ABSEITS DER PFADE
Eine etwas andere Reise durch die unbekannten Seiten der Mozart-Stadt
Herzlichen Dank an: Peter Frey, Anton Greisberger, Christine Kobler, Ines Schütz, Giorgio Simonetto, Wolfgang Viertlmayr, Thomas Zauner.
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1. Auflage 2017
© 2017 by Braumüller GmbH
Servitengasse 5, A-1090 Wien
www.braumueller.at
Coverfoto: shutterstock (canadastock)
Fotos: Wolfgang Straub
Karten Seite 12, 46, 70, 98, 99, 122, 146:
openstreetmap.org | © OpenStreetMap-Mitwirkende (CC BY-SA 2.0)
ISBN Printausgabe: 978-3-99100-209-3
ISBN E-Book: 978-3-99100-210-9
„Durch die Bierjodlgasse wanderst du
übers Nonntalerkloster hinaus.
Ein ewiges Ostern liegt in den Lüften.
Hab Mut, kleines Herz! An stillen Dörfern vorüber,
lagerst du zufrieden im hohen Gras.
Wenn die Sonne dann in die Fenster der Burg brennt,
als stünd sie im hellsten Feuer,
und die Glocken alle so traumhaft schlagen,
kommt vielleicht ein dunkles Ahnen über dich.“
Jakob Haringer
Zum Geleit
„Der tödliche Ernst einer anderen Zeit“ Nonnberg und -tal
Der Klang der Musik
Kirchenasyl und Faldistorium
Translationen am laufenden Band
Wasser für den Residenzbrunnen, Wein für das Domkapitel
Wimperntierchenschutzgebiet und Versorgungsanstalt
Am Erhardplatz
Nonntaler Architekturrunde
Gämsen und Gaffen Über den Kapuzinerberg
Ein wehrhafter Igel
Teufelskralle und Kolkrabe
Gegen-Orte
Mozart und Zweig
„Das Allerhäßlichste der ganzen Welt“: die malerische Steingasse
„Zurück zu den moosigen Wäldern“ Über den Kommunalfriedhof
Der Ururgroßvater
Der Friedhof der Gründerzeit
Das Schwarze Schaf und seine Tochter
Hitlers Lieblingsbildhauer
Kilimandscharo, „Englischer Patient“ und stärkster Mann der Welt
Die Flamme
Ausklang in der Hölle
Ruhe und Verschmitztheit Almkanalwanderung
Den Almkanal erzählen
Wasserzank – die Geschichte des Almkanals
Kraftwerkgemeinde Grödig (samt Fußballexkurs)
Wellenreiter und Käfer
Das echte Henkerhaus
Fleißaufgabe und Belohnung
Zum kostbaren Blut Durch Aigen und Parsch
Kolleg und Trapp-Villa
Das Paradies in Aigen
Der Garten Eden heute
Ikonische Bauten der Nachkriegsjahrzehnte
Kleiner Grenzverkehr Von Salzburghofen nach Kleßheim
Die nasse Grenze
1970er-Jahre-Paradies
Zwei Wirtshäuser, zwei Kirchen
Entlang der „Saale“
Showdown im Durchhaus
Verwendete Literatur
Kein Mozart-Geburts- oder -Wohnhaus, keine Festung, kein Petersfriedhof, kein Dom, kein Mirabellgarten, kein Café Tomaselli, keine Festspiele, nicht einmal Zwergelgarten und Sebastiansfriedhof, auch wenn die beiden bereits etwas abseits der Pfade liegen. Die von vielen Dichtern besungene „schöne Stadt“, das „Rom des Nordens“, die Mozart- und Festspielstadt – all diese Zuschreibungen beziehen sich auf die Altstadt – ist nicht Gegenstand dieses Buches. Dafür erfährt man, wo das „wirkliche Henkerhaus“ steht, entdeckt architektonische Meisterwerke der Nachkriegsmoderne, streift im Vorbeigehen den Beginn der Salzburger Brahms-Rezeption, bekommt mit etwas Glück eine Monumentalstatue von „Hitlers Lieblingsbildhauer“ zu sehen, erweist dem „Englischen Patienten“ an seinem Grab die Reverenz, beschäftigt sich