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Daniel Bergner

Mit dem Kochlöffel durch die sächsische Geschichte

25 berühmte Sachsen bitten zu Tisch

Bild und Heimat

Vorwort

Eine Auswahl sächsischer Persönlichkeiten zu treffen, sollte auf den ersten Blick gesehen eine leichte Aufgabe sein. Zu jeder Zeit gab es Menschen, die Herausragendes geleistet oder zumindest, bezogen auf ihre Lebensumstände, etwas Außergewöhnliches hervorgebracht haben. Viele davon waren gebürtige Sachsen, manche waren Zugereiste, die ein wohlwollendes (manchmal auch unberechenbares) Schicksal in die Gegend zwischen Vogtland und Zittauer Gebirge gebracht hat, damit sie hier ihr Glück versuchen und einen Platz zum Leben und Schaffen finden mögen. Doch genau hier liegt der kleine, aber feine Unterschied für eine Auswahl.

Nach welchen Kriterien sollen die Persönlichkeiten ausgewählt werden? Für welche Epochen der sächsischen Historie und Kunst- und Kulturgeschichte sollen die Auserwählten stehen? Viele Sachsen in des Wortes bester Bedeutung sind zum Beispiel »nur« hier geboren worden, haben einen unverhältnismäßig kleinen Teil ihres Lebens, ihre Kinder- und Jugendjahre hier verbracht, bevor sie andernorts heimisch wurden und dort ihr Leben einrichteten und wirkten. Genauso gut gibt es historische Persönlichkeiten, denen es genau andersher­um erging, die ihr Glück in Sachsen finden wollten, wenn es ihnen in ihrer eigentlichen Heimat verwehrt wurde. Und eine zweite Schwierigkeit, die Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, wie Sachsen geografisch begrenzt werden soll. Nach der Größe des Kurfürstentums? Nach der Größe des Königreichs Sachsen nach 1815? Oder nach den drei Bezirken, die nach 1949 gebildet wurden und in denen Sachsen zum größten Teil aufging?

Mit diesen kniffligen Fragen im Hinterkopf hat sich der Autor an die Arbeit gemacht. Und er hat sich für eine eigene Herangehensweise, seinen Weg und seine Wahrheit entschieden. So werden Sie auf den folgenden Seiten interessante Personen kennenlernen, die trotz zeitlicher, politischer oder kultureller Unterschiede etwas vereint: ihre Liebe zu Sachsen. Und ist es nicht im Grunde egal, wo jemand sein Herkommen hat, wo seine Wurzeln liegen? Sachsen war immer ein Land, das neuen Einflüssen gegenüber aufgeschlossen war und das durch die gebündelte Kraft aller Beteiligten – ob Kurfürst, Dichter, Musiker oder Maler – zu dem geworden ist, was es bis heute auch geblieben ist: Ein besonderes Land, das in seiner reichen kulturellen und geografischen Vielfalt einmalig ist.

Manch eine der vorgestellten Persönlichkeiten war nur für kurze Zeit in Sachsen oder blieb, trotz widrigster Umstände, eine andere hat tatsächlich ihr Lebensglück hier gefunden. Die getroffene Auswahl ist nicht repräsentativ. Sie kann und will es auch nicht sein. Vielleicht werden Sie beim Lesen einen alten Bekannten wiedertreffen, vielleicht jemand Neues kennen- und schätzen lernen. Vielleicht werden Sie erstaunt sein, dass eine historische Persönlichkeit fehlt, von der Sie glauben, sie gehöre unbedingt dazu. Wenn die Leser dieses Buches sich mit dem Geschriebenen auseinandersetzen, ihr angelesenes Wissen neugierig durch andere Lektüre vertiefen oder auch konstruktiv Kritik üben, dann wäre das das schönste Lob für den Autor.

Die Rezeptvorschläge laden Sie ein, die historischen Persönlichkeiten auch kulinarisch kennenzulernen. Die Rezepte sind zum größten Teil historisch verbürgt oder stammen zumindest aus der Zeit, in der die jeweilige Persönlichkeit lebte. Manchmal ist es gelungen, eines der Lieblingsrezepte des Vorgestellten aufzuspüren. Die Mengenangaben beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf vier Personen.

Nehmen Sie also das Buch zur Hand, lesen Sie darin, stellen Sie es nicht ins Regal mit den historischen Biografien oder Nachschlagewerken! Dort gehört es nicht hin. Es versteht sich nicht als kulturgeschichtlicher Nachaufguss unzähliger Bücher, die es zu den unterschiedlichen Persönlichkeiten bereits gibt. Nehmen Sie das Buch stattdessen lieber mit in die Küche. Probieren Sie die Rezepte aus und plauschen Sie beim anschließenden Essen mit Familie und Freunden über Ihren Küchenerfolg und das, was Sie über die Beteiligten gelesen haben.

Viel Freude beim Lesen und Nachkochen!

»Sein größtes Vergnügen war die Liebe«

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August der Starke

Neben der Liebe erfuhr er sicherlich auch manche kulinarischen Höhepunkte. Nicht zuletzt aufgrund dessen dürfte Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, als August II. König von Polen, zu enormer Leibesfülle gekommen sein, die ihm den Beinamen »der Starke« eintrug.

Bildungsbeflissene Eltern und Großeltern zeigen heute noch gern ihren Kindern und Enkeln den (vermeintlichen) Daumenabdruck des starken August im Eisengeländer der Brühlschen Terrasse in Dresden. Eine schöne Mär, die eben nur eine Mär ist, weil das heutige Geländer der Brühlschen Terrasse gar nicht aus der Zeit Augusts des Starken stammt. Daran wird deutlich, was alles die Nachwelt dem sächsischen Herkules an honorablen Leistungen zuschreibt und zutraut. Auch ein von ihm verbogenes Hufeisen, das sich in den Dresdner Kunstsammlungen erhalten hat, lässt sich in diesen Kontext einordnen: Das Hufeisen wurde zwar vom Kurfürsten zerbrochen und mit einem Begleitschreiben versehen, das diese Leistung gebührend und vollmundig in schönster Manier und sprachlicher Zier zu erörtern weiß, jedoch wollen Stimmen nicht verstummen, die behaupten, das Hufeisen sei vorher präpariert worden … Wir schweigen betreten und wollen es lieber nicht so genau wissen. Hatte hier vielleicht ein kluger Kopf des Dresdner Hofes, der im Falle eines Scheiterns des starken August um seinen fürchtete, »medienwirksam« die Hände im Spiel? Heute staunt man ob solcher »Marketingmaßnahme« im frühen 18. Jahrhundert.

