Aron Lubor und der Wächter des Ewigen: Weg in die Galaxis

Weg in die Galaxis Neue Abenteuer, Volume 6

Alfred Bekker and Margret Schwekendiek

Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Aron Lubor und der Wächter des Ewigen

Copyright

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Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger

Also By Alfred Bekker

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Aron Lubor und der Wächter des Ewigen   

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WEG IN DIE GALAXIS

Science Fiction-Roman von Alfred Bekker & Margret Schwekendiek

Der Umfang dieses Buchs entspricht 122 Taschenbuchseiten.

Während auf der Erde die Trauerfeier für die Opfer der GAGARIN vorbereitet wird, schüren die Medien den Hass auf die Völker aus dem Goral-System. General Glenn von der Spaceguard ist dafür, den Krieg in das Goral-System zu tragen, um die Toten zu rächen. Kann es Peter Lorre und den wenigen vernünftigen Menschen gelingen, einen weitere Auseinandersetzung zu vermeiden?

Ein zufälliger Hyperfunkspruch lockt Aron Lubor und die PLUTO auf die Spur eines Fremden. Er ist der Wächter des Ewigen. David Campbell, der sich unter den Menschen nicht mehr wohlfühlt, versucht mit ihm zusammen unsere Galaxis zu verlassen.

Im  Kosmos der Serie ‚Weg in die Galaxis’ sind bisher erschienen:

Spur ins andere Kontinuum

Planet der Maschinen

Die Rebellen von G’oerr

Jagd durch das Sol-System

Das Cyborg-Projekt

Herrscher über ein Dutzend Welten

Aron Lubor und die Energiefalle

Aron Lubor und der Sprung ins All

Aron Lubor und die Sklavenwelt Pygma

Aron Lubor und die Macht im Dunkeln

Aron Lubor und das Echo aus der Vergangenheit

Aron Lubor und die Falle im Nichts

Aron Lubor und die vergessene Kolonie

Aron Lubor und die Fremden

Aron Lubor und der Ringplanet

Aron Lubor und der Wächter des Ewigen

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Copyright

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EIN CASSIOPEIAPRESS Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Authors

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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1.

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WIE AUS DEM NICHTS tauchte ein blau schimmernder Tropfen aus der Schwärze des Weltraums auf. Das blaue Schimmern rührte von der quantenstabilisierenden, extrem widerstandsfähigen M-Stahl-Legierung her, aus der die Außenhaut bestand. Der Tropfen war einhundertzwanzig Meter lang, der Maximaldurchmesser an der größten Verdickung betrug vierzig Meter. Am Bug dieses Gebildes ragten diverse Antennen hervor; im Ringwulst des Heckbereichs waren ein Lubor-Transitions-Triebwerk mit einer maximalen Sprungweite von 300 Lichtjahren, sechs schwenkbare, enorm schubstarke DaCern-Turbo-Triebwerke für den Unterlichtflug sowie ein Antigrav-Impuls-Antrieb für den Atmosphärenflug, kurz Gravitron genannt, untergebracht.

Es handelte sich um eine der modernsten Einheiten, über die die Firmen-Flotte der HFL-Corporation zur Zeit verfügte.

Die PLUTO IV trat aus dem Para-Kontinuum. Das gewaltige Lubor-Triebwerk schaltete sich ab. An seiner Stelle traten die DaCern-Triebwerke in Aktion.

Auf der Holoprojektion in der Zentrale des Raumschiffs wurden die Sterne sichtbar.

Lynsha Nash, die Kommandantin der PLUTO, lehnte sich in ihrem Kontursessel zurück. Die Ramonerin mit den intensiv grünen Augen hörte dabei eher beiläufig der Stimme von Syd zu, der Künstlichen Intelligenz PLUTO, der Bordtronic des Raumers.

»Transition erfolgreich abgeschlossen. Alle Systeme arbeiten einwandfrei«, meldete die angenehm klingende Bariton-Stimme.

»Zurückgelegte Lichtjahre vom Startpunkt Goral-System aus: 1179. Noch zurückzulegende Strecke bis zum Zielpunkt Station TANNHÄUSER: 295 Lichtjahre. Die letzte von insgesamt fünf programmierten Transitionen wird vorbereitet.«

»Sind Korrekturen notwendig?«, fragte Lynsha Nash.

