schmitz (2010) zusammenfassend beschrieben werden. Vertiefend können diese Ansätze beispielsweise bei Ertelt und Schulz (2015) nachgelesen werden. Tatsächlich kommt in der Beratungspraxis in der Regel nicht ein isolierter Ansatz zur Anwendung, sondern es werden häufig Methoden unterschiedlicher Ansätze kombiniert.

Kognitiv-behavioristische Beratung

Im Zentrum der kognitiv-behavioristischen Beratung steht eine ausführliche Verhaltensanalyse, die ein ungünstiges oder nicht-funktionales Verhalten sowie die Bedingungen, die dieses Verhalten aufrechterhalten identifiziert und genau analysiert. Daraufhin können Methoden angewendet werden, mit Hilfe derer Verhaltensänderungen wie die Selbstverstärkung für angestrebte Verhaltensweisen ermöglicht werden.

Klientenzentrierte Beratung

Aus den Annahmen der klientenzentrierten Gesprächstherapie, die auf Carl Rogers (2010) zurückgeht, können für die klientenzentrierte Beratung die zentralen Bedingungen für eine förderliche Interaktion abgeleitet werden: Echtheit, Wertschätzung und einfühlsames Verstehen. Im Vordergrund steht dabei nicht die Analyse der Ursachen der Schwierigkeiten, vielmehr wird bei den Klienten durch eine wertschätzende und empathische Interaktion die Grundlage für eine Selbsterkenntnis der Motive und Bedürfnisse und somit auch für eine Verhaltensänderung gelegt.

Systemische Beratung

Die zentrale Annahme der systemischen Sichtweise ist, dass individuelle Probleme einer Person durch Störungen in dem sie umgebenden System (zum Beispiel der Organisation, der Studierendengruppe etc.) hervorgerufen werden. Die Betrachtung des gesamten Systems unter Einbezug aller relevanten Beziehungen ist daher ein wichtiger Bestandteil bei der Bearbeitung der Probleme.

Lösungsorientierte Beratung

Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass für eine Lösung von Problemen keine detaillierte Ursachenanalyse nötig ist. Der Schwerpunkt der Beratung wird auf die Suche nach Problemlösungen gelegt. Daher eignet sich dieser Ansatz nicht für komplexe Problemkonstellationen. Den Beratenden kommt bei diesem Ansatz die Aufgabe zu, die Ratsuchenden beim eigenverantwortlichen Erarbeiten von Lösungen bestmöglich zu unterstützen.

1.2.5     Einige Beratungstechniken

Für eine erfolgreiche Beratung müssen Beratende je nach Situation unterschiedliche Beratungstechniken im Beratungsgespräch einsetzen. Hierbei können Hochschuldidaktiker als Beratende für Lehrende fungieren oder Lehrende als Beratende für Studierende. McLeod und McLeod (2011) beschreiben 25 verschiedene Beratungstechniken, auf die folgend in alphabetischer Reihung im Detail eingegangen wird, ergänzt durch einige weitere Techniken:

Aktives Zuhören

Wichtigste Beratungstechnik: Die Beratenden hören den Ratsuchenden aufmerksam zu, schweifen in Gedanken nicht ab, und beachten alle Signale (verbale, para- und nonverbale) der Ratsuchenden. Die Beratenden halten Stille aus und nutzen diese Pausen, um den Ratsuchenden Raum zu geben sowie selbst über das Erfahrene nachzudenken. Als Grundlagen für aktives Zuhören gelten Empathie und Authentizität der Beratenden sowie die bedingungsfreie Akzeptanz und Wertschätzung der Ratsuchenden (Eckert, 2006). Letztere umfasst aber keine bedingungsfreie Zustimmung zu dem, was die Ratsuchenden meinen bzw. tun.

Aufmerksamkeitsfokus

Die Beratenden sollten sich innerlich auf die Ratsuchenden fokussieren und sich vollständig ihnen widmen, d. h. keine anderen Themen im Kopf haben. Zugleich sollten die Beratenden ihre Aufmerksamkeit gegenüber den Ratsuchenden explizit zeigen: mit unterstützenden Gesten, häufigem Blickkontakt, spiegelnder und unterstützender Mimik oder sprachunterstützenden Äußerungen wie »hmm«, »verstehe« etc.

