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DIE BLÜTE DER LINDEN AUF DEM BALKAN

GORDANA KUIĆ

DIE BLÜTE DER LINDEN AUF DEM BALKAN

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann

 

 

 

 

Für meinen Vater Metodije Kuić

PROLOG

20. MAI 1945

Der dreizehnjährige Aleksandar Saša Poljanski der Jüngere, Sohn des Doktors der Rechtswissenschaften und Kaufmanns Aleksandar Poljanski des Älteren und der schönen Grete Bauer, der ehemaligen Opernsängerin und späteren Schauspielerin am Zagreber Nationaltheater, unternahm mit seiner Schulklasse einen Ausflug, zuerst zum Berg Topčider und danach zur Residenz von Fürst Miloš.

Im Jahre 1941 waren Sašas Eltern vor den Ustascha aus seiner Geburtsstadt Zagreb geflohen, und zwar aus zwei Gründen: Aleksandar der Ältere war Serbe und Greta Bauer Jüdin. In Belgrad wurde Saša im Zweiten Jungengymnasium eingeschrieben. Während der Besatzungszeit besuchte er, wenn es ging, die Schule und legte Prüfungen ab, dort, wo die Lehrer sich versammelten – im Pfarrhaus in Torlak oder irgendwo in Kumodraž. Als im Februar 1945 die „richtige“ Schule mit täglichem Unterricht eröffnet wurde, war das für den kleinen Saša ein fröhliches Ereignis. Er schrieb sich sofort im Gymnasium in der Krunska-Straße ein, die etwas später in die Straße der Proletarierbrigaden umbenannt wurde.

Obwohl er schon seit vier Jahren in Belgrad lebte, verlor Saša nicht seine Zagreber Aussprache, weswegen die Schulkameraden ihn oft hänselten. Das war nicht böse gemeint, doch Saša heulte manchmal insgeheim, weil er seinen Akzent nicht loswerden konnte.

Ein sanfter und freundlicher Maimorgen empfing die Jungen mit einer Brise unter den frischen Blättern einer riesigen, weit ausladenden Platane vor dem kleinen Schloss des Fürsten Miloš, wo sie frühstücken wollten.

Aleksandar der Jüngere, sauber, mit gebügelter und gestärkter Kleidung – ein „Kind aus gutem Hause“, Sprössling eines Vorkriegsbourgeois – war an diesem Morgen, vielleicht wegen der stillen und sanften Jahreszeit oder wegen des Gesangs der Vögel in den dichten Baumkronen, nicht Zielscheibe der „progressiven“ Kräfte seiner Schulklasse. Deshalb erleichtert, aß er in Ruhe sein dünnes Butterbrot. Aber nicht lange, denn ein älterer Junge, Anführer der Kampagne gegen Saša, rief plötzlich aus: „Hört euch das hier an!“

Er hielt inne, vertiefte sich in eine Zeitung, blätterte darin und rief, mit dem Finger auf Saša weisend, der erstarrte und zu kauen aufhörte, noch lauter aus: „Hört mal zu, was in der heutigen ‚Politika‘ steht! Ich habe ja schon immer behauptet, dass dieser Junge eine Ausgeburt der schmutzigen kapitalistischen Gesellschaft ist und dass man mit ihm keine Freundschaft pflegen soll! Also, unter dem Titel ‚Förderung des Hotelgewerbes im Dienste der Besatzung‘ steht Folgendes: ‚Aufgrund von Dokumenten aus dem beschlagnahmten Archiv des Feindes sowie anderer Beweisstücke stellte die Kommission mehrere Tatsachen fest: Erstens, die Besatzung verfügte einerseits die Schließung einer großen Anzahl bestehender Unternehmen, deren Tätigkeit ihr nicht passte, andererseits konnten neue Unternehmen nur mit ihrer Genehmigung gegründet werden. Zweitens, während der Besatzungszeit wurde am 21. 1. 1942 mit einer solchen Genehmigung eine Aktiengesellschaft zur Betreibung von Hotels in Belgrad gegründet. Drittens, diese Gesellschaft pachtete von den Besatzern das Hotel Moskva (damals ‚Srbija‘), um es für die Aufnahme von 60 hohen deutschen Militärs, die sich auf Durchreise in Belgrad aufhalten sollten, vorzubereiten. Viertens, die Gesellschaft teilte dem Bank… fer… ajn‘“ – las er mühsam das Wort ‚Bankverein‘ – „‚mit, dass ihr der Bevollmächtigte für die Wirtschaft Serbiens für die Verpflegung der deutschen Gäste einen Waggon Kondensmilch zur Verfügung gestellt habe …‘“

„Was soll dieses langweilige Zeug!“, unterbrach ihn einer der Jungs und stand auf. „Was haben wir damit zu tun?“

„Halt den Mund, setz dich und höre zu, während ich den Feind entlarve!“, erwiderte der Vorleser so heftig, dass der Junge eingeschüchtert zu seinem Platz zurückkehrte. „Na gut, ich mache es kurz“, setzte der andere fort und räusperte sich bedeutungsvoll. „‚Aus all dem geht hervor‘, steht hier weiter, ‚dass die Gesellschaft die Aufgabe übernommen hat, das obengenannte, rein deutsche Hotel und das Café für die Besatzung herzurichten und dass sie des Profits wegen nicht davor zurückschreckte, jede Hilfe der Besatzungsmacht in Anspruch zu nehmen. Aufgrund dessen, was hier dargelegt wurde, erklärt die Staatskommission die Vertreter der Aktiengesellschaft für das Belgrader Hotelgewerbe zu Kriegsverbrechern‘“ – hier machte er eine dramatische Pause – „‚zu wirtschaftlichen Helfershelfern des Feindes und zu Ausbeutern der unterjochten Arbeitskräfte des Volkes, und zwar namentlich den Leiter Andrej Savić, seinen Stellvertreter Ivan Rogoz und andere Mitglieder wie Marko Korać …‘ und jetzt kommt der Gipfel: ‚und Aleksandar Poljanski‘ … Was sagt ihr nun?“, tönte er siegessicher und fuhr fort: „‚Die Kommission ist der Ansicht, dass die Obengenannten für ihre Taten bestraft werden müssen.‘“

Es herrschte Stille. Saša saß weiterhin starr und mit vollem Mund, seine Schulkameraden schauten ihn ungläubig und angewidert an.

„Das ist nicht wahr!“, murmelte er schließlich.

„Was ist nicht wahr, du Lügner!“, herrschte ihn der politisch bewusste Rädelsführer an. „Willst du behaupten, dass unsere Zeitung lügt?“

„Nieder mit dem Kriegsverbrecher! Nieder mit dem Blutsauger! Niiiieder!“, rief er aus, und die anderen stimmten ein. Einige von ihnen sprangen auf und schrien: „Tod dem Faschismus! Tod den Verrätern!“

Ein Junge, der neben Saša saß, brüllte: „Es lebe die Arbeiterklasse!“ und schlug ihm auf den Mund, aus dem ein halbgekauter Bissen fiel.

Obwohl erschüttert, saß Saša weiterhin aufrecht und bedeckte mit der Hand die blutenden Lippen.

„Mein Vater ist kein Verräter … er ist kein …“

Das Gejohle der anderen übertönte Sašas Murmeln.