Vielleicht ist es bei August dem Starken ebenso wie bei Königin Luise von Preußen, über die Fontane schrieb, sie hätte nachträglich mehr unter ihren Verehrern als unter ihren Kritikern zu leiden gehabt. Wer also war August der Starke? Wie kam er zur Macht? Stimmt es wirklich, dass er 365 Kinder gezeugt haben soll? Warum ist er auch heute noch eine der populärsten sächsischen Persönlichkeiten?

Die Geschichtsschreibung hat es mit dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König nicht gut gemeint. Während er zu Lebzeiten als sächsischer »Sonnenkönig« verehrt worden war, wandelte sich das Bild bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts schlagartig. Die Zeiten hatten sich geändert. Sachsens »Erzfeind« Preußen strebte eine Vormachtstellung in Europa an. Für das absolutistische Herrscherverständnis, wie es August der Starke personifizierte, war in dieser kriegerischen Phase kein Platz mehr. Der Siebenjährige Krieg, der zwischen 1756 und 1763 zu einem großen Teil auf dem Rücken Sachsens ausgetragen wurde, führte in die Katastrophe: Sachsen war bei Kriegsende bankrott und bedurfte einer grundlegenden Reformierung. Die Ideen der Aufklärung, das Erstarken des sächsischen Bürgertums und neue politische Strömungen führten schnell zu einer Neubewertung der barocken Pracht und des politischen Wirkens Augusts des Starken. Im 19. Jahrhundert wollte man, übrigens in Sachsen wie in Polen, nichts mehr von ihm wissen. August der Starke verkam zum »dummen August«, der als potenter Potentat ständig Kinder gezeugt, geschmacklose Bauwerke geschaffen, Tausende Taler durch- und Tausende Landeskinder in scheinbar sinnlosen Kriegen ums Leben gebracht hatte. Die Kunstschätze im Grünen Gewölbe präsentierte man gern, empfand sie aber im Innersten doch als teuren »Kitsch«, den man kunstgeschichtlich nicht einordnen konnte.

Erst mit der großen Ausstellung »August der Starke und seine Zeit«, die 1933 in Dresden präsentiert wurde, und zahlreichen neuen Forschungsansätzen und wissenschaftlichen Publikationen zu Leben und Werk wurde es allmählich möglich, August dem Starken die Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die seinem historischen Stellenwert entspricht. Und trotz alledem bleibt August der Starke der populärste sächsische Herrscher, der kulinarische König, Hufeisen- und Herzensbrecher. Damit lebt er, sagenhaft überhöht, ein Eigenleben, wie es wohl nur noch auf ähnliche Weise im bayerischen Märchenkönig Ludwig II. seine Entsprechung findet.

Friedrich August I. wurde am 12. Mai 1670 als zweiter Sohn des sächsischen Kurfürsten Johann Georg III. und seiner Frau, der dänischen Königstochter Anna Sophie, geboren. Bei seiner Geburt war nicht abzusehen, dass er jemals die sächsische Herrscherkrone tragen würde, denn der erstgeborene Sohn des sächsischen Kurfürstenpaares, Johann Georg, war dazu erkoren und wurde dementsprechend erzogen. Mit dem kleinen Friedrich August scheint man sich nicht viel beschäftigt zu haben. Er spielte im dynastischen Verständnis nur die Rolle einer Rückversicherung im Falle des Ablebens seines älteren Bruders. Da damit niemand rechnete, konnte der junge Kurfürstensohn seinen Neigungen nachgehen. Die Hofmeister, denen man die Erziehung antrug, hatten alle Hände voll zu tun, um aus diesem rüpelhaften, unberechenbaren, aber auch willensstarken jungen Mann ein ehrenvolles Mitglied des sächsischen Herrscherhauses zu machen. Die Kriegskunst interessierte ihn mehr als das Schöngeistige. Die deutsche Sprache blieb ihm ein Leben lang ein Buch mit sieben Siegeln, und er schrieb so, wie er sprach, nämlich im breitesten Sächsisch. Lieber wollte er an den Kriegsfronten Europas Ruhm und Ehre gewinnen.

Friedrich August wurde damit zum Lieblingssohn seines Vaters, den man auch den »sächsischen Mars« nannte. Zu seiner Mutter hatte August der Starke sein Leben lang ein schwieriges Verhältnis. Um die sittenstrenge Dame machte er einen Bogen, wo er nur konnte, und hütete sich noch als sächsischer Kurfürst und König von Polen, sie zu verärgern. Als der junge Kurfürstensohn pubertierte und erste Amouren pflegte, noch dazu mit einer Hofdame der Kurfürstin, schob seine energische Mutter dieser Entwicklung einen Riegel vor: Der junge Mann wurde auf eine Bildungsreise quer durch Europa geschickt. Ob das allerdings etwas nützte, sei dahingestellt. Denn statt wie erhofft Bildung und höfische Manier auf dieser Reise zu festigen, lernte Friedrich August I. den Prunk und die Pracht der absolutistischen Königshöfe Europas kennen und schätzen und stürzte sich lieber in galante Abenteuer. In Paris entkam er nur knapp einem eifersüchtigen Ehemann mit dem Leben, in Madrid riss er einem Stier die Zunge aus dem Hals. In Venedig hob er aus Kraftmeierei eine schwere Marmorplatte hoch. Die Erinnerung daran wird ihn ein Leben lang begleiten, denn die Marmorplatte stürzte und zerquetschte ihm einen Zeh.

Zurück in Dresden wartete seine Mutter mit der nächsten Überraschung auf ihn: Friedrich August sollte heiraten. Man muss leider sagen, dass die sächsische Kurfürstin bei der Wahl ihrer Schwiegertöchter kein glückliches Händchen bewies. Für ihren Zweitgeborenen sah sie Prinzessin Christiane Eberhardine aus dem Hause Brandenburg-Bayreuth vor. Die in sich gekehrte Landpomeranze und der lebenslustige und in jeder Hinsicht vitale Kurfürstensohn passten so gar nicht zusammen. Mit der Geburt des gemeinsamen Sohnes Friedrich August 1696, vier Jahre nach der Hochzeit 1693, waren für August den Starken die ehelichen Pflichten erfüllt. Das Paar ging von nun an getrennte Wege.