»Negativ«, antwortete Syd. »Soll die Vorbereitung der fünften Transition auf dem Kurs zur Station TANNHÄUSER programmgemäß fortgesetzt werden?«

»Fortsetzen«, entschied Lynsha, nachdem sie kurzen Blickkontakt mit Noburu Kawagama aufgenommen hatte. Kawagama war der Pilot der PLUTO IV, ein etwa ein Meter siebzig großer hagerer Mann mit wüst zernarbtem Gesicht. Normalerweise liebte er es, Syd durch Scherze in Verwirrung zu stürzen, aber im Moment schien ihm nicht der Sinn danach zu stehen.

»Transition in einer Stunde, dreißig Minuten. Zeitspanne zur Vermeidung von Materialermüdungen beibehalten?«, fragte Syd.

»Beibehalten«, nickte die Kommandantin.

Seamus O’Connell meldete sich zu Wort, der an Bord der PLUTO die Funktion eines Funkers und Orters ausfüllte. »Objekt tritt aus dem Para-Kontinuum«, meldete er.

»Position?«, fragte die Kommandantin.

»Auf Grün 30:15,05, Blau 77:52,60 und Rot 89:67.22. Entfernung ca. 80.000 Kilometer.«

»Identifizierung möglich?«

»Es ist die BUCCANEER.«

Die Ramonerin atmete tief durch. »Na endlich«, murmelte sie. »Wo habt ihr nur so lange gesteckt?« Sie wandte sich an O’Connell. »Funkkontakt herstellen, Seamus!«

»Aye, aye, Madam!«

Beide Schiffe hatten ihre Transitionen miteinander koordiniert, darum war Lynsha über die Verspätung des anderen Raumers erstaunt.

Wenig später erschien eine Projektion aus der Kommandozentrale der BUCCANEER. Der afro-deutsche Pilot Helmut N’Kala, sowie die aus Nordrussland stammende Eignerin Barbara Johnson wurden sichtbar. Im Hintergrund waren Aron Lubor, Elaine Tacled und Johnny Safrinski zu erkennen.

»PLUTO IV an Frachter BUCCANEER. Was ist los mit euch? Irgendwelche Schwierigkeiten bei der Transition?«

»Nichts Wesentliches«, meldete sich Helmut N’Kala zu Wort. »Es gab ein paar technische Probleme, aber die sind im Griff.«

»Wir haben bis zur TANNHÄUSER noch einen letzten Transitionssprung hinter uns zu bringen. Meinen Sie, dass der für die BUCCANEER problemlos durchzuführen ist?«, fragte die 31-jährige, 1,70 Meter große Lynsha Nash.

Helmut N’Kala grinste.

»Was heißt an einem Schiff wie der BUCCANEER schon problemlos?«, lachte er und deutete auf Barbara Johnson. »Die Eignerin dieses alten Klapperkastens sollte mal wieder investieren, würde ich sagen, sonst bleiben wir noch irgendwann auf Nimmerwiedersehen im Para-Kontinuum hängen.«

»Du übertreibst«, erwiderte Barbara und machte einen Schmollmund. »Nach dem nächsten großen Frachtauftrag kann ich vielleicht eine kleine Summe abzweigen ...«

»Hat euch die HFL nicht einen dicken Brocken versprochen?«, fragte Kawagama, der Abenteurer aus Mega-Tokio.

»Versprochen ja«, antwortete Barbara. »Ich werde das Geld aber erst zählen, wenn ich es wirklich habe.«

»Eine weise Einstellung«, nickte Noburu.

Lynsha Nash schaltete sich wieder ein. »Sollte es irgendwelche Schwierigkeiten bei den Vorbereitungen zur nächsten Transition geben, dann meldet euch bitte umgehend!«

»Wird gemacht«, versprach Barbara.

Die Projektion wurde deaktiviert.

»Dafür, dass Barbaras Raumschiff angeblich so klapprig ist, hat es unsere gemeinsame Aktion aber gut überstanden«, konnte sich Noburu eine Bemerkung nicht verkneifen.

Lynsha Nash erhob sich.

»Ich denke, du schaffst das hier allein, Noburu«, sagte die Kommandantin an den Piloten gerichtet.

