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Sience-Fiction-Roman

 

FRAUEN FÜR
OBAN-OBANA

 

Ein fantastischer Trip durch

mindestens eine Galaxie

 

von

HORST HOFFMANN

FRAUEN FÜR OBAN-OBANA

Sience-Fiction-Roman

Herausgeber: ROMANTRUHE-Buchversand.

Cover: Romantruhe.

Satz und Konvertierung:

ROMANTRUHE-BUCHVERSAND.

© 2018 Romantruhe.

Alle Rechte vorbehalten.

Die Personen und Begebenheiten der

Romanhandlung sind frei erfunden;

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Produced in Germany.

1 – Der Skipper und der Tod

 

„Manchmal“, sagte ich und spuckte eine Feder in den Napf genau vor seinen riesigen Füßen, „manchmal tun sie mir fast Leid.“

Cottoneyes nahm sich die Augen raus und schielte mich aus hässlichen, leeren Höhlen an. „Die Pumper?“

Ich winkte ab, er verstand wieder mal gar nichts.

„Du meinst jetzt aber nicht die Fracht?“ Er steckte die Augen wieder rein, drehte den Kopf suchend zuerst nach links, dann nach rechts, schraubte ihn nach hinten und wieder zurück. „Big, lass das hier besser keinen von der Mannschaft hören. Ich kenn dich lange genug, um zu wissen, was bei dir im Kopf spukt. Aber wenn …“ Wieder sah er sich um. Wir waren allein in der Bordcaféteria, dennoch dämpfte er seine Stimme zu einem Flüstern, während sich gleichzeitig seine Blinker im Rhythmus des 13. Sternentangos von Amadeo Morpheus-Morpheus ein- und ausschalteten. Er wusste, dass ich das nicht mochte. „Big, ich an deiner Stelle wäre da lieber ganz verdammt vorsichtig. Offiziere, die mit der Fracht … also den Frauen … du weißt schon … die machen es auf der SIEBEN nicht lange.“

Ich starrte auf meine Finger, die unruhig mit den beiden Henkeln meines silbernen Trinkkessels spielten. Verdammter Saft! Die Cognacfettbrühe war schon wieder fast kalt und gelierte an den Rändern. Cottoneyes sah es und zog die lange Stirn kraus.

„Es nimmt dich schon mit, Big, oder? Ich meine, ich kann das sogar verstehen. Als ich auf der FÜNF angeheuert hab, ging’s mir nicht so viel anders.“ Er klappte die Arme ein und beugte sich weit zu mir vor. „Aber es sind doch nur Frauen, Big! Fracht! Bestellung! Ware!“

Ich schob meinen Kessel auf der Tischplatte hin und her, die sich nach jedem Überschwappen der ekligen Brühe zehn Sekunden lang selbsttätig reinigte. „Ich weiß das, Cotton! Aber irgendwie … irgendwie sind sie doch auch Menschen wie wir. Oder nicht? Ich meine, früher haben Frauen doch sogar mit uns zusammengelebt. Wir sollen sogar Kinder mit ihnen gehabt haben.“ Ich fügte hinzu: „Also unsere Ahnen.“

Der Superpilot winkte angeekelt ab. „Seit wann glaubst du den Mist, den uns die Erdnostalgiker verkaufen wollen? Hey, wie krank ist das denn? Es waren einmal Männer und Frauen, die haben zusammen gelebt und Kinder gekriegt. Also die Männer haben sie gemacht, und die Frauen haben sie produziert.“ Er verdrehte sein Kinn. „Allein sich das vorzustellen ist absolut widerlich!“

„Es gibt angeblich geheime Berichte darüber“, sagte ich langsam und beobachtete ihn dabei verstohlen. „Und in den Archiven einiger der Alten Planeten sogar Bilder und Texte. Männer mit Frauen und kleinen Kindern.“

Cottoneyes sah mich an. Fast platzte mir ein Lachen raus, denn er hatte die Augen wieder falsch herum eingesetzt, mit den Pupillen nach innen. „Big! Frauen sind dazu da, dass man sich an ihnen bedient und sie im Winter zum Brennholzholen nackt um die Häuser schickt. Sie sind dazu da, uns die schwere Arbeit abzunehmen und die Wohnzellen sauber zu halten. Sie dienen uns und kochen unsere Suppe, und wenn wir geil sind, dürfen sie uns befriedigen. Das ist ihr Job und der einzige Sinn, dazu werden sie gezüchtet! Solange sie jung und knackig sind, dürfen sie bei uns leben, manchmal sogar im selben Haus schlafen statt im Stall. Und wenn sie das dann nach ein paar Jahren nicht mehr sind, werden sie geschlachtet und final verwertet. Das ist doch ein geiles Leben, oder nicht?“ Er griff sich in die fliederfarbenen Haare und formte sie gekonnt zu einem Spiralturm. „Hey – hey, Big! Das ist nun mal so, dazu gibt es sie. Dafür gibt es die Frauenfabriken, die irgendwann sogar mal für dich die perfekte Dienerin hinkriegen.“

„Es gibt alte Texte und Bilder!“, beharrte ich. „Irgendwann haben wir mit ihnen zusammen auf einem Planeten gelebt. Das hieß dann Familie.“

Cottoneyes starrte mich pupillenlos an. Seine Nase bog sich nach unten und begann zu laufen, das sicherste Zeichen, dass er jeden Moment seine Krise bekam. „Big! Big, jetzt komm mir nicht auch noch mit der Erde! Hey, wenn das hier einer hört! Du fliegst ohne Schutzanzug in den Weltraum und ich hinterher, weil ich dich auf die SIEBEN geholt hab. Ein genialer Pumperwärter, hab ich zum Skipper gesagt, der Beste zwischen Jupiter und Arkturus!“  Wieder sah er sich um, immer noch die Pupillen nach innen. Ich fragte mich, was er eigentlich sah. „Big, wegen diesem Gequatsche von der Erde, also dass wir angeblich alle von ihr kommen, platzen die Besinnungskliniken der Galaxis aus allen Nähten! Schau in die Archive, Big. Die Erde ist so ziemlich der verstrahlteste Planet im ganzen beschissenen Universum, eine radioaktive Hölle ohne Beispiel. Wer behauptet, da hätten wir mal gelebt – oder uns sogar entwickelt -, der gehört also wirklich den Pumpern zum Fraß vorgeworfen!“

„Das mit dem radioaktiv soll ja gar nicht so sicher sein, Cotton. Die Erde ist …“

Ich schwieg, als ich sein Alarmflackern sah. Was sollte es auch, Cottoneyes war der beste Superpilot der westlichen Galaxis und hatte mit mir zusammen schon ein halbes Dutzend bester Frachtschiffe zu Schrott geflogen, bevor unsere Wege sich trennten. Aber er war dumm und flatterhaft wie eine der verdammten stechenden Schmetterlingsgiftzecken von Wega-17.

Ich weiß, dass es verrückt ist zu glauben, wir Menschen hätten einmal alle gleich ausgesehen, zwei Arme, zwei Beine, ein Kopf, und auf diesem Höllenplaneten gelebt. Ich kenne auch die angebliche Logik in den Märchen der Erdnostalgiker. Sie wäre einmal ganz anders gewesen, sagen sie. Die Erde sei mal grün gewesen, mit großen Meeren, richtigen Wäldern und viel frischer Luft, die man sogar ohne Schutz atmen konnte.