1694 war das Unerwartete geschehen! Friedrich August wurde sächsischer Kurfürst. Wie kam das? 1691 starb Kurfürst Johann Georg III., und sein erstgeborener Sohn kam als Johann Georg IV. an die Regierung. Schon vor der Regierungsübernahme geriet Johann Georg IV. in die Fänge einer sehr einflussreichen Adels-Clique, die ihn steuerte und alles in die Wege leitete, um durch ihn Einfluss auf die Regierungsgeschäfte zu nehmen. Die frühreife Tochter dieser Familie, Sybille von Neitschütz, die schon dem alten Kurfürsten sexuelle Dienste angeboten hatte, wie die Fama zu berichten weiß, versuchte gemeinsam mit ihrer Mutter, den neuen Kurfürsten permanent an sich zu binden. Jedes Mittel war recht, um dieses Ziel zu erreichen, selbst alchemistische Künste wurden hierfür zurate gezogen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis endete abrupt und unerwartet. Sybille von Neitschütz erkrankte an den Blattern und starb 1694 19-jährig. Johann Georg IV., der sie aufopferungsvoll gepflegt hatte, war dabei selbst erkrankt und starb ebenfalls nach kurzem Krankenlager. Was niemand vermutet hatte, wurde wahr: Friedrich August wurde Kurfürst. Gerüchte, sein Bruder sei nicht an den Blattern gestorben, sondern einem Giftmord zum Opfer gefallen, halten sich bis heute.

1696 starb der polnische König Jan Sobieski. Die polnische Königskrone wurde frei. Trotz aller Zweifel und flehenden Bitten seiner Minister, die Hände von dieser »Dornenkrone« zu lassen, bewarb sich Friedrich August I. um sie. Er sah in der Verbindung von Sachsen und Polen einen ungeheuren Vorteil für sich und einen Machtzuwachs für das Haus Wettin. Was er unterschätzte war die Tatsache, dass Polen ein Wahlkönigtum mit einem unabhängigen und starken Adel war. Der König war eher eine Marionette denn ein absolutistischer Herrscher, der uneingeschränkt regieren konnte. Alles hing vom Willen oder Unwillen des polnischen Adels ab. Dazu kam, dass nur ein katholischer Bewerber überhaupt Chancen hatte, gewählt zu werden. August der Starke sah das ganz pragmatisch. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion trat er am 1. Juni 1697 in Baden bei Wien, mit aller nötigen Diskretion, vom protestantischen zum katholischen Glauben über.

Die Nachricht vom Konfessionswechsel des Kurfürsten schlug nach ihrem Bekanntwerden im Kurfürstentum wie eine Bombe ein. Sachsen, das Kernland der lutherischen Reformation, fühlte sich verraten. Lautstark wurde von den Kanzeln verkündigt, es wäre besser gewesen, man hätte den Kurfürsten als Kind im Bade ersäuft. Der Kurfürst ließ die Redner nicht bestrafen … Dreieinhalb Monate später war es dann endlich so weit. Nach einer ungeheuren Bestechungsaktion, die den Stoff für einen Kriminalfilm bieten würde, wurde Friedrich August I. als August II. zum König von Polen gewählt.

Weder als sächsischer Kurfürst noch als polnischer König hatte August der Starke ein glückliches Händchen, was die Durchsetzung seiner politischen Interessen betraf. Das Vermögen, realistisch die Ziele und Möglichkeiten seiner Politik einzuschätzen und Konfliktpotential in der Innen- und Außenpolitik zu erkennen, war ihm nicht gegeben. So steuerte Sachsen-Polen in die kata­strophale Auseinandersetzung des »Nordischen Krieges«. Seinem Gegner, Karl XII. von Schweden, war August der Starke nicht gewachsen, und es rächte sich bitter, dass er nicht auf den Rückhalt der Polen und Sachsen rechnen konnte. Dazu kam, dass sein Verbündeter Zar Peter I. von Russland eigene Interessen verfolgte und nur so weit in den Konflikt eingriff, wie es ihm nutzte. Ein starkes Polen war ihm ein Dorn im Auge. Es kam, wie es kommen musste: August der Starke verlor 1704 die polnische Königskrone, Sachsen wurde von den Schweden okkupiert und musste das schwedische Heer versorgen. Das Kurfürstentum wurde um Jahrzehnte in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Erst 1709 gelang es August dem Starken mit Hilfe und in Abhängigkeit Russlands, wieder König von Polen zu werden. Zeit seiner Regierung ist es ihm nie geglückt, den Traum von einem sächsisch-polnischen Reich, einer Erbmonarchie im Namen der Wettiner, zu verwirklichen. Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht ist wohl auch in der politischen Schwäche und Abhängigkeit Sachsens und Polens zu sehen. Die spätere Bündnispolitik des allmächtigen Ministers Heinrich von Brühl trug das ihre dazu bei. Was Brühl hatte erlisten wollen, nahm sich später Preußen auf Kosten Sachsens mit Gewalt. Der Sturz Sachsens in die politische Bedeutungslosigkeit war damit nicht mehr aufzuhalten. Das alles hat August der Starke jedoch nicht mehr erlebt. Als er am 1. Februar 1733 in Warschau starb, ging eine Ära zu Ende.

Was August dem Starken in der Politik nicht gelang, vollbrachte er in wirtschaftlichen Belangen und auf dem Gebiet der Kunst. So führte er zum Beispiel eine Art Mehrwertsteuersystem ein, das alle Waren gleichmäßig besteuerte. Mit dieser Einnahme machte er den Staat etwas unabhängiger von der Einflussnahme der Landstände, einer Vereinigung des Adels, die das Geld des Landes verwaltete und eher auf ihren eigenen Vorteil denn auf die Stärkung des Kurfürstentums bedacht war. August der Starke bewirkte, dass die Korruption in den Landesbehörden abnahm, denn er ordnete jährliche Kontrollen an, die dazu führten, dass gewissenlose Beamte zwischen Plauen und Zittau zitterten und korrekter arbeiteten, sobald die Visitatoren sich anmeldeten.