»Kein Problem.«

Er sah ihr nach, bis sie durch die automatische Schiebetür verschwunden war. Er konnte sich schon denken, was sie vorhatte. Sie wollte sich jemandem widmen, der sich als Gast an Bord der PLUTO IV befand: Björn Grenell, ihrem Ehemann.

*

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LORY WONG STARRTE NACHDENKLICH auf den Hauptbildschirm der DONNA. Das tropfenförmige Raumschiff mit rund 120 m Länge und einem maximalem Durchmesser von 40 m befand sich auf dem Weg zum Planeten Tahno. Ein Sonderauftrag, den Peter Lorre der Kommandantin in einem persönlichen Gespräch ans Herz gelegt hatte. Ein streng geheimer Auftrag, wenn man so wollte. Die Besatzung der DONNA sollte, gemeinsam mit einigen extra abgeordneten Technikern und Raumsoldaten (eigentlich bewaffneten Söldner, weil die HFL natürlich keine richtigen Soldaten abordnen konnte), das verschollene, gut versteckte Beiboot aufspüren, in dem Elaine Tacled und ihre Begleiter von Bord der GORRAT geflohen waren. Es ging in diesem Fall weniger um das Boot als vielmehr darum, den dort installierten Antinox-Antrieb zur Erde zu bringen. Diese neu entwickelten Triebwerke waren den bisher gebräuchlichen LarCan- und DaCern-Triebwerken eindeutig überlegen, denn sie basierten nicht auf der Hypersprungtechnik, sondern ermöglichten einen Durchflug durch das Para-Kontinuum. Damit waren Raumschiffe wesentlich schneller und konnten mit den herkömmlichen Methoden nicht verfolgt werden. Gute Gründe also, das Beiboot zu bergen und möglichst unbemerkt zur Erde zu bringen, wo die Techniker der HFL die Geheimnisse möglichst schnell auf terranische Verhältnisse umarbeiten sollten. Das konnte für die menschliche Technik einen wahren Quantensprung bedeuten.

Der Planet Tahno befand sich jedoch im Bereich des g’anidischen Herrschers, Prinz Ryon Sicraf, und obwohl ein gutes Verhältnis zwischen beiden Völkern bestand, war längst nicht sicher, dass der Prinz auch damit einverstanden wäre, dass die Menschen in den Besitz dieser fortschrittlichen Technik gelangten. Um diplomatische Zwischenfälle auszuschließen, war es am einfachsten, wenn die DONNA das kleine Raumschiff ganz einfach klaute. Aufgrund der Meldungen, die Elaine Tacled abgeliefert hatte, könnte es für die Menschen von wichtiger Bedeutung sein, die Geheimnisse dieses neuartigen Antriebs herauszufinden. Um das zu tun, musste eben das Triebwerksmodul zur Erde gebracht werden, so einfach war das. Und gleichzeitig so schwierig,

Bislang hatte Lory nicht gedacht, dass ausgerechnet sie und ihre Besatzung in den Genuss eines solchen Auftrags kommen könnten, denn das Raumschiff war im normalen Liniendienst tätig, nicht mehr als Routineaufträge. Die DONNA war außerdem bemannt mit Individualisten, um es vorsichtig auszudrücken. Angefangen bei Caren van Boer, der Pilotin, die Befehle häufig hinterfragte, bevor sie sie ausführte, über Phil J, der eigentlich Jangaharlawell hieß, was jedoch niemand aussprechen konnte. Er halt als arrogant und überheblich, war jedoch nur schüchtern, was Lory recht gut wusste, obwohl er als Bordingenieur der Spitzenklasse galt. Dann gab es noch Jordan Cromwell, den Navigator; unverschämt aussehend und ein Dauerredner, der ein Thema bis zum Erbrechen ausdiskutieren konnte. 2 Techniker waren zusätzlich an Bord gekommen, Fred Holzappel und Sabrina Twain, sie hatten dafür zu sorgen, dass das Antinox-Triebwerk ausgebaut werden konnte, sowie die beiden Söldner O’Hara und Kessler. Sie waren auf besondere Anordnung von Peter Lorre hier, unterstanden aber dem Befehl der Kommandantin.

Der Ausbau und Diebstahl eines ganzen Triebwerks war also ein Vabanque-Spiel, wie nicht nur Lory wusste, denn es bestand auch die Möglichkeit, dass es gar nicht so einfach aus dem Beiboot entfernt werden konnte.

