Christian Linker

SCRIPTKID

Erpresst im Darknet

Thriller

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Über Christian Linker

© Barbara Dünkelmann

Christian Linker, geboren 1975, studierte Theologie und machte Jugendpolitik, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine bei dtv junior erschienenen Romane wurden vielfach ausgezeichnet – »RaumZeit« wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, »Dschihad Calling« stand auf der »Liste der Besten 7«.

Über das Buch

HACKEN ODER GEHACKT WERDEN?

 

Zille ist nach und nach in die unergründlichen Tiefen des Darknets abgetaucht. Dort fühlt sie sich frei und unbeobachtet – und hat gelernt, mit einfachen Hack-Attacken Geld zu verdienen. Plötzlich findet sie in ihrem Posteingang eine verschlüsselte Botschaft. Ist es die Nachricht einer Firma, die nach jungen talentierten Hackern sucht? Oder eine Falle von jemandem, der sich an ihr rächen möchte?

 

Ein rasanter Darknet-Thriller

Impressum

Originalausgabe

© 2018 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: dtv

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

eBook-Herstellung im Verlag (01)

 

eBook 978-3-423-43487-4 (epub)

978-3-423-71810-3

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks

ISBN (epub) 9783423434874






»Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.«

Friedrich Nietzsche

1

Penisbilder.

Nackte Brüste.

Noch mehr Brüste.

Eine abgetrennte Hand (real oder fake?).

Eine flatternde Südstaatenflagge.

Eine Hakenkreuzflagge.

Mangas.

Brüste.

 

Jungs-Bullshit.

Manchmal denke ich, ich bin das einzige Mädchen, das auf dem /b/-Board bei 4chan abhängt. Oder der einzige Mensch mit Hirn.

Oder mit Geschmack.

Was womöglich alles dasselbe ist, auch wenn Daemon mir da jetzt widersprechen würde. Aber der ist ja gerade nicht online und ich hab auch keinen Bock, an ihn zu denken; denn das, was ich hier nebenherlaufen lasse, würde er natürlich absolut scheiße finden.

Hey, Zille, würde er sagen, such dir richtige Feinde, anstatt mit deinen Billig-Tools für ein paar Dollar arme, unschuldige Server anzugreifen.

Dabei geht es doch nicht um Schuld oder Unschuld oder gar Feindschaft. Nicht mal so richtig um das Geld.

Ich mache das hier eigentlich vor allem aus einem Grund: weil ich es kann.

 

Ich liebe es, wenn in dem Fenster rechts oben auf dem Bildschirm meines Laptops vor dem schwarzen Hintergrund die grünen Ziffern und Buchstaben nach oben rieseln wie ein umgekehrter Wasserfall in einem stummen Traum. Ich muss ja nicht viel tun, die Attacke läuft alleine vor sich hin, die Software bombardiert den gegnerischen Server mit ihren Anfragen. Im Fenster links unten scrolle ich währenddessen durch das /b/-Board mit seinen entblößten Geschlechtsteilen, abgetrennten Gliedmaßen und durchgeknallten Tierbildern. Auch dieses bescheuerte Board mag ich irgendwie, diese Ansammlung von Bullshit, völlig sinnlos, völlig anonym, immer nur für kurze Zeit online und dann für immer im Nirwana – du aktualisierst die Seite und schon ist neuer Bullshit da.

 

Zwischendurch lade ich im dritten Fenster erneut die Website von Beppo’s Pizzaservice. Die Seite zickt mächtig herum, sie stottert, röchelt, geht in die Knie, dann ist sie down. Server nicht gefunden. Bäm!

Angriff erfolgreich!

Da kommt für die nächste halbe Stunde keine Bestellung mehr rein.

