Marianne Gäng, Dipl. Soz.-Päd., Ausbildungsleitung für Reitpädagogik und Reittherapie, Gründerin und Präsidentin der Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten (SG-TR), Rodersdorf (Schweiz). Von der Herausgeberin außerdem im Ernst Reinhardt Verlag lieferbar:

Gäng, M. (Hrsg.): Erlebnispädagogik mit dem Pferd. 3., überarb. Aufl. 2011.

ISBN 978-3-497-02251-9 (Print); 978-3-497-60034-2 (E-Book)

Gäng, M. (Hrsg.): Reittherapie. 2., überarb. u. erw. Aufl. 2009.

ISBN 978-3-497-02074-4

Gäng, M. (Hrsg.): Ausbildung und Praxisfelder im Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren. 4., überarb. u. erw. Aufl. 2009.

ISBN 978-3-497-02075-1

Gäng, M., Turner, D. (Hrsg.): Mit Tieren leben im Alter. 2., erw. Aufl. 2005.

ISBN 978-3-497-01757-7

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autoren große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. – Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz- Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-02552-7 (Print)

ISBN 978-3-497-60218-6 (E-Book)

7., überarbeitete und erweiterte Auflage

© 2015 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

Covermotiv: Nanuk Wydler (Navenphotographics)

Satz: Sabine Ufer, Leipzig

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

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Inhalt

Vorwort zur 7. Auflage

Einführung

Von Marianne Gäng

A Grundlagen des Heilpädagogischen Reitens

1 Heilpädagogisches Reiten

Von Marianne Gäng

1.1 Kontakt mit dem Tier – ein menschliches Bedürfnis

1.2 Die Idee des Heilpädagogischen Reitens

1.3 Leitgedanken zum Heilpädagogischen Reiten

1.4 Philosophie der Ausbildung

1.5 Praktischer Bezugsrahmen

2 Aspekte Heilpädagogischen Denkens und Handelns

Von Hans-Peter Gäng

2.1 Was ist Heilpädagogik?

2.2 Die heilpädagogische Fragestellung

2.3 Theorie und Praxis – die Zwischenposition des Pädagogen

2.4 Heilpädagogisches Handeln

Methoden und Ressourcen

Beispiele aus der Praxis des Heilpädagogischen Reitens

2.5 Der Vertrag – die Abmachung

2.6 Entwicklung und Sinnhaftigkeit von Problemverhalten

2.7 Akzeptanz des Unverständlichen

Beispiele aus der Praxis des Heilpädagogischen Reitens

2.8 Therapie – Diagnostik – Förderkonzepte

2.9 Behinderung und Rehabilitation in der heutigen Gesellschaft

2.10 Atmosphäre

2.11 Wirkung und Konstanz (heil-)pädagogischer Maßnahmen

3 Anwendung des Heilpädagogischen Reitens

Von Marianne Gäng

3.1 Sinn – Zweck – Ziel

3.2 Materielle und andere Voraussetzungen

Die Auswahl des geeigneten Reittiers

Der Einsatz von Pferd und Pony

Der Einsatz des Esels

Vergleich Pferd – Esel

Die Eselhaltung

Erfahrungen und Ratschläge zum Pferd

Pflege der Tiere

Den Stall misten

Die Ausrüstung für das Pferd

Die Kleidung für das Kind

Heilpädagogisches Reiten im Jahresrhythmus

Der geeignete Übungsplatz

Offenstall-, Auslauf- und Gruppenhaltung

Planung und schriftliche Vorbereitung der Stunde

3.3 Die emotionale Kontaktaufnahme zum Pferd

3.4 Detailübersicht: Phasen der emotionalen Kontaktaufnahme

Phase 1: Vom Boden aus

Phase 2: Das Aufsteigen

Phase 3: Auf dem Pferd im Stand

Phase 4: Auf dem Pferd im Schritt

Phase 5: Im Erlebnispfad

3.5 Allgemeine Übungen zum Heilpädagogischen Reiten

Die Übungen der Blöcke I-IV

Übungsblock I

Übungsblock II

Übungsblock III

Übungsblock IV

3.6 Spezielle Übungen zum Heilpädagogischen Reiten

Übungen, die den Gefühlsbereich ansprechen

Übungen zur Schulung der Wahrnehmung

Übungen zur Schulung der Motorik

Übungen im sozial-integrativen Bereich

Übungen im Kommunikationsbereich

3.7 Das Reiten

Reiten auf Stimmkommando

Angstfreies Reiten für (ältere) Erwachsene

3.8 Das Fahren

Die „Vorarbeit“ zum Fahren mit dem Pferd

4 Der Einsatz von Reitlabyrinthen in der heilpädagogischen Arbeit mit Pferden am Beispiel des Kinderhofs Campemoor

Von Eberhard Laug

4.1 Heilpädagogische Förderung mit Pferden im Kinderhof Campemoor

4.2 Zur Geschichte der Labyrinthe

4.3 Einzelaspekte und Beispiele

Reiten lernen

Der Einsatz des Labyrinths in der Phase der emotionalen Anbahnung

Das Labyrinth als räumliches Symbol durchlebter Zeit

Zentrale Bedeutung des Labyrinths für die Gesunderhaltung der Therapiepferde

Der selbstverständliche Ritus als Phänomen und Chance fürs Leben

Das Labyrinth als Methode zur Steigerung des Selbstbewusstseins

Begrenzter Raum mit klar definierter Aufgabe

5 Die Langzügelarbeit im Heilpädagogischen Reiten

Von Renate Hof

5.1 Voraussetzungen

5.2 Aus der Praxis

5.3 Die Vielfalt der Möglichkeiten

5.4 Die Ausrüstung

6 Die Ausbildung von Islandpferden für das Heilpädagogische Reiten als Teil des ganzheitlichen Therapiesystems

Von Helga Podlech

6.1 Beobachten der Herde

6.2 Freiheitsdressur

6.3 Bodenarbeit

6.4 Handpferdereiten

6.5 Longe

B Praxisfelder im Heilpädagogischen Reiten

7 Aufbau einer Beziehung zum Pferd: eine Maßnahme für die Entwicklung und Erziehung von Menschen mit geistiger Behinderung

Von Susanne Eberle-Gäng

7.1 Aspekte der geistigen Behinderung in Bezug auf das Heilpädagogische Reiten

7.2 Fallbericht: der Jugendliche A

7.3 Heilpädagogisches Reiten als Erziehungsmaßnahme

7.4 Durchführung des Heilpädagogischen Reitens

7.5 Verlauf und Ergebnisse der Arbeit mit A

7.6 Folgerungen: Geistigbehindertenpädagogik und das Heilpädagogische Reiten

8 Heilpädagogisches Reiten mit einem Jugendlichen mit schwerer und mehrfacher Behinderung

8.1 Eine Beziehungsanbahnung mit Hilfe der Unterstützten Kommunikation

Von Annika Müller

Aus der Praxis für die Praxis: Heilpädagogisches Reiten mit Manuel

Beziehungsanbahnung mit Hilfe der Unterstützten Kommunikation

Einsatz von Unterstützter Kommunikation im Heilpädagogischen Reiten bei Klienten mit schwerer und mehrfacher Behinderung