In dem Augenblick erschien die Genossin Lehrerin.

I

FEIERTAGE UNTER BEOBACHTUNG

„Mama, wo ist Papa? Heute ist er nicht da, gestern war er nicht da … schon lange ist er nicht da!“, fragte mit Tränen in den Augen die kleine Vera ihre Mutter an einem heißen Sonntag wie übrigens seit einem Monat jeden Morgen. „Nicht da, nicht da!“, quengelte sie und schüttelte dabei ihren hellen Lockenkopf. „Ich will meinen Papi … Wann kommt er?“

„Prestu, prestu, linda mia, bald, bald, meine Schöne. Du hast doch mich. Liebst du deine Mámile nicht? Papa ist in Bor …“

„Was ist Bor?“

„Das ist ein Bergwerk, wo man nach Kupfer gräbt, dort geht es ihm ganz gut. Bald besuche ich ihn, dann kann ich dir davon erzählen. Dein Papa, meine Kleine, ist gesund und munter, fest und zäh!“

„Ich bin auch fest und zäh!“, bestätigte Vera automatisch und hob den Arm, um ihre Muskeln zu zeigen. Das brachte sie jedoch nicht von ihrem Thema ab, denn sie verlangte weinerlich, die Mutter solle ihr den Brief des Vaters vorlesen.

„Ja, mein Herz, sofort!“, beeilte sich Branka und holte den ersten Brief Markos aus dem Borer Lager „Süd“ mit dem Stempel der Militärzensur.

„‚Meine geliebte Branka, mein liebes Kind und liebe Riki‘“, las sie vor. „‚Man erlaubt uns, euch zwei Mal im Monat zu schreiben und zwei Antwortbriefe zu empfangen. Bald werden auch Besuche erlaubt sein. Pakete bis zwei Kilo könnt ihr mit der Post schicken (jedem ist eine Liste mit der Inhaltsangabe beizulegen). Damit hat es aber keine Eile. Hier ist alles bestens. Die Gegend erinnert mich an Sarajevo. Die Höhe 378 Meter, warme Tage und kühle Nächte. (Branka, schick mir bitte meinen Pullover.) Hier hat man mich untersucht, und es sieht so aus, als würde ich eine Arbeit im Freien bekommen, nicht unter Tage. Zucker fand man bei mir nur spurenweise im Blut, bei der hiesigen Kost verschwindet er vielleicht völlig. Hoffentlich verschwinde mit dem Zucker nicht auch ich (ich mache Spaß!). Bald werde ich an der frischen Luft arbeiten, müde werden und wie ein Murmeltier schlafen. Macht euch um mich keine Sorgen. Ich kann nicht erwarten, von euch zu hören, was nach meinem Weggehen passiert ist. Hier ist es viel besser als im Gefängnis in Banjica, und Banjica war schon besser als die Zeit, in der wir vor den Bomben flüchteten. Wie geht es meinem Herzchen, meiner lieben Tochter?‘“ – Vera klatschte in ihre kleinen Hände – „‚Hört sie auf dich? Sie ist das bravste Mädchen auf der Welt …‘“ Branka übersprang die Worte „hoffentlich muss unser Kind keinen Hunger leiden“ und las weiter: „‚Sucht sie mich, fragt sie nach mir?‘“

„Sag ihm, ja!“

„Das sage ich ihm natürlich, sobald ich ihn sehe“, erwiderte Branka und verstummte, denn in Markos Brief stand weiter: ‚Tue alles, damit das Kind mich nicht vermisst, verwöhne es, wenn möglich noch mehr als bisher. Hauptsache, sie ist gesund und frohgemut. Von Dir, mein Sonnenschein, will ich erst gar nicht sprechen. Ich kann mir vorstellen, wie Dir zumute ist, aber denk an Dein Versprechen, tapfer zu sein. Alles geht einmal vorbei, und wir werden wieder vereint und glücklich sein.‘

„Weiter!“

„Küsse meine kleine Gaunerin drei Mal“, erfand Branka, „einmal auf die Wange, einmal auf die Nase und einmal aufs Ohr!“

„Aber warum kommt er nicht und küsst mich selbst?“

„Das geht nicht, er kann seine Stelle nicht verlassen, wann er will.“

„Und was, wenn er nie mehr kommt?“

„Il Dio no mi dé, querida! Comu puedis dizir estu? Gott bewahre uns davor, Liebes, wie kannst du so etwas sagen? Papa kommt in ein paar Tagen zurück und … und bringt seinem Töchterchen eine schöne Puppe.“

„Was ist eine Puppe?“

Branka biss sich auf die Lippen.

„Deutschland hat kapituliert, die Welt ist wegen Triest in Aufruhr geraten, in der befreiten Hauptstadt veranstaltet man eine Parade zum Ersten Mai, Belgrad leckt seine Wunden, es entstehen die ersten Giganten des Fünfjahresplans und das Kind weiß nicht, was eine Puppe ist“ – mischte sich Riki ein, die bislang dem Gespräch schweigend zugehört hat. Ach, querida mia hermaniquia, mein geliebtes Schwesterherz, das ist wirklich traurig!“ Sie wandte sich zu ihrer Nichte: „Die Puppe, linda mia, meine Schöne, ist ein Spielzeug. Es ist ein kleines Mädchen, mit dem du spielen kannst und das dir Gesellschaft leistet, wenn Mama und ich beschäftigt sind und keine Zeit für dich haben. Und ich schwöre, du wirst die Puppe bekommen, koste es, was es wolle!“

„Fein, Tante!“, rief Vera und begann herumzuhüpfen.

„Riki, mache ihr keine Versprechungen, du weißt doch …“

No sé nada i no queru saver, ich weiß nichts und will auch nichts wissen!“, entgegnete Riki aufgebracht. Damit Vera sie nicht verstand, sprach sie weiter auf Ladino, der Sprache der sephardischen Juden: „Ich nähe ihr eine Puppe aus meinem alten Kleid …“

„Das ist doch dein Einziges …“

„Egal. Wir haben noch Watte, damit stopfe ich die Puppe aus … so kann die Kleine nach Herzenslust mit ihr spielen. Sie wird ihr gefallen, sie kennt ja keine andere.“

Vera sprang fröhlich im Zimmer herum, hielt aber still, als es an der Tür klingelte.

„Ich mache auf“, sagte Riki.

Bald waren begeisterte Rufe zu hören: „Dragu! Vladetaaaa Dragutiiiinović! Wo hast du gesteckt, mein alter Freund, mein liebster und bester! Und wie siehst du aus, jetzt nach dem Krieg? Besser als früher, und ob!“

Die Diele hallte von Rikis Jauchzern und von Dragus klangvollem und samtigem Bariton, mit dem er jahrzehntelang die Belgrader Theaterliebhaber begeisterte.

„Riki! Rikica! Püppchen! Da bist du ja, bist zurück. Du hast dich denen doch nicht ergeben! Hast deine Spur verwischt, du kleine Tänzerin! Ich wusste es doch!“

Die Begegnung war so stürmisch und laut, dass die Nachbarn aus ihren Wohnungen herauskamen, um nachzusehen, was bei den Koraćs los war.

