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Buch

Es ist November in Südfrankreich. Die Olivenernte hat begonnen, die Tage sind noch angenehm warm. Da erschüttern zwei mysteriöse Morde die Hochprovence. Weit entfernt von Sainte-Valérie, wo sich Pierre Durand auf den gemeinsamen Urlaub mit seiner Freundin Charlotte freut. Doch als Nanette Rozier, die Frau des Bürgermeisters, spurlos verschwindet, ist an Erholung nicht mehr zu denken. Bald wird Arnaud Rozier verdächtigt und bittet seinen Chef de police um Hilfe. Pierre Durand folgt der Spur der Vermissten in die provenzalischen Berge bei Sisteron und begibt sich damit selbst in höchste Lebensgefahr …

Autorin

Sophie Bonnet ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin. Mit ihrem Frankreich-Krimi Provenzalische Verwicklungen begann sie eine Reihe, in die sie sowohl ihre Liebe zur Provence als auch ihre Leidenschaft für die französische Küche einbezieht. Mit Erfolg: Der Roman begeisterte Leser wie Presse auf Anhieb und stand monatelang auf der Bestsellerliste, ebenso wie die darauffolgenden Romane Provenzalische Geheimnisse, Provenzalische Intrige und Provenzalisches Feuer. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Hamburg.


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Sophie Bonnet

Provenzalische Schuld

Ein Fall für Pierre Durand

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Copyright © 2018 by Blanvalet und Südwest Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Angela Troni

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: nik wheeler/Corbis Documentary/Getty Images

AF · Herstellung: sam

Satz: Mediengestaltung Vornehm GmbH, München

ISBN 978-3-641-23673-1
V003

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Prolog

Vorsichtig tastete sie nach dem Blumenkranz auf ihrem Haar, darauf bedacht, ihn nicht zu zerstören. Wenn die Blüten schon ein wenig getrocknet waren, konnte es leicht passieren, dass sie auseinanderfielen. Und das wollte sie nicht. Die Blumen waren ihr Halt, Symbol jener Geborgenheit, die sie noch vor weniger als einer halben Stunde verspürt hatte. Und aus der sie so unvermittelt gerissen worden war.

Sicher war das alles ein Irrtum, redete sie sich ein, eine Verwechslung. Später würde sie das Erlebte nur noch als furchtbaren Schrecken im Gedächtnis behalten, der im Laufe der Zeit zu einer blassen Erinnerung verschwamm.

Zaghaft strich sie über die verdorrenden Blüten, dachte daran, wie glücklich sie gewesen war, als sie sie pflückte.

Es war am Morgen ihrer Ankunft gewesen. In dem Moment, als sie die Tür aufstieß und den Koffer und die Tasche mit den Einkäufen in den Flur stellte, waren alle Sorgen, die Beklemmung, der Druck, von ihr abgefallen. Sie hatte sich umgedreht und war auf die Wiese vor der Hütte gelaufen. Hatte die klare Bergluft eingeatmet, den Duft nach frischem Heu.

Es war einer jener Herbsttage gewesen, an denen die Morgensonne die Feuchtigkeit aus der Erde trieb und den Boden mit dünnen, silbrig schimmernden Schwaden bedeckte. Elfentage, an denen man, wie ihre Nichte behauptete, die Waldwesen im Nebel tanzen sehen konnte, wenn man sich ganz still verhielt.

Tage, an denen es auch sie ins Freie lockte, in die Natur. Dann fühlte sie sich wieder jung, lief leicht und behände über das feuchte Gras, zog die Schuhe aus, um das Prickeln unter den Fußsohlen zu spüren.

Wie sie es liebte! So sehr wie das Leben.

Hier werde ich wieder zu mir kommen, hatte sie gedacht, und dann entscheiden, wie es weitergehen sollte. Am Ende der Woche würde sie wissen, welche Richtung ihr Leben nehmen würde. Und wie sehr sie ihren Mann für seine Untreue würde bluten lassen.

Sie seufzte tief.

Mit jedem Tag hatte sie an Stärke und Zuversicht gewonnen. Sie war durch herbstlich verfärbte Wälder gegangen und über Höhen gewandert, bis ihre Beine schmerzten. Hatte sich vor der Kapelle der ehemaligen Abtei Notre-Dame de Lure unter die gewaltigen Buchen gestellt und sich von der be­­sonderen Kraft des Ortes berühren lassen. Am Nachmittag des dritten Tages war sie zu einem Bauernhof gefahren und hatte Brot gekauft, eine Flasche Milch und Ziegenkäse. Es war der einzige Kontakt mit anderen Menschen gewesen, bis heute.