Mach dich nicht selbst verrückt, mahnte sie sich. Positiv denken, dann wird es schon klappen. Noch vier Sprünge, dann können wir die Umgebung scannen und darauf hoffen, dass sich niemand sonst in der Nähe befindet.

Sie ging großzügig darüber hinweg, dass Tahno ein Strafplanet der G’aniden war, auf dem verurteilte Häftlinge Zwangsarbeit zu leisten hatten, um die großflächigen Zerstörungen nach der Auseinandersetzungen mit den Sebots wieder zu beseitigen. Es war also davon auszugehen, dass von Zeit zu Zeit Raumschiffe den Planeten anflogen. Soweit jedoch bekannt war, gab es keine Wachschiffe im Orbit, und Versorgungsschiffe hatten sie nicht zu fürchten.

Lory war nicht die einzige, die sich Gedanken darüber machte, wie sie feststellen musste. Jordan Cromwell drehte sich auf seinem Stuhl um und musterte seine Kommandantin neugierig.

»Hast du dir eigentlich schon Gedanken darüber gemacht, was wir sagen, wenn uns jemand fragt, was wir auf Tahno suchen?«, erkundigte er sich anzüglich.

Sie zauberte ein überlegenes Lächeln auf die Lippen. »Ich erzähle jedem, der es wissen will, dass ich überflüssige, neugierige oder unbotmäßige Besatzungsmitglieder aussetze«, erwiderte sie prompt.

Cromwell schaute sich erstaunt in der Zentrale um. »Haben wir denn solche Leute an Bord?«

»Du solltest öfter mal in den Spiegel schauen«, empfahl Caren van Boer, die Pilotin, und kicherte kurz.

»Du meinst mich?«, fragte er entrüstet. »Das ist nicht nett von dir. Ich halte mich durchaus für ein vollwertiges, wichtiges und vor allem unverzichtbares Mitglied der Besatzung ...«

»Schluss damit«, unterbrach Lory scharf. »Ich bezweifle, dass wir eine Ausrede brauchen werden, denn es ist nicht damit zu rechnen, dass man uns finden wird. Und falls doch, wird mir schon was einfallen. Sobald wir das System erreichen, will ich permanente Überwachung des gesamten Raumes.«

»Also rechnest du doch mit Schwierigkeiten«, beharrte Cromwell.

»Ich wäre dumm, würde ich das von vornherein ausschließen. Hältst du mich für dumm?«, fragte sie und schaute den Navigator intensiv an.

»Nein, natürlich nicht, so war das nicht gemeint«, beeilte er sich zu versichern.

»Fein. Thema erledigt.«

Die DONNA ging in die nächste Transition, dann folgten die weiteren Berechnungen, bis das Raumschiff schließlich den Rand des Systems erreichte. Augenblick traten alle Orter in Aktion, doch weit und breit befand sich kein anderes Raumschiff.

»Wir fliegen vorsichtig näher heran und gehen in einen stabilen Orbit. Ich will, dass alles genau untersucht wird, Herrschaften, ist das klar?« Lory wollte nichts außer Acht lassen, auch wenn im Augenblick alles daraufhin deutete, dass der Diebstahl des fremden Triebwerks zu einem Spaziergang werden könnte. Keinesfalls wollte sie sich überraschen lassen, und sie war wild entschlossen, das Vertrauen zu rechtfertigen, das Peter Lorre ihr entgegenbrachte.

Nach dreimaliger Umrundung von Tahno stand fest, dass nichts und niemand im Umkreis des Planeten zu finden war. Nun kam es darauf an, den Ort zu finden, an dem Elaine Tacled das Beiboot mehr oder weniger verborgen hatte. Es gab nur einen ungefähren Hinweis, das Gebiet, in dem sie zu suchen hatten, erstreckte sich immer noch über einen Bereich von rund 100 mal 100 km, und es war nicht davon auszugehen, dass es einfach zu finden war.; Energieabstrahlungen gab es keine mehr, und die geringen Spuren der Metalle, die man verbaut hatte, konnten rasch in der menge an Messergebnissen untergehen. In gewisser Weise mussten sie sich auf ihr Glück verlassen, und das Glück war mit dem Tüchtigen.

