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Nr. 2988

 

Die HARUURID-Mission

 

Sie jagen Puoshoor – in einer Galaxis voller Überraschungen

 

Michelle Stern

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Gedankensplitter

1. Leerraumgerüchte

2. Rakkurgeflüster

3. Zellengespräche

4. Jülziish-Retter

5. Schiffskommandant

6. Gäonensoldaten

7. Einzelkämpfer

8. Wahrheitssuche

9. Todesfalle

10. Hooris-Kostüm

11. Thronerbin

Epilog: Gedankensplitter

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße machen sich Boten anderer Superintelligenzen breit, ebenso alte Feinde von ES und neue Machtgruppen.

Eine dieser Machtgruppen sind die Thoogondu, einst ein von ES unterstütztes Volk, das von der Superintelligenz allerdings verbannt wurde und seit Jahrtausenden in der fernen Galaxis Sevcooris darauf wartet, in die Milchstraße zurückzukehren. Der Gondu, so der Titel ihres amtierenden Herrschers, befand sich auf einem Kurs der Koexistenz, wurde allerdings von seinem Sohn Puoshoor ermordet, der unter Kontrolle einer Geheimorganisation steht, die eine Politik der brutalen Eroberung fördert.

Puoshoor lässt sich zum neuen Gondu ausrufen, ungeachtet der Tatsache, dass sein Vater Puorengir, die Zwillingsschwester Puoshoors, zur neuen Gonda des Reiches erklärte. Verblendet versucht er, seine Schwester zu töten, die vor ihm in die Milchstraße flieht.

Dort verbündet sie sich mit Perry Rhodan. Puoshoors letzte Chance, doch noch zu triumphieren, ist DIE HARUURID-MISSION ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Unsterbliche fragt sich, was Puoshoor plant.

Monkey – Der Oxtorner nutzt fragwürdige Mittel.

Abelone Jochanson – Die Gäonin hat eine Menge Fragen.

Puoshoor – Der Thronräuber duldet keine unangenehmen Fragen.

Prolog

Gedankensplitter

 

Du hast mich überrascht, Perry Rhodan. Du hast meine Pläne vereitelt, die Neurotronik meines Schiffs sabotiert, die Hundertsonnenwelt beschützt und mir meine Zwillingsschwester abgejagt. Auch sie hat mich überrascht. Sie war standhafter, als ich dachte, hat sich gegen die Manipulation ihrer Erinnerungen aufgelehnt wie ein wildes Farkuur. Ja, sie ist genauso störrisch wie diese Rinden fressenden, sechsbeinigen Wiederkäuer mit den gelben Zungen und dem scharfen Gehör.

Vielleicht hätte in ihr tatsächlich das Zeug zu einer echten Gonda gesteckt, wenn sie nicht den Blick für das Wesentliche verloren hätte. Womöglich hätte sie zurück auf den rechten Weg geführt werden können; den wahren Weg des Goldenen Reiches, um an meiner Seite zu herrschen. Doch dazu wird es nicht mehr kommen. Ihre Chance ist vertan.

Du denkst, ich wäre geschlagen? Mitnichten. Glaubst du wirklich, es wäre so einfach? Dass es genügt, eine Neurotronik zu verwirren und zu überreden, um die Herrschaft meiner Gilde zu brechen? Es gibt zu jedem Plan einen Notfallplan, für jedes Scheitern einen doppelten Boden.

Du bist ein Traumtänzer, der auf der Leine balanciert, an die der Wanderer ihn gelegt hat. Du ahnst nicht, was ich hinter dem Rückenpanzer trage.

Wie sehr wünsche ich mir, dass du mich verfolgst. Dass wir es austragen können, von Mensch zu Thoogondu. Auge in Auge, am besten mit einer Klinge oder einem Speer in der Hand. Ich hätte dich schon viel früher töten sollen, damals in Sevcooris.

Aber von dir geht eine gewisse Faszination aus. Du hast dich unseren Versuchen, dich aus dem Weg zu räumen, vehement widersetzt. Dafür respektiere ich dich.

Ich hoffe, du folgst der Spur, die ich dir gelegt habe, gehst durch den Hooris-Transmitter wie ein echter Held; einer, der allein geht.