Nee – also ein »Feind« ist dieser Laden nun wirklich nicht, jedenfalls nicht für mich. Keine Ahnung, welches Problem ein gewisser Bl00dy_F!ght3r mit Beppo hat. Vielleicht ist das ein Schutzgelderpresser. Oder nur ein unzufriedener Kunde, dem einfach nicht genug Käse auf der letzten Pizza war. Egal, denn bei mir ist der Kunde König. Ich mache den Job, ohne zu fragen.

 

Es klopft an meine Tür. Das ist wohl Mutti, denn außer ihr und mir wohnt niemand hier.

Klar weiß ich, wie bescheuert Mutti klingt. Deshalb nenne ich sie ja so.

Mutti streckt den Kopf zur Tür rein.

»Du bist noch wach?«

»Wie du siehst, Mutti.«

Viel sieht sie eigentlich nicht. Ich hocke auf dem Sitzsack unter meinem Hochbett und habe den Rechner im Schoß, der schwache Schein des vierfach geteilten Bildschirms macht das einzige Licht im Raum. Doch jetzt schiebt Mutti die Tür auf und damit einen gleißend grellen Keil Helligkeit herein. Sie steht da wie aus einer anderen Dimension, der Deckenstrahler im Flur blendet mich und ich sehe nur ihre Umrisse, nicht ihr Gesicht.

Sie beugt sich zu mir herunter und fragt: »Hast du denn für die Matheklausur gelernt?«

»Was glaubst du, was ich hier mache?«

Das ist keine Antwort. Und genau das könnte sie mir ja jetzt sagen: dass sie eine Antwort will. Oder was sie denn stattdessen tatsächlich glaubt, was ich mache. Sie könnte sich ja mal dafür interessieren.

Doch sie sagt nur: »Entschuldige, Celina, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

Nee, genau.

»Dann tu es halt nicht«, gebe ich zurück.

Ich weiß selbst nicht, warum ich oft so ätzend zu ihr bin.

Und ist es überhaupt so schlimm, dass Beppos Pizzaservice jetzt für eine Weile keine Online-Bestellungen mehr kriegt, sondern nur noch – wie im Mittelalter – schnöde per Telefon? Können die Lieferknechte halt mal Pause machen, ’ne Zigarette rauchen.

Im vierten Fenster meines Bildschirms bewegt sich was. Meine Torbox hat eine neue Nachricht! Immer noch aufregend. Ich bin schließlich erst seit ein paar Wochen im Darknet unterwegs. Jeder neue Kontakt ist wie ein neuer Planet in dieser riesenhaften, betörend finsteren Netz-Galaxis.

Ich möchte nicht draufklicken, solange Mutti hier steht, sich wieder aufrichtet und das große Wandtattoo von La Catrina anstarrt, diesem mexikanischen Skelettmädchen mit dem breiten Hut, dem wallenden Haar und den Gewändern aus tausend Farben. Als würde sie darauf warten, dass La Catrina ihr etwas über mich mitteilt, was ich selber nicht sagen kann. Oder will.

Sie beugt sich noch einmal zu mir und sagt: »Wenn du wenigstens ab und zu mal diese Kapuze abnehmen würdest …«

»Schlaf gut«, sage ich bloß.

»Ja. Du auch, mein Schatz.«

Sie beugt sich tiefer, will mich vielleicht umarmen, kommt aber nicht an mich heran. Also wirft sie mir einen Handkuss zu und zieht sich mit einem Seufzer zurück. Jeden Abend macht sie denselben Seufzer. Der Lichtkeil schrumpft zu einem dünnen Faden zusammen und verschwindet im Türspalt.

Ich klicke auf die Nachricht.

Sie ist leer.

Der Absender hat eine imposante Mailadresse: beyond_good_and_evil@torbox3uiot6wchz.onion. Aber dafür offenbar nichts zu sagen. Doch eine Datei hängt an, ein Bild. Ich öffne es und sehe die Schwarz-Weiß-Zeichnung eines Insekts. Eine Mischung aus Wespe und Ameise. Unten links am Bildrand stehen sehr klein vier Ziffern: 1873.