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LYNSHA NASH BEGAB SICH zum Wohndeck der PLUTO IV. Insgesamt zehn Kabinen gab es hier, dazu einen Aufenthaltsraum samt Autoküche, ein Fitnessstudio und einen Freizeitraum mit Virtual Reality-Systemen, mit denen man sich vortrefflich die Zeit vertreiben konnte.

Lynsha traf Björn Grenell im Aufenthaltsraum. Grenell war ein Studienfreund des HFL-Chefs Peter Lorre und nach wie vor in wichtiger Position für dessen HFL-Corporation tätig. Das dunkelbraune, halblange Haar kontrastierte zu den eisgrauen Augen. Er hatte glatte Augenbrauen, die er jetzt etwas in die Höhe zog, als er Lynsha bemerkte. Auf dem Tisch, an dem er zusammen mit Professor Manuel Dorfmann, dem Robotik- und Astrospezialisten der PLUTO saß, stand ein von der Autoküche gebrauter Espresso, daneben lag Grenells Pfeifenraucher-Besteck.

Manuel Dorfmann verstummte, als Lynsha sich näherte. Noch zuvor hatte es den Anschein gehabt, als wäre der Redefluss des übergewichtigen Wissenschaftlers nicht zu stoppen. Jetzt starrte er Lynsha an. Sein Doppelkinn trat hervor. Das aschblonde, schüttere Haar klebte ihm am Kopf. Wie üblich schwitzte er erbärmlich. In der Linken hielt er eine Tüte Chips. Ein paar davon waren auf dem ansonsten klinisch reinen Fußboden gelandet, was ihn nicht weiter zu kümmern schien.

Lynsha registrierte als Empathin ein deutliches Gefühl der Verwirrung bei Dorfmann. Normalerweise belästigte er sie bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit mit seinen Avancen; was im Übrigen keine besondere Auszeichnung darstellte. So verhielt er sich fast allen Frauen gegenüber. Aber in Anbetracht von Björn Grenells Anwesenheit verzichtete er darauf.

Sein Gesicht verzog sich zu einem etwas gezwungenen Lächeln, das sein Doppelkinn noch mehr in Erscheinung brachte.

»Gehe ich fehl in der Annahme, dass du nicht meinetwegen hier bist, Lynsha?«, frotzelte er. »Schließlich gibt es zur Zeit ja keinerlei Planeten zu erforschen, Sonden loszuschicken und dergleichen mehr ...«

Lynsha bedachte ihn mit einem kurzen Blick.

»Was macht dich so sicher, Prof?«

»Meine besondere Fähigkeit zu logischem Denken.«

»Ich verstehe.«

Björn Grenell, 43 Jahre alt und 1,76 Meter groß, erhob sich derweil, trat auf seine Frau zu und nahm sie in die Arme. »Ein hartes Los, Gast auf dem Schiff zu sein, auf dem die eigene Frau Kommandantin ist ...«

»Warum?«, fragte sie erstaunt.

Björn lächelte. »Wenn du zum Beispiel den Job unseres Professors hättest, hätten wir deutlich mehr Zeit füreinander ...«

»In den nächsten anderthalb Stunden wird uns voraussichtlich niemand stören«, meinte sie.

»Du bist und bleibst eine Optimistin«, erwiderte Björn.

Unterdessen erhob sich Dorfmann. Seine Fähigkeit zu logischem Denken war gewiss etwas stärker ausgeprägt als seine emotionale Intelligenz, und so hatte er erst mit Verzögerung gemerkt, dass er im Moment schlicht und ergreifend störte.

»Dann werde ich mich mal vom Acker machen«, ächzte Dorfmann schließlich und griff wieder einmal in die Chipstüte, wobei ihm erneut ein gewisser Prozentsatz zu Boden rieselte. »Vielleicht werde ich unserer geschätzten Bordärztin mal einen Besuch abstatten«, meinte er.

Alienor Domestan, die Bordärztin der PLUTO, hatte unter Dorfmanns Avancen genauso zu leiden wie die Kommandantin. Lynsha seufzte, als der Prof den Raum verlassen hatte.

»Setz dich«, sagte Björn.

Die Ramonerin zögerte. Sie wandte den Kopf, horchte. »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte sie.

Ein Grinsen flog über Björns Gesicht.