Ich will dich in meiner Gewalt haben, will dich leiden lassen für meine Niederlage bei der Hundertsonnenwelt.

Ja, ich weiß, Rache ist primitiv. Sie ist dem Glanz des Goldenen Reiches unwürdig. Aber was soll ich tun? Sie macht so viel Spaß!

Du sollst dabei sein, wenn ich triumphiere. Wenn ich meine letzte, ultimate Waffe einsetze. Dein Sieg war nur ein Sieg in dieser Runde. Das hier ist noch nicht vorbei.

Puoshoor

1.

Leerraumgerüchte

Abelone Jochanson

 

Ein Raunen geht von da nach dort, verbreitet sich wie ein Lauffeuer in den Gängen, Hallen und Unterkünften. Wortfetzen fliegen ungehindert wie Vögel durch Kantinen, Wartungsschächte und hydroponische Gärten, stoßen Denkprozesse an, lassen Zweifel gären und Sorgen wachsen. Es ist ein stetiger Regen, der den Boden der Sicherheit aufweicht, die Selbstverständlichkeit in einen Morast verwandelt, das Vertrauen wegschwemmt.

»Hast du schon gehört ...?«

»Hast du die Aufzeichnungen von dem toten Leibwächter gesehen?«

»Weißt du ...«

»Gefoltert? Nein! Wie kann das sein?«

»Bist du sicher?«

»Unmöglich!«

Es wispert und tuschelt, flüstert und rumort. Gerüchte verbreiten sich, unsichtbar wie vergiftete Luft. Kein Prallschirm, kein Schott hält sie auf.

Abelone Jochanson hört sie, lauscht ihnen, sammelt sie wie andere Gäonen seltene Muscheln oder leere Schneckenhäuser, um sie im All auf dem Nachttisch in der Kabine aufzubewahren. Ihre Sammlung wächst von Stunde zu Stunde. Stetig kommen neue Aussagen und Gedankengänge hinzu.

»Puoshoor ist nicht der Garant!«

»Wie willst du das wissen?«

»Sein Handeln verrät ihn! Wäre er der rechtmäßige Gondu, hätte er sich gar nicht erst mit seiner Zwillingsschwester getroffen! Er hätte jeden Kontakt verweigert!«

»Es ging ihm um das Gondische Privileg, das echte Privileg ... Er musste es in seinen Besitz bekommen.«

»Sie haben Puorengirs Gedächtnis ändern wollen. Ja, wirklich! Ich weiß es von einem, der dabei war. Der Freund eines Freundes. Ein Gäone, ja. Er hat es gesehen! Puoshoor wollte seine Zwillingsschwester brechen! Sie mit Gewalt zu seinem Werkzeug machen! Stell dir das vor! Und das innerhalb der Familie!«

»Der Garant ist geflohen ... Er flieht vor dem Weltenbrand ...«

» ... er hat ihn verursacht ... wie die Haluter-Pest ...«

»Oh ja, es gibt diese Neue Gilde, von der Syllester Ford erzählt hat! Es muss sie geben! Puoshoor führt sie an!«

»Puorengir hat Wahnvorstellungen ...«

»Sie hat ihren Vater ermordet.«

»Sie ist unschuldig.«

»Schuldig!«

»Ein Monster!«

»Es soll einen Anschlag auf ihr Leben gegeben haben. Warum, wenn sie nicht die rechtmäßige Gonda ist? Wieso sollte Puoshoor eine harmlose Spinnerin hinterrücks ermorden lassen?«

»Er war es! Er benutzt die Gäonen, führt sie gegen das eigene Reich!«

»Aber nein! Puoshoor ist ein Held! Er verkörpert den Glanz des Goldenen Reiches! Wir müssen jetzt zu ihm stehen! Ihm den Bauch schützen! Er wird die Milchstraße erobern und sie vom Weltenbrand befreien!«

Gerüchte, Vermutungen, Diskussionen hinter vorgehaltener Hand.

Jochanson weiß nicht, was sie davon halten, wie sie das Geschehen einschätzen soll. Was ist wahr? Wer hat recht? Ihre Sammlung wächst – und verwirrt sie wie ein Mosaik, in dem die wichtigsten Steine fehlen.

