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Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft · Band 257

Herausgeber: Deutsche Vereinigung für SportwissenschaftISSN 1430-2225

Ina Hunger, Sabine Radtke & Heike Tiemann (Hrsg.)

Dabei sein ist (nicht) alles.
Inklusion im Fokus
der Sportwissenschaft

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Ina Hunger, Sabine Radtke & Heike Tiemann (Hrsg.)

Dabei sein ist (nicht) alles.
Inklusion im Fokus der Sportwissenschaft

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© Ina Hunger

Endredaktion: Jennifer Franz

eISBN 978-3-88020-656-4

Alle Rechte vorbehalten

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

INA HUNGER, SABINE RADTKE & HEIKE TIEMANN

Inklusion im Fokus der Sportwissenschaften. Zur Einführung

SABINE RADTKE

Zum pädagogischen Inklusionsdiskurs im nationalen und internationalen Raum. Grundlegende Entwicklungsschritte im Bildungswesen sowie im Bereich des Sports

MATTHIAS SCHIERZ

Inklusion im Zustand der Konfusion – Herausforderungen und Desiderate der Sportpädagogik

HEIKO MEIER

Inklusion im Sport – Die soziologische Perspektive

OLAF HOOS

Inklusion im Fokus der Sportwissenschaft – Trainings- und bewegungswissenschaftliche Aspekte

MANFRED WEGNER

Inklusion – Die sportpsychologische Perspektive

JOHANNES VERCH

Inklusion als Exklusion? Diskurs- bzw. gesellschaftsanalytische Überlegungen zu einer neuen Heilsformel

GUDRUN DOLL-TEPPER

Inklusion im und durch Sport – Entwicklungen und Perspektiven aus der Sicht des DOSB

DEUTSCHE VEREINIGUNG FÜR SPORTWISSENSCHAFT

Inklusion und Sportwissenschaft – Positionspapier der dvs

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

INA HUNGER, SABINE RADTKE & HEIKE TIEMANN

Inklusion im Fokus der Sportwissenschaften. Zur Einführung

Das Thema Inklusion ist spätestens seit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung im Jahr 2009 zu einer zentralen bildungs- und gesellschaftspolitischen Aufgabe unserer Zeit geworden. Auch die Sportwissenschaft stellt sich dem Thema und muss Konsequenzen für Forschung, Lehre und Beratung von sport- und bewegungsbezogenen Handlungsfeldern ziehen. Waren es bis vor wenigen Jahren nur vereinzelte Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler, die sich im Austausch mit dem organisierten Sport oder mit anderen Fachdisziplinen dem Thema widmeten, so kann sich nunmehr kaum ein/e Sportwissenschaftler/in gänzlich der Thematik entziehen. Immer deutlicher sind Forderungen nach sportwissenschaftlicher Grundlagenforschung sowie angewandter Forschung im Bereich Inklusion zu vernehmen und werden Forschungsdesiderate konturiert. Zunehmend mehr Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler sehen sich damit konfrontiert, dass sich ihre (zu beforschenden) Handlungsfelder unter der Rahmung „Inklusion“ verändern bzw. – normativ gewendet – verändern sollen. Immer deutlicher wird der Anspruch wahrgenommen, dass sportwissenschaftliche Ausbildungsinhalte im Hinblick auf inklusive Anforderungen der späteren Settings angepasst und institutionelle Ausbildungsstrukturen selbstkritisch auf inklusive Ansprüche hin geprüft werden müssen. Dabei zeichnen sich innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses – für eine interdisziplinäre scientific community nicht unüblich – kontroverse Debatten ab. Ziel des vorliegenden Bandes ist es, Ausschnitte ebendieses interdisziplinären Diskurses abzubilden.

Widersprüchliche Auffassungen sind bereits mit der Verwendung des Begriffs „Inklusion“ vorprogrammiert und entzünden sich (implizit oder explizit) immer wieder an der Frage, ob mit der Wortnennung einem „engen“ oder einem „weiten“ Begriffsverständnis gefolgt wird. Während das sogenannte „enge“ Begriffsverständnis primär auf die Kategorie „Behinderung“ rekurriert und darauf abzielt, dass Menschen mit Behinderung oder personalen Förderbedarfen eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden soll, liegt dem „weiten“ Begriffsverständnis die umfassendere Idee zugrunde, dass prinzipiell alle Menschen – unabhängig von ihren soziodemografischen Merkmalen, ihren individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen und ihren Einstellungen und Lebenskonzepten – das Recht auf volle soziale Partizipation in der Gesellschaft haben. Daran schließt sich die Forderung an, dass entsprechende gesellschaftliche Grundvoraussetzungen für die Akzeptanz von Vielfalt und potenzielle Teilhabe aller geschaffen werden müssen. Mit Blick auf sport- und bewegungsbezogene Themen legen die jeweiligen Begriffsauslegungen somit einen unterschiedlichen personalen Fokus und verändern daraus folgend Dimensionen und Visionen.