Schließlich trug Dragu Riki auf den Armen in die Wohnung, dann löste er die Umarmung, rückte von ihr weg, betrachtete sie eine Weile und sagte: „Lass mich die junge Sálom sehen: Da sind sie, die glänzenden Augen, die roten Wangen, die kleine Nase, die vollen Lippen, voller denn je …“

„Da sind aber auch einige graue Haare und Schmerzen in der Hüfte …“, warf Riki ein.

„Aber“, unterbrach sie Dragu, „auch die schönsten Beine der Welt!“

Die kleine Vera wohnte der Szene mit ernstem Erstaunen bei, und als sich die Aufregung gelegt hatte und Dragu endlich das Zimmer betrat und sie ansah, lächelte sie ihn ganz ungehemmt an und machte einen Knicks, wie Tante Riki ihr das beigebracht hatte.

„Du bist aber ein schönes und süßes Mädchen! Wie heißt du?“

„Inda.“ Branka und Riki sahen einander verwundert an. „Und du?“, fuhr sie freimütig fort, gewöhnt, mit Erwachsenen zu reden. Außer Adrijana hatte sie keine Freundin in ihrem Alter.

„Ich bin Onkel Dragu.“

„Dragu“

„Onkel Dragu“

„Nur richtige Verwandte sind Onkel und Tanten, nicht irgendwelche anderen …“, sagte Vera und sah hilfesuchend Riki an.

„Das hat sie von mir. Ich und nicht irgendeine Nachbarin bin für sie die Tante“, erläuterte Riki.

„Du bist wirklich klug und sprichst wie eine Erwachsene. Wie war noch dein Name?“

„Inda“.

„Inda? Ein interessanter Name …“

„Es bedeutet die Schöne … Ich heiße auch Vera, aber Inda gefällt mir besser!“

„Ach, jetzt verstehe ich“, mischte sich Branka ein. „Ich sage immer wieder linda mia, meine Schöne, zu ihr … Niemand außer mir nennt sie so.“

Seit diesem Moment nannten alle sie Inda, und sie erläuterte ihren Kosenamen gern jedem, der es wissen wollte.

„Also, Inda, du weißt wirklich viel“, fuhr Dragu fort.

„Ich kann auch Ballett tanzen und singen“, sagte sie stolz und sah dabei Riki an.

„Los, sing uns etwas, querida.“

Inda legte gleich los: „Blanka, du kommst zu uns aus Salamanca, heißblütig wie eine Zigeunerin bist du, schlank und feurig dazu!“

„Bravo! Das Lied ist deiner Mama Branka ja geradezu auf den Leib geschneidert!“, sagte Dragu. Er nahm etwas aus seiner Jackentasche, ging vor Vera in die Hocke und übergab ihr ein Päckchen.

„Danke!“, sagte sie und sah Tante Rikica an. Diese machte ihr ein Zeichen, es zu öffnen, und fragte Dragu: „Wo hast du die Schokolade her?“

„Aus dem Koffer einer Schweizer Dame landete sie wie durch ein Wunder direkt bei mir“, erwiderte Dragu und lächelte lausbübisch.

„Ja, ich verstehe“, seufzte Riki.

„Was ist das?“, fragte Inda, vorsichtig die braune, etwas klebrige Tafel betastend.

„Das ist Schokolade. Schmeckt gut und Kinder haben sie sehr gern. Probiere sie“, sagte Dragu.

Inda brach ein Stück ab, beäugte es misstrauisch und stopfte es nach einigem Zögern in den Mund. Als sie darauf zu kauen begann, erhellte sich ihr Gesicht: „Mhmm, das schmeckt wunderbar!“, murmelte sie, sich die Lippen leckend, und lief schnell in die Küche, um ihrer Mutter zu zeigen, was sie geschenkt bekommen hatte und ihr zu versichern, dass Dragu ihr liebster Gast sei.

So wurde der Liebhaber auf den Brettern des Nationaltheaters vor dem Krieg und Rikis enger Freund ein gern gesehener Gast im Hause Korać-Sálom. Er kam oft vorbei und brachte jedes Mal neue Nachrichten aus der Stadt. Damit machte er sowohl Rikica, die wegen ihrer Schmerzen selten ausging, als auch Branka, die die Wohnung nur zum Einkaufen verließ, eine Freude.

Dragu schilderte ihnen die aktuellen Ereignisse auf seine eigene spritzige und geistreiche Art. Er erzählte ihnen von seiner Inszenierung des Stücks „Das einfache Mädchen“ des sowjetischen Autors Schkwarkin im Belgrader Rayontheater im Stadtteil Vračar und meinte, den Eintrittspreis von 80 bis 200 Dinar für die Premiere sollte man um ein Vielfaches erhöhen, weil sie für den 6. April angesetzt sei und jeder glücklich sein müsse, selbst bei der schlechtesten Aufführung an jenem Tag im Theater zu sitzen, an dem er vor nur vier Jahren vor den Bomben flüchten musste. Er ließ sich über die ungewöhnlichen Aufführungen von „La Bohème“, „Tosca“ und „Hajduk Stanko“ aus sowie über das noch ungewöhnlichere Publikum im Nationaltheater, wobei er die Vertreter jeder charakteristischen Gruppe imitierte. Oder er stürmte außer Atem ins Haus und ahmte die Belgrader Industriellen, Luka und Mihajlo Mišić sowie Milutin Krivokapić, nach, die wegen Wirtschaftskollaboration mit der Besatzungsmacht verurteilt wurden.

„Traurig, traurig“, pflegte er zu sagen, „aber wenn wir nicht über alles lachen, werden wir verrückt!“

Branka flüsterte er zu, als verrate er ein Staatsgeheimnis, dass das Ministerium für Handel und Versorgung bestimmte Mengen Zucker zum Preis von 15 Dinar das Kilo sowie Petroleum, Streichhölzer und Salz zum Verkauf freigibt. Oft ließ er auf dem Küchentisch eine Tüte Maismehl liegen mit den Worten: „Ich weiß nicht, was mit mir los ist! Jedes Mal vergesse ich, Blumen mitzubringen!“

Er imitierte die Delegierten der historischen Konferenz in Triest und rief aus: „Es lebe das autonome Triest im Demokratischen Föderativen Jugoslawien!“ Er spielte einen Garibaldiner und danach die gesamte jugoslawische Vierte Armee. Jedes turbulente oder traurige Ereignis in der erst kürzlich befreiten Hauptstadt schilderte er mit Humor, der für Riki und Branka in jenen bedrückenden Tagen von unschätzbarem Wert war. Sie waren überzeugt, dass sich in der erschöpften, ausgehungerten und bedrückten Bevölkerung nur die jungen Leute gegen die Traurigkeit mit Gesang wehren konnten. Die Jugend hatte nicht viel, woran sie sich erinnern konnte, und freute sich über alles. Dragu war kein Jüngling mehr, aber jung in seinem Herzen. Und während Belgrad zerbombt an den Ufern seiner Flüsse darniederlag und wie ein Sterbender erlaubte, dass man alles mit ihm tat, scherzte Dragu: „Punkt, Punkt, Pünktchen, Marke, Marke, Märkchen, dann Bon, Bönchen, ein Bonbon … aus dem Diplomatenmagazin, dieser fortschrittlichsten Erfindung der Nachkriegszeit! Dieser neuen Art der Verteilung von Grundnahrungsmitteln! Jetzt haben wir saubere Mensen und volle Magazine anstelle von schmutzigen Gaststätten und kapitalistischen Läden. Das einzige klitzekleine Problem ist, dass die Gaststätten und Läden allen zugänglich waren, während jetzt die Mensen und die Magazine nur für Privilegierte da sind.“

„Unsere Stadt sieht aus wie eine Geburtstagstorte, über die ein hungriger Kater gelaufen ist“, sagte er und begann Partisanenlieder zu singen, die auf den Straßen erklangen, während Jungaktivisten die Trümmer wegräumten. Am lautesten sang er, wenn er die um den Bahnhof herum imitierte, die am zahlreichsten waren, weil der Bahnhof möglichst schnell wieder in Betrieb genommen werden sollte.