Die drängendste Frage ist: Ist Puoshoor der rechtmäßige Gondu? Oder war er es, der seinen Vater ermorden ließ, und der sich nun das echte Gondische Privileg angeeignet hat? Dient sie einem Betrüger?

Sie denkt an Abel Moore, klein, drahtig. Ein Elitesoldat, wie er besser nicht rekrutiert werden kann. Der beste seines Jahrgangs, der Überflieger, der keine Karriereleiter braucht, weil er Flügel hat. Aber unter der Oberfläche aus Stärke und gäonischer Überlegenheit ist es in den letzten Wochen hohl geworden wie in einer von Insekten zerfressenen Frucht. Was ist mit Moore geschehen? Wodurch wurde sein Inneres zersetzt, als hätte man Säure in ihn hineingekippt? Stecken die Thoogondu dahinter? Gibt es einen Zusammenhang?

Sie kann diese Fragen nicht beantworten. Aber sie kann nach Antworten suchen. Antworten, die es geben muss.

 

 

Perry Rhodan

 

Perry Rhodan materialisierte in der Gegenstation des Hooris-Transmitters. Silberne Kristalle schwebten in einem Kreis auf Kopfhöhe. Beinahe die Hälfte von ihnen war erloschen oder im Erlöschen begriffen. Der schimmernde Glanz verlor sich, wurde zu einem stumpfen Grau, das nach und nach in Schwarz überging.

Die winzigen Kristalle steckten in transparenten Fassungen. Prallfelder hielten sie fest. Sie fütterten eine schwächer werdende Lichtquelle, die unruhig zuckte, als wäre sie etwas Lebendiges. Auf dem Boden verloren sich wabernde Leitungselemente. Sie schienen nicht ganz in dieser Dimension verankert, wurden immer dünner, während ihre Konturen verblassten.

Rhodan blickte von einer runden, von unheimlichem Licht erhellten Plattform hinunter in eine weitgehend leere und dunkle Halle, vermutlich ein Lager. Obwohl weder der silbergraue Boden noch die eintönig graue Decke direkt darauf hinwiesen, hatte er das Gefühl, in einem Raumschiff zu stehen. Vielleicht lag es an der Luft, der jeder besondere Geruch fehlte. Sie wirkte aufbereitet. Ihr fehlten die typischen Duftnoten eines Planeten, der Geschmack nach feuchter Erde oder Salz.

Während Rhodan sich einen Überblick verschaffte, wartete er auf die beiden letzten Mitglieder des Teams, Koc und Prompt, doch sie folgten ihnen nicht. Offensichtlich hatten sie es nicht geschafft. Rhodan konnte nur hoffen, dass sie an Bord der DAAIDEM geblieben und nicht beim Transport zur Gegenstation im Nirgendwo verweht waren.

Er tauschte einen Blick mit den anderen: Monkey, Trant und Galouye nickten stumm. Auch ihnen war klar, was geschehen sein musste, doch es war nicht der Zeitpunkt, darüber zu spekulieren, was genau es bedeutete. Sie waren auf feindlichem Boden.

»Wo sind wir?«, fragte Spartakus Galouye. Der Epsaler und Raumlandekommandant war angespannt. An seinem breiten Hals trat eine pulsierende Ader hervor. Er kniff die dunklen Augen zusammen. Hinter dem Helmvisier wirkte er blasser als ohnehin. Die gezackte Narbe am Kinn war kaum mehr zu sehen.

»Bin dabei, es herauszufinden!«, rief Orla Trant. Die Technobiologin ging vom Empfangsfeld zu einem der schwebenden Kristalle. Erst begriff Rhodan nicht, was sie vorhatte, dann erkannte er, dass dieser Kristall gar keiner war, sondern eine Art schwebende Kontrollstation des Transmitters.

Durch eine Berührung Trants erwachte ein Holo zum Leben. Womöglich würde Trant im Bedienmenü auf Koordinaten stoßen. Während sie sich über die Eingabe beugte, kam sie Rhodan trotz der breiten Schultern schmal vor. Zwischen Galouye und Monkey wirkte jeder zerbrechlich.