Auch seine Menschenkenntnis gereichte dem sächsischen Kurfürsten zum Vorteil. Im Kurfürstentum war jeder, unabhängig von Religion und Herkunft, gern gesehen, wenn er mit seiner Händearbeit dazu beitrug, den Reichtum des Landes und des Hauses Wettin zu mehren. Künstler und Handwerker wurden angezogen, die Werke schufen, die weit über ihre Zeit hinaus reichten. Nicht zuletzt mit der Schaffung dieser Grundlagen gelang es Johann Friedrich Böttger, gemeinsam mit Ehrenfried von Tschirnhaus, das erste europäische Porzellan nachzuempfinden. Das Meissener Porzellan spült noch heute Taler in die sächsische Staatskasse. Der Architekt Matthäus Daniel Pöppelmann und der Bildhauer Balthasar Permoser schufen mit ihren Werken und ihrem architektonischem Schmuck das Antlitz Dresdens, wie es sich über Jahrhunderte bewahrte und der Stadt an der Elbe einen einzigartigen barocken Reichtum bescherte.

Was bleibt also von August dem Starken? Vielleicht das, was ihm am wichtigsten war: seine Legendenbildung und sein kulturelles Erbe. Zeit seines Lebens wirkte er an beiden tatkräftig mit und vermittelte somit späteren Generationen ein Bild, wie er gesehen werden wollte. Seine Mätressen, seine Bauten, seine Feste werden wohl so lange mit ihm in Verbindung gebracht werden, wie man sich seiner erinnert. In August dem Starken paart sich sächsische Gemütlichkeit mit weltmännischem Flair, Entdeckerfreude mit Wissensdurst. Vermutlich lässt ihn das heute noch so populär erscheinen. Prunk und Pracht, Liebe und Macht sind in ihm verschmolzen wie in keinem anderen barocken Herrscher des 18. Jahrhunderts.

Apropos barocke Lebensfreude – hat August der Starke nun tatsächlich 365 Kinder gezeugt? Auch hier ist die Antwort leider ernüchternd. Zwar hatte er zahlreiche »Herzensfreundinnen«, von denen die Gräfin Königsmarck und die Gräfin Cosel wohl die bekanntesten sind, zwar hatte er auch eine zahlreiche Nachkommenschaft aus seinen erotischen Beziehungen, aber so viele Kinder, wie das Jahr Tage hat, hatte er nicht. Diese Unterstellung stammt von Wilhelmine von Bayreuth, der Schwester Friedrichs II. von Preußen. Vielleicht war sie nicht gut auf August den Starken zu sprechen, denn ihr Vater hätte sie gern mit ihm verheiratet. Vielleicht war es aber auch nur höfischer Tratsch, der der Unterhaltung im, nun ja, im Vergleich zu Dresden recht stillen Bayreuth dienen sollte. Georg Piltz, ein Biograf Augusts des Starken, beschließt seine Lebensbeschreibung mit rührender Ironie: Das Herz Augusts wurde nach seinem Tod in einer silbernen Kapsel in der Dresdner Hofkirche beigesetzt. Dass es wieder zu schlagen beginnt, wenn ein junges Mädchen vor­übergeht, ist eine Legende, die dem alten Kavalier sicher gefallen hätte.

Rezepte

Die prunkvollen höfischen Feste am Hofe Augusts des Starken verlangten nach einer einfallsreichen Küche, denn auch hier wollte der sächsische Hof zeigen, was er kann. Schaut man sich die Hofjournale, Bestelllisten und Küchenverzeichnisse an, so staunt man über die Vielfalt der sächsisch-polnischen Küche. Fleisch und Fisch, Gemüse und Obst wurden stets reichlich aufgetragen. Erlesene Süßspeisen, Eis und andere Naschereien gehörten zu jedem Tafelgang dazu. Besonders zwei Festivitäten wollen wir an dieser Stelle hervorheben. Zum einen das Fest oder besser die Festwochen anlässlich der Hochzeit seines Sohnes, des Kurprinzen Friedrich August II., mit der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha im September 1719, zum anderen das »Zeithainer Lustlager«, ein riesiges Manöverspektakel, dass im Herbst 1730 bei Riesa stattfand.

Das aus aller Herren Länder stammende Personal, das in Küche und Keller Augusts des Starken arbeitete, brachte einen Abwechslungsreichtum in die sächsische Küche, der sich durch besondere Gewürzkombinationen, unterschiedlichstes Obst und Gemüse, aber auch durch neuartiges Back- und Nasch­werk auszeichnete. Viele Rezepte, die heute wie selbstverständlich in die Haushalte zwischen Leipzig und Görlitz Einzug gehalten haben, basieren auf dieser »Internationalität«. Vor allem die Verbindung zu Polen führte dazu, dass kulinarische Besonderheiten aus dem Land zwischen Oder und Weichsel in Sachsen Verbreitung fanden. Und auch durch die schwedische Besetzung Sachsens wandelten sich die Ess- und Trinkgewohnheiten. August der Starke bevorzugte privat jedoch einfache, regionale Speisen.

Rinderschwanz mit Petersiliensoße

Zutaten:

1 Rinderschwanz, ¼ l Weißwein, 1 Handvoll Kapern, 1 Handvoll Fenchelwurzel, 1 Handvoll kleingehackte Gewürzgurken, Muskat, Salz

Für die Soße:

gehackte Petersilie, Schmand, Knoblauchsalz, Butter, Salz, Pfeffer, Zucker

Den Rinderschwanz ca. 1 Stunde in Salzwasser garkochen. Den Rinderschwanz herausnehmen und in einen Topf mit ¼ Liter des Kochwassers und ¼ Liter Weißwein geben. Die Kapern, den kleingeschnittenen Fenchel, die Gewürzgurken hinzufügen und mit Muskatnuss, Salz und Pfeffer den Sud abschmecken. Alles zugedeckt so lange kochen, bis Fenchel und Gewürzgurken weich sind. Anschließend den Rinderschwanz aus dem Sud nehmen und auf einer warmen Platte, in Scheiben geschnitten, anrichten.

Für die Soße wird erst etwas Butter, anschließend der Schmand erhitzt. Alles mit Petersilie verrühren und heiß über das Fleisch gießen.

Eierkuchen mit Parmesan

Zutaten:

½ l Milch, 3 Eier, 8 EL Mehl, Parmesan, Butter oder Olivenöl, Salz

Die Milch, die Eier, das Mehl und etwas Salz werden miteinander verquirlt und in eine Pfanne mit der heißen Butter oder dem Olivenöl gegossen. Den Eierkuchen von beiden Seiten goldbraun braten. Mit frischem Parmesan bestreuen, einrollen und heiß servieren.

