Im Dunkeln der Nacht

 

Krimi

 

Martin Piotrowski


IMPRESSUM

siehe letzte Seite

 

 

Alle Personen und Handlungen dieses Romans sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

 

 

Der Roman enthält Szenen, die auf empfindsame Menschen verstörend wirken können.

 

Prolog

 

Die junge Frau steht gedankenverloren am Bordstein der regennassen Straße. Sie ahnt nicht, dass diese Nacht für sie anders endet, als alle Nächte zuvor in ihrem kurzen Leben. Völlig anders.

 

Marie Bendner hat ihre Hände in die Taschen ihres durchnässten Parkas gesteckt. Die Kapuze sitzt tief in der Stirn. Sie blickt hoch. Die Fußgängerampel an der Gladbecker Straße leuchtet Grün auf. Sie eilt mit hastigen Schritten über den Zebrastreifen und tapst mit ihren durchweichten Turnschuhen in einzelne Pfützen, die sich durch den anhaltenden Aprilregen auf dem Asphalt gebildet haben. Das gelbe Licht der Straßenlaterne spiegelt sich in den Wasserlachen auf dem Boden.

 

Ein Auto nähert sich der Ampel. Geblendet vom Scheinwerferlicht schaut Marie weg. Ihre Lippen zittern und die Kälte kriecht durch ihren 18-Jahre alten Körper, wie ein langsam wirkendes Gift. Der starke Regen hat ihren alten grünen Parka durchweicht, genauso wie ihre Leinenumhängetasche. Ihren Jeanshosen ist es nicht anders ergangen. Das Flap-Flap der Scheibenwischer mischt sich mit dem wummernden Klang des Motors. Musik schallt dumpf aus der Fahrzeugkabine. Klingt nach Klassik, denkt Marie. Welcher Freak hört heutzutage noch Klassik? Muss sich um einen alten Knacker handeln, dem das Gedudel gefällt. Sie selber steht mehr auf Punkrock, so wie ihr Freund Ralfi.

 

Im stärker werdenden Regen eilt sie auf den gegenüber liegenden Gehweg und wendet sich nach links, in Richtung Grillostraße. Die Kreuzung, die zur Universität und dann in die Essener Innenstadt führt, ist noch ein paar hundert Meter entfernt. Das Auto fährt an und überholt sie. Wasser spritzt auf und der Schwall trifft sie am linken Bein. Marie schaut kurz hoch und sieht einen vorbeifahrenden hellen Kastenwagen. »Arschloch!«, murmelt sie düster vor sich hin. Welcher Freak hört in einem Transporter klassische Musik? Dann richtet sie ihren müden Blick auf den Gehweg vor ihr und marschiert weiter.

 

Sie denkt an das Geld in ihrer Leinentasche. Und an das, was sie dafür machen musste. Marie hasst es, auf den Straßenstrich zu gehen. Fremden Kerlen ihren jungen Körper gegen Bezahlung darzubieten, sich von ihnen Begrapschen und Befummeln zu lassen und Verkehr mit ihnen zu haben. Die junge Frau schüttelt sich, während sie in Richtung Essener Innenstadt weitergeht.

 

Für sie ist es momentan eine zusätzliche Einnahme zu dem Geld, welches sie vom Sozialamt bekommt. Sozusagen Schwarzarbeit. Marie grinst gequält. Mit dem Geld vom Strich und der Stütze kommt sie zurecht. Manchmal bleibt genug, um ihren Freund finanziell zu unterstützen. Sie hat Ralfi Bürste Winkler, einen 19-jährigen Punker, auf der Straße kennengelernt. Gemeinsam haben sie letzten Sommer und Winter unter gleichgesinnten obdachlosen Jugendlichen als Straßenkinder in der Innenstadt gelebt. Ihr Haupttreffpunkt ist der Hauptbahnhof und im Sommer der Kennedyplatz im Zentrum.

 

Marie ist vor zwei Jahren von Zuhause abgehauen. Sie konnte ihre alkoholisierte Mutter nicht mehr ertragen, die nur gelacht hat, als ihr Stiefvater ihr an die Wäsche ging. Sie hat dem Schwein zwischen die Beine getreten und sein Gesicht zerkratzt. Ihre Mutter hat geschrien und versucht, sie, ihre eigene Tochter, davon abzuhalten. Am nächsten Tag ist sie mit wenigen Sachen abgehauen.