Ganz besonders gern parodierte er Situationen, in denen der Zusammenprall des Neuen und des Alten zum Ausdruck kam. Als erfahrener Schauspieler schlüpfte er in die Rolle einer feinen Belgrader Dame, die mit ihrem Hündchen einen Spaziergang durch die befreite Stadt machen wollte und dabei von einer Baustelle mit Kalk überschüttet wurde.

„Schämen sollten Sie sich!“, kreischte Dragu mit schriller Stimme, während er den unsichtbaren Staub vom imaginären Hut klopfte.

„Entschuldige, Genossin, es war keine böse Absicht!“, schrie er, als riefe er vom Gerüst herunter. Dann aber fiel er mit Leichtigkeit in den tiefsten Tonfall eines Montenegriners: „Verschwinde, du Frauenzimmer, hier sind Aktivisten am Werk! Der Wideraufbau kennt keine Pause!“, rief er triumphierend.

Inda genoss seine Schauspielerei. Oft dachte er sich Geschichten aus, die nur für sie bestimmt waren, und gab Rikica augenzwinkernd zu verstehen, dass die folgende Szene nicht echt sei, obwohl in jener Zeit auch das Verrückteste möglich war.

Manchmal hatten die wahren Geschichten einen unglaublichen und zugleich tragikomischen Beiklang, so wie die von einer Oma, die auf dem Platz vor dem Nationaltheater, wo russische Soldaten bei der Befreiung Belgrads gefallen waren, Kerzen aufstellte. Als Milizmänner sie fragten, was sie da tue, antwortete sie wie selbstverständlich, ohne zu bedenken, dass die Religion im neuen Staat verpönt war: „Das ist für ihr Seelenheil“ und bekreuzigte sich.

*

An dem besagten Sonntagvormittag, während die Asphaltbürgersteige in der Sommerhitze schmolzen, gelang es Branka endlich, ihre Tochter von den Gedanken an den abwesenden Vater abzulenken. Das war vor allem Rikis Freunden zu verdanken.

Sie kamen immer um die Mittagszeit zusammen. Es schien logisch, dass Überlebende, vorwiegend aus Theaterkreisen, sich bei Rikica versammelten, die vor dem Krieg in der Belgrader Gesellschaft so beliebt gewesen war. Sonntag für Sonntag wuchs ihre Zahl. Sie kehrten nach Belgrad zurück aus der Gefangenschaft, aus dem Krieg oder aus ihren Verstecken.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen bildeten sie eine traurige Gruppe ausgemergelter, heruntergekommener, verstörter Menschen. Der Krieg hatte sie krank gemacht, hatte sie misstrauisch und ängstlich werden lassen, hatte die Welt, zu der sie gehörten, weggeblasen. Und doch, bei allem Bangen und Zweifeln gab es in ihnen eine Spur von Zufriedenheit oder vielleicht sogar Trotz. Es war der Funke des Triumphs, ausgelöst durch die Rückkehr in ihre Geburtsstadt, die, jetzt grün vom Laub und nicht mehr von deutschen Uniformen, zwar ihrer Schönheit beraubt, aber frei von unheilverkündenden Bekanntmachungen und Hakenkreuzen war. Jetzt allerdings fürchteten viele den roten Stern.

Sie kamen zusammen, um zu jammern, um dem Verlorenen, Geraubten, Verbotenen nachzutrauern. Sie waren des Lebens müde, spürten jedoch den Urwunsch, es weiterzuführen, selbst wenn es sich nur auf Erinnerungen gründen sollte. Sie erzählten sich alte Witze, sprachen von den Ungerechtigkeiten der neuen Obrigkeit, leugneten die Möglichkeit eines Fortschritts, an den die meisten von ihnen doch glaubten, und wollten dabei alle dasselbe: sich an der Quelle von Rikis nie versiegendem Optimismus und Selbstvertrauen laben. Sie wünschten, von ihrem Trotz und ihrem Kampfgeist beseelt, von ihrem breiten Lächeln angesteckt, vom gesunden Stachel ihrer Scherze gestochen zu werden, um so erfrischt durch den unsicheren Alltag unter dem Zeichen von Hammer und Sichel weitermarschieren zu können.

Vor langer Zeit hatte Riki mit ihren schwungvollen Ballettschritten das Publikum des Nationaltheaters beglückt. Später, nach ihrem schlimmen Sturz und dem Bruch des Hüftknochens, beschenkte sie mit ihren geistreichen Bemerkungen die Kunden ihres stets vollen Modesalons in der Knez-Mihailova-Straße. Und jetzt, nach den überstandenen Kriegsgräueln, half sie den um sie versammelten Freunden, wenigstens für einen Augenblick zu der in den vergangenen vier Jahren verlorenen Heiterkeit zurückzufinden, obwohl sie selbst vor und während des Krieges vielleicht mehr als die meisten dieser Heimkehrer Schmerzen, Leid und Verlust erlitten hatte.

Die Leute kamen auch wegen Branka. Sie liebten ihren sanften Blick und ihr wunderbares Lächeln und bewunderten ihr stilles Sichabfinden mit dem Leben und ihr großes Verständnis für menschliche Schwächen.

„Sie ist wie das Werk eines großen Künstlers, von allen bewundert und unsterblich“, sagte Dragu zu Riki, nachdem Branka ihnen den von ihm mitgebrachten Kaffee aufgebrüht hatte.

Als Riki das später ihrer Schwester erzählte, winkte diese errötend ab. Im vierten Lebensjahrzehnt wurde sie immer noch rot wie ein kleines Mädchen, denn sie hatte ihre jugendliche Naivität und Schamhaftigkeit bewahrt. Statt darauf zu antworten, murmelte sie nur besorgt: „Wenn ich doch nur meinen Ring gegen zwei Hähnchen eintauschen könnte.“

Grauhaarig, hager und knorrig wie ein trockener Zweig fragte der ehemalige Theaterkritiker der „Pravda“, Duško Zlatić, leise und mit gewählten Worten: „Haben Sie, bitteschön, die Debatte im Parlament gehört?“

„Welche?“, wollte Riki wissen.