Ein schrilles Rufen hatte sie geweckt. Als sie die Augen aufschlug, war das Zimmer in das Graublau des Morgens getaucht. Zuerst dachte sie, es sei der Schrei eines Adlers gewesen, aber als er sich wiederholte, erkannte sie, dass es ein mensch­licher Laut war. Es klang wie ein Kind, das sich verirrt hatte und das nun vor dem Fenster stand und um Hilfe bat. Sie stand auf, schob die Vorhänge zurück, spähte hinaus. Gerade stahl sich die Sonne über die Bergkämme und tauchte die Wiese vor der Hütte in orangefarbenes Licht.

Überwältigt von der Schönheit des Anblicks, öffnete sie das Fenster und sog die Morgenluft ein. Sah hinüber zur Wiese, in deren Mitte die rosafarbenen Köpfe der Wildblumen leuchteten.

Das Geräusch war verschwunden. Aber was auch immer es gewesen war, es zog sie nach draußen. Da sie schon einmal wach war, wollte sie diesen neuen Morgen genießen. Rasch zog sie ein paar Sachen über und kämmte sich das Haar. In plötz­lichem Überschwang setzte sie den Blütenkranz auf und lief hinaus.

Hätte ich nur auf die Warnung gehört!

»Die Gegend ist gefährlich geworden für eine Frau«, hatte der Bauer gesagt, während er den Käse in ein Stück Papier schlug. »Sie sollten nie alleine losgehen.«

»Was soll schon passieren?«, hatte sie erwidert und gelacht. »Der Mord war ein Einzelfall. Wer sollte schon ein Interesse an mir haben, ausgerechnet an mir?«

Sie hatte sich geirrt.

Könnte ich doch nur die Zeit zurückdrehen!

Aufseufzend ließ sie die Hand sinken. In der Bewegung riss sie einige Blütenblätter mit, sie rieselten herab, verloren sich im Halbdunkel. Könnte sie doch nur die Zeit zurückdrehen, bis zum Morgen.

Aber wie hätte sie auch vorhersehen sollen, dass ein Mann mit angelegtem Gewehr auf sie wartete, kaum dass sie ins Freie getreten war. Die Entschlossenheit in seinem Blick ließ keinen Zweifel daran, warum er sie herausgelockt hatte.

Sie war zurückgehastet, war den Schüssen ausgewichen und ins Haus gestürzt. Hatte die Tür verriegelt, um nun in der kleinen, fensterlosen Speisekammer auszuharren.

Plötzlich meinte sie, ein Geräusch zu hören. Ein Kratzen, dann das Splittern von Holz, auf das ein lautes Krachen folgte. War er ins Haus eingedrungen? Mit klopfendem Herzen drängte sie sich gegen die Regale in ihrem Rücken, versuchte, die aufsteigende Panik herunterzuwürgen. Jetzt waren Schritte zu hören, das Knacken der Dielen.

Er darf mich nicht finden!

Immer tiefer kroch sie zwischen die Vorräte, riss Konserven um und Flaschen, die mit lautem Klirren zu Bruch gingen. Eine klebrige Flüssigkeit breitete sich unter ihr aus, dann wurde die Tür aufgerissen. Gleißende Helligkeit durchdrang den Raum. Sie kniff die Augen zusammen und hielt die Hände schützend vors Gesicht, als sich der Körper des Mannes in den Türrahmen schob, bis das Licht ihn umgab wie ein zuckender Kranz.

»Was wollen Sie von mir? Warum tun Sie das?«

Er schwieg, sein Atem ging schwer. Langsam kam er auf sie zu. Mit zusammengekniffenen Augen und erhobenem Gewehr.

»Ich bitte Sie, lassen Sie mich leben …« Ihre Stimme klang schrill, hallte in ihren Ohren nach. »Mein Mann wird Ihnen alles geben, was Sie wollen«, keuchte sie. »Wie viel Geld brauchen Sie? Es ist egal, wie viel. Er kann es auftreiben.«

Der Fremde schwieg.

»Brauchen Sie Hilfe? Mein Mann ist ein einflussreicher …« Sie brach ab. Ein entsetz­licher Gedanke stieg in ihr auf. Sie schrie, als sie ihn ausspie. »Hat er Sie geschickt?«

Der Knall war ohrenbetäubend. Und noch bevor sie den Druck in ihrem Körper spürte, im Kiefer und in den Wangenknochen, dachte sie daran, dass ihr Fehler womöglich nicht darin gelegen hatte hinauszugehen, sondern darin, ihn zu heiraten.