Monkey schaute sich um, dabei klickten seine künstlichen Augen leise, als würde es darin mechanisch arbeiten. »Von Puoshoor ist nichts mehr zu sehen, nicht mal Wärmespuren.«

Rhodan fühlte sich unwohl in der leeren Halle. Sie standen mitten auf dem berüchtigten Präsentierteller. Trotz ihrer speziellen SERUNS musste er davon ausgehen, dass ihre Feinde von der Ankunft wussten. Die Transmitteraktivierung war sicherlich bemerkt worden. Allein Monkey wog über siebenhundert Kilogramm. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hatten die internen Sensoren ihr Auftauchen registriert.

»Wir sollten aus diesem Raum verschwinden!«, sagte er.

»Zu spät«, sagte Monkey. »Wir bekommen Besuch!« Er zog zwei Strahler. Gleichzeitig sprangen die Schutzschirmgeneratoren an.

Der SERUN zeigte die Annäherung mehrerer Roboter. Sie kamen von allen vier Raumseiten, nutzten die beiden gegenüberliegenden Gleittüren ebenso wie die Wände, aus denen sie sich herausschälten, als hätten sie im Inneren auf den Einsatz gewartet. Es waren Dutzende.

»Was jetzt?«, fragte Trant. Die Technobiologin ging vom Bedienfeld fort. »Zurück durch den Transmitter?«

»Unmöglich.« Rhodan wusste, dass sie diese Chance nicht mehr hatten. Das zuckende Licht der Kristalle erstarb immer schneller. Inzwischen waren über die Hälfte der winzigen Steine erloschen. Die Aktivierung von dieser Seite aus war blockiert.

Balkenroboter strömten in die Halle, traten vollständig aus grauen Paneelen hervor und rückten ins fahle Gelb unterhalb der Plattform. Sie erinnerten an dreidimensionale Kreuze aus klobigen Brettern. Die Verbindungsstellen verdickten sich deutlich. An den konkaven Enden saßen winzige, energetische Werkzeuge und nicht ganz so winzige Waffenmündungen. Die Seiten starrten vor Ringen voller Sensoren, als könnten die Maschinen nicht genug Informationen aus der Umwelt saugen.

Die kleinsten Roboter waren wenige Zentimeter hoch, die größten an die zwei Meter. Sie sirrten unheilverkündend, ließen Rhodan an einen Insektenschwarm denken, der sich auf ein totes Tier stürzen wollte, um ihm mit den Mandibeln das Fleisch von den Knochen zu reißen. Abstrahlmündungen zielten auf die Transmitterplattform. Es gab keinen Zweifel, dass die kleine Gruppe trotz aktivierter Deflektorschirme aufgeflogen war.

»Sieh mal einer an«, murmelte Galouye. »Das ist deutlich mehr Aufmerksamkeit, als ich mir wünschen würde.«

Trant stellte sich zwischen Monkey und den Epsaler, sodass sie von deren breiten Körpern gedeckt war. Ihre Atemfrequenz wurde hektisch.

Immer mehr Roboter schwebten heran, eingehüllt in bläulich flimmernde Energieschirme, die den Raum schwach erhellten. Sie bildeten Kreise um das Abstrahlrund, wobei sie versetzte Positionen einnahmen, um ein freies Schussfeld zu haben.

»Wir sollten mithilfe der Anzüge zur Tür durchbrechen!«, rief Galouye. »Und zwar schnell!«

Monkey schwebte ein Stück in die Höhe. »Ich fliege vor und schieße den Weg frei. Wenn es sein muss, ramme ich kleinere Roboter zur Seite. Bleibt hinter mir, wenn ihr könnt.«

»Stopp!«, rief Rhodan. »Nicht schießen! Sie verhalten sich friedlich.«

»Bisher.« Galouye rückte dichter an ihn heran. »Das kann sich jede Sekunde ändern!«

»Es sind zu viele«, stellte Trant das Offensichtliche fest. »Selbst wenn wir es zum Ausgang schaffen ... wohin dann?«

Monkey sah zerknirscht aus. Aufgrund seiner Konstitution als Umweltangepasster und seines herausragenden Metabolismus konnte er es mit einer ganzen Menge Gegner aufnehmen. Aber dieser Übermacht hatte selbst er nichts entgegenzusetzen. Der Ausgang eines Kampfes war absehbar: Sie würden verlieren.