„Die jüngste zum Gesetz über die Verbrechen gegen Volk und Staat.“

„Was heißt gehört“, lachte Riki, „durch und durch analysiert. Sie war in der ‚Politika‘ abgedruckt.“

„Freilich“, antwortete ernst Herr Pavlović, vor dem Krieg Konsul in Ottawa. „Es ist ein großes Vergnügen, den Gedanken Milan Grols zu folgen. Kristallklar hat er die versteckte Absicht dieses Gesetzes offengelegt, dessen Name, wie er sagte, schon vier Mal geändert wurde!“

Auf Duškos sonst unbeweglichem Gesicht mit trockener Haut und wässrigen Augen zeigte sich ein leichtes Lächeln: „Ich genoss sehr seine Ausführungen über den Unterschied zwischen einer gewählten und einer nichtgewählten Regierung. Den Verstoß gegen eine gewählte Regierung setzt Grol mit einem Verstoß gegen das Vaterland gleich und fügt hinzu, dass der Verstoß gegen ein undemokratisches Regime schwerlich als ein Verbrechen bezeichnet werden könne. Begreift ihr, was Grol damit eigentlich gesagt hat?“

„Aber natürlich, mein lieber Freund“, warf der Theaterschauspieler Krasić ein, der trotz der Hitze einen strengen grauen Anzug trug. „Ich stimme ganz und gar seinen Beobachtungen zu, vor allem wenn er sich auf die Gestaltung unseres künftigen Lebens bezieht. Darüber herrschen verschiedene, sehr widersprüchliche Ansichten.“

„Stimmt“, ergriff Duško Zlatić wieder das Wort. „Um die Ansichten über die wesentlichen Dinge anzugleichen, müssen die Gefühle für das, was im allgemeinen Interesse der Nation, das heißt für das Vaterland, ist miteinander in Einklang gebracht werden, und man muss begreifen, was vaterländisch ist. Denn, wie Grol sagt, der Staat ist ein juristischer, das Vaterland hingegen ein moralischer Begriff …“

„Aber, meine armen Freunde, wer achtet jetzt noch darauf“, unterbrach ihn der Maler Mika Adamov, traurig den Kopf schüttelnd.

„Sagen Sie das nicht“, sagte Zlatić ärgerlich. „Alles hängt eng mit den Gesetzen zusammen, und niemand darf sich über sie hinwegsetzen! Wie Grol sagte, die Gesetze des Staates unterschreibt der Gesetzgeber, die Gesetze des Vaterlandes hingegen trägt das Volk in seinem Herzen. Das Wichtigste ist, dass die politischen Gegner nicht zu Verrätern und Feinden des Vaterlands abgestempelt werden. Die Demokratie gründet sich nämlich auf der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen politischen Meinungen.“

„Unser serbisches Volk ist sehr guuuut, es hat nichts mit der Demokratie am Huuuut“, summte Dragu vor sich hin, aber außer Riki hörte es niemand.

„Sie lassen den alten Fuchs reden“, sagte Riki seufzend, „damit das Volk den Eindruck hat, …“

„… dass unterschiedliche Meinungen toleriert werden“, beendete Dragu ihren Gedanken.

„Richtig! Und ihr werdet sehen, bald ist er weg vom Fenster“, schloss Riki.

„Der wichtigste Teil seiner Rede“, mischte sich Pavlović wieder ein, „ist der, in dem er darauf hinweist, dass dieser Gesetzentwurf willkürliche Interpretationen zulässt und sowohl rückwärtsgewandte als auch beunruhigende Züge trägt, wobei beides gefährlich ist in der heutigen Zeit, in der man sich bemühen sollte, die Geister zu beruhigen und die Ordnung wieder herzustellen …“

„Und weiter sagte er“, machte Dragu Grol nach, „‚dieses Gesetz stiftet Verwirrung!‘ ‚Bei wem?‘, fragte Vidmar. ‚Ich werde es Ihnen sagen, Herr Vidmar: Bei all denen, die noch keine Lösung für alle Probleme haben. Bei all denen, die glauben, man solle nach weiteren Lösungen suchen!‘“ Dragu ließ sich auf den Sessel fallen und nahm die Pose eines Denkers ein, dann wechselte er das Thema: „Statt zu philosophieren und Grols Reden wiederzukäuen, sollten wir etwas Konkretes tun …“

„Zum Beispiel?“, fragte Riki.

„Zum Beispiel überlegen, wie wir Mirko Momčilović helfen könnten, der, wie wahrscheinlich alle wissen, in Ungnade gefallen ist.“

„Und zwar wegen ‚Die Sonne, das Meer und die Frauen!‘“, warf Riki dramatisch ein.

„Genau! Wegen dieses Stücks, das während der Okkupation im Nationaltheater gespielt wurde“, ergänzte Krasić ernst, „was ihm jetzt zur Last gelegt wird. Dabei vergisst man seine Verdienste um die Entwicklung der Theaterkunst in dieser Stadt … Die erste Schauspielschule mit gutem Renommee, die begabte Mimen wie Nevenka Urbanova, Pavle Bogatinčević und Dara Milošević hervorgebracht hat, zahlreiche Theaterstücke … all das ist unwichtig!“

„Ich kenne einige Männer in hoher Stellung“, sagte die Mathematiklehrerin, Frau Obradović, die bis dahin geschwiegen hatte. „Man sollte es versuchen … Wir alle sollten uns darum bemühen …“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.

Eine düstere Stille setzte ein.

„Erinnerst du dich, Rikčić,“ unterbrach Dragu das unangenehme Schweigen, „wie dir der junge aufstrebende Schriftsteller Stančulović einmal sagte, er würde, weil du dich mit Interviews schwertatst, eines mit einer schockierenden Frage beginnen?“

„Ja, hochverehrter Herr Schriftsteller“, erwiderte prompt Riki, die sich mit Leichtigkeit in die Zeit dieses Gesprächs versetzte. „Und wie würde diese höchst verwirrende Frage lauten?“

„Also“, übernahm Dragu die Rolle des Schriftstellers, seine nasale Stimme nachahmend, „ich würde Sie zum Beispiel fragen, wann Sie Ihre Unschuld verloren haben.“

„Wissen Sie, mein lieber, stümperhafter Literat, was ich Ihnen darauf antworten würde?“

„Nein!“, Dragu schüttelte theatralisch den Kopf.

„Das verrate ich Ihnen, wenn Sie mir zuvor sagen, wann Sie zum ersten Mal einen Tripper hatten.“

Sie hatten vergessen, dass Inda noch im Zimmer war. Riki streichelte ihr übers Haar und schickte sie zu ihrer Mutter in die Küche.

Branka war dabei, ein Essen aus den spärlichen Lebensmitteln zuzubereiten, die sie am Tag davor von einer Bäuerin im Tausch gegen ein kleines Silbertablett bekommen hatte. Sonst hellhäutig, jetzt aber blass, sonst mit glänzendem Blick, jetzt mit vom Zwiebelschneiden verweinten Augen, legte sie das Messer beiseite, hob Inda auf und hielt sie fest in den Armen. „Fijiquia mia linda, mein schönes Töchterchen“, murmelte sie und küsste sie so innig, als stünde sie vor einer langen Reise.

„Mama, was macht Dragu?“, fragte Inda, ein Stück Schokolade kauend, die sie wieder von ihm bekommen hatte.