»Lord Hobble«, erläuterte er dann. »Er sitzt in seiner Kabine und lässt seine Heldenlieder ertönen ... und diese tiefen Frequenzen sind das, was davon durch die Wanddämmung noch übrigbleibt ...«

Lord Hobble stammte vom Planeten Shat. Er ähnelte einer mehr als zwei Meter großen Heuschrecke mit rötlich-goldenem Chitinpanzer. Wenn er sein unteres Beinpaar an seinem Unterleib rieb, erzeugte er damit eine düstere, synthesizerartige Musik, zu der er Texte aus dem reichhaltigen Repertoire shatorischer Mythologie zu singen pflegte. Sein Problem war, dass es an Bord der PLUTO IV kein geneigtes Publikum dafür gab.

»Das ist ja furchtbar!«, stieß Lynsha hervor. »Bislang war mir noch nicht aufgefallen, dass die Lieder unseres shatorischen Ritters dermaßen durchdringend sind ...«

»Tja, in der Zentrale bekommt man eben doch nicht alles mit.«

»Zum Glück, kann ich in dieser Beziehung nur sagen!«

»Ich habe Alienor gefragt. Auch die im Infraschall liegenden Frequenzen des Shatoren sind nicht gesundheitsschädlich!«

»Na, das ist ja tröstlich.«

»Ich hoffe, das gilt auch für ramonisches Nervengewebe!«

Lynsha machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist in letzter Zeit durch ganz andere Dinge strapaziert worden ...«

»Ja, es ist viel passiert«, gestand Björn zu. Lynsha setzte sich. »Einen Kaffee?«

»Nein danke, lieber etwas Erfrischendes.«

Björn programmierte die Autoküche und stellte ihr wenig später einen Drink auf den Tisch. Lynsha nahm einen Schluck. Ihre Gedanken gingen zurück zu den Ereignissen der letzten Zeit, die im Rückblick wie ein unwirklicher, schneller Albtraum auf sie wirkten. Aber letztendlich war die PLUTO IV-Crew zusammen mit der Mannschaft der BUCCANEER erfolgreich gewesen. Der Aufstand im Goral-System war verhindert und Pytter Dextra, der gefürchtete Sternenkaiser des G’anid-Imperiums abgesetzt worden. Ryon Sicraf, der rechtmäßige Thronfolger, hatte seinen Platz eingenommen, und es war zu hoffen, dass sich die Lage im Goral-System jetzt wieder normalisierte.

An Bord der PLUTO IV befand sich auch David Campbell, den der Usurpator Dextra als Thronfolger einsetzen wollte. Zusammen mit seinen Geschwistern Marvin Hershey und Jay Folkman, die wie Campbell selbst von der Erde entführt worden waren, wollten sie nun dorthin zurückkehren. Hershey und Folkman wollten als Botschafter für die G’aniden arbeiten. Die drei befanden sich zur Zeit an Bord der BUCCANEER.

An Bord des Frachters befand sich auch Luza Goppala, die Besitzerin der TANNHÄUSER. Auch ihretwegen war die Station das nächste Ziel der beiden Raumschiffe. Luza bestand nämlich darauf, für alle eine Abschiedsparty zu geben.

»Gibt es schon etwas Neues, was Tim Stefano angeht?«, erkundigte sich Lynsha.

Björn schüttelte den Kopf.

»Stefanos Flug von Trax II zur TANNHÄUSER und ins Goral-System, wo er auf uns stieß, war von der Spaceguard nicht gedeckt, das weißt du.«

»Wollte Peter Lorre nicht ein gutes Wort für ihn einlegen? Schließlich hat er uns sehr geholfen.«

»Es ist die Frage, ob ein gutes Wort da ausreicht«, blieb Björn Grenell ziemlich skeptisch.

»Meinst du, die schmeißen ihn aus dem Dienst der Spaceguard?«

»Wäre schon möglich. Mit Konsequenzen muss er jedenfalls rechnen, so wie ich die Situation einschätze.«

Björn Grenell trank seinen Espresso aus. Die dunklen Brummgeräusche, die von Lord Hobble verursacht wurden, schwollen noch etwas an.

»Ich glaube, da ist die Befehlsgewalt der Kommandantin gefragt«, lachte Björn.