mit Grenzziehungen und -übertritten, erinnert sich der kurzen „großen Zeit“ des Salzburger Fußballs vor der Übernahme durch einen Salzburger Getränkekonzern und besucht die ehemals beliebteste Mozart-Gedenkstätte. Aber bei einer kleinen Stadt wie Salzburg kommt man um die weltberühmte SalzburgVedute, die Ansicht der kirchturmreichen, von der Festung gekrönten Altstadt nicht herum. Und das will dieses Buch auch gar nicht, im Gegenteil: Spaziergang Nr. 2 bietet die schönsten Ansichtskartenmotive von Salzburg. Darüber hinaus schwingt die Geschichte der Stadt immer mit. „Salzburg abseits der Pfade“ könnte eine Einladung an Salzburger sein, schon länger Geplantes wie eine Kapuzinerberg-Überquerung oder Bewanderung des Almkanals von Grödig bis zum Mönchsberg in die Tat umzusetzen. Der Besucher, der mehr als ein, zwei Tage Zeit hat, erhält Anregungen zum Blick abseits der Weltberühmtheiten. Salzburg ist eine kleine Stadt: „Geheimtipps“ sprechen sich hier schnell herum, bis in die ausufernde Reiseführerliteratur. Vor dem ehemals „versteckten“ Bosna-Stand im Getreidegassen-Durchhaus („Balkan Grill“) bilden sich mittlerweile lange Menschenschlangen. „Geheimtipps“ wird man in diesem Buch keine finden; Ungewöhnliches, Untouristisches jede Menge.
Die vorgeschlagenen sechs Wege sind allesamt ausgedehnte Spaziergänge. Man braucht aber keine Wanderausrüstung oder spezielle Kondition. Zudem können die Wege beliebig portioniert und zerstückelt, natürlich ebenso in die Gegenrichtung begangen werden. Die Mitnahme des Regenschirms, den man in Salzburg ohnehin immer dabei hat (dabei haben sollte), empfiehlt sich. Am Kommunalfriedhof ist Schnürlregen ohnehin das passende Wetter, auch der architektonische Spaziergang durch Aigen und Parsch braucht nicht unbedingt Sonnenschein. Kapuzinerberg, Almkanal und die Grenzwanderung sind eher Schönwetterwege.
Als Germanist habe ich immer wieder literarische Wegbegleiter konsultiert, mich für diesen Reiseführer dabei aber zurückgehalten. Unverzichtbar waren mir nur Peter Handkes Almkanal-Expertise, der Hinweis auf Stefan Zweig und eine etwas umfassendere Leseempfehlung für das Werk von Gerhard Amanshauser – denn auch in der Literatur abseits des Mainstreams lassen sich die schönsten und spannendsten Orte aufspüren.
„Where is the castle?“ Ich wusste mit dieser von mehreren Gästen gestellten Frage nichts anzufangen, mehr noch, ich fühlte mich gefrotzelt, standen wir doch auf dem Aussichtsturm der Burg, also des „castle“. Während meines Studiums war ich als Fremdenführer auf der Festung Hohensalzburg tätig, ein einträglicher Job, war doch damals, Ende der 1980er-Jahre, das Trinkgeldgeben noch Standard. Ich erkundigte mich also bei meinen Arbeitskollegen, was es mit dieser eigenartigen Frage amerikanischer Touristen auf sich haben könnte, und erfuhr, dass sie sich auf den Film The Sound of Music bezieht. Ich müsse, so die Anweisung, wann immer man mir diese Frage am Aussichtsturm stelle, nur auf das Schloss Leopoldskron zeigen, das spiele in dem Streifen eine große Rolle und sei daher für die amerikanischen Touristen schlicht „the castle“.