Doch nicht nur im Hinblick auf das „enge“ oder „weite“ Begriffsverständnis entfachen kontroverse Debatten. Gleichsam kontrovers schließen sich Diskurse über verschiedene Auslegungen der jeweiligen Ansprüche, der interpretierten Potenziale und Grenzen von Inklusion an, und es divergieren entsprechend die wissenschaftlichen Positionierungen und empfohlenen Handlungskonsequenzen. Nicht immer geht es dabei nur um den akademischen Austausch von Perspektiven, Argumentationen und Positionen. Nicht selten wird dabei auch implizit um Überzeugungen von Gleichheit, Gerechtigkeit und um ‚richtige‘ Menschenbilder gerungen.

Auch wenn das Thema ‚Inklusion‘ mittlerweile zu einem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema innerhalb der Sportwissenschaft avanciert ist, wurden die Diskussionen bislang vornehmlich innerhalb der sportwissenschaftlichen Einzeldisziplinen geführt. Mit der Veranstaltung „Dabei sein ist (nicht) alles. Inklusion im Fokus der Sportwissenschaft“, welche die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) als 2. Interdisziplinären Expert/innen-Workshop am 12. Februar 2015 in Göttingen durchführte, sollte ein Zeichen gesetzt werden. Ziel war es unter anderem, über die Grenzen der disziplinspezifischen dvs-Sektionen hinweg einen Austausch über disziplinäre Perspektiven und kontroverse Standpunkte anzuregen und sich über sportwissenschaftliche Querschnittsaufgaben zu verständigen. Ein wesentlicher Teil der Beiträge, die auf dem Workshop gehalten wurden, ist in diesem Band zusammengefasst.

Der Band beginnt mit einem einführenden Beitrag von Sabine Radtke (Paderborn) zum pädagogischen Inklusionsdiskurs im nationalen und internationalen Raum. Nach einem historischen Abriss der Entwicklungen im Schulwesen wird der Verlauf des Inklusionsdiskurses in der Fachdisziplin Adapted Physical Activity (APA) beleuchtet, der jahrelang weitgehend unbemerkt an der deutschsprachigen Community vorübergegangen ist. Abschließend wird eine Erklärung gesucht für die auffällig emotionale Reaktion, die das Stichwort „Inklusion“ im aktuellen Diskurs in Deutschland nicht selten auslöst.

Im zweiten Beitrag diskutiert Matthias Schierz (Oldenburg) Inklusion im Kontext von pädagogischer Professionalität und politischer Utopie und markiert die analytische Kategorie „Konfusion“ nach Wilke (2014) als einen Horizont, vor dem Forschungsdesiderate und Herausforderungen der Sportpädagogik sichtbar werden. Der aktuelle Zustand der Inklusionsdebatte wird dabei in drei Varianten des Wortsinns von Konfusion (Vermischung, Verwirrung, Verlegenheit) analysiert.

Im dritten Beitrag bringt Heiko Meier (Paderborn) die soziologische Sichtweise auf das Inklusionsthema ein und beschreibt zunächst das systemtheoretische Verständnis von Inklusion nach Luhmann (1984). Darauf aufbauend beschreibt er die kommunikative Adressierung von Personen über spezifische Rollen im Sport, überträgt die systemtheoretische Sicht von Inklusion und Exklusion auf die Organisationsebene des Sports und diskutiert diese vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskommission.

Olaf Hoos (Würzburg) nimmt im vierten Beitrag die trainings- und bewegungswissenschaftliche Perspektive ein und skizziert dabei vor allem die im internationalen Raum bereits fokussierten Anwendungsfelder für Forschung und Lehre. Hoos zeichnet dabei ein umfassendes Bild vorliegender empirischer Studien und spricht abschließend Empfehlungen für eine naturwissenschaftlich geprägte Auseinandersetzung mit dem Inklusionsthema aus.

Manfred Wegner (Kiel) nimmt im fünften Beitrag die sportpsychologische Perspektive ein und will damit „den Blick für die unterschiedlichen Voraussetzungen, die im Umgang mit und in der Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung in ihrem Erleben, Denken und Handeln festzustellen sind“ (S. 79), schärfen. Unter Betonung des Prozesscharakters von Inklusion verweist er dabei auf Möglichkeiten und Grenzen, in denen die Interaktion im inklusiven Kontext gelingen oder auch misslingen kann, und bilanziert Konsequenzen für sportpsychologische Forschung und Beratung.