Lynsha nickte. »Lord Hobble soll seine im weiteren Sinn des Wortes musikalische Betätigung nur soweit ausüben, als die Schalldämmung der PLUTO-Kabinen das zulässt!«

»Er wird sicher Verständnis dafür haben«, meinte Björn.

Lynsha hob die Augenbrauen. »Da bin ich nicht so sicher ...«

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2.

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»ICH WILL, DASS IHR mit dem Rest eures Lebens noch etwas Vernünftiges tut«, hatte Prinz Ryon Sicraf gesagt. »Ihr werdet auf den Planeten Tahno gebracht, wo ihr euch um den Wiederaufbau verdient machen könnt.«

Srepp, der ehemalige Minister für Diversion und Spitzelei, sowie Da Loype, der Neffe des ehemaligen Kaisers Dextra, waren mit diesem harten Urteil nicht einverstanden gewesen, doch der neue Herrscher der G’aniden hatte sich nicht erweichen lassen, sie waren ohne lange Wartezeit mit einem Raumschiff nach Tahno gebracht worden.

Die beiden Männer hatten nie zuvor in ihrem Leben harte körperliche Arbeit gekannt, und gleich nach ihrer Ankunft waren sie eingeteilt worden, im wahrsten Sinne des Wortes Steine zu klopfen. Selbstverständlich war allen anderen hier auf dem Planeten bewusst, welch illustre Gefangene sich jetzt hier befanden. Während Loype noch mehr oder weniger als dummer Mitläufer angesehen wurde, wusste man über die Machenschaften von Srepp viel zu gut Bescheid. Er hatte über das gesamte Reich der 12 Monde ein Spitzelnetz aufgebaut, in dem sich praktisch jeder gefangen hatte, der auch nur kritisch über den Kaiser und besonders seinen Minister dachte. Viele Bürger hatten ihm eine Verbannung oder gar den Tod zu verdanken, und so standen die beiden Neuankömmlinge in der Hierarchie an unterster Stelle – ohne Hoffnung, sich das Leben etwas leichter machen zu können. Die wenigen bewaffneten Wachen waren in erster Linie dazu da, die feindliche Tier- und Pflanzenwelt vom Lager fernzuhalten.

Es gab auf Tahno kaum Wachen, wer hier lebte – oder vegetierte – hatte nicht nur schwere Schuld auf sich geladen, er besaß auch nur zwei Möglichkeiten: Entweder, man hielt sich daran zu arbeiten und die Siedlung zu einer ordentlichen Stadt aufzubauen, oder man tat es nicht. Im ersten Fall gab es Essen, Kleidung und eine Unterkunft. Im zweiten Fall würde derjenige schon bald verhungern. Selbst ein Versuch in die Wildnis zu flüchten, führte in der Regel nur dazu, dass derjenige gegen eine feindlich gesinnte Umwelt kämpfte und kaum genug zu essen fand, um drei Tage zu überleben.

Die einzige Siedlung auf Tahno hatte rund 20 Jahre dem im Exil lebenden Prinz Ryon als Zuflucht gedient, er wusste also recht gut, wozu er die Gefangenen verurteilte. Bei den Auseinandersetzungen zwischen G’aniden und Sebots war es auf Tahno zu heftigen Verwüstungen gekommen, der Wiederaufbau war daher dringend notwendig.

Das lag nun nicht wirklich im Sinne der beiden Verbannten, die von allen anderen so verachtet wurden, dass nicht einmal ein höflicher Gruß erwidert wurde. So blieben Srepp und Loype unter sich, erfüllten ihr Soll an täglicher Arbeit mit Widerwillen und wenig Enthusiasmus, und versuchten Fluchtpläne zu schmieden, die mangels Gelegenheit jedoch alle Utopie blieben.

Die einige Möglichkeit, sich mit der Außenwelt in Verbindung zu setzen, bestand in der kleinen Raumhafenzentrale, wobei allein dieser Begriff maßlos übertrieben war. Es handelte sich um eine Baracke, in der ein Hyperfunksender stand, der Tag und Nacht von 2 Wachen der neuen persönlichen Leibgarde des Prinzen besetzt war. Selbst wenn die beiden Verbannten also irgendwo im Reich jemanden hätten, der ihnen von außen Hilfe bringen könnte, war es schlicht unmöglich, an das Funkgerät zu gelangen, um denjenigen zu benachrichtigen. Trotzdem hielten sich die beiden erstaunlich oft in der Nähe der Baracke auf, um durch Lauschen wenigstens ab und zu an Neuigkeiten aus der Galaxis zu gelangen. Währenddessen schmiedeten sie absurde Pläne, Tahno wieder zu verlassen.

