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Jan Beinßen

Frankenwein und

eine Leiche

 

Paul Flemmings zwölfter Fall

 

Kriminalroman

 

 

 

ars vivendi

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (Erste Auflage August 2017)

© 2017 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

Lektorat: Stephan Naguschewski

Umschlaggestaltung: FYFF, Nürnberg

Motivauswahl: ars vivendi

Coverfoto: © Markus Spiske/photocase

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

eISBN 978-3-86913-861-9

 

Inhalt

Prolog

Montag, 4. September

Dienstag, 5. September

Mittwoch, 6. September

Donnerstag, 7. September

Freitag, 8. September

Samstag, 9. September

Epilog

Danke

Der Autor

 

»Sende mir noch einige Würzburger, denn kein anderer Wein will mir schmecken.«

Johann Wolfgang von Goethe

 

Prolog

Weißwein aus Franken. Erstklassig im Geschmack und viel feiner strukturiert, als er es von Wein gewohnt war. Als Bryan Dexter gegen Mitternacht in seine Kajüte wankte, fühlte er sich beschwingt von einem äußerst vergnüglichen Abend, im Laufe dessen er mehrere Gläser dieses köstlichen Getränks zu sich genommen hatte. Eine höhere Qualität hätte er wohl selbst im kalifornischen Napa Valley nicht erwarten können, von wo er sonst seine besten Tropfen bezog. So dachte er, streifte seine Herrenslipper von den Füßen und streckte sich auf dem seidenweichen Bett aus.

In den vergangenen Stunden hatte er ein paar ebenso angenehme wie belanglose Gespräche führen können. Small Talk mit anderen Gästen der Schiffsbar, ab und zu unterbrochen von den Darbietungen eines Alleinunterhalters, eines Elvis-Imitators, der seine Sache recht gut machte. Auch seine Frau Bethany hatte den Abend genossen, das heißt: Sie genoss ihn noch immer. Dexter hatte nichts dagegen, dass sie länger blieb als er, denn er wollte sie nicht einschränken. Vor dreißig Jahren, als er in ihrem Alter gewesen war, hatte er selbst oft die Nacht zum Tag gemacht und war an den Wochenenden oder in Urlaubszeiten wie jetzt selten vor Anbruch der Morgendämmerung zu Bett gegangen. Heute sah das anders aus: Dexter war noch immer agil und unternehmungslustig, doch inzwischen schätzte er es durchaus, wenn er sich beizeiten zurückziehen konnte.

Während er entspannt auf dem Laken lag und sich fragte, ob er es schaffen würde, sich noch einmal aufzuraffen, um seinen Smoking gegen einen Pyjama zu tauschen, überkam ihn ein seltener Anflug von Glücksgefühlen. Wie gut es ihm doch ging, dachte er, dass er mit seiner bezaubernden jungen Frau diese faszinierende Reise unternehmen konnte. Ein Trip voller Highlights. Mit den grandiosen Metropolen des alten Europa, von Budapest bis Amsterdam. Und das an Bord eines schwimmenden Fünfsternehotels mit allem erdenklichen Komfort, denn nichts anderes war das Flusskreuzfahrtschiff MS Walküre als eine auf Kiel gelegte Nobelherberge. Luxus pur.

Dem nächsten Landgang sah Dexter bereits erwartungsvoll entgegen. Morgen würden sie Nürnberg erreichen, die legendäre Reichsstadt. Er freute sich auf die Kaiserburg und Bratwürste, und selbstverständlich würde er das Aufmarschgelände der Nazis besichtigen und sich auf der Empore in Positur stellen, auf der einst Adolf Hitler seine Reden geschwungen hatte. Bethany würde in der Zwischenzeit durch Nürnbergs Shoppingmeilen streifen. Sie hatte sich bereits schlaugemacht: In der Kaiserstraße waren internationale Fashionmarken wie Hermès, Lloyd und Louis Vuitton ansässig. Es gab dort feinstes Leder, edle Accessoires und ausdrucksstarken Schmuck. Seine Liebste wäre also für eine Weile beschäftigt und käme am Abend mit prall gefüllten Einkaufstaschen zurück an Bord, malte sich Dexter mit zufriedenem Lächeln aus. Sollte sie nur sein Geld ausgeben. Er liebte es, seine wunderschöne Beth zu verwöhnen.