Diese Typen gehen in ihrem Wahn soweit zu behaupten, die Menschen hätten überhaupt nur auf ihr gelebt und sich langsam entwickelt, bis einer von ihnen die Atomspaltung entdeckte. Dann bauten sie zuerst Bomben, und als sie sich damit nicht umbringen konnten, die Kraftwerke. Als dann das dicke Ende kam, konstruierten sie in aller Eile Raumschiffe für die wenigen Reichen, Schönen und Mächtigen, die sich damit ins All retteten. Der Rest, mehrere Milliarden arme Schweine, ging in der Strahlenhölle unter, die sich im Zentrum des Verbotenen Bereichs immer noch um ihre stinknormale gelbe Sonne dreht.

Will man den Erdnostis glauben, dann hätten sich diejenigen der Reichen, Schönen und Mächtigen, die es bis zu einem anderen Planeten schafften, dort niedergelassen und angefangen, Dynastien zu gründen. Dabei ist es bezeichnend, dass die Nostalgiker ebenfalls noch eine Art Partnerschaft von Männern und Frauen voraussetzen wenigstens bis zu der Zeit, als die Zeugung von Nachwuchs endlich in absolut sauberer Form am Computer geschah. Die ersten Kataloge müssen noch spärlich gewesen sein, dann aber war es allein eine Sache zwischen Mann und Computer, den gewünschten Sohn nach den Vorstellungen des Mannes am Bildschirm zu basteln.

Der Phantasie waren dabei, wie ich bei einem verstohlenen Blick auf mein Gegenüber bemerkte, nach der Großen Menschheitsreform von 16.329 kaum noch Grenzen gesetzt. Es wurde empfohlen, den Sohn einen Kopf und zwei Arme und zwei Beine haben zu lassen, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Wer seinen Stammhalter lieber mit Flügeln und einem langen Schwanz sehen wollte, konnte die Skizze mit einem Gedankenbefehl an die ausgewählte Zuchtzentrale schicken und schon bald zusehen, wie sein Nachkomme in der jeweiligen Sektorbrutstation wuchs und Gestalt annahm.

Immer wenn ich Cottoneyes mit seinen vier Augen spielen sah, kamen mir allerdings meine Bedenken, ob das wirklich alles so richtig war.

„Jake?“

Ich schrak aus den Gedanken auf und spuckte die nächste Feder in den Napf. „Mmmh?“

„Jetzt komm mal endlich wieder zu dir, Big Jake! Die Pause ist rum, in drei Stunden hüpft das Schiff los. Hast du den Kurs im Kopf?“

„Siebenundsiebzig Lichtjahre bis zum Stern 8ot783-8YT11“, erwiderte ich, ohne auf seine Anzüglichkeit einzugehen. Cottoneyes hatte bei mir noch einiges gut, ohne ihn hätte ich keine Ohren mehr, und auch keinen Fortsatz – also das Ding, das wir eh nicht mehr brauchen.

Er nickte grimmig, wobei sein Haarturm umkippte und ihm ins Gesicht fiel. „Und du bist auch mit den Pumpern klar?“

Musste er mich jetzt an die 24 Dinger erinnern, die uns mit einem einzigen Atemzug demnächst 77 Lichtjahre weit durch den Hyperraum befördern sollten? Ich arbeitete seit fünfzig Jahren und auf verschiedenen Schiffen mit ihnen, aber sie waren mir bis heute nicht ganz geheuer, und kein Mensch weiß wohl, was sie wirklich darstellen. Angeblich sind sie Geschöpfe des Hyperraums, die zum Staubholen in unsere Dimension eintauchen. Sie saugen sich an unserem Sternenstaub voll und pumpen ihn, wie quasi beim Ausatmen, in ihren Hyperraum und reißen uns dabei mit.

Also in unserem Fall die SIEBEN, unser schönes rundes Raumschiff, das mit etwas Glück seine beste Zeit noch vor sich hatte.

„So klar wie man eben bei Pumpern sein kann“, knurrte ich.

Cottoneyes nickte, stabilisierte den Kopf und stand auf. „Es wird Zeit, Big. Wir müssen 400 blutjunge, garantiert zuchtfrische Frauen durch die halbe Galaxis und mitten durchs Kannibalengebiet zum Sultan von Oban-Obana fliegen, beste topaktuelle Qualitätsware. Der Skipper erwartet uns auf der Brücke. Oder ist noch was?“

„Dreh dir die Augen rum“, sagte ich und spuckte zwei lange, schneeweiße Federn in den Napf.

„Oh“, machte er, nahm sie sich raus und steckte sie richtig herum wieder rein. „So besser?“

Ich gab ihm einen Kuss auf die Kiemen und verwünschte den Tag, an dem er mir auf seinen riesigen Entenfüßen über den Weg gestolpert war.

Aber er hatte die schönsten Kiemen und, wenn er die Beine zusammenkniff, den ganz bestimmt geilsten Fischschwanz des Universums.

 

*

 

Info (1): Die Große Menschheitsreform von 16.329

Am 7. Halbfeuermond des Jahres 16.329 wurden anlässlich des 771. Erdvertriebenentreffens auf dem Zentralplaneten Sand des Trottobogotto-Systems einige wichtige Standards hinsichtlich des Begriffs „Mensch“ neu festgelegt.

Danach darf sich jedes Wesen, das seine genetische Abstammung von der Ursprungsform (siehe auch: Goldener Schnitt; Arnold Schwarzenegger; Leonardo da Vinci) über mindestens 125 Generationen hinweg lückenlos nachweisen kann, als Mensch bezeichnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es drei Meter groß oder 30 Zentimeter klein ist, wie viele Arme und Beine er besitzt, ob es durch Lungen oder Kiemen atmet.

Wünschenswert im Sinn einer trophogenetischen Identität im Sinne der Großen Menschheitscharta von 15.811 wäre jedoch die so genannte „Standardform“ mit einem Kopf, zwei Vorder-(Arme) und zwei Hinter-(Beine)Gliedmaßen. Sie wird, nach erfolgreicher Abnahme durch den Menschheitsarten-TÜV, mit bis zu fünf Vermehrungsberechtigungen belohnt und gefördert.

Das Frauengeburtsverbot wurde indessen, bei teilweise drastisch verschärften Strafen, für weitere 25 Jahre festgeschrieben.

 

*

 

Es war immer dieser eine gewisse Moment, in dem man sich die Frage stellte: Was machst du hier eigentlich?

Ich musterte meinen Spiegel, und der Spiegel musterte mich zurück. Ich hatte zugenommen und zweifellos einige Kilo zu viel an Kampfgewicht. Mein Nacken spannte, wenn ich ihn drehte, auf meinen Hüften glänzte der Speck, und wenn ich ehrlich bin, tat ich mich auch etwas schwer mit der Luft. Zehn Monate biederes Nichtstun hatten ihre Spuren hinterlassen.

Dabei konnte ich mich über mich gar nicht beschweren. Ich hatte mich zwar nicht ausgesucht, aber mein Spiegel zeigte mir eine immer noch stramme Erscheinung, die der Ursprungsform ziemlich nahe kam. Ich besaß zwei kräftige Arme mit jeweils einer Hand, die wiederum über je sechs Finger verfügte, die kräftig zupacken konnten. Mein Rumpf war im Rahmen der Idealtoleranz genau richtig behaart und trotz des überflüssigen Specks eine optimale Verteilung von Muskeln, Sehnen und Platten. Von der Rippenbauweise hatten meine Designer abgesehen, warum auch immer.

Der Rumpf ruhte auf zwei stämmigen Beinen mit den üblichen Thermopolstern zwischen den beiden Kniegelenken. Sie endeten in den Doppelspannfüßen, die seit der Großen Menschheitsreform zugelassener Standard waren. Für sie musste kein Aufpreis gelöhnt werden, was anderen Teilen zu Gute kam.