Vergleich: ältere Menschen und Manuel

8.2 Übertragung positiven Verhaltens in den Alltag der Wohngruppe

Von Barbara Gäng

Ein Versuch

Erster Schritt: Emotionale Entwicklung

Zweiter Schritt: Kommunikation

Dritter Schritt: Interaktion

Zusammenfassende Auswertung zur Übertragung in den Alltag

9 Einblicke in das Heilpädagogische Reiten mit blinden und sehbehinderten Kindern

Von Sonja Morgenegg

9.1 Pferde als Lehrmeister

9.2 Körper und Sinne als vorsprachliches Mittel der Erkenntnis

9.3 Die heilpädagogische Reitstunde mit blinden und sehbehinderten Kindern

9.4 Grenzen und Gefahren des Heilpädagogischen Reitens mit blinden und sehbehinderten Kindern

C Heilpädagogisches Voltigieren

10 Heilpädagogisch-psychomotorische Aspekte der vorschulischen Förderung mit Hilfe des Pferdes

Von Marietta Schulz

10.1 Zielgruppen und Indikationen

10.2 Setting

10.3 Inhaltliche Prinzipien

10.4 Erfahrungen mit Hilfe des Pferdes

10.5 Methodische Prinzipien

11 Begabungsförderung mit dem Pferd

Von Henrike Struck und Rebecca Veith

11.1 Über die Entwicklung von Definitionen in der Begabungsforschung

11.2 Begabte Kinder im Heilpädagogischen Reiten / Voltigieren

11.3 Das Projekt

11.4 Ergebnisse des Projekts

11.5 Auswertung der Untersuchung

12 Weiterentwicklungen in Terminologie und Konzepten – Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd

Von Rita Hölscher-Regener

12.1 Entwicklung der Terminologie

12.2 Abgrenzung zum Therapiebegriff

12.3 Projektbeispiel „Starke Jungs“

Rahmenbedingungen

Das Projekt „Starke Jungs?!“

12.4 Handlungsweisen in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd

Gemeinsame Absprache über die Gestaltung der Einheit

Themen der Kinder aufgreifen

Sachorientierte Partnerschaft als Grundlage des pädagogischen Handelns

Präsent sein

Erfahrungen zulassen

Ressourcenorientierung

13 Psychomotorische Förderung bewegungsauffälliger Kinder durch Heilpädagogisches Voltigieren

Von Bernhard Ringbeck

13.1 Bewegungsauffälligkeiten im Alltag des Kindes

13.2 Ursachen von Bewegungsauffälligkeiten

13.3 Beobachtungskriterien und Prüfung motorischer Auffälligkeiten

13.4 Fördermöglichkeiten beim Heilpädagogischen Voltigieren

13.5 Das Verhalten des Pädagogen

Anhang: Die Ausbildung zum Reit- und / oder Voltigierpädagogen in Deutschland, der Schweiz und Österreich

Ausbildungsübersicht: Deutschland

Von Henrike Struck

Ausbildungsübersicht: Schweiz

Von Marianne Gäng

Ausbildungsübersicht: Österreich

Von Christian Robier

Gedanken zur Ausübung dieses Berufes

Von Marianne Gäng

Die Autorinnen und Autoren

Bildnachweis

Vorwort zur 7. Auflage

Älter werden hat auch etwas Gutes: Man kann zurückblicken!

Dass mein 1983 beim Ernst Reinhardt Verlag eingesandtes Manuskript in ein Buch verwandelt wurde, verdanke ich dem damaligen Verlagsleiter Herrn Münster. Das war sehr mutig von ihm, denn Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren war erst wenigen bekannt und wurde kaum praktiziert.

Das Buch fand bei den Lesern Gefallen. Fachleute tauschten ihre Erfahrungen aus und wollten diese weitergeben. Der Verlag war bereit, eine 2. erweiterte Auflage herauszugeben, es folgten weitere.

Die vorliegende 7. Auflage wurde überarbeitet und erweitert. Sie beinhaltet meine langjährige Erfahrung aus der Praxis im Heilpädagogischen Reiten. Mein Mann, dessen Fachbearbeitung immer in meine Arbeit einfließt und die mir wichtig ist, versucht, Aspekte heilpädagogischen Denkens und Handelns aufzuzeigen, wie sie Eingang in die Praxis bekommen können.

Ein breites Spektrum an Fachbeiträgen aus der Feder von Kolleginnen und Kollegen, neue aktuelle und ältere erprobte Arbeitsweisen vervollständigen den Praxisteil:

Die Benutzung von angelegten Reitlabyrinthen in der heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd lernte ich vor mehr als 20 Jahren kennen; ich war sehr beeindruckt. Der diesbezügliche Beitrag von Eberhard Laug wird für viele Leser ein Novum sein.

Renate Hof erläutert uns die Langzügelarbeit mit dem Pferd und ihre Anwendung im Heilpädagogischen Reiten.

Drei Autorinnen beleuchten verschiedene Betrachtungsweisen einer geistigen Behinderung und deren Auswirkungen auf die Mensch-Tier-Beziehung: Ein Fallbericht des Jugendlichen A. beinhaltet Heilpädagogisches Reiten als Erziehungsmaßnahme. Susanne Eberle-Gäng berichtet über Verlauf und Ergebnisse ihrer Arbeit. An subtiler Beziehungsanbahnung mit Manuel, einem schwer mehrfachbehinderten Jugendlichen, mit Hilfe der Unterstützten Kommunikation lässt uns Annika Müller teilhaben. Ob sich Manuels Erlebnisse mit dem Pferd als positiver Verstärker auch in den Gruppenalltag übertragen lassen, versucht Barbara Gäng zu ermitteln.

Pferde als Lehrmeister mit blinden und sehbehinderten Menschen bringt uns Sonja Morgenegg bildlich näher.

Praxisfelder im Heilpädagogischen Voltigieren wurden von namhaften Ausbildnern des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR) verfasst:

Marietta Schulz führt die Leser in die vorschulische Förderung mit dem Pferd unter heilpädagogisch-psychomotorischen Gesichtspunkten ein.

Das Thema Begabungsförderung mit dem Pferd behandeln Henrike Struck und Rebecca Veith.

Bernhard Ringbeck ist die psychomotorische Förderung bewegungsauffälliger Kinder durch Heilpädagogisches Voltigieren ein Anliegen.