Nervös glitt Trants Hand über den Strahler.

»Ruhig!«, befahl Rhodan. »Behaltet die Nerven! Es muss einen Grund geben, warum sie nicht angreifen. Vielleicht werden sie bewusst zurückgehalten.« Er blickte nach oben, in Richtung einer der Türen, da Kameras oft in der Decke über Zugängen integriert waren. Laut rief er: »Wir wollen reden!«

Es kam keine Antwort, doch Rhodan hatte das Gefühl, gehört zu werden – und zwar nicht von Puoshoor. Inzwischen meinte er, den ebenso intelligenten wie psychopathischen Thoogondu ein wenig einschätzen zu können. Puoshoor hätte sich daran erfreut, sie gefangen zu nehmen. Er hätte daraus ein großes Theater inszeniert und sich vielleicht sogar dazu hinreißen lassen, Rhodan direkt an Ort und Stelle möglichst medienwirksam zu ermorden, um sich für seine Niederlage bei der Hundertsonnenwelt und für den Kontrollverlust über seine Schwester zu rächen. Nein. Da musste jemand anderes am Hebel sitzen! Zumindest hoffte Rhodan das.

»Wir sind keine Feinde!«, redete Rhodan weiter, da die Roboter nicht angriffen. Sie blieben auf ihren Positionen. »Puoshoor ist nicht der Garant! Ihr müsst seinen Befehlen nicht gehorchen!«

Die Stimme einer Frau ertönte. Sie war hell, aber nicht unangenehm. »Große Worte für einen Eindringling!«

Rhodan legte sofort nach. »Ich komme im Auftrag der rechtmäßigen Gonda Puorengir. Ich bin bevollmächtigt, Puoshoor zu verhaften.«

»Verhaften?«, fragte die gesichtslose Stimme, die von irgendwo über Rhodan kam. »Ihr seid diejenigen, die verhaftet werdet! Widersetzt euch nicht, dann wird euch nichts geschehen!«

Die Balkenroboter rückten vor. Einige drehten sich dabei wie Räder um sich selbst.

»Warte!«, rief Rhodan. »Wer bist du? Und wo sind wir?«

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hielten die Roboter inne. Sicher bekamen sie über Funk Anweisungen.

Die helle Stimme erklang erneut. »Du hast dich ebenfalls nicht vorgestellt, Fremder.«

Rhodan desaktivierte den Deflektor. Er hob den Kopf, drehte sich leicht im Kreis, damit sein Gesicht erfasst werden konnte. »Nun weißt du, wer ich bin. Du klingst wie ein Mensch. Bist du eine Gäonin?«

Ein kurzes Zögern folgte. »Das stimmt. Mein Name ist Jochanson. Abelone Jochanson. Ihr seid an Bord der Leerraumfähre AJATTI.«

Eine Leerraumfähre! Rhodan hatte es gehofft. Besser als auf einem gondischen Kriegsschiff.

Die anderen folgten seinem Beispiel und wurden ebenfalls sichtbar.

»Legt die SERUNS ab!«, verlangte Jochanson. »Ich will euch nicht töten müssen, aber wenn ihr euch wehrt, sind eure Leben verwirkt. Besonders der Große mit den Glotzaugen soll sich ganz langsam bewegen. Der kleine Dicke auch!«

»He!«, beschwerte sich Galouye. »Kein Grund, beleidigend zu werden!«

Monkey sah zu Rhodan, seine anthrazitfarbenen Augenhülsen klickten. »Und?«

»Wir tun, was sie will. Einen Kampf können wir nicht gewinnen.«

»Sehr weise«, sagte Jochanson. »Also los! Anzüge ablegen und Hände heben! Die Roboter führen euch in Arrestzellen.«

»Wo ist Puoshoor?«, fragte Rhodan. »Ist er an Bord?«

Jochanson gab keine Antwort. Stattdessen rückten die Roboter näher. Die Abstrahlmündungen veränderten die Farbe, glühten in einem roten Wabern auf.