Ich kenne den Film immer noch nicht, ich kann mit Musicals nichts anfangen. In den USA gehört(e) der Film angeblich zu gewissen Familienritualen dazu, viele Menschen haben ihn mehrmals gesehen. Es gibt in Salzburg neben dem europäischen Kulturtourismus eine Art Parallelwelt für die amerikanischen und japanischen Touristen, in der die Drehorte besichtigt und „Sound of Salzburg Dinner Shows“ angeboten werden. Die österreichische Ignoranz gegenüber dem Film ist allerdings nicht mehr so ausgeprägt wie in meiner Studienzeit. Das Salzburger Landestheater hat das Musical im Repertoire, ein „Sound of Music Center“ im ehemaligen Barockmuseum im Mirabellgarten ist geplant. (Die Planungen dafür laufen allerdings bereits seit gut zehn Jahren …)
Die Geschichte eines der erfolgreichsten Filme Hollywoods begann mit der Veröffentlichung der Erinnerungen Maria von Trapps, The Story of the Trapp Family Singers (1949). Die deutsche Übersetzung, Vom Kloster zum Welterfolg (1952), wurde ein Verkaufserfolg, die Filmproduzenten wurden auf den Stoff aufmerksam. Auch die beiden deutschen Heimatfilme Die Trapp-Familie (1956) und Die Trapp-Familie in Amerika (1958) waren Publikumsrenner – dadurch schwappte der Erfolg zurück in die USA. Der Komponist Richard Rodgers und der Texter Oscar Hammerstein schrieben ein Musical (Premiere 1959), Hollywood kaufte die Filmrechte und drehte unter der Regie von Robert Wise The Sound of Music (1965).
Der Welterfolg startete am Nonnberg. Die 20-jährige Maria Kutschera war dort im Stift Lehrerin und Postulantin. Zu Beginn ihrer Erinnerungen schildert sie, wie sie eines Tages zur Äbtissin, zur „Ehrwürdigen Mutter“, gerufen wird. Man merkt dem Buch der 44-jährigen Autorin an, dass sie auf Effekt zu schreiben versuchte, rhetorisch simpel, mitunter unbeholfen, stets pathetisch (Trapp wird später an den Drehbüchern zu den beiden deutschen Produktionen mitarbeiten). Sie nimmt den Leser kurz in das für Besucher verschlossene Klosterinnere mit: „[Ich stieg] langsam die abgetretene Wendeltreppe hinab und überquerte den gepflasterten Küchenhof. Dort blickte von der Mauer der Gekreuzigte herab, und über dem Brunnen erhob sich die Statue der heiligen Erentrud, der Begründerin unserer lieben alten Abtei. Ich betrat den Kreuzgang. […] trotz aller Aufregung empfand ich beglückt die beinahe überirdische Schönheit dieses einzigartigen Bauwerkes. Zwölf Jahrhunderte der Pflege hatten Nonnberg, das erste Benediktinerinnenkloster nördlich der Alpen, zu einem Ort von zauberhaftem Reiz werden lassen.“ (Trapp o.J., 14)
Die Äbtissin schickt Maria zum kinderreichen Witwer Georg Ludwig von Trapp nach Aigen (Spaziergang 5), wo sie sich um dessen kranke Tochter kümmern soll. Zwei Jahre später wird geheiratet, natürlich am Nonnberg. 1964 wurden dort auch einige Szenen gedreht, allerdings nicht die Hochzeit, da wich man auf die Kirche in Mondsee aus, man wählte hochbarocken Überschwang statt gotischer Kargheit.
So gesehen mag für viele Sound of Music-Touristen Nonnberg mehr Bedeutung haben als für manchen Kulturtouristen oder Einheimischen. Stift Nonnberg ist fixer Bestandteil der Silhouette der wohl meistfotografierten Stadtansicht Österreichs, aber es liegt, zu seinem Vorteil, etwas abseits der Sightseeingtouren der sommerlichen Touristenmassen.