Ja, ihm ging es gut, dachte Dexter mit tiefster Dankbarkeit. So gut, dass seine Probleme, die ihn zu Hause in Minnesota plagten, in weite Ferne rückten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn zwischen Europa und seiner Heimat, den Vereinigten Staaten, lag ein ganzer Ozean. Diese Distanz wirkte sich noch stärker auf sein Wohlbefinden aus, als er es sich erhoffen durfte. Sie ließ all die Unliebsamkeiten, die sein Dasein als millionenschwerer Möbelproduzent mit sich brachte, klein und nichtig erscheinen. Vor allem der Ärger, den er derzeit mit seinen Geschäftspartnern hatte, erschien ihm von hier aus betrachtet längst nicht mehr so bedrohlich, wie es in der Heimat der Fall war: Die Daumenschrauben wollten sie ihm anlegen und kräftig daran drehen. Aber bei Bryan Dexter waren sie an den Falschen geraten. Er würde sich nicht einschüchtern lassen und ihnen stattdessen die Stirn bieten. Sollten sie sich doch jemanden anderen suchen, den sie für dumm verkaufen und ausnehmen konnten.

Die Deadline, die sie ihm genannt hatten, um die Dinge mit ihnen ins Reine zu bringen, hatte Dexter verstreichen lassen. Nicht nur das: Er hatte seinen Europaurlaub so terminiert, dass diese Leute ihren Worten keine Taten folgen lassen konnten. Hier, Tausende Kilometer von Minnesota entfernt, kamen sie nicht an ihn heran. Das war zwar keine dauerhafte Lösung, doch bis er nach langer Reise zurück in seine Heimat kommen würde, würde ihm sicherlich etwas einfallen, um die Wogen zu glätten.

So sah Dexters Kalkül aus. Pragmatisch und ganz sicher von Erfolg gekrönt, wie fast immer, wenn Dexter Geschäfte machte. Nichts anderes war es ja, um was es diesen Leuten ging: Sie wollten einen guten Deal mit ihm abschließen. Es kam bloß darauf an, dass der Preis stimmte, und Dexter war sich sicher, dass der Handel am Schluss gut für ihn ausgehen würde. Bei dieser durchaus positiven Aussicht schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht.

Als sich wenig später der Türknauf drehte, wunderte sich Dexter, dass Bethany schon jetzt in die Kabine kam. Ob der Champagner ausgegangen war, fragte er sich im Scherz und freute sich darauf, seine Frau in die Arme schließen zu können. Mit ihr hatte er auf seine alten Tage einen wahren Glücksgriff gelandet: eine Schönheit, eine Göttin, noch dazu schlagfertig und amüsant. Eine wahre Bereicherung für den Herbst seines Lebens.

Die Tür öffnete sich langsam, doch anstelle der liebreizenden Bethany in ihrem atemberaubenden Abendkleid füllte jemand anders den Rahmen aus. Breit und massig, ganz in Weiß gekleidet. Jemand von der Besatzung? Aber was wollte er um diese Zeit, und weshalb hatte er nicht angeklopft? Dexter tastete nach seiner Brille, die auf seinem Nachttisch lag. Er fragte sich, ob sich der ungebetene Gast vielleicht im Flur getäuscht hatte. Denn für das Personal waren die einfachen Kajüten unter Deck vorgesehen.

Dexter bekam seine Brille zu fassen, setzte sie auf und wollte seinen Augen nicht trauen.

»What the hell …«, begann er und stand auf. Weiter kam er nicht. Der Eindringling hob seine rechte Hand, in der er eine mattschwarze Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer hielt. Noch ehe Dexter eine Chance hatte zu begreifen, was eigentlich vor sich ging, feuerte der Mann zwei Projektile auf ihn ab.