 

Die erste Zeit hat sie sich durch Betteln oder leichte Jobs warmes Essen besorgt. Als der Bedarf an täglichen Dingen des Lebens anstieg, kamen kleine Diebstähle hinzu. Sie lernte schnell, sich auf der Straße anzupassen. Ralf, der Punker, hat sie beim Betteln gesehen und angesprochen. Seitdem hing sie mit ihm und seinen Kumpels in der Szene ab. Ralfi zeigte ihr, wo es Übernachtungsplätze gab, in denen sie duschen und pennen konnte. Tagsüber verbrachte sie weiterhin ihre Zeit auf der Straße.

 

Marie hatte ein paar Jugendhilfeprogramme durchlaufen, die ihr die Streetworker in den Notschlafstellen vermittelt hatten. Aber die Angebote passten ihr nicht. Ralfi hatte es nicht erst wieder versucht, seit er aus einem Heim abgehauen ist. Als Ralfi in die Drogenszene abrutschte, war sie es, die ihm finanziell half. Es hatte Marie Anfangs eine Menge Kraft gekostet. Doch der Strich war für sie die einzige Möglichkeit, sich und ihren Freund über Wasser zu halten.

 

Verbittert kaut Marie auf ihrer Lippe herum. Sie ist auf dem Weg zum Hauptbahnhof, um sich dort mit ihrem Freund zu treffen. Von dem Geld will sie Ralfi einladen. Im Hauptbahnhof gibt es McDonald´s, Subway oder Mr. Chicken. Bei dem Gedanken an der Auswahl von Fastfood läuft ihr das Wasser im Munde zusammen. Marie schluckt und blickt nach vorne.

 

Der helle Kastenwagen, der sie vorhin nassgespritzt hat, steht halb auf dem Gehweg. Seine Warnblinkanlage leuchtet rhythmisch auf. Der Fahrer steht neben der geöffneten Schiebetür und hantiert im Innern des Wagens. Marie grinst. »Geschieht dir recht, Arschloch«, murmelt sie. Der Fahrer ist nicht zu erkennen. Er trägt einen schwarzen Mantel mit Kapuze, der ihn fast vollständig verhüllt. Etwas mulmig blickt Marie auf den Mann. Doch der Regen zwingt sie vorwärts. Marie sieht kurz zurück. Kein Fußgänger ist bei dem Sauwetter unterwegs. Und kein anderes Auto kommt in diesem Moment die Gladbecker Straße entlang gefahren.

 

Marie beeilt sich, an dem defekten Wagen und dem unheimlichen Mann vorbei zu gehen. Sie hört ihn murmeln. Gerade will sie aufatmen, als ein kräftiger Arm sie von hinten packt und ihren Mund zuhält. Sie hört ein starkes Summen und spürt einen heftigen Schmerz an ihrem Hals. Der elektrische Schlag lässt ihre Nerven vibrieren und die Muskeln unkontrolliert zucken. Sie merkt gerade noch, dass sich ihre Blase entleert, als sie gepackt und betäubt in den Transporter gehoben wird.

 

Erstes Kapitel

 

Stunden zuvor geht Kriminaloberkommissarin Sarah Pieters durch die volle Essener Innenstadt. Langsam schlendert die zierliche rot-blonde Frau über die Kettwiger Straße in Richtung Hauptbahnhof. Sie will Hendrik, ihrem Freund, zu seinem heutigen Wiegenfest ein Geschenk kaufen. Sarah hat an diesem Samstag frei und genügend Zeit für die Suche nach etwas Besonderem. Was soll man schon einem Mann schenken, der von »Beruf Sohn« ist?

 

Hendriks alter Herr ist mit seiner jungen Freundin, die Sarahs ältere Schwester sein könnte, wieder verreist. Irgendwo in der Karibik, Kuba, oder so. Hendrik und Sarah wollen daher Hendriks Geburtstag allein im Haus seines Vaters in Bredeney, einem der teuersten Stadtteile Essens, verbringen. Sarah seufzt und geht in der Mitte der Fußgängerzone auf Kaufhof zu. Der Blick aus ihren grünen Augen ist unbestimmt nach vorne gerichtet, so als ob sie die entgegen kommenden Passanten nicht wahrnimmt. An ihren Wangen bilden sich kleine Grübchen beim Lächeln. Der psychologische Trick der Dozentin von der Polizeischule klappt immer noch.