Rita Hölscher-Regener klärt über Weiterentwicklungen in Terminologie und Konzepten auf und zeigt am Projektbeispiel „Starke Jungs“ praxisnahe Handlungsweisen in der heilpädagogischen Arbeit mit dem Pferd.

Nicht zu vergessen sind die geeigneten Therapiepferde – unverzichtbar in ihrem Einsatz zum Gelingen unserer Vorhaben. Der Beitrag von Helga Podlech über ihre Ausbildung soll das besonders betonen.

Ein ganz herzlicher Dank gebührt der jetzigen Verlagsleiterin, Frau Hildegard Wehler, für ihr wohlwollendes Verständnis gegenüber meinen Anliegen und für die angenehme Zusammenarbeit, eingeschlossen das Verlagsteam.

Rodersdorf, im Juli 2015

Marianne Gäng

Einführung

Die Entwicklung des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens im deutschsprachigen Raum

Von Marianne Gäng

In den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts begannen Pädagogen und Psychologen, das Reiten bzw. Voltigieren bei Kindern mit unterschiedlichem Problemverhalten einzusetzen.

Mit meinem 1983 im Ernst Reinhardt Verlag erschienenen Buch „Heilpädagogisches Reiten“ versuchte ich, ein erstes wegweisendes Zeichen zu setzen auf dem Gebiet, auf dem sich wohl schon einige bewegten, aber noch keiner so recht die Richtung kannte. Wie kam es zu dieser Publikation? Aus ersten Versuchen in den 1960er-Jahren mit Islandpferden und den eigenen Kindern wuchs der Mut, Gleiches auch mit lernbehinderten Schülerinnen und Schülern an den Sonderklassen Basel-Stadt und mit geistig behinderten Jugendlichen eines Heims zu wagen. Systematisch weiterentwickelt wurden die Idee und die Praxis in der Anwendung bei verhaltensauffälligen Kindern in einem ländlichen Schulheim. Der Umgang mit den Pferden und das Reiten waren ein wichtiger Teil des Heimalltags. Miteinbezogen waren auch die Erzieher und die Lehrer.

Immer häufiger wollten Interessenten das Heilpädagogische Reiten (HPR) kennenlernen. So lag es nahe, Informationstage durchzuführen, aus denen sich bald Ausbildungskurse entwickelten. Dass irgendwann das Erarbeitete einem weiteren Kreis zugänglich gemacht werden sollte, lag auf der Hand; so entstand dann das Buch.

In der Schweiz hatte sich die Idee des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens vor allem im Umgang und in der Begegnung mit dem Lebewesen Pferd und dem Reiten entwickelt.

1985 haben mein Mann und ich zusammen mit den ersten Absolventinnen meiner Ausbildungskurse die Schweizerische Vereinigung für Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren (SV-HPR) aus der Taufe gehoben. Bis zum Jahr 1995 lief meine Ausbildungsarbeit unter der Ägide der SV-HPR. Nach der Trennung habe ich die unveränderte Ausbildung weitergeführt unter dem neuen Verbandsnamen Schweizer Gruppe für Therapeutisches Reiten (SG-TR). Die Absolventen sind Pädagogen aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Finnland und der Schweiz. Sie arbeiten in Heimen, psychiatrischen Kliniken, heilpädagogischen Tagesschulen, auf Jugendfarmen und privaten (heilpädagogischen) Reitbetrieben.

In der Bundesrepublik Deutschland war es der Verdienst Antonius Krögers, den persönlichkeitsbeeinflussenden Wert der Einbeziehung des Pferdes in die Erziehung von lern- und verhaltensauffälligen Kindern erkannt und seine Erfahrung als Erster in der Bundesrepublik Deutschland publiziert zu haben. Als Junglehrer an einer Heimsonderschule für lernbehinderte und verhaltensauffällige Jungen (St. Josefhaus, Wettringen), der noch in den 1960er-Jahren eine Landwirtschaft angeschlossen war, entdeckte Kröger das starke Interesse dieser Kinder am Umgang mit dem Lebewesen „Pferd“. Diese Faszination nutzte er, indem er sich selbst ein Pferd zum Voltigieren ausbildete und es im Rahmen des Schulunterrichts mit seinen Schülerinnen und Schülern wöchentlich für Voltigierübungen einsetzte.

Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass auch in der DDR schon 1974 durch ohms / Göhler von ähnlich positiven Auswirkungen durch den Einsatz des Pferdes bei Kindern aus psychiatrischen Kliniken berichtet wurde.

Zunächst wurde das Pferd überwiegend in Heimen – zum Teil mit angeschlossener Sonderschule – und Kliniken mehr oder weniger intuitiv eingesetzt. Jeder Praktiker gab seiner Tätigkeit mit dem Pferd eine andere Bezeichnung, wie „Pädagogisches Reiten“, „Therapeutisches Voltigieren“, „Heiltherapeutisches Voltigieren und Reiten“, „Therapeutische Reitschule“, „Therapeutisches Reiten in der Psychiatrie“.

1977 trafen sich auf einem Symposium in Wettringen Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin, Pädagogik, Psychiatrie, Sport sowie Pferdefachleute, Sonderschullehrer, Heimerzieher und Sozialpädagogen, um die bisherigen Aktivitäten im Therapeutischen Reiten zu systematisieren, zu koordinieren und zu intensivieren. Es wurde beschlossen:

1. alle zurzeit praktizierten Einsatzmöglichkeiten des Pferdes bei Kindern und Jugendlichen aus dem Bereich der Heil- / Sonderpädagogik unter dem Fachausdruck „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren“ (HPR / V) zusammenzufassen,

2. die verschiedenen Anwendungsformen auf ihre Effektivität und Vermittelbarkeit (Lehrbarkeit) kritisch zu hinterfragen, und daraus schlussfolgernd

3. eine Weiterbildungsmaßnahme für interessierte Berufsgruppen aus pädagogischen und psychologischen Bereichen anzubieten.

Eine Übersicht der verschiedenen Bereiche Therapeutischen Reitens aus heutiger Sicht bietet Tab. E1. Die Unterschiede zwischen pädagogischer und therapeutischer Herangehensweise sind in Tab. E2 herausgearbeitet. Bis heute ließen sich zahllose Fachkräfte im Heilpädagogischen Voltigieren oder Reiten ausbilden, und somit konnte das Angebot auf weitere Institutionen wie Tagesbildungsstätten, Jugendfarmen, Beratungsstellen, Schulpsychologische Dienste, Volkshochschulen, Regelschulen (Grund-und Hauptschulen, vereinzelt auch Realschulen und Gymnasien) erweitert werden.