»Das war's«, flüsterte Trant. Sie ließ den Strahler sinken. »Wir haben verloren.«

Auch Rhodan senkte die Waffe. Er teilte Orla Trants Einschätzung nicht. Ja, Jochanson wollte sie gefangen nehmen, doch die Gäonin schien sie nicht töten zu wollen. Ein solches Verhalten passte nicht zu Puoshoor. Wusste der falsche Gondu überhaupt, dass sie vor Ort waren?

Nacheinander legten alle ihre SERUNS ab und folgten den Robotern gemeinsam aus der Halle.

 

 

Zwischenspiel

Gedankensplitter

 

Ich frage mich, wie dieser Trakkod es gemacht hat. Wie hat Puorengir den großen Perry Rhodan um den vierten Daumen gewickelt? Hat es gereicht, ihm die Geschichte vom bösen Zwillingsbruder zu erzählen? Sich ein paarmal artig aufzurichten und wie ein Mensch zu blinzeln? Die arme, entmachtete Herrscherin zu mimen, die das Beste für Poshcooris will und sich wie der vereinsamte, beklagenswerte Vater nach einem Bündnis sehnt?

Aber was ist das Beste für Poshcooris? Ich und die Gilde wollten den Weltenbrand verhindern. Wir haben Perry Rhodan weggelockt, fern seiner Heimat, damit es erst gar nicht zur Katastrophe kommen kann, die Rhodan mitverschuldet und ausgelöst hat. Ist unser Scheitern also nicht auch tragisch für diejenigen, die glauben, gewonnen zu haben? Wäre es nicht für alle Beteiligten besser gewesen, Perry Rhodan wäre in Sevcooris gestorben, sodass es nie zum Weltenbrand gekommen wäre?

Eine Invasion wird Poshcooris schützen. Die Galaxis, die ihre Bewohner Milchstraße nennen, braucht uns mehr, als sie denkt.

Ich bin der Garant. Ich garantiere die Sicherheit und das Wohlbefinden meiner Untertanen. Wir müssen diese Galaxis erobern. Ohne uns wird sie untergehen.

Puoshoor

2.

Rakkurgeflüster

Perry Rhodan

 

Die Roboter brachten sie in einen Zellentrakt. Monkey stöhnte auf, als er in einen Raum mit transparenter Tür gebracht und hinter einen Prallschirm gesperrt wurde. Eine Anzeige auf Rhodans Kopfhöhe verriet eine unmenschliche Schwerkraft im Raum von über zwölf Gravos. Der Oxtorner war erst vor wenigen Stunden einer Schwerkraftfalle ausgesetzt gewesen. Sicher waren seine Verletzungen noch nicht verheilt.

Während die Balkenroboter Spartakus Galouye und Orla Trant gemeinsam in eine größere Zelle drängten, hatte Rhodan das zweifelhafte Vergnügen, wie Monkey in Einzelhaft zu landen. Ein niedriges Bett, ein Stuhl und ein schmaler Tisch waren die einzigen Einrichtungsgegenstände. Eine Tür führte zu einer kleinen Nasszelle mit Waschschale und Toilette. Sie wirkte rührend altmodisch und bestätigte die Aussage Jochansons, dass sie auf einer Leerraumfähre gelandet waren.

Einen Moment dachte Rhodan an die Zeit, als er noch Administrator des Solaren Imperiums gewesen war. Er setzte sich auf den Stuhl und sammelte sich, den Blick ruhig und konzentriert in den Gang gerichtet.

Wenige Minuten nach seiner Ankunft stattete ihm Abelone Jochanson einen Besuch ab. Die hochgewachsene, nahezu dürre Frau machte den Eindruck, als würde sie körperlich keinen Transitionsschock überstehen. Im Gegensatz dazu hatten ihre dunkelbraunen Augen einen durchdringenden Ausdruck, der in seiner Härte an Metallplast erinnerte. Sie starrte Rhodan unbewegt an, als könnte sie dadurch Informationen erhalten.

Rhodan lächelte. »Wenn du Fragen hast, frag mich. Wir sind keine Feinde.«

Jochanson schwieg. Sie stand reglos, strich nicht einmal die schwarze Haarsträhne zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war, als könnte die kleine Geste sie angreifbar machen. Was mochte sie in Rhodan sehen? Einen Schergen des Wanderers? Einen Gegner? Oder eine Möglichkeit?