Ich nickte mir zu und überlegte noch einen Moment, ob ich mir den lang gewordenen Bart abflämmen sollte. Ich hatte ihn seit meinem letzten Job auf der SECHS sprießen lassen, eigentlich nur für die Zeit der Reserve, aber er gab mir, wie ich fand, zusammen mit dem ebenfalls lang gewordenen Haupthaar und der buschig gewordenen Brauenleiste etwas Verwegenes.

„Also“, sagte ich zum Spiegel. „Was machst du hier eigentlich?“

Der Spiegel stöhnte. „Geht das wirklich nicht mal ohne? Ich meine, wir kennen uns nun schon seit 173 Jahren und …“

„Du weißt, wie wichtig es ist“, unterbrach ich ihn. „Es gibt diese Dinge, die einfach sein müssen. Auf meine Rituale verzichte ich nicht, sie sind der Halt und die Struktur und …“ Ich kniff böse die Augen zusammen. „Warum muss ich das jetzt schon wieder mit dir diskutieren? Was machst du hier eigentlich, Big Jake?“

Der Spiegel seufzte und gab seinen Widerstand auf. „Du fragst dich, was du hier eigentlich machst, Big Jake.“

„Richtig“, erwiderte ich. „Und? Was mache ich also hier?“

„Du fragst dich, ob das jetzt wirklich der richtige Job für dich ist, Big Jake. Du merkst, dass dir die Minuten bis zum Start davonrennen, und mit jeder einzelnen zieht sich der Strick um deinen Hals enger zusammen.“

Ich spuckte eine rosa Feder ins Waschbecken. „Ich hab keine Ahnung, was ein Strick um den Hals ist, aber ich kann dir nicht widersprechen.“

Der Spiegel nickte zufrieden. „Du weißt, dass du immer noch abhauen kannst. In einer Stunde kannst du es nicht mehr. Dann bist du für einige bis etliche Jahre ein Gefangener dieses Schiffs.“

„Angst ist ein zu starkes Wort“, widersprach ich. „Es ist immer eher ein Kitzeln, so wie mit den verdammten Federn.“ Ich spuckte demonstrativ. „Eigentlich ist es eher ein Hoffen.“ Ich nickte, das gefiel mir. „Ja, ein Hoffen rund um die Uhr, dass die Pumper nicht wieder mal anfangen zu spinnen.“

„Empfindest du dieses Gefühl als positiv?“, stelle der Spiegel die übliche Frage.

„Sagen wir es mal so“, überlegte ich. „Ich hab mir die Mädels unten im Pumperraum angesehen. Ich hab sogar mit ihrer Chefin gesprochen, der Ashti.“

„Und?“

Ich kratzte mich am rechten Mundwinkel, der von der Cognacbrühe verklebt war. „Ich glaube, sie sind in Ordnung. 24 junge, starke Weltraummedusen, ausgehungert und willig. Die 77 Lichtjahre der ersten Etappe pumpen sie mir im Schlaf hin.“

„Schön“, sagte mein Spiegel. „Und die Mannschaft? Was hast du bei ihr für ein Gefühl?“

Ich überlegte. „Naja, Cottoneyes ist der beste Pilot seit Kratun-dem-Verwanzten, wir verstehen uns blind. Drei Schiffe hab ich mit ihm zusammen schon zu Bruch geflogen.“

„Aber?“

„Er kann furchtbar auf die Nerven fallen“, knurrte ich. „Cottoneyes ist ziemlich strapazierend, vor allem, wenn er mit seinen Augen spielt.“

„Dann solltest du …“

„Und er ist ein Lump, dem man nicht trauen kann.“

„Aber dann solltest du gerade …“

„Andererseits mag ich ihn.“ Ich nickte. „Ja, er ist fast wie ein kleiner Bruder. Und er hat süße kleine Kiemen.“

Fast musste ich lachen, als ich ihn in seiner ganzen Hässlichkeit vor mir sah. Cottoneyes war zu 43 Prozent amphibisch. Er reichte mir bis zur Brust und war unglaublich dünn. Sein Kopf ging nach oben hin weit auseinander, damit die vier Augen Platz fanden, und endete in seinem Haarturm, den er je nach Stimmung passend formen konnte. Ich hatte mal gehört, diese Amphibientypen hätten eine eigene Gel-Drüse in der Schädelhaut.

Cottoneyes hatte wie ich zwei Arme und Beine, beides jedoch mit mehreren Scharniergelenken versehen, die er geräuschvoll einrasten lassen konnte. Die Beine verjüngten sich nach unten, und wenn er sie zusammenlegte, entstand daraus ein Fischschwanz. Es war peinlich, ihn wie einen betrunkenen Balletttänzer durch die Flure staksen zu sehen und darauf zu warten, dass er einknickt und fällt. Doch wer ihn einmal in einem der Hydrotanks schwimmend erlebte, wie er die grüne Grütze elegant mit seinen Flossen teilte und mit ihr spielte, der machte so schnell keine Witze mehr über ihn.

Cottoneyes hieß eigentlich Voptcf-77-nabooqtüü-33, was mir aber zu kompliziert war. Ich hatte ihm den anderen Namen gegeben, weil er abends immer seine vier Augen in ein Baumwollnest auf dem Nachttisch legte.

Das Bild verschwand wieder, und ich fragte mich wie so oft, welche Farbe Cottoneyes eigentlich hatte. Die schlichte Wahrheit war: Ich konnte es nicht sagen. Solange ich Cottoneyes kannte, und das war schon sehr, sehr lange, grübelte ich über die Farbe seines dünnen Körpers nach.

Manchmal dachte ich, er hatte überhaupt keine. Nur seine Haartolle war immer schon lila oder rosa gewesen, in den Sommermonaten intensiver, im Winter blasser.

„Wie kommst du mit der Fracht zurecht?“, kam die unumgängliche letzte Frage. „Vierhundert zuchtfrische Frauen. Hast du damit ein Problem?“

Ich kratzte mich wieder. „Sollte ich? Fracht ist Fracht, oder nicht? Ich hab mit ihnen nichts zu tun, also wo sollte da ein Problem sein?“

Der Spiegel seufzte. „Schön, Big, obwohl ich dir das nicht abnehme. Und? Was tust du hier eigentlich?“

Ich spuckte die letzte Feder ins Becken und griff nach meiner Uniform. „Ich bin der Pumperwärter der SIEBEN! Ich bin der Beste!“

„Das heißt, du hast dich entschieden? Du willst diesen Flug mitmachen? Du hast immer noch Zeit zum Abhauen.“

Ich sah ihm fest in die Augen. Genau dies war der ultimative Moment, meine letzte Chance, meine Sachen zu schnappen und das Schiff im Sturzflug zu verlassen.

„Ich fliege“, sagte ich mit der festesten Stimme, die mir im Augenblick möglich war. „Ich bin dabei!“

Der Spiegel grinste mich rätselhaft an und erlosch.

Jetzt, wo das alles passiert ist, habe ich den Verdacht, dass er schon da wusste, was mir bevorstand.

Wie gesagt, noch hätte ich umkehren können.

 

*

 

Info (2): Die Erde (lat. Terra)

(Auszug aus Nestroys Großem Sternkatalog, 522. Update 16.338)

Dritter Planet der Sonne Sol, sagenhafte angebliche Ursprungswelt der weit über die Galaxis verstreuten Menschheit, seit dem 1. Mai 2.114 Ursprünglicher Zeitrechnung verstrahlt und unter strengste Quarantäne gestellt.