„Er ist Schauspieler.“

„Was ist das?“

„Er betritt die Bühne im Theater und spielt dann jemanden anderen aus einer Erzählung.“

„Warum ist Papa kein Schauspieler? Er könnte mir dann auch immer Schokolade bringen …“

„Meine Kleine, wenn er nur könnte, würde Papa sie dir jeden Tag bringen. Früher, kurz bevor du geboren wurdest, hätte Papa dir alles kaufen können, was du dir vorstellst.“

„Schade, dass ich nicht früher geboren wurde“, sagte sie und machte einen Schmollmund. „Aber was ist Papa, wenn er kein Schauspieler ist?“

Ah, querida, il prisionieru, Gefangener“, flüsterte Branka und fuhr laut fort: „Wie ich dir schon früher erzählte, Papa war ein reicher Mann, ein Geschäftsmann. Er hatte ein großes Unternehmen in Sarajevo, eine Zeitung, Kinos, eine Druckerei, eine Speditionsfirma, mehrere Autos … und jetzt“, da stockte Branka, „jetzt hat er nichts mehr außer dem Wichtigsten: außer dir, mir und unserer großen Liebe … Heute ist dein Papa … er ist … ein anständiger Mann. Ja, das ist sein heutiger Beruf.“

Inda nickte und verließ fröhlich die Küche, Branka brach in Tränen aus.

Sie erinnerte sich an den Tag, als sie endlich den Abzug der Deutschen erlebte, den Tag der Befreiung! Keine Angst mehr, kein nächtliches Bangen, kein Lauschen auf Schritte im Treppenhaus, kein ewiges Fragen: „Kommen sie mich, kommen sie uns abholen?“ Verschwunden war die Angst vor den Besatzern, die auf die Angst vor den Ustascha gefolgt war. Sie erinnerte sich an ihre überwältigende Freude im herrlichen Oktober, als der Anblick der Belgrader Straßen trotz der Trümmer das Auge nicht beleidigte: Im leichten Nebel des verträumten Frühherbstes glänzte die geplagte, zerstörte, geflickte und getretene Stadt sonnenbeschienen im Leuchten der wenigen goldgelben Blätter, die von den Bomben und dem Wind verschont geblieben waren. Jene Woche verbrachte sie in Ekstase, die mit keinem bis dahin gekannten Gefühl zu vergleichen war und die ihr erlaubte, zu vergessen, dass der Friede nach einem Krieg wie diesem kein Freudenfest sein konnte. Erst etwas später erkannte sie die Schattenseiten dieses Glücks: geborstene Häuser, Trümmer, aus denen Betten und Wiegen herausragten, das Abzählen der noch lebenden Freunde und die Frage, wer von diesen Überlebenden abgeführt, eingesperrt, wegen einer neueingeführten und neubenannten Untat verschwunden war.

Alles war kaputt, alles erschüttert, alles stand Kopf. Zu den Trümmerhäusern kamen die Trümmermenschen.

In den Trümmern Belgrads fand sich manches geduckte, stillgewordene Haus: Wie verschämt, weil es unbehelligt das Ende des Krieges erlebt hatte, versteckte es sich zwischen seinen halbzerstörten Artgenossen. Eins davon war ihr Haus. Sie hatten Glück, dachte Branka, nicht nur waren sie am Leben geblieben, sondern hatten auch ein Dach über dem Kopf. Deshalb fürchtete sie, sie würde mit ihrem Lächeln die Toten beleidigen. Nein, sie konnte sich nicht freuen, ihr war, als würde sie mit ihrer Heiterkeit die Erinnerung an jeden Getöteten oder Gefolterten verletzen. Die Deutschen waren zwar aus Belgrad abgezogen, aber die Befreier, die im Reigen mitten auf dem Terazije-Platz Partisanentänze aufführten, die lauten Gebirgsgesänge, die beim Aufräumen der Trümmer erschallten, die Eröffnung der Belgrader Oper, die Herausgabe der Tageszeitung „Politika“ – all das lief merkwürdigerweise an ihr vorbei, blieb ihr fremd, schenkte ihr nur einen kurzen Augenblick der Freude, nach dem die altbekannte Last des mühevollen Alltags wieder auf ihre Schultern drückte, in dem es an allem, jetzt sogar erstmals auch an Zukunftsträumen mangelte.

Der Krieg war vorbei, der Hunger blieb. Und für Marko auch die Ungerechtigkeit. War es gerecht, Marko ins Gefängnis zu stecken und dann noch nach Bor zur Zwangsarbeit zu schicken? Sie wusste, dass er zurückkommen würde. Das stumpfe Gefühl der Hoffnungslosigkeit hatte nicht ihren Glauben daran erschüttert, dass sie ihn am Hauseingang in der Njegoševa-Straße Nummer 17 begrüßen würde. Indes schien ihr oft, dass die Kriegszeiten mehr Gelegenheiten zu Hoffnung geboten hatten: Darauf, dass die Patrouillen an ihrer Wohnung vorbeiziehen, dass die Bomben ihr Haus verpassen und, was am Wichtigsten war, dass Freiheit und Friede kommen würden. Alles hatte den Stempel des Vorläufigen getragen. Es bestand nun keine unmittelbare Lebensgefahr mehr, aber jetzt machten sich viele unlösbare Sorgen mit dem bedrückenden Beigeschmack der Dauerhaftigkeit breit. Vielleicht hatte sie während der vier Besatzungsjahre Übung darin bekommen, mit der Todesangst zu leben. Davon war sie nun erlöst, doch jetzt musste sie etwas Neues lernen: Wie sich in Frieden und Freiheit mit der ungewissen Zukunft abfinden? War das der Friede? War das die Freiheit?

Mit jedem Tag empfand sie deutlicher, dass sie, Marko und Riki nicht zu den Kolo-Tänzern auf dem Terazije-Platz und ihrer euphorischen Freude gehörten. Diese Menschen jubelten. Sie hatten ja auch Grund dazu: Ihre Zeit war gekommen. Doch Marko, dem die Ustascha das ganze Vermögen genommen, ihn eingesperrt und fast getötet hatten, weil er ein angesehener Serbe in Sarajevo war und weil seine Tageszeitung hartnäckig gegen den Ustascha-Führer Ante Pavelić gewettert hatte, und sie, die als Jüdin jederzeit von den Deutschen in ein Vernichtungslager geschickt werden konnte, gehörten jetzt zur Welt der „Gestrigen“, sie wurden zu einer „negativen Erscheinung“, zu „Speichelleckern des Feindes“. Nicht nur dass sie als eine Störung empfunden wurden, man wollte sie vielmehr möglichst schnell beseitigen, damit sie nicht „die übermenschlichen Anstrengungen und den aufopferungsvollen Kampf um den Aufbau des Landes und der neuen sozialistischen Gesellschaft“ behinderten. Sie wurden von der schwungvollen, rücksichtslosen Kraft der Menge überrannt, die den gleichen Atem, den gleichen Geist, den gleichen Glauben und sogar die gleiche Sprache hatte. Mit der neuen Zeit kam auch eine neue Sprache: Die Genossen unter den „Titovke“, den Partisanenmützen, benutzten nicht mehr dieselben Worte wie sie.

Und wo waren jetzt die Menschen wie die Koraćs verblieben, fragte sie sich ständig, wo fanden sie Platz in diesen Menschenmassen, die wilden Gebirgsbächen gleich nach Belgrad strömten und eine neue Hast, eine Flut sinnentleerter Parolen, schlechtes Benehmen und verzerrte Ansichten über das Familienleben und die Gesellschaft mit sich brachten und wie jedes wilde Gewässer eine Menge Unrat mit sich führten?