Pistazienbutter

Zutaten:

1 Handvoll Pistazien (frisch oder geröstet), 250 g Butter

Die frischen Pistazien mit kochendem Wasser überbrühen und die Haut abziehen. Die Pistazien mit einem Wiegemesser kleinhacken oder im Mörser zerkleinern. Die kleingehackten Pistazien in einer Schüssel mit der weichen Butter mischen. Die Masse in einer Pfanne kurz anrösten und in eine feuerfeste Form (Butterform) geben. Die Pistazienbutter erkalten lassen und nach Bedarf verwenden.

August der Starke aß Pistazienbutter gern auf frischen Brötchen.

»Ei, wie schmeckt der Coffee süße«

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Johann Sebastian Bach

… so der Titel einer Arie aus einer der bekanntesten und schönsten weltlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs, der Kaffee-Kantate. Lassen Sie uns ein »Scheelchen Heeßen« aufbrühen. Genießen wir den Duft und Geschmack des »Türkentranks« und versetzen wir uns zurück ins Leipzig des 18. Jahrhunderts, als Johann Sebastian Bach Thomaskantor in der Stadt gewesen ist. Zwar war er gebürtiger Thüringer, und die Liebe zu seiner Heimat und zu deren Gebräuchen, die Pflege des von dort überkommenen musikalischen Erbes, waren ihm immer wichtig. Dennoch hat er die längste Zeit seines musikalischen Schaffens in Leipzig verbracht. 27 Jahre lang, von 1723 bis 1750, hat er in der Messestadt gewirkt, hat hier seine bedeutendsten Kantaten und Passionen aufgeführt und maßgeblich an Leipzigs Ruhm als Musikstadt mitgewirkt.

Bach war gern in Leipzig zu Hause, wenn auch die Stadt, namentlich der Rat der Stadt, ihm das Leben nicht unbedingt leicht gemacht hat. Querelen über Querelen verleideten ihm mehr als einmal das Bleiben. Dennoch ging er nicht weg, reiste von hier aus zu Orgelproben und Orgelweihen in die Umgebung und empfing in seiner Wohnung in der Thomasschule die halbe musikalische Welt. Noch Wilhelm Friedemann Bach bezeugte nach des Komponisten Tod, dass sein Vaterhaus »einem Taubenschlage« geglichen habe. Und setzte er nicht mit seiner Kaffee-Kantate den lieben Sachsen ein unvergleichliches musikalisches Denkmal? Denn die Kaffeeleidenschaft der Leipziger Damen (und auch Herren) war weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Johann Sebastian Bachs musikalisches Talent wurde ihm buchstäblich in die Wiege gelegt. Die Bachs waren in Thüringen die Musikerfamilie. Es gab kaum eine Organisten- oder Kantorenstelle, die nicht von einem der zahlreichen Bachsprösslinge besetzt gewesen wäre.

Am 21. März 1685 erblickte Johann Sebastian Bach als jüngster Sohn des Eisenacher Hof- und Stadtmusikus Johann Ambrosius Bach und seiner Frau Elisabeth das Licht der Welt. Protestantischer Glaube und protestantische Kirchenmusik waren tief verwurzelt in der Familie Bach. Diese frühkindliche Prägung wird Johann Sebastian Bach zeit seines Lebens in seinen Kompositio­nen widerspiegeln und in seinen großen Werken zur höchsten Blüte führen. Die Wartburgstadt war zudem Residenz des kleinen Herzogtums Sachsen-Eisenach und verfügte über ein reges und vielfältiges Kulturleben, wovon der kleine Johann Sebastian zusätzlich profitieren konnte.

Mit dem Tod der Mutter 1694 und dem Tod des Vaters im Jahr darauf endete seine Kindheit abrupt. Die Geschwister wurden innerhalb der Familie aufgeteilt, der Eisenacher Haushalt wurde aufgelöst. Johann Sebastian kam in die Obhut seines älteren Bruders Johann Christoph, der Organist in Ohrdruf war. Dort besuchte Bach das Lyzeum und bekam den ersten Orgelunterricht. Seine schulischen Leistungen waren sehr gut, wie man den Schulzeugnissen entnehmen kann. Hier entstanden Freundschaften, die er lebenslang pflegen sollte, so zu Georg Erdmann, der später als Jurist und Diplomat in Danzig wirkte.

Johann Christoph beeinflusste die musikalische Weiterentwicklung seines jüngeren Bruders wesentlich. Seine Notensammlung umfasste Werkausgaben der berühmtesten Musiker seiner Zeit. Es ist überliefert, dass der kleine Johann Sebastian allnächtlich »bey Mondenscheine« ganze Teile dieser Notensammlung für sich abschrieb und kopierte. Eines Nachts ertappte der Bruder ihn dabei und nahm ihm die mühselig abgeschriebenen Noten kurzentschlossen weg. Man kann sich Johann Sebastians Enttäuschung darüber gut vorstellen. Indes verdeutlicht diese Geschichte gerade das, was Bachs Wesen ausmachte: Wissbegierigkeit und Durchhaltevermögen.

In der Zeit von 1700 bis 1703 finden wir Johann Sebastian Bach als Schüler an der Partikularschule in Lüneburg wieder. Vielleicht lag der Schulwechsel darin begründet, dass in Ohrdruf ein kostenloser Besuch des Lyzeums nicht mehr möglich war und der Geldbeutel von Johann Christoph Bach aufgrund der eigenen Familie derart strapaziert war, dass für den jüngeren Bruder kein Schulgeld bezahlt werden konnte. Vielleicht rührte er aber auch aus Bachs gestiegenem Interesse her, die neuesten musikalischen Strömungen außerhalb Ohrdrufs kennenzulernen und Orte aufzusuchen, die unter Musikern einen guten Ruf besaßen. In Lüneburg und im benachbarten Hamburg, das der junge Bach zu Fuß aufsuchte, entdeckte er die Gedankenwelt der norddeutschen Orgelschule. Darüber hinaus lernte er im benachbarten Celle zum ersten Mal Prunk und Pracht eines absolutistischen Hofes nach Versailler Vorbild kennen. Die Pflege der Musik im französischen Stil an diesem Hofe durch eine hervorragende Hofkapelle prägte das spätere weltliche Musikschaffen Bachs entscheidend.