Heute werden unter dem Begriff „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren“ vornehmlich pädagogische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen oder Störungen zusammengefasst. Dabei steht nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund, d. h. vor allem eine günstige Beeinflussung der Entwicklung, des Befindens und des Verhaltens. Im Umgang mit dem Pferd, beim Reiten oder Voltigieren wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, geistig, emotional und sozial.

Im deutschsprachigen Raum ist man sich weitgehend einig, dass die Bezeichnung „Reitpädagogin / Reitpädagoge“ angemessen ist, was aber im Einzelfall nicht ausschließt, von „Voltigierpädagogin / Voltigierpädagoge“ zu sprechen. Wenn in diesem Buch der Begriff „Reit- / Voltigierpädagoge“ Verwendung findet, so ist damit derjenige gemeint, der die Ausbildung beim DKThR (Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten), bei der SG-TR (Schweizer Gruppe für Therapeutisches Reiten), beim ÖKTR (Österreichisches Kuratorium für Therapeutisches Reiten) oder dem Förderkreis Therapeutisches Reiten e. V. gemacht hat. In allen drei Ländern gibt es eigene Ausbildungsgänge (siehe Anhang). Die obigen Verbände haben sich zusammengeschlossen zum „Forum der Ausbildungsträger einer Therapie mit dem Pferd“ (FATP).

Tab. E1: Therapien mit dem Pferd / Therapeutisches Reiten

Sparte Hippotherapie Heilpädagogisches Reiten / Voltigieren Reittherapie Behindertenreiten
Arbeitsweise

images physiotherapeutisch

images pädagogisch, heilpädago-gisch, erlebnispädagogisch

images therapeutisch, psychotherapeutisch, rehabilitativ

images sportlich, freizeitgestalterisch

Berufsgruppen

images PhysiotherapeutInnen

images LehrerInnen aller Stufen

images HeilpädagogInnen

images SozialpädagogInnen

images KindergärtnerInnen

images ErziehungspflegerInnen

images MedizinerInnen

images PsychotherapeutInnen

images PsychomotorikerInnen

images Physio-, Logo-, ErgotherapeutInnen

images PsychologInnen

images Krankenschw./-pfleger

images PsychiatriepflegerInnen

images ReitwartInnen

images ReitlehrerInnen

images AmateurreitlehrerInnen

images TrainerInnen C

Ausbildungsangebote

images Schweizer Gruppe für Hippotherapie

images Kuratorium Therapeutisches Reiten (D)

images Österreichisches Kuratorium Therapeutisches Reiten

images Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten

images Schweizer Vereinigung für Heilpädagogisches Reiten

images Kuratorium Therapeutisches Reiten (D)

images Förderkreis Therapeutisches Reiten e. V. (D)

images Österreich. Kuratorium Therapeutisches Reiten

images Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten

images Münchner Schule für Psychotherapeutisches Reiten

images Schweizer Verband für Pferdesport

images Kuratorium Therapeutisches Reiten (D)

images Österreichisches Kuratorium Therapeutisches Reiten

Berufsbezeichnung

images HippotherapeutInnen

images ReitpädagogInnen

images VoltigierpädagogInnen

images ReittherapeutInnen

images AusbilderInnen Sport für Menschen mit Behinderung (D, A)

images Pferdesport für Menschen mit Handicap (CH)

Legitimation der Ausbildungslehrgänge

In den Fachpublikationen zu den Themen „Heilpädagogisches Reiten“ und „Voltigieren“ wird auf die heilsame Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung (hier zwischen Pferd und Mensch) für Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung hingewiesen. Dieser Aspekt wird in diesem Buch in den Vordergrund gerückt. Die Grundgedanken des HPR / V kommen im berührenden Film „Das blaue Pferd“ (Wildbolz 1994) beispielhaft zum Ausdruck.

Einen Schritt weiter geht die Absicht, diesen so benachteiligten Menschen nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis helfen zu wollen. Daraus ergibt sich der „Auftrag“, beruflich vorgebildeten Fachleuten aus den Bereichen Pädagogik und Therapie eine (Zusatz-) Ausbildung anzubieten, die sie befähigen soll, den erwähnten Anspruch an die mensch-Tier-Beziehung einzulösen. So entstanden Ausbildungslehrgänge, die sich im Laufe der Jahre immer wieder an neuen Erfahrungen und Erkenntnissen orientierten, ohne aber je die Grundidee der Mensch-Tier-Beziehung zu vergessen. In diesem Sinne wird sich die Ausbildung auch künftig immer weiterentwickeln.

Die Aufnahmekriterien für die Bewerber bezüglich beruflicher Ausbildung stimmen in allen drei Ländern überein.

Kleine Abweichungen bestehen in den reiterlichen Zulassungsbedingungen. In Deutschland und Österreich wird das Heilpädagogische Voltigieren bevorzugt, in der Schweiz das Reiten auf Kleinpferden.

FATP – Forum der Ausbildungsträger

Im FATP, dem „Forum der Ausbildungsträger einer Therapie mit dem Pferd“ haben sich folgende Verbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengeschlossen:

images die Schweizer Gruppe für Therapeutisches Reiten (SG-TR)

images das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR)

images der Förderkreis für Therapeutisches Reiten, ebenfalls aus Deutschland

images das Österreichische Kuratorium für Therapeutisches Reiten (ÖKTR)

Die oben genannten vier Verbände haben sich zu dem internationalen agierenden Gremium FATP zusammengeschlossen und bieten in unterschiedlicher Form und mit verschiedenen Schwerpunkten Zusatzqualifikationen zu einer Therapie mit dem Pferd an. Die von den Mitgliedern des FATP verliehenen Zusatzqualifikationen werden als Maßnahme der pädagogischen und / oder psychosozialen Rehabilitation und Entwicklungsförderung mit dem Pferd übereinstimmend definiert.