Überfüllte Opern- und Theatersäle kamen ihr jetzt vor wie die unwirklichen Bilder Macksennettischer Komödien des Ernstes: Vorkriegstoiletten, die nach Mottenpulver rochen oder bereits von Motten zerfressen waren, mischten sich unter Partisanenuniformen und Soldatenstiefeln. Weder passte der schwarze Taft zur neuen Zeit noch das grobe Tuch zum Theater.

„Wir beide sind weder für den Taft noch für die Soldatenstiefel gemacht“, sagte ihr Riki einmal, „wir hängen irgendwo dazwischen … zwischen Hammer und Amboss … weder gestrig noch heutig. Gestrig nicht, weil wir nicht reich und müßig waren, sondern immer arbeiteten, und heutig nicht, weil wir nicht zu dieser Masse gehören. Aber keine Sorge, Schwesterherz, dieser Hammer kriegt uns nicht kaputt!“

„Uns beide vielleicht nicht, aber Marko?“ In den ersten Nachkriegstagen schien er nicht die zerstörerische Kraft der Veränderungen zu spüren. Als hoffte er, die durch den Krieg durcheinandergeratenen Mosaiksteinchen würden wieder an ihren alten Platz zurückfinden. Jetzt, da er im Gefängnis war, konnte sie nicht mit ihm darüber sprechen.

Sie stellte sich ihren ersten Besuch im Lager „Süd“ vor: Er würde sie fragen, ob sie genug zu essen hätten, sie würde zustimmend nicken und sein eingefallenes Gesicht betrachten. Ihr Mann würde befürchten, dass sie sich das Essen vom Mund absparten, um es ihm zukommen zu lassen. Denn Schweineschmalz, Gries, Milch, Maismehl bekam man auf Lebensmittelmarken, die für Bürger, Arbeiter, Kinder, Kranke ausgestellt wurden, aber Marko gehörte zu keiner dieser Gruppen, für solche wie ihn waren keine vorgesehen. Er war kein Arbeiter, er war ein zu zwei Jahren „leichter Zwangsarbeit“ Verurteilter.

Jeden Tag vor Sonnenaufgang standen Menschen in langen, sich windenden Schlangen an und richteten ihre hungrigen Blicke auf den Eingang der städtischen Lebensmittelverteilungsstellen GRANAP. Sie wünschte so sehr, sich mit einem Hocker zu ihnen gesellen zu dürfen. Einige Lebensmittel konnte man zwar auf Wochenmärkten erstehen, die gleich nach der Befreiung eingerichtet wurden, aber sie hatte kein Geld, um sie zu kaufen, und kaum noch Sachen, die sie zum Tausch anbieten konnte.

Nein, auf keinen Fall würde sie ihm sagen, dass sie hungerten, stattdessen würde sie ihm fröhlich antworten, Riki sei eine Künstlerin nicht nur im Tanzen und Nähen, sondern auch im Aufspüren von Lebensmitteln. Sie würde lügen, gern und glaubwürdig lügen, um Marko die „leichte“ Zwangsarbeit zu erleichtern, die seiner angeschlagenen Gesundheit abträglich war. Und doch fühlte sie wie damals, als die Ustascha ihn in Sarajevo ins Gefängnis steckten, dass er ihretwegen und wegen ihrer Tochter überleben, dass er das aushalten würde. Nein, stellte sie an diesem warmen Mittag in der Küche fest, noch drohte ihrem Leben zu zweit, jetzt auch zu dritt, kein Ende. Dessen war sie sich sicher.

Womit sie indes nicht zurechtkam, waren ihre Zweifel an der Gerechtigkeit, an den Gesetzen, an der Obrigkeit und an den Menschen, an allem und jedem in dieser neuen Welt, das auf die Entwicklung ihres gemeinsamen Kindes Einfluss nehmen könnte.

Das natürliche Bedürfnis der Eltern, ihr Kind zu beschützen, wurde in ihrem Fall durch die Vertreibung im Krieg und die Ausgrenzung nach dem Krieg verstärkt. Sie würden ihre Tochter vor den Schlägen der Wirklichkeit bewahren müssen und sie gleichzeitig auf das Leben vorbereiten; sie mit Liebe und Zärtlichkeit umgeben, aber auch gegen menschliche Grobheit wappnen; ihr gutes Benehmen beibringen und in ihr die Liebe zum Schönen und Künstlerischen wecken, sie aber ebenfalls dazu erziehen, hart und resolut zu sein; ihr vor allem die Bedeutung von Redlichkeit und Güte erklären, die Marko vor langer Zeit in dem Satz zusammenfasste: „Tagsüber handle ich so, dass ich nachts ruhig schlafen kann.“

War eine solche Erziehung möglich? fragte sich Branka. Stellte sie nicht zu hohe Ansprüche an sich und an ihr Kind? Nein! Denn in den Jahrzehnten, die nötig sein werden, um das vom Krieg Zerstörte wieder aufzubauen, werden die Kinder zu einer widerstandsfähigen und zähen Generation heranwachsen. So auch ihre Inda. Das war bei den allumfassenden Zweifeln an der Zukunft ihre einzige Hoffnung. Eine andere hatte sie nicht.

„Zweifel hegen ist eine gute Sache“ lautete eine von Markos goldenen Regeln. Menschen hatten es schwer, sein Vertrauen zu gewinnen. In ihr hingegen, die leichtgläubig war, hatte erst die Befreiung große Zweifel aufkommen lassen. Während des Krieges wusste sie, vor wem man fliehen, wen man meiden, vor wem man sich verstecken musste. Jetzt, zumal nach Markos durchgepeitschtem Gerichtsprozess und der Inhaftierung, verstand sie die Welt nicht mehr.

„Ich habe Hunger“, sagte Inda, die in die Küche gekommen war.

„Gleich, fijiquia mia linda, mein schönes Töchterchen, gibt dir Mama etwas Leckeres!“

Sie bestrich eine Scheibe Brot mit Schweineschmalz und streute Salz und Paprikapulver darauf. Inda nahm das Brot und ging spielen.

Aus dem Wohnzimmer drangen die Stimmen von Rikis Freunden zu ihr. Was haben sie sich so viel zu erzählen, fragte sie sich, und wie kann Inda ohne Spielzeug spielen? Die Armut bedrückte sie mehr denn je. Obwohl sie nie Gelegenheit gehabt hatte, sich an Luxus zu gewöhnen, wünschte sie jetzt, im Überfluss zu leben. Müde saß sie auf dem Küchenhocker und stellte zum ersten Mal in ihrem Leben fest, dass sie nicht mehr genügend Kraft haben würde, die Armut zu ertragen.