So auch an diesem Tag. Es war reiner Zufall, das Loype durch das offene Fenster von einer Anfrage eines Raumschiffs im Orbit hörte. Sogleich suchte er die Nähe seines Leidensgefährten.

»Ein Raumschiff steht im All und will landen«, berichtete er.

Srepp leckte sich über die trockenen Lippen. »Und was sagt uns das? Neue Verbannte treffen ein? Hast du Hoffnung darauf, dass wir Leute finden, die uns helfen?«, fragte er unwirsch.

»Es handelt sich um ein Schiff der Terraner, die nachschauen wollen, ob sie noch Gegenstände der gefangen gehaltenen Personen finden. Sie haben um Landeerlaubnis gebeten.«

»Die ihnen vermutlich verweigert wurde. Niemand darf hier ohne Erlaubnis des Prinzen landen – möge er in den tiefsten Höllen schmoren«, erwiderte Srepp und schlug mit den Händen voller aufgebrochener blutiger Blasen auf einen Stein, was ihm einen Schmerzenslaut entlockte.

»Falsch«, erklärte Loype triumphierend. »Die Wachen haben erklärt, sie dürfen keine Landeerlaubnis erteilen, könnten andererseits aber niemanden daran hindern, mit einem Beiboot nach den Hinterlassenschaften zu suchen. Allerdings wurde sofort nach diesem Gespräch ein Funkspruch an den Palast abgeschickt.«

»Ja, und?« Plötzlich aber begriff der ehemalige Minister. »Du meinst, diese verfluchten Terraner werden trotzdem landen, und sollte ein Raumschiff kommen, um sie an ihrem Treiben zu hindern, könnte es zu einem Kampf kommen ...«

»... der uns die Gelegenheit zur Flucht gibt«, vollendete Loype und lächelte etwas naiv.

»Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Aber was sollten wir an Bord eines terranischen Raumschiffs? Diese verabscheuungswürdigen Kreaturen würden uns doch sofort wieder hierher zurückbringen.« Srepp blieb skeptisch.

»Ich denke, wenn die Terraner landen, wird es auch eines unserer Raumschiffe tun, und dann ...«

Srepp schlug dem anderen auf die Schulter, so dass Loype vorüber stolperte. »Ein bisschen viel Wenn und Aber, doch so ganz Unrecht hast du nicht. Selbst wenn es uns nicht gelingt, in eines der Beiboote zu gelangen, so könnten wir doch wenigstens versuchen, an Waffen zu gelangen. Dann übernehmen wir hier das Kommando.«

Die Gedanken überschlugen sich bereits in seinem Kopf. Man konnte viel von ihm behaupten, aber nicht, dass er dumm war. Als Realist unternahm er jedoch keine Dinge, die ihm nicht weiterhalfen. Mittlerweile war er jedoch so verzweifelt, dass er fast alles tun würde, um endlich von dieser Welt wegzukommen. Je mehr er darüber nachdachte, um so mehr neigte er zu der Ansicht, dass sich hier auf absehbare Zeit die einzige Möglichkeit bot, von Tahno zu fliehen.

»Was hast du gesagt, wohin die Terraner wollen?«, fragte er.

»Dorthin, wo das abgestürzte Beiboot der GORRAT liegt«, sagte Loype. »Warum willst du das wissen?«

Srepp versetzte ihm noch einen Stoß. »Du bist wirklich ein selten dämlicher Glyptal«, schimpfte. er. »Hast du nicht gerade noch festgestellt, dass wir versuchen sollten, in das Schiff der Terraner zu gelangen? Was glaubst du, wie das gehen soll? Wir müssen natürlich auch dorthin.«

»Ach ja«, machte Loype.

»Und wo ist dieser Ort, hast du das auch gehört?«, wollte Srepp wissen. Niemand kümmerte sich darum, was diese beiden zu bereden hatten, man hielt sich möglichst in einiger Entfernung. Keiner wollte etwas mit ihnen zu tun haben.

»Das – das weiß ich nicht«, stammelte Loype.