Ich wähle den Anstieg über den „Hohen Weg“, der oberhalb des Stieglkellers von der Festungsgasse abzweigt. Attraktion des kurzen Wegs ist der „Nonnberger Hund“, der an der Begrenzungsmauer über der Altstadt wacht. Es handelt sich dabei um den Torso eines romanischen Löwen, der früher am Portal der Nonnberger Kirche aufgestellt war und einen Widder, das Symbol des besiegten Teufels, mit seinen Pranken umfangen hielt. Die schlecht leserliche Tafel unterhalb der Figur informiert darüber, dass sich hier früher die Grenze zwischen dem Stiftsgebiet und der Stadt befand. Es gab Menschen, für die das eine essenzielle Grenze war. Nonnberg war eine kirchliche „Freyung“ mit Asylrecht, das heißt, dass jemand, der etwas auf dem Kerbholz hatte und dem die Flucht hierher gelang, nicht ausgeliefert werden durfte. Das Kloster musste bis zu seiner Begnadigung für ihn sorgen. „Desertierte Soldaten aus der nahen Festung nahmen dieses Recht öfters in Anspruch.“ (Nonnberg 1953, 9)
Der später heiliggesprochene Missionar Rupert war eine der Zentralgestalten in der Geschichte des Erzbistums Salzburg. Er gründete 696 das Benediktinerstift St. Peter (wahrscheinlich auf einer bestehenden oder zwischenzeitlich verfallenen Anlage), im Frühmittelalter stellte der Abt von St. Peter automatisch den Erzbischof. Nur wenige Jahre später initiierte er die Gründung eines Frauenklosters, ebenfalls nach benediktinischer Regel. Die Stiftung Ruperts (um 712) führte zum ältesten Nonnenkloster im deutschsprachigen Raum. Als Äbtissin installierte Rupert sicherheitshalber seine Nichte Erentrudis, die mit ihm von Worms nach Salzburg gekommen sein dürfte.
Die damaligen Bayernherzöge waren Rupert und Erentrudis zugetan, sie schufen die materiellen Grundlagen der beiden Klöster durch die Stiftung von Gütern, die Zuerkennung von Fischerei- und Jagdrechten, die Übertragung von Tributpflichten zahlreicher Untertanen sowie, besonders wertvoll, das Recht auf Salzbezug aus Reichenhall. Die Wohltäter Nonnbergs, die bayerischen Agilolfinger, gerieten aber bald in einen Machtkampf mit Karl dem Großen, den sie nur verlieren konnten. In der Folge wurde Nonnberg ein „reichsunmittelbares“ Kloster. Viele Brände, vermutlich auch der „Ungarnsturm“, verhinderten, dass aus der Frühzeit des Klosters etwas erhalten blieb.
Um die Jahrtausendwende erfuhr das Kloster einen bedeutenden Aufschwung, es kam zum Bau der ersten großen Kirche. Der bayerische Herzog Heinrich IV. (ab 1014 Kaiser Heinrich II.) unterstützte das Bauvorhaben (angeblich auf Betreiben seiner später heiliggesprochenen Frau Kunigunde) und übergab dem Kloster Stiftungen – als „Gegengeschäft“ mussten sich die Nonnen verpflichten, für seinen 1002 gestorbenen Vorfahren Otto III. zu beten. Die „Heinrichbasilika“ wurde 1009 unter Anwesenheit des Herzogpaares geweiht. Anschließend kam es zu zahlreichen Gründungen von Tochterklöstern, das 11. Jahrhundert war eine Blütezeit Nonnbergs.
Eine symbolische Bestätigung der Bedeutung des Stifts war 1242 die Erlaubnis zum Gebrauch der Pontifikalien durch Papst Gregor IX. Die Äbtissin durfte von nun an wie ein Bischof einen Krummstab benutzen und sich jederzeit auf das Faldistorium, den trag- und faltbaren Thron, niederlassen. Dieser schön verzierte hochmittelalterliche Faltstuhl gehört zu den wichtigsten Kunstschätzen des Klosters – leider verfügt das Stift über keine öffentlich zugängliche Schatzkammer …
1423 zerstörte ein Großbrand die Basilika. Mitte der 1440er-Jahre begann man mit dem Neubau, der sich bis ins 16. Jahrhundert hinein zog, erst 1507 wurde das Mittelschiff in seiner heutigen Form eingewölbt. Nach verschiedenen barocken Um- und Einbauten im 17. und 18. Jahrhundert wurde es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Mode, sich wieder auf die „Einfachheit“ des Mittelalters zu besinnen, und die Kirche wurde regotisiert: Der barocke Hochaltar machte einem spätgotischen Flügelaltar Platz (den man aus der Kirche in Scheffau bei Golling holte), die barocke Ausstattung wurde entfernt. So zeigt sich dem heutigen Besucher im Inneren ein einheitlich spätgotisches Erscheinungsbild.