 

Die Leute vor ihr scheren nach den Seiten aus. Sarah grinst jetzt. Wie ein Eisbrecher durch das Packeis, kommt es ihr in den Sinn. Sie erreicht den Kaufhof, der gegenüber dem Essener Hauptbahnhof liegt und geht gemächlich durch das Erdgeschoss. In der Parfümabteilung befinden sich fast ausschließlich Frauen. Sarah schlendert umher und schnuppert an dem einen oder anderen Duft. Normalerweise trägt sie kein Parfüm und kaum Make-Up. Sie findet es für ihren Beruf nicht angemessen. Als Kriminalbeamtin bei der Essener Polizeiinspektion kann sie gut auf diese Dinge während des Dienstes verzichten.

 

Zur Feier des Tages gönnt sie sich ein kleines Fläschchen Duftwasser, von dem sie meint, dass es angenehm riecht und Hendrik gefällt. Sie packt die dünne Pappschachtel mit der Parfümflasche an der Kasse in ihre linke Tasche der kurzen Jacke und den Bon in ihre Brieftasche, die in die Innenseite ihrer dunklen Oberbekleidung verschwindet. Suchend blickt sie umher. Dann geht sie zu den Rolltreppen, die sich in der Mitte des Geschäftes befinden. In der zweiten Etage ist die Herrenabteilung. Sarah steigt vorsichtig mit ihren sportlichen flachen Schuhen auf die fahrende Treppe. Sie verzichtet auf den Handlauf, der, übersät mit menschlichen Keimen, sie auf den Weg nach oben begleitet.

 

Während die stählernen Treppenstufen sie gemächlich aufwärts tragen, blickt sie gewohnheitsmäßig umher. Vor und einige Stufen über ihr steht ein Mann, der nur wenige Jahre älter als sie scheint. Der etwa 30-jährige trägt geputzte Halbschuhe ohne abgelaufene Absätze, Bluejeans, die ihrem Namen gerecht werden und eine kurze helle Jacke, die an seinem knackigen Gesäß endet. Sarah blickt von seinem Hintern hinauf. Sein markanter Kopf dreht sich geschäftig und er überschaut die Personen in seiner Umgebung. Seine Hände hat er locker an den Seiten anliegen. Die Haare sind gepflegt und kurz geschnitten. Der Mann dreht sich zu ihr und sieht ihr Sekunden direkt in die Augen. Seine braunen Augen mustern Ihre Grünen professionell. Sarah hält dem Blick stand und lächelt freundlich hinauf, als ob sie einen alten Bekannten getroffen hätte. Der Mann beendet die Visite von Sarah mit einem breiten Grinsen und dreht sich dann anderen Personen zu. Sarahs Herzschlag ist angestiegen, als die braunen Augen des fremden Mannes in ihr Innerstes zu blicken schienen. Nervös wischt sie sich ihre Haare aus dem Gesicht und beobachtet ihrerseits den Mann auf der aufsteigenden Rolltreppe.

 

Der Mann interessiert sich nicht für die ausgestellten Waren und Artikel und trägt keine Einkaufstaschen. Sarah vermutet, dass es sich um den Kaufhausdetektiv handelt. Sie wechseln beide in der ersten Etage auf die weiter nach oben führende Rolltreppe zur Herrenabteilung.

 

Ein junger Typ steht fünf Meter vor dem mutmaßlichen Detektiv auf der aufwärts fahrenden Treppe. Sarah stellt sich so, dass sie an dem mutmaßlichen Detektiv vorbei sehen kann. Nervös trommelt der etwa 20 Jahre alte Mann vor seinem Beobachter auf den Handlauf und sieht sich unruhig um. Er trägt eine weite Jacke, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Die Jeanshose ist verblichen und an einigen Stellen zerschlissen. Die dünnen Turnschuhe waren ehemals weiß. Sein Gesicht hat etwas Falkenähnliches. Die lange Nase ist gekrümmt und die kleinen, dunklen Augen blicken stechend. Seine längeren dunklen Haare sind ungewaschen und liegen fettig an der Stirn, als wären sie dort angeklebt. Den Rest des Gesichtes verziert ein »Dreitagebart« der seine drei Tage sichtlich überschritten hat. Sarah verzieht die Nase. Könnte ein Junkie sein, denkt sie und runzelt die Stirn.