Eine Jahreszahl?

Oder was?

 

Das muss ein verdammtes Rätsel sein!

So ein ähnliches Rätsel hat schon einmal im Internet von sich reden gemacht. Daemon hat das erwähnt, als wir vor einiger Zeit übers Hacken geschrieben haben. Aber ich kriege die Geschichte nicht mehr zusammen. Ich muss ihn bei nächster Gelegenheit danach fragen.

Erst einmal beende ich die DDoS-Attacke, damit der arme kleine Pizzabäcker seine Website wiederhat. Das schöne grüne Rieseln verebbt, der Cursor blinkt unschlüssig vor sich hin.

Nein, Daemon würde das gar nicht gut finden. Erstens hält er nichts von gebrauchsfertigen Hacking-Tools, die man irgendwo für kleines Geld kaufen kann, und zweitens schon gar nichts davon, irgendwen oder irgendwas zu hacken, was nicht wenigstens zum ultimativen Bösen gehört.

Tierversuchsanstalten, Waffenfabriken, so was halt. Er macht immer sehr einen auf Moral. Doch im Darknet weißt du noch weniger als sonst wo, ob jemand echt ist oder Fake. Ich weiß von Daemon, dass er einundzwanzig ist und ausschließlich aus politischen Gründen hackt; dass er nicht weit weg von hier lebt und dass er solo ist. Letzteres ist mir übrigens vollkommen egal.

Und der Rest könnte ebenso gut ausgedacht sein. Er weiß anscheinend so viel über Computer und das Internet und über das Deep Web, das darunterliegt, und über das Darknet, das noch so unendlich viel tiefer darunterliegt, dass er vermutlich eher vierzig als einundzwanzig ist. Ein fetter vierzigjähriger Nerd mit strähnig dünnem Haar, der den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt, mit einer Pizza im Karton auf dem Schoß. Vielleicht ja von Beppo.

 

Nee, keine Ahnung. Aber das macht es ja interessant.

Ich kann mit ihm jedenfalls ziemlich gut reden. Leider kenne ich seine Stimme nicht. Aber wenn wir uns schreiben, höre ich sie trotzdem in meinem Kopf.

 

Mutti will auch ständig reden. Sie will, dass ich sie bei ihrem Vornamen nenne, Ines.

Bevor mein Vater ausgezogen ist, habe ich Mama zu ihr gesagt, das war doch okay. Aber jetzt sind wir zwei Frauen übrig geblieben, sagt sie, da müssen wir zusammenhalten wie beste Freundinnen, sagt sie, aber erstens ist sie allein übrig geblieben, ich nicht. Mein Vater war ja nur mit ihr verheiratet und nicht mit mir. Zweitens ist sie achtundvierzig und ich bin siebzehn und ich will keine beste Freundin haben, die fast dreimal so alt ist wie ich. Drittens habe ich nämlich schon eine beste Freundin. Yu-Mi, der beste weibliche Point Guard diesseits des Atlantiks, die letzte Woche wieder fünf Dreier geworfen hat.

Also wenn ich mit jemandem losziehen will, Party machen oder shoppen oder meinetwegen einfach ein Bier an der Bushaltestelle trinken, dann mit Yu-Mi und nicht mit – genau: Mutti.

Wobei ich sagen muss, dass ich eh ziemlich selten losziehe …

Ja, ich weiß, ganz viele Mädchen verstehen sich ganz toll mit ihrer Mutter, aber zur Hölle – was für ein Bullshit. Ständig will sie reden, verständnisvoll sein. Sie will mich akzeptieren, fördern und ermutigen, sagt sie, damit ich eine selbstbewusste, autonome und vor allem emanzipierte Frau werde, sagt sie; und im nächsten Moment sagt sie dann, ich soll doch nicht immer Kapuze tragen bei meinen schönen Haaren. Und doch auch mal ein paar hübsche Schuhe kaufen, nicht immer nur diese Boots.