Am 9. August 1703 trat Bach seine erste Stelle als Organist der Neuen Kirche in Arnstadt an. Von Anfang an stand sein Engagement in der Residenz der Grafen zu Schwarzburg-Arnstadt unter keinem guten Stern. Ärger mit dem kirchlichen Konsistorium, mit Musikern und der Kirchgemeinde verleidete ihm das Amt bereits nach kurzer Zeit. Bachs Kompromisslosigkeit in musikalischen Belangen und seine Sturheit mögen Anteil daran haben, dass die in den Ratsakten vermerkten Versäumnisse und Tadel stetig zunahmen. Das beengte geistige Klima der Stadt ließ Bach immer wieder an schier unüberwindbare Grenzen stoßen. Zähneknirschend sah man in Arnstadt über die Kapriolen des jungen Mannes hinweg. Schließlich war sein Ruf als ausgezeichneter Organist inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Das Fass lief endgültig über, als er einen vierwöchigen Urlaub zu Studienzwecken in Lübeck um zwei Monate überzog, nach seiner Rückkehr eine »frembde Jungfer«, wohl seine spätere Frau Maria Barbara, zu sich auf die Orgelbank nahm, die Choräle während des Gottesdienstes so intonierte, dass die Gemeinde nicht mitsingen konnte und er auf dem Arnstädter Marktplatz in eine lautstarke Rauferei mit einem Musiker geriet. Rat und Konsistorium schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Bach wurde Dauergast im Rathaus, musste ständig Aussprachen und Tadel über sich ergehen lassen. Nur sein jugendliches Alter und der Name Bach mögen ihn vor erheblicheren Straf­aktionen bewahrt haben.

Da kam das Angebot wie gerufen, die frei gewordene Stelle des Organisten an der ­Divi-Blasii-Kirche in Mühlhausen zu übernehmen. In der Freien Reichsstadt Mühlhausen freute man sich, den thüringenweit bekannten Organisten in seinen Mauern begrüßen zu dürfen. Im Juli 1707 trat Bach dieses Amt an. Das höhere Salär gab ihm die Möglichkeit, eine Familie zu gründen. Endlich konnte er seine Maria Barbara vor den Traualtar führen. Einen Wermutstropfen gab es aber: Kurz vor Bachs Amtsantritt waren große Teil der Stadt einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen. Für den Ratswechsel 1708 beauftragte ihn der Rat der Stadt mit der Komposition einer großangelegten Kantate: Gott ist mein König zeigte zum ersten Mal Bachs Meisterschaft, Musik und Text ausdrucksstark in Einklang zu bringen. Der Rat war so davon angetan, dass er das Werk auf seine Kosten drucken ließ. Nach genau einem Jahr endete jedoch das Engagement Bachs in Mühlhausen. Eine durch den Stadtbrand ausgelöste Teuerung und eine glaubenspolitische Auseinandersetzung an den Kirchen der Stadt waren die Gründe dafür, dass sich Johann Sebastian Bach nach einem neuen Brotherrn umschaute.

In Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar hoffte er, diesen gefunden zu haben. Bach zog mit seiner schwangeren Frau in die Residenz an der Ilm. Der Weimarer Hof hatte bei weitem nicht den Glanz anderer Fürstenhöfe zu bieten. Herzog Wilhelm Ernst war ein durch und durch bigotter, tiefgläubiger Mensch. Für ihn diente die Musik einzig und allein der Ausschmückung des Gottesdienstes und besaß keinen selbständigen Stellenwert. Oper und weltliche Musik galten ihm als suspekt. Bach machte das Beste aus dieser Situation und beschäftigte sich mit der Komposition zahlreicher Orgelwerke. Als er im März 1714 zum Konzertmeister ernannt wurde, konnte er auch wieder Kantaten schreiben. Dennoch waren die Verhältnisse in Weimar alles andere als zufriedenstellend. Während einer Reise lernte er den Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen kennen. Zwischen beiden entwickelte sich ein fast freundschaftliches Verhältnis. Bach nahm das Angebot des Fürsten an, nach Köthen zu wechseln. War er sich bewusst, dass er damit seinen Weimarer Arbeitgeber düpierte? Herzog Wilhelm Ernst schäumte vor Wut über den Alleingang seines Konzertmeisters und ließ Bachs nachträgliches Abschiedsgesuch unbeantwortet liegen. Wochen vergingen. Bach drängte mit Nachdruck mehrmals auf Beantwortung seines Gesuches. Dem Herzog platzte der Kragen: Er ließ Bach Anfang November in der Landrichterstube arretieren. In Weimar geriet man nun in diplomatische und politische Turbulenzen, denn in Köthen wartete man ungeduldig auf den neuen Hofkapellmeister. Benachbarte Höfe hatten Wind von der Sache bekommen und schauten belustigt dem Treiben am Weimarer Hof zu. Die Blamage schien perfekt. Selbst die Minister des Weimarer Herzogs rieten zur Mäßigung. Schließlich gab der Herzog nach und entließ Anfang Dezember 1717 seinen halsstarrigen Untertanen, allerdings mit angezeigter Ungnade.

In Köthen fand Johann Sebastian Bach ideale Arbeitsbedingungen. Fürst Leopold von Anhalt-Köthen war ein musisch interessierter und talentierter Souverän, der der Musik am Hofe einen hohen Stellenwert beimaß. Die mit hervorragenden Musikern besetzte Hofkapelle bot Bach die Gelegenheit, aufwendige Instrumentalwerke zu komponieren. Darüber hinaus hatte er Gelegenheit, sich mit der Komposition von Werken für Cembalo und Klavier zu beschäftigen. Dies umso mehr, da in Köthen durch den reformierten Glauben des Herrscherhauses nur wenig Bedarf an geistlicher Musik bestand. Die Sechs Brandenburgischen Konzerte, die Orchestersuiten, die Violinkonzerte und das Wohltemperierte Klavier dürften zu den Meisterwerken zählen, die während Bachs Köthener Jahre entstanden sind.