(…) Nach Überzeugung der Erdnostalgiker entwickelte sich der Mensch im Rahmen einer Evolutionskette aus der Fauna des Planeten, den zu dieser Zeit noch klare Meere und blühende Landschaften bedeckten. Der Mensch lernte es, Werkzeuge zu benutzen, erfand das Rad und das Internet. Der drohende Atomsuizid konnte dank einiger Atomunfälle in Japan und dem Großherzogtum Luxemburg abgewendet werden. Menschliche Technik und die Natur fanden allen Unkenrufen zum Trotz einen Weg zu beiderseitiger Harmonie.

(…) Die Große Verstrahlung des Jahres 2.514 ereignete sich der Legende nach am ursprünglichen Tag der Arbeit, dem 1. Mai, und hatte offenbar weniger nukleare als vielmehr geschlechterspezifische Ursachen. Nachdem es der Schwarzen Alyss, einer mythologischen Figur der Menschheitsgeschichte, gelungen war, in der von ihr geführten Partei Diktat der Frau (DDF) die Frauenquote von 99,95 Prozent durchzusetzen, wollten sie und ihre Mitstreiterinnen beweisen, dass nicht nur die nukleare Energieerzeugung überflüssig geworden war, sondern auch die Energiegewinnung durch die sogenannten erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne und Wasser.

Um die Lichter anzuzünden, sollte die ureigenste Energiequelle der Menschen genutzt werden, nämlich ihr Inneres Leuchten. Um 5 Uhr 55 historischer Zeit wurden überall auf der Welt alle herkömmlichen Kraftwerke abgeschaltet, und die Frauen der Erde trafen sich und fassten sich bei den Händen, um rings um die Welt eine fünffach gestaffelte Energiekette zu bilden. Auf das Kommando der Schwarzen Alyss („Um 5:55 wird zurückgestrahlt!“) begannen die Frauen, damals rund 90 Prozent der Weltbevölkerung, gemeinsam ihre Stimme zu erheben und zu singen („Kleine Taschenlampe, brenn“) und über beide Backen zu strahlen. Allerdings gerieten sie dabei so sehr in Partylaune, dass sie strahlten und strahlten, bis die Akkus der Stadtwerke überliefen und explodierten, was zu einer unvorhergesehenen Interaktion/Kettenreaktion mit der bereits stark radioaktiv belasteten Atmosphäre führte, die seither als Strahlungssphäre bezeichnet wird.

(…)

Es konnten sich zweifellos mehrere tausend Menschen mit privaten Raumschiffen in die Galaxis retten, darunter auch die führenden Köpfe des DDF. Die Erde wurde unter galaktische Quarantäne gestellt und darf bis heute nicht einmal in Schutzkleidung betreten werden.

Eine wahrscheinlich relativ uralte Prophezeiung sagt, dass die Erde dann wieder bewohnbar und darüber hinaus strahlend schön sein wird, wenn ein Mann reinen Herzens und vor der tödlichen Strahlung gefeit vom Himmel steigen, auf der Schulter der Freiheitsstatue des ehemaligen New York landen und ihr ein himmelblaues Zitroneneis in den Mund schieben wird.

 

*

 

Die Wahrheit über den Skipper war: Ich hatte ihn noch nie gesehen.

Dom-Eno von Habalabastan war allerdings eine Gestalt, die jeder kennen musste, der nur irgendwie mit Raumfahrt zu tun hatte. Er war eine Legende, ein Mythos – und nicht wenige von uns waren sogar überzeugt: eigentlich ein Phantom, eine phantomare Manifestation.

Dass Dom-Eno dieses Schiff führte, sprach mehr als alles Andere für die Bedeutung, die die Frachtgesellschaft dem Flug zumaß. Vierhundert Stück Qualitätsfrischfrau für den reichsten Sultan im Galaktischen Westen. Waren sie auf Oban-Obana denn so ausgehungert, dass sie dafür jeden Preis zahlten? Ich habe nie erfahren, wie viel es war, aber in den Spelunken der Raumhäfen wurde erzählt, dass der Verwaltungscomputer der Gesellschaft beim Versuch, die Summen ordnungsgemäß zu verbuchen, seinen Geist aufgegeben habe.

Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, den Skipper, auch kein Bild und keine Holografie von ihm. Es hatte nie eine Beschreibung gegeben, obwohl er, wie ich nach dem Betreten der Messe zu meiner Verblüffung sah, mehr als leicht zu beschreiben war. Eigentlich reichten dazu nur zwei Buchstaben.

Dom-Eno war ein Ei.

„Reiß dich zusammen, Big“, zischte Cottoneyes. Er stand neben mir zwischen den angetretenen Offizieren und Handlangern der SIEBEN und bemühte sich, so etwas wie Haltung zu zeigen. „Er hasst es, so angesehen zu werden, wie du es jetzt gerade tust.“

„Ich sehe ihn doch gar nicht an!“, raunte ich zurück.

„Das ist es ja eben!“

Ich erwiderte nichts mehr und versuchte, mich auf den Skipper zu konzentrieren. Die überall in der abgedunkelten Schiffsmesse flirrenden Holos nervten ebenso wie das permanente Summen, das in der Luft lag. Es veränderte sich in bestimmten Intervallen. Einige Male hatte ich Angst, dass es herunter fiele.

„Reg dich ab, Big“, zischte Cottoneyes. „Die Lieblingsmusik des Skippers. Ertönt bei jedem Auftritt.“

Er war ein Ei auf drei kurzen, krummen Beinen, auf denen er leicht schaukelnd ruhte. Das Ei besaß allerdings eine Höhe von gut zwei Metern und eine kristallweiße Haut ohne die geringste Unregelmäßigkeit oder Verunreinigung. Es glänzte und glitzerte wie von innen erleuchtet, so stark, dass es den Augen schon weh tun konnte. Cottoneyes konnte mich mal – ich hatte keine Lust, mir die Netzhäute zu verbrennen.

„Und komm jetzt ja nicht auf die Idee, zu spucken“, zischte er. „Wenn deine Federn kitzeln, schluck sie runter.“

Der Skipper räusperte sich. Alles private Gemurmel unter den angetretenen Offizieren und Handlangern erstarb augenblicklich.

Ich hatte natürlich, nachdem die erste Überraschung verarbeitet war, mir vorzustellen versucht, wie ein Riesenei wohl sprechen würde. Ob es dazu einen Mund bekam oder wie seine Stimme klang. Ob es vielleicht technische Hilfsmittel wie verborgene Lautsprecher oder akustische Felder benutzte – alles war möglich, weniges nicht vorstellbar.

Die Wahrheit war, es hatte überhaupt keine Stimme. Der Skipper sprach zu uns und wir verstanden, was er sagte. Aber er brauchte dazu keine Stimme. Vielleicht formten sich seine Worte in unseren Köpfen. Sie waren da, und das Einzige, was ich sagen kann, ist: Sie klangen modrig.

Sie klangen nach Schlamm und gärendem Schwefel, so als würden sie aus einem tiefen, fauligen Sumpf steigen und in der Luft zerplatzen. Sie waren da, mehr konnte ich dazu nicht sagen. Der Skipper sprach zu uns, ohne dass er sich dabei bewegte. Das Ei stand schwankend, aber sicher auf seinen drei Beinchen.

Als Erstes stellte sich Dom-Eno vor. Er war 4387 Beta-Jahre alt und seit seiner Volljährigkeit im Weltraum, also seit etwa 1400 Jahren. Vom Schiffsjungen hatte er sich über die verschiedenen Dienstgrade hochgearbeitet, bis er sein erstes Kommando bekam, auf einem Erzfrachter der Centauri-Linien.