Tab. E2: Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen therapeutischer und (sonder-)pädagogischer Vorgehensweise (erstellt von Beate Seide in Zusammenarbeit mit der Fachinstanz ReittherapeutInnen SG-TR)

Reittherapie Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd
Zielgruppe eher Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche eher Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene
Indikation körperliches / seelisches Trauma, Defizite, tiefgreifende Entwicklungsstörungen, akut oder chronisch, angebo-ren oder erworben, unabhängig von der altersgemäßen Entwicklung Störungen der „normalen“ körperlichen, seelischen und sozialen Entwicklung und / oder des Verhaltens und Befindens unter Berücksichtigung der jeweiligen Behinderung
Vorgehensweise

images vorwiegend in Einzelstunden

images im „Dialog“ mit dem Klienten

images Ausnutzung vorhandener körperlicher / seelischer Selbstheilungsmöglichkeiten

images Berücksichtigung von Krankheitsstadien und seeli-scher Befindlichkeit

images altersunabhängig

images Einzelstunden und in der Gruppe

images ein Umfeld anbieten, in dem Kinder / Jugendliche leicht lernen oder auch umlernen können

images Ausnutzung der „normalen“ Entwicklungsschritte im entsprechenden Alter

Dokumentation und Durchführung

images Wünsche des Klienten / der Betreuer erkennen (was möchte er oder sie?)

images Bedürfnisse des Klienten (der Betreuer) erkennen (was braucht er oder sie?)

images Ist-Status des Klienten erkennen, ihn bzw. sie dort abholen (was kann er / sie erreichen?, Handicaps, Ressourcen, Umfeld …)

images Eigene Erwartungen an den Klienten und den Verlauf der Maßnahmen erkennen

→ Diese vier Punkte bündeln zu einem erreichbaren, für alle Beteiligten machbaren und erwünschten Ziel

Aus- und Vorbildung ein therapeutischer Beruf, der die selbstständige (!) Planung, Durchführung und Dokumentation einer Behandlung, Begleitung und / oder Bewältigung von körperlicher und / oder seelischer Erkrankung umfasst ein pädagogischer Beruf, der die selbstständige Planung, Durchführung und Dokumentation von Förderung bei bestimmten Entwicklungsschritten, Behandlung von deren Störungen und dem Erlernen bestimmter Fertigkeiten umfasst
Struktur der Einheit eher prozessorientiert, „geschehenlassen“, „weichere“ Struktur Flexibilität in Bezug auf aktuelle Geschehnisse bis zu di-rektivem Vorgehen. Planung der einzelnen Aktivitäten
Zielformulierung eher altersunabhängig am aktuellen Problem und des-sen „normalem“ Heilungsverlauf orientiert an den altersentsprechenden „normalen“ Entwick-lungsschritten orientiert

Grenzfälle aus Sicht von Behandler und / oder Klient

→ Hauptproblem herausarbeiten und an geeigne-ten Behandler verweisen!

images Psychosomatische Erkrankung

images körperlich erkrankte Kinder und Jugendliche mit begleitender Störung der Entwicklung und des Soziallebens

images Gravierende Erkrankung mit gleichzeitiger und schwerwiegender Beeinträchtung von Körper und Seele

images Suchterkrankungen

images „reiterliche“ Grenzfälle (Vorbereitung zum Reiten-Lernen; z. B.: körperliches / seelisches Handicap, Heranfüh-ren an „Beschütztes Reiten“ bei Personen ohne den Ehrgeiz, am sportlich orientierten „Reiten für Behinderte“ teilnehmen zu wollen oder zu können

Grenzen

images Ausbildung des Therapeuten / Pädagogen

images Umfeld (Infrastruktur, Hilfsmittel, Hilfspersonen)

images Finanzierbarkeit der Maßnahmen

images Können und Wollen, eigene Ressourcen des Therapeuten / Pädagogen

images Können, Wollen und Ressourcen des Pferdes / der Pferde

images Motivation, Können, Wollen und Ressourcen des Klienten

Neben ausbildungsrelevanten Absprachen sind die Verständigung über die berufliche Ethik und eine gemeinsame Außendarstellung wichtige Ziele des FATP.

Anerkennungsvereinbarung der Mitglieder des FATP

Im Zeichen einer Internationalisierung von Abschlüssen in einem vereinten Europa und der wachsenden Mobilität von Personen mit Qualifikationen im Therapeutischen Reiten haben sich die Mitglieder des FATP zu einer übergreifenden Kooperation entschlossen. Sie erkennen Abschlüsse anderer Ausbildungsträger im Therapeutischen Reiten für das eigene Land unter Kenntlichmachung der individuellen Ausbildungsbedingungen an. Außerdem bietet das FATP eine eigene Kennzeichnung auf der Grundlage der jeweiligen verbandstypischen Abschlüsse an.

Das FATP versteht sich als Gremium, das international in Austausch mit anderen Ausbildungsträgern im Therapeutischen Reiten treten will. Eine Öffnung des Forums ist möglich. Über die Aufnahme anderer Verbände in das Forum entscheiden die Mitglieder.

Die Kontaktadresse lautet: www.forum-atp.eu

images Literatur

Wildbolz, M. (1994): Das Blaue Pferd. DVD. (Film zum Thema HPR / V mit verschiedenen Anwendungsbereichen in der Praxis) Ludianofilm Sagl, Ludiano, Schweiz

images

 1  Heilpädagogischen Reitens Heilpädagogisches Reiten

Von Marianne Gäng

1.1 Kontakt mit dem Tier – ein menschliches Bedürfnis

Kinder haben aus einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis heraus eine natürliche Zuneigung zu Tieren. Sie suchen den Kontakt mit dem Tier, wollen es lieben und geliebt werden. Tiere – insbesondere Haustiere – schaffen ein ungezwungenes und lebensfrohes Klima, von dem sich selbst „schwierige“ Kinder ansprechen lassen. Sie finden zu ihnen oft leichter Zugang als zum Menschen. Durch Tierhaltung und den Umgang mit Tieren kann die Persönlichkeitsbildung gefördert und die Kontaktnahme zu den Mitmenschen und zur Umgebung erleichtert werden.

Pferde eignen sich besonders dazu, weil sie vielfältige Möglichkeiten anbieten: Sie lassen sich beobachten, pflegen, füttern, misten, reiten; sie sind anspruchsvolle Spielgefährten, immer bereit; das alles macht sie besonders begehrt und liebenswert.

1.2 Die Idee des Heilpädagogischen Reitens

Der Gedanke, den spielerischen Umgang von Kindern mit einem Pferd pädagogisch zu nutzen, entsprang Beobachtungen und Erfahrungen mit meinen eigenen Kindern. Der Umgang mit den eigenen Pferden ermöglichte unseren Kindern auf fast selbstverständliche Art und Weise, sich selbst zu überwinden, sich abzuhärten aus Liebe zum Tier, weil das Pferd ohne Ausnahme bei jedem Wetter und zu ganz bestimmten Zeiten gefüttert und gepflegt sein wollte. Außerdem lernten unsere Kinder, gegenseitige rücksichtsvolle Kontaktnahme und Auseinandersetzung zu spüren, positive und negative Erfahrungen zu machen und erfüllte Freizeit ohne Langeweile zu erleben, in der wenig Verlangen nach den üblichen Freizeitgenüssen der meisten Schulkameraden aufkam. Daneben waren sie auch (als angenehme Nebenerscheinung) zu intensiveren Schulleistungen bereit und fanden schnell Kontakt zu gleichdenkenden und gleichfühlenden Kameraden, was zu Freundschaften führte, die bis ins Erwachsenenalter anhalten. Sie hatten die Möglichkeit, Kinderträume und Abenteuerlust in die Wirklichkeit umzusetzen, ohne Anstoß bei der Umwelt zu erregen, weil sie erst nach gründlicher Überlegung und Planung in der Verantwortung dem Tier gegenüber durchgeführt wurden, dann aber volle, genussreiche Erfüllung ermöglichten.