 

Nein, zum Reden habe ich Yu-Mi. Beziehungsweise seit einiger Zeit vor allem Daemon. Ich maile ihm das Bild mit dem seltsamen Insekt und der Zahl. Ihm wird dazu was einfallen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es damit irgendwas auf sich hat. Dass es nicht einfach Unsinn ist, den mir irgendwer geschickt hat, aus was auch immer für Gründen. Sondern dass es etwas zu bedeuten hat.

 

Ich wünsche es mir einfach.

Es wäre echt an der Zeit, dass mal was Bedeutendes geschieht.

Ich klicke das Fenster mit dem /b/-Board zu. Manchmal habe ich Angst, dass wir alle genau das sind, wonach das Board benannt ist: random. Zufällig. Willkürlicher Bullshit, der kurz aufscheint und dann ins Vergessen fällt. Als wäre das ganze Universum so ein Board, und davor sitzt ein gelangweilter Gott mit einem Softdrink in der Hand und drückt ab und zu auf den Refresh-Button.

Ob ich jetzt trotzdem noch ein bisschen für die Matheklausur lernen soll?

2

Irgendwas mit Primzahlen!

In dieser Matheklausur hier geht es gerade um Integrale, nicht um Primzahlen. Trotzdem schießt mir das durch den Kopf. Denn von Primzahlen handelte doch die Geschichte, von der Daemon mir einmal geschrieben hat. Von Primzahlen und auch von so einem Insekt. Ist die 1873 eine Primzahl? Ich kritzle die Ziffern auf mein Schmierpapier und versuche, die Zahl zu teilen. Durch drei, durch sieben … ich sollte mich auf die Matheaufgabe konzentrieren, aber das funktioniert plötzlich nicht mehr. Es ist eine Primzahl. Warum schickt mir jemand ein Bild mit einem Insekt und einer Primzahl? Es ist eine Challenge, ganz klar.

Zikade, so nennt man dieses Insekt, glaube ich. Jedenfalls in der Geschichte von Daemon, das hab ich letzte Nacht noch gegoogelt. Cicade 3301, das war vor ein paar Jahren eine Rätselbotschaft, die plötzlich auf 4chan.org aufgetaucht war, auf dem /b/-Board voller Bullshit. Zusammen mit dem Hinweis, dass eine unbekannte Organisation die Besten der besten Leute sucht. Das war es, wovon Daemon mir erzählt hat. Bis heute weiß niemand, wer hinter Cicade steckt. Manche meinen, das FBI, andere glauben, Anonymus oder irgendeine andere Hackergruppe. Eine mysteriöse Gruppe, die Nachwuchs rekrutiert. Und jetzt wollen sie – oder irgendwelche anderen halt – ausgerechnet mich? Irgendwo in diesem Bild wartet eine versteckte Botschaft auf mich. Vielleicht ja von Daemon? Könnte zu ihm passen.

 

Am liebsten würde ich Yu-Mi neben mir anstupsen und sie nach ihrer Meinung fragen, was natürlich Quatsch ist, denn erstens kennt sie Daemon ebenso wenig wie ich, zweitens würde sie nicht mal dann von ihrem Klausurbogen aufschauen, wenn neben ihr ein Stripteasetänzer aus einer Torte springt. Ihre samtschwarzen Haare hängen wie eine Gardine vor ihrem Gesicht und dem Klausurbogen nebst Aufgabenblatt. Sie ist absolut fokussiert, sie ist quasi eins geworden mit der Funktion, die sie gerade ausrechnet.

 

Ich hingegen bin komplett raus. Lasse den Blick durch den Raum schweifen. Knapp dreißig Köpfe, niedergebeugt aufs Papier. Nur nicht der von Leo. Leo glotzt an die Decke, scheint angestrengt zu grübeln und nuckelt dabei am Ende seines Bleistifts wie ein Baby am Schnuller. Vielleicht träumt er von Nadjas ultragöttlichem Hintern. Jedenfalls hat er das gestern Abend so formuliert, in seiner WhatsApp-Nachricht an Mert.