Ich hörte, wie Cottoneyes bei dieser Erwähnung leicht stöhnte, und boxte ihn in die Flanke. Wer hätte noch nicht von den Centauri-Linien gehört? Es hieß, auf ihren Schiffen stände der Teufel selbst hinter dem Ruder, was allerdings noch niemand bezeugen konnte. Das war kein Wunder, denn von zehn Schiffen der Centauri-Linien kam nur maximal eins heil zurück. Falls überhaupt. Und dann war es versiegelt und ließ sich nicht mehr öffnen.

Der Skipper ging kurz auf seine Körperform ein. Trotz des Eikörpers, darauf legte er Wert, sei er ein Mensch wie du, er, sie und ich. Sein Design hatte lediglich auf Kopf, Arme und Beine verzichtet und dafür etwas mehr Wert auf die „anatomische Ausgewogenheit“ gelegt, wie er uns erklärte. Ein Vorteil dieser speziellen Form wäre es auch, dass ihm niemand „den Kopf abreißen“ könne, was eigentlich einleuchtete.

Dann hielt der Skipper einen kurzen Vortrag über die SIEBEN. Mit der Aufzählung der Schiffsmaße hielt er sich nur kurz auf und führte stattdessen aus, welche Vorteile eine 117,2 Meter durchmessende Kugel gegenüber der Diskus- und Raketenbauart besaß. So vermochte sie etwa jeden Gegner bereits allein durch diese Form zu verwirren, denn wer konnte schon wissen, wo er anzugreifen hatte, wenn er ihr einen „Schuss vor den Bug“ setzen wollte? An einer Kugel gibt es kein Hinten und Vorn.

Der Skipper hatte damit begonnen, seine Ausführungen mit Bildern zu untermalen, die direkt auf seiner Eierschale erschienen. Es war fast wie mit der berühmten Kristallkugel, in der die Angehörigen der Galaktischen Hexengilde die Zukunft oder anderes Überflüssige sehen wollten.

„Männer!“, sagt der Skipper dann. „Männer, dieser Flug wird Galaktische Geschichte schreiben. Wir werden entweder als Helden in die Annalen der Raumfahrt eingehen – oder als die größten Pfeifen seit der Großen Menschheitsreform. Wir werden entweder für den Rest unseres Lebens ausgesorgt haben – oder mit Schimpf und Schande zum Teufel gejagt, egal wo wir uns blicken lassen.“

„Dicker geht‘s nicht“, flüsterte Cottoneyes. „Der Kerl ist ein Schwätzer.“

Wieso fragte ich mich erst jetzt, wie lange er eigentlich schon auf der SIEBEN mitflog? Cottoneyes redete so, als sähe er den Skipper ebenfalls zum ersten Mal. Was passte da nicht?

Ich spürte, wie es im Hals zu zwicken und kribbeln begann. Versuchte die verdammte Feder herunter zu schlingen oder zu ignorieren. Es ging nicht.

„Männer!“, sagte der Skipper. Das Bild auf dem Ei änderte sich fließend. Jetzt zeigte es den Weltraum, aus dem ein Lichtpunkt herauswuchs und größer wurde, bis ich einen relativ ansehnlichen Planeten erkannte.

„Männer! Was ihr seht, ist unser Ziel – Oban-Obana im Pferdehufnebel. Der Planet ist die drittreichste Welt der bekannten Galaxis, seitdem irgendein Ururgroßvater des Regierenden Sultans in den Tiefen ihrer Ozeane die gewaltigen Vorkommen von naturveredeltem Knorpelerz entdeckte.“

Ich hörte einen dumpfen Laut, dann eine Art Röcheln und dann nochmal den Laut. Als ich den Kopf drehte sah ich, wie gerade der dritte Mann umkippte. Wie schon vorher zwei andere, fiel er einfach um und blieb liegen.

„Das ist hier ganz normal“, raunte Cottoneyes.

„Meint der Skipper jetzt wirklich … Knorpelerz?“, fragte ich ungläubig.

„Ja?“ Der Skipper bewegte sich nicht, trotzdem hatte ich das Gefühl, von ihm angesehen zu werden. „Du hast eine Frage, mein Sohn?“

Ich sah mich um, er meinte eindeutig mich. Also legte ich die rechte Hand auf die Brust und beugte demütig den Kopf.

„Wie ist dein Name, mein Sohn?“, fragte der Skipper. „Rang, Dienstgrad oder Fahrtenbuch?“

„Jake“, erwiderte ich und hielt seinem Blick stand. „Man nennt mich Jake oder Big Jake, oder einfach nur Big.“

„Sag, was du machst“, zischte Cottoneyes. „Hier an Bord.“

„Ich bin der neue Pumperwärter der SIEBEN.“

Täuschte ich mich, oder leuchtete das Ei kurzfristig heller? Und war da nicht so etwas wie eine warme Berührung? Ganz kurz nur.

„Willkommen an Bord, Big Jake!“, sagte die stimmlose Stimme des Skippers. „Dein Vorgänger war ein genialer Mann. Wir glaubten immer, dass er es mit den Pumpern auch wirklich sehr gut könne. Wir werden sein Andenken in Ehren bewahren.“

Übergangslos kehrte der Skipper zum Thema zurück. Ich drehte mich kurz zu Cottoneyes und fragte mit Blicken: „Was meint er jetzt damit?“

Cottoneyes blickte zurück: „Weiß ich doch nicht, darüber wurde nie gesprochen. Aber das arme Schwein muss ziemlich viel Pech gehabt haben.“

„Mit den Pumpern?“

„Mann, Big! Halt jetzt die Klappe und hör weiter zu!“

„Danke!“, sagte der Skipper, als hätte er unseren kurzen Dialog abgewartet. „Männer! Der Sultan von Oban-Obana und seine vierhundert Söhne – stolze, kräftige Kerle vom M-Typ oder höher – haben wieder einmal akuten Frauennotstand. Die letzten vierhundert Stück, die wir ihnen mit der SECHS brachten, sind in die Töpfe gewandert. Sie hatten ihre Schuldigkeit getan und wurden geschlachtet, bevor ihre Falten und Runzeln die Augen der Männer zu beleidigen vermochten. Auf Oban-Obana ist es der Brauch, dass die Frauen am Vortag in großen Kesseln selbst die Suppe vorbereiten, in die sie dann geschnitten werden.“

Zweimal hörte ich das dumpfe Geräusch und musste mich gar nicht mehr umdrehen, um zu wissen, dass die nächsten Besatzungsmitglieder umgekippt waren.

„Vierhundert stolze, kräftige, hochpotente Kerle im besten Mannesalter haben seither keine Frauen mehr“, fuhr der Skipper fort. Zu jedem Satz wurden auf der Eioberfläche Bilder gezeigt. Ich konnte gut verfolgen, wie aus jungen, zuchtfrischen Frauen durch die tägliche Abnutzung im harten Dienst am Mann allmählich runzlige alte Weiber wurden. Die Schlachtung erfolgte in einem Ritual, von dem ich nicht unbedingt weitere Einzelheiten sehen musste. Sie wurden sorgfältig zerstückelt und portionsweise in die großen Suppencontainer gegeben, die von je einem besonders kräftigen Sohn umgerührt wurden.

Der Höhepunkt der Zeremonie bestand darin, dass sich die Männer um die Töpfe herum aufstellten und unter rituellen Eynuchengesängen mit weitem Strahl in die Suppe mit den verarbeiteten Frauen pinkelten.