Ausnahmen vom Problem und Fokus auf Ressourcen

Häufig schildern Ratsuchende in Beratungssituationen Probleme, die sie bewegen. Zur Lösungsfindung kann es hilfreich sein, den Fokus auch auf mögliche Ressourcen der Ratsuchenden zu legen, indem die Beratenden nach Ausnahmen von diesem Problem fragen oder danach, was den Ratsuchenden in der Vergangenheit bei der Bewältigung ähnlicher Probleme geholfen hat (Beispiel bei »Schreibblockade« oder »Aufschieben« in der Beratung von Studierenden durch Lehrende: »Wann fiel es Ihnen im Laufe Ihres bisherigen Studiums leicht und unter welchen Bedingungen gelang es Ihnen, geforderte schriftliche Leistungen fristgerecht zu erstellen?«)

Beobachtung

Die Beratenden beschreiben eine Besonderheit, die sie beobachtet haben, zum Beispiel eine Inkongruenz zwischen Körpersprache und Äußerungen bei einem schwierigen Thema. Die Beobachtung bezieht sich v. a. auf nonverbale und paraverbale Kommunikation im Vergleich zu verbalen Äußerungen. In anderen Fällen bezieht sich die Beobachtung auf widersprüchliche Aussagen der Ratsuchenden. Solche Beobachtungen sind besonders nach Interventionen der Beratenden sowie nach bedeutsamen Aussagen der Ratsuchenden wichtig.

Einstellen auf Ratsuchenden

Die Beratenden versuchen sich auf die Ratsuchenden einzustellen: So können sie z. B. die Wörter und Formulierungen der Ratsuchenden verwenden oder aber versuchen, die Sichtweisen, Empfindungen und Erfahrungen der Ratsuchenden nachzuempfinden, um sich in deren Situation hineinzuversetzen. Dadurch fühlen sich die Ratsuchenden verstanden.

Erinnern

Die Beratenden versuchen, sich an die wichtigsten Aspekte des Beratungsprozesses zu erinnern, indem sie sich kurze (!) Notizen während und nach der Beratung machen. Dadurch ziehen sie kohärente Verbindungen zwischen den Erfahrungen und Handlungen der Ratsuchenden.

Feedback anbieten

Die Beratenden geben den Ratsuchenden meistens ein Feedback, nachdem sie dazu aufgefordert wurden (zu Kriterien guter Rückmeldung image Kap. 2.2.5, image Kap. 3.2.1). Dieses Feedback muss mit Bedacht erfolgen, damit (a) das Feedback von den Ratsuchenden so verstanden wird, wie die Beratenden es meinen, (b) das Feedback von den Ratsuchenden nicht generalisiert wird und (c) das Feedback nicht zu schonend bzw. allgemein wird. Zum Beispiel ist die Aussage »Ich glaube, dass Sie eine Lehrende (bzw. eine Studierende) sind, die sich mit Ihrer allerersten Lehrveranstaltung (bzw. Referat) schwer tut« in einer Beratung ein recht nutzloses Feedback, da dies für fast alle Erstlehrenden (bzw. erstmalig referierenden Studierenden) gilt.

Fragen stellen

Die Beratenden stellen den Ratsuchenden Fragen, v. a. um das relevante Problem in seiner Gänze zu erfassen. Die Fragen sind meist offen und umfassen die klassischen W-Fragen: »Wann kam das Problem erstmals auf? Wer war daran beteiligt? Wie haben Sie darauf reagiert?« etc.

Fürsorge

Die Beratenden »kümmern« sich um die Ratsuchenden. Dies beinhaltet das Beratungssetting: zum Beispiel eine bequeme Sitzmöglichkeit für die Ratsuchenden bereitzustellen. Zugleich antizipieren die Beratenden kommende Ereignisse, bei denen die Ratsuchenden Hilfe benötigen könnten (zum Beispiel Konfliktgespräch zwischen einer Prüferin und dem Prüfling nach der Notenvergabe am Ende des Semesters).

Herausfordernd sein

Die Beratenden fordern die Ratsuchenden heraus, neue Ideen und Ansichten zu berücksichtigen sowie neues Verhalten zu zeigen, sofern diese Herausforderungen zur Problemlösung dienlich sind. Die Beratenden stehen den Ratsuchenden bei der Bewältigung der Herausforderungen unterstützend bei.

Ich-Botschaften verwenden

Häufig werden Du-Botschaften, also Sätze, die einen Gesprächspartner direkt ansprechen oder mit einem Problem konfrontieren, als Vorwurf verstanden. In Beratungssituationen sollte daher versucht werden, stattdessen Ich-Botschaften zu verwenden, um die subjektive Empfindung der Beratenden auszudrücken und den Ratsuchenden die Gelegenheit zu geben, den Inhalt möglichst vorwurfsfrei aufzunehmen. (Beispiel: Statt der Du-Botschaft einer Lehrenden an eine Studierende: »Sie haben die Richtlinien, die ich Ihnen angegeben hatte, nicht umgesetzt«, eine Ich-Botschaft formulieren: »Ich habe den Eindruck, dass an dieser Stelle die Zitationsrichtlinien noch nicht vollständig beachtet wurden.«)

Informationen geben

Im Sinne einer klassischen Expertenberatung geben die Beratenden den Ratsuchenden Informationen, die bei der Problemlösung helfen. Die Informationsvermittlung verläuft eingebettet im Beratungsprozess.