Aber alles wird besser, wenn Marko zurückkommt, wenn sie am frühen Morgen seine leichten Schritte auf dem knisternden, durch die Luftangriffe gelockerten Parkett hört. Dass er immer um vier Uhr nachts aufwachte, war eine Folge der Angst während der Besatzungszeit. Ihr aufmerksamer, zurückhaltender Mann stand dann auf und ging leise, um sie und Inda nicht zu wecken, in seine kleine Kammer zwischen dem Schlafzimmer und dem Bad, die einst ein Umkleideraum war. Den hatte sie für seine morgendlichen Wachstunden eingerichtet, einen kleinen Tisch hineingestellt mit dem alten Rundfunkgerät, das sie während des Krieges versteckt hatten, mit Stiften, Papier und Zigaretten ausgestattet, auch mit Tabak, den er oft in Zeitungspapier wickelte und als leidenschaftlicher Raucher genüsslich daran zog. Dort befand sich auch die Schachtel mit seinen Spritzen, die er jeden Morgen auf einer kleinen elektrischen Platte auskochte, um sich Insulin zu injizieren.

Die Gäste brachen endlich auf. Branka begleitete sie zur Tür.

„Und, worüber habt ihr so lange debattiert?“, fragte sie danach Rikica.

„Also“, begann Riki ernst, „wir sind zu einer Feststellung gekommen, die von eminenter Bedeutung für unsere Wirklichkeit ist, nämlich dass es vor dem Krieg genauso viele primitive und unerzogene Menschen, Banausen und Hochstapler gab, nur dass sie besser verteilt waren!“ Sie lachte vergnügt.

Branka deckte den Tisch und stellte Kartoffelsuppe, eine Gurke für Inda und etwas Maisbrot hin.

„Das waren unsere letzten Vorräte. Den Rest bringe ich Marko, wenn ich ihn nächste Woche besuche!“

Sie würde ihn besuchen, obwohl sie von ihm noch einen Brief – diesmal durch einen Freund und nicht über die zensierte Gefängnispost – bekommen hatte, in dem er ihr mitteilte, dass „eine Strafe über das ganze Lager verhängt wurde und deshalb Besuche und auch Briefe nicht erlaubt waren. Also“, schrieb er noch, „komm bitte auf keinen Fall. Die Reise ist anstrengend, es gibt keine Übernachtungsmöglichkeit und sehen könntest Du mich nur am Morgen und am Mittag, wenn ich in der Kolonne zur Arbeit gehe.“ Obwohl er weiter behauptete: „Meine Gesundheit ist besser denn je, unsere Unterkunft ist sauber, die Arbeit war nur anfangs schwer, aber jetzt, nachdem ich kräftiger geworden bin, ist sie ganz leicht“, wollte sie sich selbst davon überzeugen. Außerdem würde sie ihm etwas zu essen bringen, obwohl er ihr das ausdrücklich verboten hatte. Sie musste lachen, als sie am Ende von Markos Brief las: „Mach dir keine Sorgen. Alles hier gestaltet sich lustig und gut. Die Gesellschaft ist groß und wunderbar. Du kannst Dir nicht vorstellen, wer alles hier ist! Die Creme Belgrads. Dennoch bin ich wie immer wählerisch nach dem Motto: ‚Fürchte nicht das Gefängnis, sondern die Gefangenen.‘“

Blanki, t’arrogu“, unterbrach Riki ihre Gedanken, „no ti spantis, Blanki, ich bitte dich, habe keine Angst. Mach dir keine Sorgen. Wir verkaufen weiter! Ich finde noch ein paar Sachen, die auf dem Markt gefragt sind. Wir verkaufen alles und Schluss! Lass mich das machen, ich verspreche dir, ich werde etwas zu essen auftreiben, selbst wenn wir nachher auf dem Boden schlafen müssen.“

„Und was, wenn wir wirklich auf dem Boden schlafen müssen?“

„Dann finde ich einen dicken Liebhaber, auf dem ich liege, du wirst mit dem Geld, das ich von ebendiesem bekomme, Marko ordentlich sattfüttern, er wird zunehmen, weich werden wie ein Kissen … und das Problem ist gelöst!“ Sie lachte sorglos und laut, aber Branka nickte nur abwesend.

„Soll ich Marko fragen, ob wir die restlichen Möbel verkaufen sollen?“

„Auf keinen Fall!“, entgegnete Riki ernst. „Er würde sich nur unnötig Sorgen machen, und helfen kann er uns doch nicht. Jetzt geht es zunächst darum, dass er und Inda keine Not leiden, wir beide aber werden Diät halten und uns zu zwei schlanken, eleganten Damen mausern.“

Branka sagte nichts. Wie scharfe Pfeile schossen die Erinnerungen an jedes Wort der Aufforderung Nummer 517 durch ihren Kopf, laut der Marko zu Hause bleiben musste „zwecks der Beschlagnahme des untengenannten Vermögens des Verurteilten aufgrund des Urteils des Militärgerichts vom 3.VI.1945. Das Volksgericht für den Dritten Rayon Belgrads wird einen Gerichtsvollzieher schicken, der die Beschlagnahme sämtlicher beweglicher und unbeweglicher Güter von Korać Marko, wohnhaft in … am … um 11 Uhr durchführen wird.“

Die Beschlagnahme sah vor, dass man den Familienmitgliedern nur die unentbehrlichsten Dinge ließ, und das waren nach Ansicht und gemäß der Liste des Gerichts: „ein Bett“ – für sie, als käme Marko nie mehr zurück –, „ein Schrank, zwei Sessel, drei Stühle“ – für sie, Marko und Inda oder Rikica oder einen Gast?, fragte sie sich –, „ein fünfarmiger Deckenleuchter, ein Kinderbett“ – geht die Schuld auch auf die Nachkommen über? –, „ein weißer Schrank, ein Küchentisch, eine Kredenz, drei Hocker, ein Herd, ein Eisschrank, eine Kochplatte, eine Kiste für Mehl, das nötige Küchengeschirr, einige Familienfotos, eine Ikone und ein Ikonenlicht“ – wohl wegen der garantierten Glaubensfreiheit –, „ein Zimmerofen, eine Kinderbadewanne, ein Kinderstuhl und ein Schemel.“ Das war also alles, was sie nach dem Befinden der Justizorgane benötigten. Aber, dachte Branka, „Essen“ haben sie nicht auf die Liste gesetzt.

Ihre Sachen wurden weggeschafft, Marko kam ins Gefängnis. Und doch erlaubte der kämpferische Geist der Sáloms den Schwestern nicht, sich so schnell zu ergeben. Sie führten einen erbitterten Kampf, um zu beweisen, dass das türkische Zimmer Rikicas Eigentum war und dass das Schlafzimmer und das Esszimmer zu Brankas Mitgift gehörten, erworben mit „sauberem Arbeitergeld“ (denn Branka hatte volle zwanzig Jahre gearbeitet) und nicht mit „schmutzigen kapitalistischen Moneten“. Aber nicht einmal das wäre ihnen geblieben, hätte Riki nicht bei der aufmerksamen Lektüre der „Politika“, für die Branka keine Zeit hatte, einen Artikel mit dem Titel „Aus Wirtschaftskreisen Dalmatiens: Über die Durchführung der Beschlagnahme“ entdeckt, in dem es hieß: „Manche Behörden nehmen fälschlicherweise an, die Beschlagnahme des gesamten Vermögens hieße, alles bis zum letzten Nagel wegzunehmen, wodurch dann die engere unversorgte Familie dem Volk zu Last fällt. Das ist eine verkehrte Auslegung des Gesetzes, für die es keine Rechtfertigung gibt.“

 nur auf das persönliche Vermögen des Verurteilten