Für meine Begriffe war es widerlich und schlimm. Auch wenn es nur Frauen waren, die ein derart unwürdiges Ende fanden.

„Männer!“, tönte es in meinem Kopf. Ich hatte eigentlich keine Lust auf weitere Infos. Ich war an Bord, hatte mich entschlossen, meinen Job als Pumperwärter der SIEBEN zu tun und wollte das zur Zufriedenheit der Gesellschaft erledigen. Danach würde ich reich sein, alles Andere war mir egal.

Es kitzelte so schlimm in meinem Hals, dass ich blau anlief und ins Würgen kam. Reiß dich zusammen, Big!, sagte Cottoneyes‘ Blick. Er ist ja gleich fertig!

Ein neues Bild entstand auf dem Ei, junge Frauen zusammengedrängt in einem düsteren Frachtraum. Sie waren fast nackt und damit beschäftigt, sich gegenseitig zu putzen, wozu sie meist ihre Zungen benutzten, oder ihr Futter aus einem großen Napf am Boden zu schlecken.

„Das, Männer, ist unsere Fracht. Wenn alles klar geht, sind wir in drei Tagen am Ziel und liefern sie ab. Die Mädels werden sich über Abwechslung nicht zu beklagen haben, denn vierhundert ausgehungerte Männer – und ich meine Männer – warten sehnsüchtig auf sie.“ Er machte eine kurze Pause, dann war seine Stimme plötzlich doppelt so laut: „Es versteht sich wohl von selbst, dass ihr geilen Kerle eure Pfoten, Flossen oder sonstwas von den Frauen lasst! Auch wenn der Drang noch so groß ist – die Ware ist tabu! Haben wir uns da verstanden?“

„Ja!“, krächzte ich mit Tränen in den Augen. In meinem Hals kratzte schon die zweite Feder. Das verdammte Organ produzierte sie wie irre. „Ja!“, sagten auch die Anderen, die noch auf ihren Beinen standen.

„Ich will es hoffen. Ihr seid klar für den Flug? Jeder weiß, was er zu tun hat?“

Wieder riefen alle: „Ja!“

Cottoneyes musste natürlich übertreiben und krähte: „Aye, aye, Skipper!“

Die Bilder auf dem Riesenei auf drei Beinen erloschen. Für etwa eine Minute leuchtete es wieder in seinem unverwechselbaren matten Weiß. Dann wurde es dunkler und dunkler, bis es am Ende nur noch so aussah wie sein eigener Schatten.

„Was ist das jetzt?“, fragte ich Cottoneyes. „Warum hat er sich verdunkelt?“

„Er ist tot“, hörte ich von der anderen Seite. Ich drehte den Kopf und sah in ein vierschrötiges, bärtiges M-Typ-Gesicht, also wie ich dem Ursprung ziemlich nahe. Der Kerl nickte und streckte mir eine kräftige Pranke entgegen. „Ich bin Ole, der Brandmeister. Der Skipper ist tot. Das macht er immer so, wenn er zur Mannschaft gesprochen hat.“

„Aber … warum?“, fragte ich. „Wie kann er sich so einfach sterben lassen?“

„Woher soll ich das wissen?“, grunzte Ole. „Ich hab ihn nie danach gefragt, wenn er tot war. Aber das macht er immer so.“

„Jetzt darfst du spucken, Big“, sagte Cottoneyes.

 

2 – Ashtis Mädels

 

Die Pumper.

Niemand außer S.T.S Overload war je dahinter gestiegen, wer oder was sie eigentlich waren. Das erste Raumschiff, das ihnen zwischen den Sternen begegnete, verschwand ebenso spurlos wie die Suchschiffe, die den SOS-Ruf aufgefangen hatten. Den Suchschiffen, die wiederum deren Notrufe empfangen hatten, erging es nicht anders.

Am Ende des ersten Tages hatte es 417 (vierhundertsiebzehn!) Schiffe erwischt. Am Tag danach waren es noch einmal 231, dann kam der Generalbefehl, jedem Kontakt mit den ominösen Dingern auszuweichen, die in einer großen Herde zwischen den Sternen trieben wie riesige Quallen aus Licht und reiner Energie, manche so groß wie ein Haus, manche kleiner, manche dafür wieder größer – es war immer verschieden.

Gemeinsam hatten die Erscheinungen nur, dass sie zwischen den Sternen trieben und sämtliche interstellare Materie in weitem Umkreis in sich aufnahmen – etwa so wie gigantische Weltraumstaubsauger.

Mit jedem Schub neu einverleibter Materie wurden sie praller und strahlten immer heftiger. Und dann waren sie plötzlich verschwunden. Weg, nicht mehr da. Dort, wo sie gesaugt hatten, herrschte nun absolutes Vakuum.

Viele Jahre lang brach in jedem Schiff und auf jedem Planeten Panik aus, wenn eine Herde solcher Staubsauger gesichtet wurde. Sie waren der Schrecken der Galaxis, bis eines Tages ein tollkühner, leider aber total durchgeknallter Wissenschaftler namens Samuel S.T.S. Overload beschloss, sich spektakulär um die Ecke zu bringen. In seiner Verzweiflung und weil man ihm den sicher geglaubten wissenschaftlichen Ruhm verwehrte, baute er sich eine Energiesphäre und steuerte sie genau in den dicksten und strahlendsten Sauger hinein, den er finden konnte – nicht ohne vorher in einem dreistündigen, überall zu empfangenen Lamento der Menschheit mitzuteilen, dass sie einen wie ihn gar nicht verdiene.

Eigentlich gab es nicht Viele, die ihm eine Träne nachweinten. Er war ein unausstehliches Ekelpaket, ohne Freunde, ohne Familie. Niemand vermisste ihn, und als er zurückkam, war manche stille Hoffnung auf einen von nun an normaler geführten Wissenschaftsbetrieb begraben.

Das änderte sich erst, als er vor der Galaktischen Sternenakademie auf dem Jupitermond Ganymed (also in gefährlicher Nähe zur verstrahlten Erde) seinen berühmten Vortrag über die Pumper hielt.

Das war der Name, den er seinen neuen Freunden gab. Der Wissenschaftler hatte sich mit seiner Sphäre in einen von ihnen gestürzt, um möglichst auffällig aus dem Leben zu scheiden. Stattdessen schied er nur aus dem Universum. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Wesen eigentlich gar nicht in unserer Dimension wohnten, sondern in einem y-dimensionalen Überraum zu Hause waren. Zu uns stiegen sie nur herab, um kosmische Mikromaterie und Energie in sich hinein zu saugen, die sie dann anschließend in heftigen Stößen in ihre Heimatdimension pumpten.

Overload bemühte zur Verdeutlichung des Vorgangs den Vergleich mit einer jener sagenhaften Kühe, die auf der noch unverstrahlten Erde gelebt und sich von saftigen grünen Wiesen ernährt haben sollten, wobei das pflanzliche Futter in ihren Mägen in ein Methangemisch verwandelt wurde, das in gewaltigen Fürzen in die Luft geschossen wurde.

Der Wissenschaftler hatte lange mit den Pumpern gesprochen und sie schließlich dazu überredet, einen speziellen Test zu machen. Irgendwas musste er ihnen dafür versprochen haben, aber dieses Geheimnis nahm er mit in den Tod, den er bei einem weiteren mysteriösen Experiment fand – oder auch nicht. Es gab da ganz unterschiedliche Vermutungen, und nicht wenige Stimmen flüsterten im Verborgenen davon, dass Samuel S.T.S. Overload ein noch triumphaleres Comeback feiern würde, mit nicht weniger im Gepäck als der Weltformel.