Informierte Zustimmung (»informed consent«)

Eine wichtige Grundlage von Beratungen, die unter anderem rechtliche und ethische Aspekte umfasst, ist die informierte Zustimmung (vgl. Steinebach, 2006). Dies bedeutet, dass die zu Beratenden über Gesetze und Möglichkeiten, die eigenen Rechte zu wahren, informiert wurden. Beratende müssen den Schutz der zu Beratenden (zum Beispiel durch Zusicherung von Vertraulichkeit sowie durch eine Transparenz bezüglich Zielen und Methoden der Beratung) sicherstellen.

Körperliche Bewusstheit

Beratende können im Beratungsprozess sowohl verbale Signale als auch paraverbale und nonverbale Signale wahrnehmen und bewusst einsetzen. Paraverbale Signale umfassen das Sprechverhalten (Lautstärke, Tempo) und die Tonalität der Stimme (Betonung, Stimmlage Sprachmelodie). Nonverbale Signale beinhalten Blickkontakt, Gesten und Handzeichen, Körperhaltung und -bewegung, Mimik, Stil (Frisur, Kleidung, Schmuck etc.). Beratende sind sich ihrer eigenen para- und nonverbalen Signale an die Ratsuchenden bewusst und können diese aber auch selbst bewusst einsetzen (zum Beispiel unterstützende Gesten, vlg. » Aufmerksamkeitsfokus«). Zudem achten sie auch auf die para- und nonverbalen Signale des Ratsuchenden.

Paraphrasieren

Die Beratenden fassen die Äußerungen der Ratsuchenden nach längeren Sprechanteilen der Ratsuchenden in einer kurzen Feststellung zusammen, wobei sie sich auf v. a. emotionale Aspekte konzentrieren und diese offen ansprechen, zum Beispiel in einer hochschuldidaktischen Beratung): »Alle diese Konflikte in der Lehre haben Sie nicht erwartet und sind deshalb nun frustriert.« Dies soll zum einen das Gefühl der Ratsuchenden, verstanden zu werden, stärken, zugleich verlangsamt es den Denkprozess und stoppt den Redefluss der Ratsuchenden. Zum anderen werden damit die teils nur implizit geäußerten Emotionen der Ratsuchenden verbalisiert, welche meist die Grundlage des Beratungsbedarfs ausmachen, und die Reflexion der Ratsuchenden wird gefördert. Zuletzt dient es auch indirekt der Klärung (s. o.), ob die Deutung der Beratenden stimmig ist. Die Paraphrasierung bietet häufig die Basis dafür, dass Beratende und Ratsuchende sich im Anschluss der Problemlösung widmen können.

Professionelles Beziehungs- und Distanzverhalten

Beratende treffen sich mit den Ratsuchenden in einem professionellen Beratungssetting (feste Beratungszeiten samt klarem Anfang und Ende, störungsfreier Raum, adäquate Sitzmöglichkeiten). Ihre Beziehung ist professionell, d. h. zwischenmenschlich empathisch, um auch schwierige Themen der Ratsuchenden besprechen zu können. Zugleich aber verläuft sie stets auf einer beruflichen Ebene, ohne Aufbau von freundschaftlichen oder gar intimen Beziehungen zu den Ratsuchenden. Wenn es den Ratsuchenden und deren Anliegen hilft, können die Beratenden auch eigene persönliche Erfahrungen preisgeben (individuelle Entscheidung der Beratenden).

Prozessüberwachung

Die Beratenden überwachen den Beratungsprozess, insbesondere bzgl. (a) Themenwechseln, (b) Veränderungen in der Beratenden-Ratsuchenden-Verbundenheit, (c) Veränderungen der emotionalen Involvierung der Ratsuchenden sowie (d) Veränderung im Selbstkonzept der Ratsuchenden. Diese Prozessüberwachung dient den Beratenden, die jeweils beste Beratungsstrategie einzusetzen (zum Beispiel gehen Beratende bei einem plötzlich auftauchenden sensiblen Themenbereich der Ratsuchenden besonders empathisch vor).

Ratschläge geben

Beratende geben keine direkten Ratschläge (»Du sollst …«), zeigen aber den Ratsuchenden neue Möglichkeiten ihres Handelns und Denkens auf. Die Ratsuchenden wählen selbstständig die ihnen genehme Alternative. Beratung bleibt Hilfe zur Selbsthilfe und ist keine Betreuung oder gar Vormundschaft.

Rollenklärung