Rhodan hatte das Gefühl, dass er für Jochanson nicht nur ein Feind war. »Warum haben die Roboter uns nicht angegriffen? Hat Puoshoor keine derartigen Befehle gegeben?«

Das linke Augenlid der Frau zuckte. Ein Zeichen von Unsicherheit?

Rhodan drehte den Stuhl ein Stück mehr in ihre Richtung. »Wo hält sich die AJATTI auf?«

Einen Moment dachte Rhodan daran, wie gigantisch die Leerraumfähren der Thoogondu waren. Die Schiffe hatten die grobe Form einer Hantel, wobei beide Diskusenden dreieinhalb Kilometer durchmaßen.

Endlich antwortete Jochanson. »Wir starten soeben. Wir machen uns auf den Weg zur Zwerggalaxis Sagittarius.«

»Sagittarius? Warum?«

»Das geht dich nichts an.«

Rhodan kannte die Zwerggalaxis, die sich etwa 19.000 Lichtjahre unterhalb der Hauptebene der Milchstraße befand und der Eastside vorgelagert war. Rasch rief er sich die groben Daten in Erinnerung: Sagittarius lag an die 330.000 Lichtjahre von der Hundertsonnenwelt entfernt und damit deutlich näher am Solsystem – mit einer Distanz von ungefähr 70.000 Lichtjahren. Bei einer Stärke von etwa 3000 Lichtjahren durchmaß die Galaxis an die 9780 Lichtjahre und umfasste etwa eine Milliarde Sonnen, wobei sich ihr Kernbereich auf einen Durchmesser von 1500 Lichtjahren beschränkte. Sie hatte die Milchstraßenhauptebene in der Vergangenheit mehrfach durchstoßen und war daher nur grob elliptisch mit zerfledderten Randbereichen.

In den letzten Jahren war sie auch im Galaktikum Gesprächsstoff gewesen. In Sagittarius lebten die Gursüy, ein Volk der Blues. Es war in mehrere Blöcke zerfallen und untereinander zerstritten, obwohl es eine gemeinsame Regierung gab. Insgesamt beherrschten die Gursüy über 5000 Welten. Sie waren ein Staat auf dem Weg von der Mittelmacht zur Großmacht, und es gab durchaus Bestrebungen, die internen Differenzen zur Seite zu legen, um extern neue Wege zu gehen.

»Suchen die Thoogondu bei den Blues nach militärischen Verbündeten?«

Jochanson kniff die Augen zusammen. »Was an: ›Geht dich nichts an‹ hast du nicht kapiert?«

So leicht gab Rhodan nicht auf. »Habt ihr ein bestimmtes Ziel in Sagittarius?«

»Auch das braucht dich nicht zu interessieren. Du solltest dankbar sein, noch zu leben. Puoshoor hat andere Anweisungen gegeben.«

Rhodan horchte auf. Also war Jochanson tatsächlich nicht nur eine Feindin. Oder war das alles ein Psychospiel, eingefädelt von Puoshoor? Hatten der Druck der letzten Zeit, die Niederlage bei der Hundertsonnenwelt und die Gedächtnismanipulation der Neuen Gilde ihn endgültig wahnsinnig werden lassen? »Dann weiß Puoshoor nicht, dass wir an Bord sind?«

»So ist es. Ich bin die Sicherheitschefin der AJATTI. Niemand außer mir ist über eure Anwesenheit informiert. Du und deine Begleiter ... ihr werdet zunächst in Gefangenschaft bleiben. Puoshoor braucht nicht wissen, dass ihr euch an seinen Rückenpanzer geklemmt habt.«

Das Wort »zunächst« machte Rhodan Hoffnung. Überlegte Jochanson, sie gehen zu lassen? »Was bedeutet das? Bist du auf unserer Seite?«

Jochanson gab keine Antwort. Sie drehte sich um und ließ Rhodan allein in der Zelle sitzen. Wie es schien, hatte die Gäonin Zweifel an Puoshoor – anders konnte Rhodan sich die Situation nicht erklären. Vielleicht hatte sie etwas gesehen oder gehört, das sie misstrauisch gemacht hatte.

Er musste einen Weg finden, zu ihr durchzudringen und sie davon zu überzeugen, dass Puorengir die echte Gonda war.

 

 

Puoshoor