Die Erlebnisse meiner Kinder und mein eigenes aktives, begeistertes Mittun trugen sicher dazu bei, dass wir heute alle miteinander die Pferde lieben wie eh und je. Der Umgang mit ihnen stellt heute für uns eine echte Alternative zum Stress des Berufslebens dar.

1.3 Leitgedanken zum Heilpädagogischen Reiten

Im Umgang mit dem Pferd und beim Reiten wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, emotional, geistig und sozial.

Zum Heilpädagogischen Reiten gehört daher wesentlich der Aufbau einer Beziehung, das Berühren, Führen und Pflegen des Pferdes, Aufsitzen und Sich-tragen-Lassen, Reiten am Langzügel, Ausreiten auf dem Handpferd. Nicht reiterliche Ausbildung, sondern individuelle Betreuung und Förderung in engem Bezug zum Pferd stehen im Vordergrund; eine positive Beeinflussung des Befindens, des Sozialverhaltens und der Persönlichkeitsentwicklung wird mittels dieser ganzheitlichen Therapieform angestrebt.

Im Bewusstsein einer ethisch begründeten und verinnerlichten heilpädagogischen Haltung begeben sich Reitpädagogen und Klienten gemeinsam auf den Weg. Wir gestalten ein von Freude, Respekt und Wertschätzung geprägtes Umfeld, auch gegenüber dem Therapiepferd.

DEFINITION

Unter dem Begriff Heilpädagogisches Reiten (HPR) werden pädagogische, heilpädagogische und sozio-integrative sowie psychologische, therapeutische und rehabilitative Einflussnahmen mit Hilfe des Pferdes zugunsten von Menschen mit Beeinträchtigungen verstanden.

1.4 Philosophie der Ausbildung

Seit alters her wurde das Verhältnis des Menschen zu Tieren als bedeutsam erkannt; insbesondere sei in einer engen Beziehung zu Pferden eine positive Wirkung auf die menschliche Psyche zu erkennen.

Mit der Frage, ob nicht auch für Menschen mit Beeinträchtigungen verschiedener Art und Ursache in der Wechselwirkung von Mensch-Tier heilsame Kräfte liegen könnsen, beschäftigten sich verschiedene Studien. Die Aspekte der Wechselwirkung in der Beziehung Mensch und Pferd und in der emotionalen Beziehungsanbahnung sind Schwerpunkte dieses Buchs.

Heilpädagogisches Reiten ist keiner bestimmten Lehre oder Methode verpflichtet. Wegweisend sind für uns Albert Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“ und Martin Bubers „Wesensbeziehung“ als „Dialogisches Prinzip“. Dazu führt Buber aus:

„Zu allen Zeiten ist wohl geahnt worden, dass die gegenseitige Wesensbeziehung zwischen zwei Wesen die Ursache des Seins bedeutet [ ... ] Und dies ist auch immer wieder geahnt worden, dass der Mensch eben damit, dass er in die Wesensbeziehung eingeht, als Mensch offenbar wird, ja dass er damit und dadurch zu der ihm vorbehaltenen gültigen Teilnahme des Seins gelangt.“ (Buber 2012, o. S.)

Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“ macht uns die Verantwortung dem Therapiepferd gegenüber bewusst:

„Dem Menschen, der zur Ehrfurcht vor dem Leben gelangt ist, ist jedes Leben als solches heilig. Er hat eine Scheu davor, ein Insekt zu töten, eine Blume abzureißen. Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben begreift alles in sich, was als Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude und Mitstreben bezeichnet werden kann.“ (Schweitzer 1986, 3)

1.5 Praktischer Bezugsrahmen

Methodik und Arbeitsweise im Heilpädagogischen Reiten sind wesentlich von Felicitas Affolters „Vermittlungsart“ bei der Wahrnehmungsproblematik beeinflusst. Wahrnehmung ist das subjektive Empfinden, das die Umweltreize dem Menschen eingeben. Ein gesunder Mensch besitzt die Fähigkeit, über alle Sinne wahrzunehmen. Einem beeinträchtigten Menschen sind solche Wahrnehmungen und deren Verarbeitung nicht oder nur teilweise möglich. Als Hilfe zur besseren Verarbeitung hat Affolter eine spezielle Vorgehensweise entwickelt: vielfältiges Berühren und Loslassen (Affolter 2006).

Das Pferd ist von seinem Wesen, von seinem Körper und von seinen Bewegungen her für solche Erfahrungen besonders geeignet.

Inspiriert durch Mimi Scheiblauers ‚Heilpädagogische Rhythmikübungen‘ entstanden die spielerischen Elemente am, mit und auf dem Pferd. Scheiblauers ‚Übungsprinzip‘ fließt ebenfalls in die Methodik ein. Aus Affolters Art der Vermittlung und Scheiblauers Übungsprinzip ergibt sich das Konzept für das Heilpädagogische Reiten. Es beruht auf der Wechselwirkung zwischen Wahrnehmung, Bewegung und Gefühlsleben.

Ein Ziel im Heilpädagogischen Reiten besteht darin, die Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Kontakt- und Handlungsfähigkeit zu fördern. Heilpädagogisches Reiten orientiert sich am Menschen mit seinen Möglichkeiten und nicht an seinen Defiziten.

Wichtige Impulse für die Arbeit mit geistig- und mehrfach behinderten Menschen vermittelt Jörg Grond: „Der Mensch mit einer geistigen Behinderung ist nicht der ‚ganz andere‘, den ich nicht verstehen kann. Es ist mir möglich, ihn zu verstehen, weil wir etwas Gemeinsames haben: Wir sind Menschen. Ihn zu verstehen kann allerdings schwierig sein“ (Grond 1995, o. S.).

Emil Kobi legt dar, „dass es nicht immer eines menschlichen Antlitzes bedarf, um sich in seinem Wesen, seinen Grenzen und Möglichkeiten zu erfahren. Manchmal hat uns die stumme Kreatur mehr zu sagen als der geschwätzige Artgenosse“ (Kobi 1983, Vorwort).