 

In der Herrenabteilung gehen die beiden Männer nach links. Sarah tritt von der Rolltreppe herunter und bleibt stehen. Sie beobachtet interessiert, wie der mutmaßliche Detektiv langsam hinter dem jungen Typen her geht. Dann bleibt er stehen und verschiebt an einem Kleiderständer ein paar Jacken. Sarah schmunzelt. Der Blick des Mannes ist dezent auf den fetthaarigen Jungen gerichtet, der sich umsieht, doch seinen Beobachter nicht wahrnimmt. Kopfschüttelnd dreht sie sich herum und schlendert auf einen Stapel T-Shirts von Camp David zu, die auf einem großen Tisch angepriesen werden.

Einige sind heruntergesetzt. Ihr gefällt spontan ein Shirt, welches in Hendriks Größe, XXL, vorhanden ist. Sie wühlt in ein paar Stapeln der ordentlich gefalteten T-Shirts und zieht ein Shirt gleicher Farbe und gleichem Aufdruck in Größe S hervor. Klasse, Partnerlook, denkt Sarah. Sie packt die beiden Shirts und eilt zur Kasse. Für ein paar zusätzliche Cent lässt sie die Ware in eine Plastiktüte packen und geht mit der werbebedruckten Tasche für das Warenhaus in Richtung Rolltreppe.

 

»HALT!«

Der Schrei lässt Sarah herumfahren. Der fetthaarige Junge stößt seinem Verfolger heftig gegen die Brust, sodass dieser gegen einen Kleiderständer stolpert und mit der aufgehängten Kollektion zu Boden geht. Der Junge rennt auf die Rolltreppe zu und hechtet die Stufen hinab. Der umgestoßene Mann ist tatsächlich der Hausdetektiv, der vor ihr auf der Rolltreppe hinauf gefahren war. Da er noch wie eine Schildkröte in der Kleidung liegt, überlegt Sarah nicht lange und sprintet hinter dem Ladendieb her. Der Junge hat mehrere Meter Vorsprung, doch Sarah holt dank ihrer körperlichen Fitness schnell auf.

 

Der Ladendieb rempelt Passanten um, die nicht schnell genug aus dem Weg gehen. Sarah springt die letzten Meter von der Rolltreppe und sieht, wie er durch den Haupteingang das Warenhaus fluchtartig verlässt. Sarahs Tasche verheddert sich in der Tür. Fluchend lässt sie die Plastiktüte los und rennt hinter dem Ladendieb her, der auf den Hauptbahnhof zueilt. Die Fußgängerampel zum Hauptbahnhof springt von Grün auf Rot. Sarah ist dem jungen Mann dicht auf den Fersen. Sie rennt über die rote Ampel, während die anfahrenden Autos wütend hupen und quietschend abbremsen.

 

Der junge Mann blickt panisch nach hinten. Im vollen Lauf stößt er gegen ein Pärchen, welches gerade mit zwei Trollys aus dem Bahnhof zu den Taxen geht. Der Ladendieb stolpert und verschafft Sarah die Zeit, ihn zu erreichen. Sie packt ihn an der Jacke und versucht, seinen Arm festzuhalten. Der Mann schlägt wild um sich und will sich befreien. Aus den Augenwinkeln nimmt Sarah wahr, wie Schaulustige in einem Sicherheitsabstand stehen bleiben, doch niemand kommt ihr zu Hilfe. Typisch, nicht einmischen, denkt sie genervt, während sie den Dieb festhält.

 

Der Junge schlägt einen rechten Haken in Richtung ihres Kopfes. Sarah duckt sich geistesgegenwärtig und drischt ihre Faust in den Magen des Diebes. Zusammenkrümmend packt er die junge Polizistin und reißt sie zu Boden. Sarah stürzt auf ihre linke Seite. Erschreckt hört sie ein lautes Knacken und fürchtet um ihr Becken. Doch ein intensiver Parfümgeruch dringt aus ihrer Jacke und Sarah atmet auf.

 

Wie zwei Ringer wälzen sich die Beiden auf dem Boden, bis Sarah dem strampelnden und tretenden Jungen die Arme auf den Rücken drehen kann. Sie biegt die Handgelenke, bis der Fetthaarige vor Schmerz aufschreit und seine Fluchtversuche schwer atmend einstellt. Sarah kniet keuchend mit einem Bein auf seinem Rücken und drückt mit den Händen die Arme des Mannes gegen sein Schulterblatt.

»Lass mich los, verdammte Fotze!«, heult der Fetthaarige auf.

Sarah presst die Lippen kurz aufeinander. »Kommt nicht in Frage«, zischt sie ihm entgegen.