Jetzt schaut er mich an, nimmt den Stift aus dem Mund und grinst schief. Würde ihm einer sagen: Hey, Leo, rate mal, wer das war, der dein Handy geknackt hat! – dann wäre mein Name sicher der allerletzte, der ihm einfiele. Genau darum hab ich das damals getan. Damals? Na, so lange ist es ja noch gar nicht her. Leo war mein Debüt und ohne ihn und seine scheiß Sprüche hätte ich mich sicher niemals aufgemacht, um das Darknet zu erkunden. Vielleicht sollte ich mich eines Tages bei ihm bedanken. Jetzt fährt er die Zunge aus und leckt an seinem Stift wie an einer Zuckerstange. Keine Ahnung, was er mir damit sagen will. Ich verdrehe die Augen und versuche mit Gewalt, irgendwie einen Weg zurück in die Matheklausur zu finden.

Nein, es funktioniert einfach nicht. Ich schiebe die Stifte in mein Mäppchen, streiche einmal – ohne Grund, vielleicht eine Art Ritual oder so was – mit der Handkante quer über den Klausurbogen, stehe auf und lege das Ding vorn aufs Pult.

Die Lehrerin, die gerade Aufsicht führt, guckt mich überrascht an.

»Sie müssen nicht abgeben, wenn Sie zur Toilette wollen.«

»Nee«, sage ich, »ich bin fertig.«

Da muss sogar Yu-Mi den Kopf heben und mir einen fragenden Blick zuwerfen.

Ich mache eine Geste mit Daumen und kleinem Finger neben meinem Ohr, dass wir später telefonieren werden. Dann ziehe ich meine Kapuze über den Kopf und verlasse den Raum.

 

Es ist noch früh am Morgen, gerade läuft die zweite Stunde, überall herrscht schläfrige Stille auf den Fluren. Die Klausur wird wohl eine Vier minus oder Fünf, na ja. Schule ist auch irgendwie random. Und ich genieße das Gefühl, dass ich plötzlich einen freien Vormittag habe. Zu spät fällt mir leider was ein: Da gibt es diese Regel, dass niemand mehr den Raum verlassen darf, sobald die erste Person ihre Klausur abgegeben hat. Das könnte jetzt natürlich blöd werden für die anderen, falls die mal aufs Klo müssen …

 

Draußen ist November. Und zwar nicht von dieser mystisch nebligen Sorte, wo man sich in wohlig düstere Gedanken über Vergänglichkeit einwickeln kann. Sondern von dieser pissigen Sorte, wo einem ständig ein hinterlistiger Nieselregen unter die Haut kriecht wie ein blindes Heer von winzigen Würmern und Trojanern. Weil meine mobilen Daten natürlich wieder restlos aufgebraucht sind, glotze ich einfach nur aus dem Fenster der Straßenbahn in die graue Welt hinaus und versuche zum tausendsten Mal, mir Daemons Gesicht vorzustellen.

Mutti arbeitet praktischerweise ziemlich viel. Sie bringt Leute zum Schlafen. Klingt nach Lehrerin, ist sie aber nicht. Sondern Anästhesistin, sie schickt die Patienten im Krankenhaus vor einer Operation ins Reich der Träume und sorgt dafür, dass sie auch wieder zurückkommen. Das ist natürlich ein Job mit ziemlich großer Verantwortung, keine Frage, sie hält jeden Tag Menschenleben in ihren Händen. Mich würde so was gruseln. Aber zu ihr passt das, finde ich. Ich vermute, sie kommt mit schlafenden Leuten einfach besser klar als mit denen, die wach sind.

Jedenfalls mag ich ihre Arbeitszeiten. Die sorgen dafür, dass ich die Wohnung meistens für mich habe.