Vom romanischen Vorgängerbau ist nur mehr sehr wenig erhalten – der Kern des Kirchturms, Teile des Portals und die romanischen Wandmalereien im alten Nonnenchor. Man sollte beim Besuch zwei, drei 50-Cent-Stücke eingesteckt haben, um die Zeitschaltuhr für die Beleuchtung des Altars sowie der Fresken einschalten zu können. Die Malereien stammen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts und stellen nur zum Teil identifizierbare Heilige dar; strenge, mannshohe Gestalten aus einem anderen Zeitalter schauen uns da durchdringend an.
Bei einer Besichtigung der Stiftskirche sei es angeraten, vorher die Klosterpforte aufzusuchen, um „die Anni von der Pforte“, wie sie sich selbst nennt, um den Schlüssel für die Krypta zu bitten. Erscheint man der Dame vertrauenswürdig genug, übergibt sie einem den Schlüssel zur eigenen Verantwortung – der Weg um die Kirche und bis zur Krypta würde sie sehr beschweren, sie ist schlecht zu Fuß. Die 1475 eingeweihte Krypta ist ein einzigartiger spätgotischer Raum, 18 Säulen tragen das Kreuzrippengewölbe. Es empfiehlt sich ein Besuch am Vormittag, weil da die Sonneneinstrahlung das spärliche elektrische Licht etwas verstärken kann.
In der Krypta liegt die Salzburger „Kirchenmutter“, die heilige Erentrudis, begraben. Die Gebeine der Heiligen wurden 1024 von St. Peter nach Nonnberg übertragen (Translation). Die Legende besagt, dass der Abt für das Stift eine Reliquie zurückhalten wollte und einen Span des Reliquienschreins entwendete. Gott bestrafte ihn für diesen Frevel mit sofortiger Erblindung, begnadigte ihn aber, als er versprach, von seinem Amt zurückzutreten und als Einsiedler am Gaisberg zu leben. Genau 600 Jahre später fand eine „feierliche Erhebung“ der Reliquien Erentrudis’ durch Erzbischof Paris Lodron statt, sie wurden neu gefasst, bekamen einen neuen Holzsarg und wurden in die heutige Ruhestätte umgebettet.
Dort hatte sie aber nur 300 Jahre Ruhe, 1924 fand eine weitere Translation statt. In Berg bei Ravensburg/Württemberg war ein neues Benediktinerinnenkloster entstanden, dem man eine Reliquie mitgeben wollte. Man teilte dabei die Gebeine auf, das Haupt befindet sich nun in einem gotischen Reliquiar, in einem barocken Silberschrein aus dem Jahr 1674 liegen die übrigen Gebeine. Bei der Öffnung des Schreins habe sich ein Büschel blonder Haare gefunden, was die Deutungen über die Herkunft Erentrudis’ beflügelt habe, man habe etwa über eine iroschottische Herkunft spekuliert. (Nonnberg 1953, 17)
Hat man die Pförtnerin einmal bemüht, könnte man sie, wenn es das eigene schlechte Gewissen und ihr Gesundheitszustand zulassen, weiter strapazieren. Denn oberhalb der Pforte befindet sich die spätgotische Johanneskapelle, die eines Besuches wert ist. Anni muss dafür allerdings den Besucher begleiten, und sie tut sich beim Gehen über die alten Stufen nach oben sehr schwer, betont aber, dass das völlig in Ordnung sei. Die Kapelle ist mit einem Netzrippengewölbe ausgestattet, die Attraktion ist der Altar, als dessen Provenienz der alte Dom vermutet wird. Man schreibt ihn der Werkstatt des berühmten Sakralbildhauers Veit Stoß zu.
Wir verlassen die spätmittelalterliche Klosterwelt und spazieren durch eine der schönsten Wohnlagen Salzburgs entlang der Nonnberggasse. Hier am Abhang des Festungsberges hat man einen Panoramablick auf das gesamte südliche Salzburger Becken, und man schaut, vorbei an teilweise mittelalterlichen Häusern, auf den ältesten Teil des Stadtviertels Nonntal, das Ziel unseres Spaziergangs, das wir nach einem kleinen Umweg erreichen werden.