 

»Na, was geht denn hier ab?«

Sarah blickt auf und sieht zwei uniformierte Bundespolizisten, die aus dem Bahnhof herangeeilt sind.

»Gibt’s hier vielleicht einen kleinen Beziehungsstreit?«

Die beiden Uniformierten sehen sich kurz an und grinsen auf Sarah und dem jungen Mann herunter.

Sarah schluckt ihren Ärger herunter. »Pieters. Kripo Essen. Haben die Kollegen die Güte, mir bei der Festnahme dieses Ladendiebes zu helfen?«

Das Grinsen der beiden Bundespolizisten erlischt. Der jüngere der Beiden zieht ein paar Handfesseln hervor und legt sie mit Sarahs Hilfe dem Jungen an. Sarah blickt auf die stählerne Fessel. »Arretieren sie, sonst verklagt er sie noch wegen Polizeigrausamkeit, wenn sich die Stahlfessel ins Handgelenk schneidet.«

Der jüngere Bundespolizist schaut Sarah kurz an. Dann zieht er einen kleinen Schlüssel hervor und stellt die Sperre der Fessel ein. Der ältere der beiden Polizisten hilft dem Fetthaarigen auf die Beine, während Sarah sich selbst aufrichtet.

 

»Können sie sich ausweisen?« Der ältere Polizist blickt sie fragend an. Sarah holt aus der Innentasche ihrer Jacke den Polizeiausweis und hält sie dem Polizisten vor das Gesicht. Dieser begutachtet die Plastikkarte und nickt. Ein Streifenwagen kommt auf sie zugerollt und drei Beamte steigen aus. Sarah muss sich wiederholt ausweisen und erklärt den Uniformierten die Situation.

 

»Ich habe überhaupt nichts gemacht. Die… die Rothaarige hat mich grundlos verfolgt und zu Boden gestoßen. Ich will eine Anzeige wegen Körperverletzung stellen.« Der Fetthaarige blickt gehässig auf Sarah. Der Kaufhausdetektiv kommt zu der Gruppe und drängt sich durch die Schaulustigen. Er stellt sich den Beamten als Detektiv Emil Becker vor und beschreibt den Diebstahl und Sarahs Verfolgung des Diebes im Kaufhaus. Die Streifenbeamten durchsuchen die Jacke des Verdächtigen und fördern mehrere Gegenstände zu Tage, an denen noch die Preisetiketten des Warenhauses befestigt sind.

 

»Wenn sie hierzu keine Kaufbelege haben, haben sie ein echtes Problem«, sagt der Streifenführer zu dem jungen Mann. Die beiden Bundespolizisten verabschieden sich und schlendern zum Hauptbahnhof zurück.

 

»Vielen Dank, dass sie den Dieb verfolgt haben. Ich hoffe, sie haben sich nicht verletzt?« Seine braunen Augen blicken fragend auf ihre feuchte Jacke und Hose. Sarah grinst. »Ist nur eine Parfümflasche, die zu Bruch ging.«

»Wir brauchen ihre Aussagen. Kommen Sie bitte Anfang der Woche aufs Revier in der Innenstadt.«

Sarah dreht sich zu dem Streifenbeamten und nickt. Die Uniformierten packen den Ladendieb und führen ihn zum Polizeiwagen. Der fetthaarige Junge wird auf den Rücksitz des 3-er BMW-Kombi verfrachtet. Einer der Uniformierten setzt sich daneben, während der Streifenführer auf den Beifahrersitz Platz nimmt. Der dritte Schutzpolizist setzt sich ans Steuer. Langsam rollt der Polizeiwagen vom Bahnhof fort. Die schaulustige Menge verstreut sich allmählich.

 

»Tja, nochmals danke. Wenn ich etwas für sie tun kann?«

»Ich habe bei der Verfolgung eine Plastiktüte mit zwei T-Shirts verloren. Ist in der Tür hängen geblieben.«

»Ach ja, die Tüte. Die hat eine unserer Verkäuferinnen gerettet, als sie hinausstürmten. Kommen sie, ich bringe sie zur Kasse.«

Schmunzelnd lädt Emil Becker Sarah mit einer Handbewegung ein. Sarah lächelt und betrachtet kurz das feine Gesicht. Die Härte ist aus ihm gewichen. Die braunen Augen blitzen schelmisch. Sarah schluckt und lächelt den Detektiv an. »Na, dann los!«