Vierundzwanzig der Wesen hatten sich also zur Verfügung gestellt und in ein Raumschiff integrieren lassen. Die Theorie war, einmal begriffen, ganz einfach: Die Pumper wurden durch entsprechende Stimulierung dazu gebracht, synchron und im genau richtigen Augenblick eine exakt errechnete Menge ultrahochkomprimierte Normalraumsubstanz zu sich zu nehmen, in der Regel den kosmischen Staub in der direkten Umgebung des Schiffs, und ihn dann in ihren Y-Raum abzustoßen. Dabei katapultierten sie sich in jene höhere Dimension, in der es keine Entfernungen gab.

Die Pumper waren allerdings fest mit dem Schiff verbunden, so dass sie es mitsamt seiner Mannschaft und Fracht mit sich rissen. Je nach der Menge der Nahrungsaufnahme im Normalraum, war der Abstoß heftig, weniger heftig oder sehr heftig. Das Schiff wurde dabei um die gewünschte Anzahl Lichtjahre im Überraum versetzt, in dem es, wie gesagt, keine Entfernungen gab, und fiel in den Normalraum zurück, wobei lediglich der Delta-Ausgleichskoeffizient im richtigen Intoleranzbereich liegen musste.

Wenn auch die Overloadsche Tiefenunschärferelation und der Keilstoßvektor stimmten und es im weiten Umkreis nicht gerade ein Raumbeben der Stärke 24,7 gab, bestand die reelle Chance, dass sich das Raumschiff mit den Pumpern an genau der Stelle wiederfand, die sein Ziel gewesen war.

Das alles ließ sich auf die Overloadsche Sprungformel reduzieren, die jeder Pumperwärterschüler im ersten Semester bis zur Vergasung pauken musste: IR = yxz x R (3x-§§374BGB +(75y-7x²absolut):77y³.

Mein Job war also, die 24 Pumper bei Laune zu halten und nach den Infos, die ich vom Piloten bekam, so zu stimulieren, dass sie genauso viel ultrahochkomprimierte Normalmaterie aus unserem Universum saugten, wie nötig war, um einen Überraumschub über die Entfernung x abzustoßen, der für 77 Lichtjahre in unserer Dimension reichte.

„Bist du bereit, Big?“, fragte Cottoneyes aus dem Holografischen Ebenbild, über das er hier im nur diffus illuminierten Pumperraum mit mir Kontakt hielt. Besser gesagt, er saß quasi neben mir an meinen Kontrollen und wartete darauf, sich über die Overload-Haube mit mir kurzzuschließen. Er sah damit seltsam aus, sie umgab seinen langen Kopf wie ein Heiligenschein, in dem es matt bis dezent blitzte und leuchtete.

In real hockte er natürlich in der Zentrale der SIEBEN und wartete darauf, dass ich seine Kursberechnungen in die entsprechende Pumperstimulation umwandelte.

„Bereit, Big?“

Ich hob den Blick und sah auf die 24 leuchtenden Energiequallenwesen in ihren Boxen, 24 ständig fließende Gebilde von diffusem violettem Licht aus einer anderen Wirklichkeit. Sie kamen mir unruhig vor. Irgendwas schien sie erschreckt zu haben.

„Big?“

Ich holte tief Luft und aktivierte ebenfalls meine Overload-Haube. Wie immer, brachte mich das spontane erste Vorkribbeln im Kopf fast um. Ich kannte es ja seit meinem ersten Flug, trotzdem erschrak ich immer noch.

„Bereit, Cotton“, knurrte ich und spuckte die letzte Feder aus. „Schieß her.“

 

*

 

Man kann eine Menge über Cottoneyes sagen, man kann bestimmt auch gegen mich einiges vorbringen. Cotton ist der schrägste Vogel, der mir je in flatternder Freiheit untergekommen ist. Ich möchte nicht wissen, wie viel Dreck er wirklich an seinen Schwimmhäuten kleben hatte. Mir reichte das, was ich mit ihm selbst erlebte.

Aber er hat verdammt schöne Kiemen und ist der verdammt beste verdammte, vieräugige Raumpilot dieser Zeit.

Er saß, wenn auch nur als lebensgroßes Holo, neben mir vor meinem Pult und schickte mir von seiner Haube alle kursrelevanten Daten. Meine Haube empfing sie, wandelte sie nach der Overloadschen Formel um, errechnete die nötigen Stimulanseinheiten für die 24 Pumper und schickte sie mit dem bekannten und gefürchteten Kribbeln an meine Gehirnrezeptoren.

„Du vertust dich, Cotton“, murmelte ich, schon halb in meine Trance versunken. „Das ist viel zu viel. Mit 55 Einheiten schleudern uns die Pumper bis ans Ende der Galaxis. Mindestens!“

Ich glaubte, ihn schlucken zu hören.

Dann nochmal.

„Du zweifelst an meinen Daten?“, röchelte es. „Du stellst meine astroanalytischen Fähigkeiten in Frage?“

„Nein!“, knurrte ich, immer tiefer eintauchend. Es ließ sich jetzt nicht mehr aufhalten. Gleich war ich bei den Pumpern, ich spürte schon ihre tastenden Sinnesströme, die sich mir entgegen streckten. „Tu ich nicht, aber mach zur Vorsicht besser doch noch mal die Konteranalyse. Ich …“

„Du zweifelst an meinen Daten?“, hörte ich ihn schnappen, aber schon wie von ganz weit entfernt. „Du … zweifelst … an … an … an …“

„Cotton!“, schrie ich. „Es ist gleich zu spät! 55 Einheiten … geht nicht! Kann nicht sein!“

„Du … zweifelst … an …“

Schnitt.

 

*

 

Ich war bei meinen Pumpern. Ashti, Malmi, Bummy, Disey, Kloney, Toni, Bulmi, Jini, Stani 1 und Stani 2, Bumpy, Lory 1-5, Maxy, Pampy, Roody, Helmi, Takki, Dainey, Paffi und Spusi.

Ashti war ihre Sprecherin und mein derzeitiger Hauptkontakt. Das wechselte bei den Mädels nach einem Turnus, den ich noch nicht ganz raus hatte. Ich war schon drauf gefasst, es mit Bummy zu tun zu haben, aber Ashti war es, die mich begrüßte.

„Hey, Big!“, raunten ihre Ströme. Ashti hatte besonders schöne Ströme, die mein Bewusstsein immer wieder mit einer Sanftheit umwölkten, die ich mir ebenfalls nicht erklären konnte. „Schön, wieder mit dir zu strömen. Wie geht es dir?“

„Ach, danke, soweit ganz gut“, strömte ich. „Hab ein bisschen Ärger mit einem Kollegen. Und bei euch alles okay?“

„Aber klar, Big. Wir haben uns auf dich gefreut. Gibt es Arbeit für uns?“

Ich seufzte. Ashtis Ströme kamen wirklich total gut. Mir war, als müssten wir uns schon ewig lange kennen, dabei war unser Erstkontakt erst wenige Wochen her, als ich den Pumperraum der SIEBEN in Augenschein nahm und mich den Mädels vorstellte. „Naja, ich hätte da schon was. Was haltet ihr von 55 Einheiten?“

Ein Aufschrei ging durch die 24 Wesen. „Fünf-und-fünf-zig?“, strömten sie durcheinander. „Wirklich fünf-und-fünf-zig? Uijuijuijuijui!“

„Big, das glauben wir jetzt irgendwie nicht.“ Das war Bummy. „Du … meinst … wirklich … fünf-und-…“

„Ich bin noch dran!“, drängte Ashti sie zurück. „Deine Periode beginnt erst in …“

Ich kannte mich mit den komplizierten Zeitbegriffen der Pumper noch nicht aus. Auf jeden Fall aber diskutierten die beiden mir viel zu lange. Ich ließ einen ungeduldigen Strom los.