Die glückliche Zeit endete 1720. Während einer Reise mit dem Hof nach Karlsbad starb in Köthen Bachs Ehefrau Maria Barbara. Bach erfuhr davon erst nach seiner Rückkehr. Der Schmerz über den Verlust seiner Partnerin und der Mutter seiner Kinder mag so überwältigend gewesen sein, dass Bach sich im September 1720 um die Organistenstelle an der St.-Jacobi-Kirche in Hamburg bewarb. Man lud ihn zum Probespiel ein und hätte ihm auch gern die Stelle angeboten. Allerdings war es in Hamburg üblich, dass Amt zu »kaufen«, also der auserwählte Kandidat sich gegenüber den Kirchenbehörden mit klingender Münze »erkenntlich« zeigte. Bach war weder Willens noch finanziell imstande, dieser unausgesprochenen Bedingung zu entsprechen. Unverrichteter Dinge kehrte er nach Köthen zurück. In Hamburg sprach es sich schnell herum, wen man da verprellt hatte. Und die Kritik am Konsistorium ließ nicht lange auf sich warten. Erdmann Neumeister, ein Freund Bachs in Hamburg und Textdichter mancher Bach’scher Kantate, schrieb, dass selbst wenn sich ein Engel um eine Kantoratsstelle in Hamburg bewerben und wunderbar Orgel spielen würde, aber kein Geld hätte, er schnell wieder davonfliegen müsse.

Am 3. Dezember 1721 heiratete Bach in Köthen in zweiter Ehe die Fürstliche Sängerin Anna Magdalena Wilcke. Dieses für Bach glückliche Ereignis konnte jedoch langfristig nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Stimmung am Köthener Hofe allmählich eintrübte. Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren. Mag sein, dass die Heirat des Fürsten Leopold mit einer Bernburger Prinzessin großen Anteil daran hatte, dass das freundschaftliche Verhältnis zu Bach abkühlte (mitleidlos betitelt Bach die Fürstengattin in einem späteren Brief an seinen Schulfreund Georg Erdmann als »amusa«), mag sein, dass der Fürst aufgrund seiner Regierungsverantwortung allmählich die Lust am Musizieren verlor: Bach sah am Köthener Hof für sich und seine Familie keine Perspektive mehr und erachtete einen Ortswechsel als zwingend notwendig. Da bot sich ihm 1722 die Gelegenheit, sich um die frei gewordene Stelle des Thomaskantors in der kursächsischen Messestadt Leipzig zu bewerben. Die Stadt an der Pleiße zählte zu den fortschrittlichsten Städten nicht nur im Kurfürstentum Sachsen, sondern im ganzen deutschen Reich. Bürgerliches Selbstbewusstsein, Handelsbeziehungen in alle Herren Länder sowie ein geistig und kulturell aufgeschlossenes Klima begünstigten das Wachstum der Stadt enorm.

Ende Mai 1723 trat Bach seinen Dienst als Kantor der Thomaskirche in Leipzig an. Bachs Amtszeit war von Anfang an mit Schwierigkeiten verbunden. Erst nach langem Hin und Her und nachdem zahlreiche Bewerber, darunter Georg Philipp Telemann, freiwillig das Handtuch geworfen hatten, wählte man ihn zum Thomaskantor. »Da man keine Besseren bekäme, müsse man mittlere nehmen«, so der O-Ton eines Ratsherrn. Auch war das Amt bei weitem nicht so »favorable«, wie es anfangs den Anschein gehabt hatte: ein marodes Schulgebäude, unhygienische Unterbringungsmöglichkeiten für die Schüler, daraus resultierend Ungehorsam und Krankheit der Schüler, ein handlungsunfähiges Rektorat, ein kirchliches Konsistorium, das jede Modernisierung verhinderte, und ein Rat, der tatenlos zusah. Um die Thomasschule machten die Leipziger im Normalfall lieber einen weiten Bogen, denn sie galt als die Armenschule der Stadt.

Das Arbeitspensum des Thomaskantors war kaum zu bewältigen. Bach war für die Kirchenmusik in den beiden Hauptkirchen der Stadt verantwortlich, musste jeden Sonntag eine neue Kantate aufführen und hatte überdies Latein- und Gesangsunterricht zu erteilen. Aufgrund seiner Kompromisslosigkeit war er darüber hinaus von Beginn bis zum Ende seiner Amtszeit ständig in Reibereien mit allen möglichen Institutionen der Stadt verwickelt. Es grenzt an ein Wunder, dass während der Jahre zwischen 1723 und 1750 in Leipzig seine bedeutendsten vokalen und kammermusikalischen Werke entstanden: 1724 die Johannes-Passion, 1727 die Matthäus-Passion, 1734/35 das Weihnachtsoratorium, 1741 die Goldberg-Variationen, 1747 (anlässlich eines Besuches beim preußischen König Friedrich II.) das Musikalische Opfer, 1749 die Kunst der Fuge.

1729 übernahm Bach ein studentisches Collegium Musicum, das in einem der zahlreichen Leipziger Kaffeehäuser untergebracht war. Dort musizierte er zweimal die Woche ein weltliches Repertoire, zu dem unter anderem auch die Kaffee-Kantate und Huldigungsmusiken für das sächsische Herrscherhaus, Bürgerliche und Adlige gehörten. Bach zog den Kantorenrock aus, legte den Spielmannskittel an und verschaffte sich hier eine Atempause vom anstrengenden Amt des Thomaskantors.

1749 erkrankte Bach schwer. Er konnte kaum noch sehen. Der Rat der Stadt rechnete insgeheim schon mit seinem Ableben und lud bereits zum Probespiel ein. Mehrere Kandidaten bewarben sich um die Nachfolge. Den Zuschlag bekam ein eher unbedeutender Musiker namens Gottlob Harrer aus Dresden. Kein Wunder, denn sein Protegé Graf Brühl, allmächtiger Minister am sächsisch-polnischen Hof, setzte seine Ernennung beim Leipziger Rat ohne Widerspruch durch. Doch Bach konnte sich so weit erholen, dass er sich einer Augenoperation, die ein selbsternannter »Star-Stecher«, ein Mr. Taylor aus London, durchführte, unterziehen konnte. Als Folge dieser Operation bekam Bach einen Schlaganfall, an dem er am 28. Juli 1750 starb. Der Rat der Stadt atmete auf. Endlich hatten die jahrelangen Zwistigkeiten mit diesem Sturkopf ein Ende. Ein Ratsherr schrieb kurz nach Bachs Ableben in Bezug auf einen Nachfolger: »Die Schule brauche einen Cantorem und keinen Capellmeister.«

Bachs Söhne Wilhelm Friedemann, Carl Philipp Emanuel und Johann Christian setzten die musikalischen Traditionen des Elternhauses auf eigene Weise fort. Mit den Werken ihres Vaters konnten sie jedoch nur noch wenig anfangen. Die Zeit schien über Bach hinweggegangen zu sein. Neue musikalische Strömungen und ein sich wandelnder musikalischer Geschmack trugen das ihre dazu bei, dass sich seiner nur noch wenige Musiker erinnerten und ihn wertschätzten. Jahrzehnte später, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, versuchte Robert Schumann das Grab Bachs auf dem Leipziger Johanniskirchhof zu finden. Der Totengräber antwortete achselzuckend auf Schumanns Frage, wo denn das Grab Bachs zu finden sei: »Bachs gäb’s viele.« Die Suche nach der letzten Ruhestätte des Komponisten blieb ohne Erfolg. Erst zweihundert Jahre nach seinem Tod wurden seine inzwischen nach aufwendiger Suche wieder aufgefundenen Gebeine in der Thomaskirche zur letzten Ruhe gebettet.