Diese Erkenntnisse und Erfahrungen prägen die Art und Weise der Begegnung und Beziehung von behinderten und benachteiligten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und dem Pferd in seinem Einsatz im Heilpädagogischen Reiten.

images Literatur

Affolter, F. (2006): Wahrnehmung, Wirklichkeit und Sprache. 10. Aufl. Neckar-Verlag, Villingen-Schwenningen

Buber. M. (2012): Das Dialogische Prinzip. 12. Aufl. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh

Grond, J. (1995): Verletzungen. Ein heilpädagogisches Lesebuch. Z-Verlag, Zizers

Kobi, E. (1983): Vorwort. In: Gäng, M.: Heilpädagogisches Reiten. 1. Aufl. Ernst Reinhardt, München / Basel

Schweitzer, A. (1986): Ehrfurcht vor dem Leben. Paul Haupt Verlag, Bern

 2  Aspekte Heilpädagogischen Denkens und Handelns

Von Hans-Peter Gäng

Liebe Leserin, lieber Leser!

Die folgenden Darlegungen mögen Reitpädagoginnen anregen, ihr Handeln „heilpädagogisch“ zu reflektieren und den persönlichen Transfer in ihr eigenes Tun zu versuchen.

Ich stütze mich in meinen Ausführungen einerseits auf eigene Erfahrungen, auf Erfolge und Misserfolge und daraus gewonnene Einsichten, andererseits auf Erkenntnisse, wie sie in Fachbüchern zum Thema Heilpädagogik niedergeschrieben sind, insbesondere in Publikationen von Emil E. Kobi.

Wenn ich neuere Schriften zum Thema „Heilpädagogik“ durchsehe, stelle ich fest, dass sich die Darstellung und Behandlung in ähnlichen Dimensionen bewegen wie früher. Geändert haben sich spezielle Betrachtungsweisen, Methoden und praktische Herangehensweisen.

Zur heilpädagogischen Tätigkeit gehört mehr als „Aufopferungsbereitschaft“, „Idealismus“ und „Herz“; Ausbildung und zugehöriger Wissenserwerb sind unabdingbar! Der Heilpädagoge braucht reflektiertes Orientierungswissen, um den tieferen Sinn dieses Wissens einzusehen und zu erkennen und auch, um begründen zu können, wozu er es einsetzen soll, gerade dann, wenn sich nicht gleich Lösungen finden und sich nicht gleich Erfolge einstellen. Ohne dieses Wissen sind Aufgaben und Möglichkeiten der Heilpädagogik nicht zu überblicken. Es sind Kenntnisse über die vielfältigen Ursachen von Behinderungen, Umwelteinflüsse, über Wege und Grenzen möglicher Hilfe und Förderung ebenso wie Kenntnisse über die Arbeitsweisen unserer fachlichen Nachbarn im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit nötig. Einen praktikablen Weg dazu bietet auch schon eine einfache Vernetzung zwischen involvierten Betreuern, um mögliche Veränderungen im Leben eines Klienten in die Arbeit mit dem Pferd mit einbeziehen zu können, aber auch, um Fortschritte oder auch Rückschritte im Verlauf einer Maßnahme an die entsprechenden Betreuer zurückzumelden.

Ich plädiere dafür, immer wieder von verschiedenen Seiten und Sichtweisen her an Themen und Probleme heranzugehen. Das soll vor einseitiger Betrachtung schützen. Der Preis, den wir dafür bezahlen, ist eine gewisse persönliche Verunsicherung, die in der Natur der Sache liegt und nicht aufzuheben ist. Damit haben wir zu leben!

Es ist nötig, von Zeit zu Zeit zurückzublicken und sich zu fragen: Was mache ich hier eigentlich? Was ist mir wichtig? Wonach möchte ich mich richten? Woran soll ich mich halten? Worauf gründet mein Tun? Hält es meinen eigenen und fremden Ansprüchen stand? Die eigene Lebensphilosophie verändert sich im Laufe des Lebens ebenso wie die Wertvorstellungen – und damit auch das eigene Wiedererkennen in fremden Schriften, Gedanken, Erkenntnissen und Erlebnissen. Sammeln Sie Zitate, gleichen Sie sie mit Ihren eigenen Ansichten ab, studieren und knorzen Sie daran herum, akzeptieren oder verwerfen Sie sie – lebenslang, lebenslänglich! Treten Sie in Beziehung zu anderen Menschen, zu anderen Lebensformen, halten Sie Augen und Ohren offen, schauen Sie über den Gartenzaun, erkunden Sie neugierig anderes Land – und bleiben Sie nicht stur auf Ihrem Kurs!

Hierzu ein Funkgespräch aus dem Jahr 1995, das zwischen einem US-Marinefahrzeug und kanadischen Behörden vor der Küste Neufundlands stattgefunden haben soll, und am 10. Oktober 1995 vom kanadischen Chief of Naval Operations veröffentlicht wurde:

Amerikaner: Bitte ändern Sie Ihren Kurs 15° nach Norden, um eine Kollision zu vermeiden!

Kanadier: Ich empfehle, Sie ändern Ihren Kurs um 15° nach Süden, um eine Kollision zu vermeiden!

Amerikaner: Hier spricht der Kapitän eines Schiffs der US-Marine. Ich wiederhole: Ändern Sie Ihren Kurs!

Kanadier: Nein! Ich sage noch einmal: Sie ändern Ihren Kurs!

Amerikaner: Dies ist der Flugzeugträger US Lincoln, das zweitgrößte Schiff der Vereinigten Staaten. Wir werden von drei Zerstörern, drei Kreuzern und mehreren Hilfsschiffen begleitet. Ich verlange, dass Sie Ihren Kurs 15° nach Norden, dies ist eins-fünf Grad nach Norden, ändern, oder es werden Gegenmaßnahmen ergriffen, um die Sicherheit dieser Schiffe zu gewährleisten.

Kanadier: Und wir sind ein Leuchtturm – Sie sind dran!

Se non è vero, è ben trovato“ (Giordano Bruno)

2.1 Was ist Heilpädagogik?

Ursprünglich bezog sich Heilpädagogik auf Heilung durch Erziehung und Therapie. Dieser Heilungsgedanke ist in der neueren wissenschaftlichen Diskussion jedoch nicht mehr vertreten. Aus dem modernen heilpädagogischen Blickwinkel ist der ganze Mensch mit seinen Fähigkeiten, Problemen und Ressourcen sowie seinem Umfeld bei der Bearbeitung und Lösung von Problemstellungen zu betrachten und mit einzubeziehen. Aus diesem Grundgedanken leitet sich auch die Bezeichnung Heilpädagogik ab. „Heil“ bzw. „Heilung“ bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf Heilen im medizinischen Sinne, also der Wiederherstellung eines gesunden, beeinträchtigungsfreien Zustandes, sondern auf Heilung im Sinne der Ganzwerdung und Integration.