„Entschuldige, Big“, strömte Ashti. „Aber es ist jedes Mal das Gleiche mit Bummy. Nie kann sie abwarten, bis sie an der Reihe ist und mit dir strömen darf.“

Ich ging nicht darauf ein. „Was ist jetzt mit den 55 Einheiten, Mädels? Traut ihr euch das zu?“

„Big, du bist aber nicht … krank? Du meinst wirklich … fünf-und-fünf-zig Einheiten? Die willst du uns wirklich spendieren?“

Ich zuckte im Geiste die Schultern. „Naja, wie gesagt, ich hab da so mein Problem mit einem Kollegen. Ihr wisst ja, der mir die Kursanalyse liefert. Cottoneyes.“

„Cottoneyes?“, kreischten 24 aufgeregte Ströme. „Wirklich Cottoneyes?“

Natürlich strömten sie nicht diesen Namen. Ich hatte an ihn gedacht und sie sein Bild aus meinen Strömen empfangen.

„Ja“, strömte ich vorsichtig. „Habt ihr ein Problem mit ihm?“

Als ich nichts hörte, stellte ich eine Frage, die nichts mit der aktuellen Aufgabe zu tun hatte. Sie war einfach da. „Ashti, euer letzter Wärter, also mein Vorgänger. Hattet ihr mit dem ein Problem? Ich meine, er hat ja auch mit Cottoneyes zusammengearbeitet.“

„Äh … Big?“ Ashtis Ströme waren ganz leise, ganz vorsichtig und behutsam. „Tust du uns bitte einen Gefallen?“

„Na jeden, Mädels!“, strömte ich. „Welchen denn?“

„Frag bitte nie wieder danach“, strömte Ashti. „Hörst du? Frag bitte nie wieder nach deinem Vorgänger, und in diesem Zusammenhang auch nicht nach Cottoneyes.“

„Ja, aber …“

„Und frag bitte auch nie, warum du nicht fragen sollst. Dann werden wir noch viele schöne Ströme tauschen.“

Ich hatte keine Zeit mehr, um lange Diskussionen zu führen. Das Schiff brauchte die Pumper für den Sprung über die ersten 77 Lichtjahre. „Ich verspreche es. Können wir dann jetzt anfangen?“

„Ja klar, Big.“ Schon wieder Bummy. „Fang an. Mach uns heiß. Gib’s uns, hörst du? Gib’s uns so richtig hart, ström uns voll, bis wir …“

Irgendwas passierte bei den Pumpern, ich würde es wahrscheinlich mit einer kurzen Schlägerei vergleichen. Dann war Ashti wieder da.

„Entschuldige bitte, Big. Bummy ist jetzt still. Wir freuen uns auf Andromeda, da waren wir ja überhaupt noch nie. Du überraschst uns immer wieder und …“

„Moment!“, strömte ich betroffen. „Wieso Andromeda? Du meinst … die Nachbargalaxie?“

„Mindestens, Big! Uijuijuijuijui … mit 55 Einheiten springen wir dir noch viel weiter. Aber dann brauchen wir erstmal eine Pause, das muss dir auch klar sein.“

Mir wurde kalt. Ich wusste nicht, was – aber irgendwas Furchtbares war unterwegs. Irgendwas passte vorn und hinten nicht.

„Warum zögerst du, Big?“, fragte Ashti. „Andromeda ist doch geil. Das sind doch bestimmt, warte mal, so ziemlich lockere drei Millionen Lichtjahre bis dahin? Wow, Big, ich muss schon sagen, das hätten wir dir gar nicht zugetraut.“

Der Frost kroch durch meine Haut und immer tiefer in die empfindlichen Organe. Ich kam mir vor wie vereist.  „Mädels, ich glaube, ich muss das nochmal genauer checken. Ich …“

„Fünf-und-fünf-zig!“, strömte es, und diesmal wieder von allen Pumpern außer Bummy. „Fünf-und-…“

„Mädels!“, strömte ich alarmiert. Ich spürte, wie Panik nach mir griff. „Hey, Mädels, jetzt kommt mal wieder runter. Wir haben …“

„Weißt du, was eine spontane Selbststimulierung ist, Big?“, strömte Ashti.

Mir brach der kalte Schweiß aus. „Hört auf, Mädels! Macht keinen Blödsinn. Seid jetzt bitte ganz ruhig und …“

„Dazu ist es leider zu spät, Big“, strömte Ashti, während sie sich mit den anderen Medusen bereits in die beginnende Ekstase hinein stimulierte. „Fünf-und-fünf-zig Einheiten, da brauchst du gar nichts mehr weiter zu tun. Das reicht zur Spontanzündung. Du ziehst dich jetzt besser zurück.“

„Nein!“, strömte ich entsetzt. „Hey, macht das nicht! Kommt runter! Ihr könnt euch doch nicht einfach selbst hochstimulieren!“

„Doch, Big. Wir sind schon bei 23 und können es nicht mehr stoppen. 24 … 25 … Zieh dich jetzt besser zurück, Big. Andromeda, eine andere Galaxie. Dass wir das noch erleben dürfen …“

„Aufhören!“, strömte ich. „Hey, das ist jetzt überhaupt nicht mehr lustig! Hört sofort auf, oder …“

„Es tut uns sehr Leid, Big“, strömte Ashti. „Wirklich absolut und überhaupt, aber wenn du nicht von selbst gehen willst, müssen wir dich leider … 27 … rausschmeißen, Big. Es … 28 … ist nur zu deinem Schutz. Du darfst uns … 29 … 30 … nicht böse sein. Wir … 31 … strömen uns wieder in Andromeda.“

„Ashti!“, strömkreischte ich. „Hey, das ist …“

Schnitt.

 

*

 

Info (3): Andromeda

(Auszug aus Nestroys Großem Sternkatalog, 582. Update 16.443)

1. Sternbild, aber darum geht es momentan nicht; 2. Galaktisches Nachbarsternensystem der Milchstraße.

(…) Die große Nachbargalaxie unserer Milchstraße ist ein Spiralnebel mit zahlreichen vorgelagerten Zwerggalaxien und zahllosen Kugelsternhaufen. Die Entfernung zur Milchstraße beträgt aktuell 2,9598 Millionen Lichtjahre, vergrößert sich jedoch fast stündlich infolge der räumlichen Expansion des Universums.

Durch den Menschen raumfahrttechnisch erschlossen ist die Andromeda-Galaxie bisher kaum. Zahlreiche Expeditionen scheiterten oder kehrten nicht zurück. Aus den letzten Hyperfunksprüchen der Verschollenen scheint hervorzugehen, dass die Pioniere sich mit etwas „Unvorstellbarem“ konfrontiert waren. Zitat aus der letzten Nachricht des Skippers der VASCO DA GAMA: „Es ist … es ist … es ist … oh mein Gott …!“

Alle Versuche, in der Andromeda-Galaxie Menschenkolonien zu errichten, scheiterten aus ähnlichen Gründen. Nach wenigen Wochen explodierten die besuchten Planeten einfach, und die letzten Nachrichten der Kolonisten lauteten fast übereinstimmend: „Es ist … es ist … oh mein Gott …!“

Berichtet wurde aber übereinstimmend von einem rätselhaften „Sternflimmern“„“