Rezepte

Zeit seines Lebens war Johann Sebastian Bach dem Essen und Trinken recht zugetan. Dennoch lässt sich aus den wenigen schriftlichen Überlieferungen eher auf eine einfache Ernährungsweise der Familie schließen, was wohl mit der Größe der Familie, aber auch mit dem sparsam veranschlagten Budget für die Küche zu tun hatte. An vielen seiner Wirkungsorte wie Mühlhausen, Weimar und Köthen waren Lebensmittelzugaben Bestandteil des Honorars, das ihm gezahlt wurde. Zusätzliche Einnahmen oder Naturalien erhielt Bach bei Aufführungen von Huldigungskantaten oder anlässlich anderer in privaten Kreisen aufgeführter Konzerte. Als Thomaskantor schrieb Bach aus Leipzig an einen Freund, dass die Stadt ein teurer Ort mit hohen Lebenshaltungskosten sei. Lieferungen von Naturalien an den Leipziger Kantorenhaushalt durch andere Mitglieder der weitverzweigten Bachfamilie waren dort dementsprechend sicher willkommen.

Leipziger Lerchen

Zutaten:

250 g Mehl, 1 Ei, 1 Prise Salz, 1 Schluck Weinbrand, 70 g Zucker, 125 g Butter

Für die Füllung:

250 g Aprikosenkonfitüre, 125 g Butter, 150 g Puderzucker, 1 Eigelb, 150 g geriebene Mandeln, Bittermandelaroma, 75 g Mehl, Speisestärke, 4 Eiweiß

Mehl in eine Schüssel sieben. Anschließend eine Mulde hineindrücken. In die Mulde werden erst das Ei, Salz und Weinbrand gegeben, dann Zucker und die Butter hinzugefügt. Den Teig kneten und an einem kühlen Ort eine halbe Stunde ruhen lassen.

Die Aprikosenkonfitüre wird durch ein Sieb gestreift. Die zimmerwarme, weiche Butter wird geschlagen, bis sie schäumt. Anschließend den Puderzucker, das Eigelb, das Mandelmehl, die geriebenen Mandeln, wenige Tropfen Bittermandelaroma, Stärke und Mehl langsam hinzufügen. Die vier Eiweiß steifschlagen und unter die Masse heben.

Den Teig ausrollen und ca. 5 bis 6 cm große Kreise ausstechen. Etwas Teig aufheben. Die Kreise in flache, ausgefettete Backförmchen legen und an den Seiten hochdrücken. Den ausgelegten Teig in den Backförmchen anstechen und die Füllung darübergeben. Über die Förmchenöffnungen jeweils zwei Teigstreifen kreuzförmig legen. Im vorgeheizten Backofen (180 Grad) eine halbe Stunde backen. Die Förmchen herausnehmen, abkühlen lassen und stürzen. Die »Lerchen« mit dem Kreuz nach oben servieren.

In der Barockzeit waren Singvögel tatsächlich Bestandteil der »Leipziger Lerchen«. Das Teigkreuz erinnert noch heute an die verschnürten, im Teigmantel gebackenen Lerchen von damals. Mit dem Fangverbot für Singvögel im 19. Jahrhundert ließen sich die Leipziger die Füllung, die heute noch bekannt ist, einfallen.

Leipziger Allerlei

Zutaten:

20 Krebsschwänze, 20 g in heißem Wasser (100 ml) eingeweichte getrocknete Spitzmorcheln, 150 g Weißbrot (entrinden, feinhacken, mit 150 ml Milch übergießen), 2 Eigelb, 150 g Butter, 2 steifgeschlagene Eiweiß, 500 g Erbsen, 400 g Blumenkohlröschen, 800 g Spargelstücke, 10 feine, geputzte Möhrchen, 30 g Mehl, 4 EL Weißwein, 200 ml Sahne, Kerbel, Salz, Pfeffer

Eigelb mit 50 g weicher Butter verrühren, das Weißbrot hinzugeben und den Eischnee unterheben. Alles gut vermischen und mit Salz abschmecken. Den Spargel zugedeckt und mit etwas Salz und Zucker gewürzt garen. Anschließend aus dem Sud nehmen und warmstellen. Die Erbsen, Blumenkohlröschen und Möhrchen bissfest garen. Aus der Weißbrotmasse kleine Kugeln formen und in leicht siedendem Salzwasser ca. 8 Minuten garen und aus dem Wasser nehmen. Die Morcheln ausdrücken und unter kaltem Wasser abspülen. Den Morchelfond durch ein Haarsieb passieren. 80 g Butter mit dem Mehl glattrühren. Nun etwas Spargelwasser (250 ml) mit dem Morchelsud und der Sahne aufkochen. Die Butter-Mehl-Mischung unter Rühren aufkochen. Mit Salz, Pfeffer und dem Weißwein abschmecken. Die Morcheln und die Krebsschwänze in etwas heißer Butter schwenken und mit Salz würzen.

Alles zusammen auf einer Platte anrichten.

Gebackener Hecht mit Meerrettich

Zutaten:

1 frischer, ausgenommener, küchenfertiger Hecht, frisch geriebener Meerrettich, Mehl, Butter, Weinessig, Zucker, Salz, Pfeffer

Den Hecht mit Salz und Pfeffer innen und außen einreiben. Anschließend in Mehl wenden und in Butter goldbraun braten. In eine ovale Kasserolle den gebratenen Hecht geben und mit einer Handvoll geriebenen Meerrettich bestreuen. Jeweils ¼ Liter Weinessig und ¼ Liter Wasser dazugießen, die Butter dazugeben und mit etwas Zucker abschmecken. Den Hecht im Sud ca. 20 Minuten leicht köcheln, bis dieser gargekocht ist. Auf einer Platte anrichten, mit ausgelassener Butter übergießen, dazu Kartoffeln reichen.