Der Grundgedanke der Heilpädagogik ist die Ganzheitlichkeit. Heilpädagogik ist eine wissenschaftliche Disziplin der Pädagogik und der Leitbegriff des Fachs. Akzente der heutigen Heilpädagogik werden in folgenden Statements (nach Kobi 2010) sichtbar:

images Die Voraussetzungslosigkeit der Heilpädagogik besteht darin, dass sie nichts voraussetzt als die Existenz des Menschen. Es geht im Wesentlichen um die Frage, wie ein Mensch trotz eines unheilbaren Defekts zu seinem Heil, seinem Lebensglück, seiner Lebenserfüllung gelangen kann.

images Heilpädagogik wendet sich dem Abweichenden, dem Schwachen zu – und zwar nicht erst, wenn es sich als therapierbar, als förderbar, als erziehbar erweist, sondern schon dann und darum, weil es da ist.

images Behinderung und Abweichung mitleidig zu übersehen oder Unterschiede aufzuheben, klein zu reden und Schuldgefühle nicht aufkommen zu lassen, ist keine heilpädagogische Haltung.

images Heilpädagogik stellt nicht eine spezielle Art von Heilungstechnik dar, sondern hat sich als „Pädagogik der Sonderfälle“ grundsätzlich mit denselben Problemen zu beschäftigen wie die sogenannte „Normalpädagogik“. Die Probleme stellen sich dem Heilpädagogen allerdings in verschärfter Form und verlangen ein differenzierteres Vorgehen.

images Heilpädagogik hat sich als Handlungswissenschaft zu begreifen, ihr Bewährungsfall ist die Praxis.

Jedes einzelne dieser Statements kann engagierte Diskussionen entsprechend der eigenen Philosophie und darin begründeter persönlicher Haltung auslösen. Es wird deutlich, wie viele unterschiedliche Aspekte und Herangehensweisen es auf dem offenen Feld der Heilpädagogik gibt. Es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Entscheidend ist die Wahrhaftigkeit der eigenen Gesinnung.

Heilpädagogik als Teil der Pädagogik ist eine Handlungswissenschaft, eine anwendungsbezogene Wissenschaft mit dem Auftrag, Konzepte für die heilpädagogische Praxis zu entwickeln. Als wissenschaftliches Fachgebiet hat die Heilpädagogik letztlich nur Sinn, wenn es ihr gelingt, Konzepte für die Praxis zur entwickeln, die alltägliches heilpädagogisches Handeln aufklären und pragmatisch anleiten. Dabei genügt der Anspruch auf Eigenständigkeit nicht. Das Eigene muss nachgewiesen werden! Denn: Wer braucht schon einen Heilpädagogen, wenn andere dasselbe ebenso gut machen?

Wissenschaftstheorien in der Heilpädagogik sollen so beschaffen sein, dass sich aus ihnen heilpädagogisches Handeln ableiten lässt. Diese Anforderung erfüllen sie dann, wenn sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse in einen Bezugsrahmen übersetzen, innerhalb dessen sich der Heilpädagoge orientieren kann. Heilpädagogik als Berufswissenschaft findet ihr Ziel und ihre Erfüllung nicht in der Theorie, sondern in ihrer Praxis.

In meinen folgenden Ausführungen lege ich den Schwerpunkt auf bodennahes Alltagshandeln, so es sich aus pädagogischer Sicht und Haltung legitimiert. Die alltägliche Bewältigung des Alltags, der übliche Umgang mit dem Üblichen, der banale Umgang mit dem Banalen stellt harte Anforderungen und lässt Behinderung oder sozial bedingte Differenzen schmerzhaft fühlen.

2.2 Die heilpädagogische Fragestellung

Die Fragen, welche sich der Heilpädagoge angesichts einer erzieherischen Notlage zu stellen hat, sind die folgenden (nach Kobi 1973):

images Phänomenologisch: Was liegt vor? Eine objektive und genaue Tatbestandaufnahme, die bei „abgestelltem Affekt“ durchgeführt wird, steht am Anfang der Aktion.

images Situativ: Wo zeigt sich das Problem? Abklärung der familiären, schulischen, kulturellen und ökonomischen Verhältnisse, in denen das Kind aufwächst.

images Chronologisch: Wann, in welchem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt, traten die Störungen auf?

images Ätiologisch: Warum kam es zu den Schwierigkeiten, welches sind die ursächlich bestimmenden Faktoren? Eventuell auch: Wozu dient dem Kind sein Verhalten (Finalursache)?

images Teleologisch: Wohin soll der Weg führen? Welche Fern- und Nahziele können angestrebt werden?

images Methodisch: Wie kann dieses Ziel erreicht werden, welche (Erziehungs-) Mittel sollen eingesetzt werden?

images Dialogisch: Was ist uns beiden, diesem konkreten Kind und mir (als Lehrer, Vater, Fürsorger) möglich? Wo liegen unsere gemeinsamen Chancen?

Dieses Fragenbündel zielt auf eine Diagnose, von der aus schließlich ein Erziehungs-, Behandlungs- und Schulungsversuch unternommen werden kann.

Nun gilt es jedoch als alte Weisheit, dass nur derjenige, welcher richtig zu fragen und zu „schauen“ versteht, eine weiterführende Antwort erhoffen kann. Das Erkennen und geistige Durchdringen einer erzieherischen Problemlage ist notwendige Voraussetzung sinnvollen erzieherischen Handelns.

Dem Heilpädagogen stellen sich die drei Grundfragen von Kant: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

Auf der Basis einer heilpädagogischen Haltung und von heilpädagogischem Wissen gründen die konkreten Handlungen und Behandlungen der heilpädagogisch ausgerichteten Praxis.

2.3 Theorie und Praxis – die Zwischenposition des Pädagogen

Eines der vielen Probleme der heutigen Pädagogik, das sich in der Heilpädagogik besonders deutlich zeigt, liegt in den zum Teil starken Divergenzen zwischen Lehre und Erfahrung. Theorie und Praxis laufen über weite Strecken beziehungslos nebeneinander her. Theoretiker und Praktiker – schon diese Trennung ist symptomatisch – haben einander aus den Augen verloren, sprechen verschiedene Sprachen, wenden sich missverstanden voneinander ab.

Vorurteile und Missverständnisse finden sich beiderseits: Der „Praktiker“ begehe ausgetretene Pfade, nehme dabei den „gesunden Menschenverstand“ für sich in Anspruch und vermöge aus seiner froschperspektivischen Praxissicht der wissenschaftlichen Entwicklung nicht mehr zu folgen.

Der „Theoretiker“ sehe oft die konkrete Notlage nicht mehr, scheue die reale Begegnung mit dem Kind, erzeuge unfruchtbare Gedankenwirbel oder fliehe in die geschichtliche Vergangenheit zurück.

Tatsache ist, dass es Ausbildungsstätten gibt, wo nach einem Pädagogikstudium ein Titel zu erlangen ist, ohne dass der Student sich je einmal mit einem Kind beschäftigt hat und ohne je gesehen zu haben, wie der Pädagogikdozent einem Kind begegnet.