Im sechsten Beitrag geht es Johannes Verch (Berlin) um diskurs- und gesellschaftsanalytische Überlegungen zum Thema „Inklusion als Exklusion“. Hierbei nimmt er eine primär sportphilosophische Sichtweise ein und formuliert Plädoyers und Fragen zum gegenwärtigen Inklusionsdiskurs, den er pointiert als „neue Heilsformel“ bezeichnet.

Gudrun Doll-Tepper (Berlin) stellt im siebten Beitrag sowohl historische Entwicklungen als auch gegenwärtige Perspektiven aus Sicht des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) dar. Dabei werden einerseits die Aktionen des DOSB im Nachgang der UN-Behindertenrechtskonvention, andererseits ausgewählte in der jüngsten Vergangenheit in Deutschland durchgeführte Forschungsprojekte zum Thema aufgeführt. Abschließend formuliert Doll-Tepper exemplarische Fragestellungen im Kontext von Inklusion, die sich aus DOSB-Perspektive für eine wissenschaftliche Bearbeitung eignen.

Der Band schließt mit dem Abdruck des dvs-Positionspapiers „Inklusion und Sportwissenschaft“, das im Jahr 2015 von 16 Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum entwickelt wurde. Mit vorliegendem Positionspapier nimmt die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) zur aktuellen Inklusionsthematik aus fachwissenschaftlicher Perspektive Stellung und zeigt in konturierender Weise den Verantwortungsbereich der interdisziplinären Fachgesellschaft und ihrer Mitglieder auf. Dabei wird das Thema ‚Inklusion‘ als eine wichtige Querschnittaufgabe für alle sportwissenschaftlichen Fachdisziplinen erachtet.

SABINE RADTKE

Zum pädagogischen Inklusionsdiskurs im nationalen und internationalen Raum. Grundlegende Entwicklungsschritte im Bildungswesen sowie im Bereich des Sports

1Einleitung

Als Ausgangspunkt für die Inklusionsdebatte auf breiterer gesellschaftspolitischer Ebene im deutschen Sprachraum wird – ungeachtet der weit länger dauernden Entwicklungen im internationalen Raum – gemeinhin die Verabschiedung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) im Dezember 2006 durch die Vereinten Nationen (Resolution 61/106 der Generalversammlung der UNO) sowie die daran anschließende Ratifizierung der Konvention in Deutschland im März 2009 genannt (BGBl. II, 2008, S. 1420). In Fachkreisen wurden mit der Inkraftsetzung der UN-BRK mitunter große Hoffnungen auf einen umfassenden gesellschaftlichen Veränderungsprozess verbunden, wie beispielhaft die Aussage des Vorstands der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft beweist:

„Durch Inklusion wird es zu einem langwierigen und fundamentalen Wandel im Denken und Handeln unserer Gesellschaft kommen […] Wir können das Jahr 2010 als das Jahr des Eintritts in die Dekade der Inklusion sehen und der damit verbundenen breiten gesellschaftlichen Umsetzung vieler Ziele und Erwartungen. Es wird […] zu einem langwierigen und fundamentalen Wandel im Denken und Handeln in unserer Gesellschaft kommen“ (Imhäuser, 2014, S. 10f.).

Zweifellos war die UN-Konvention der entscheidende Impuls dafür, dass sich das Thema Inklusion innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit in Deutschland zu einem Gegenstand des öffentlichen Interesses entwickelt hat. Auch Hinz (2011, S. 23f.) weist darauf hin, dass die Bedeutung der UN-BRK für die öffentliche Wirkung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Der Aussage des Zitats entsprechend, sind im Nachgang der UN-Konvention im öffentlichen Raum Aussagen formuliert worden, die einen gesellschaftlichen Umbruch in Aussicht stellen. Dabei wurde die Vision einer offeneren Gesellschaft entwickelt, die einen wertschätzenden Umgang mit Heterogenität pflegt und Vielfalt als eine Chance begreift. Inzwischen ist die Begeisterung über die Chance zur Inklusion teilweise der Ernüchterung gewichen. So ist beispielsweise von „Begriffs-Wirrwarr“ (Amrhein, 2011. o. S.) und „babylonischer Sprachverwirrung“ (Wocken, 2011a, S. 59) die Rede, oder es wird behauptet, das Modewort Inklusion ersetze lediglich den bekannten Integrationsbegriff. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die vielstimmige und kontrovers geführte Debatte um Inklusion in Deutschland nicht selten Abwehrreaktionen provoziert(e), die zuweilen stark emotionalen Charakter aufweisen.

Sowohl im theoretischen Diskurs als auch in der praktischen Umsetzung ist zu beobachten, dass Inklusion im Kontext der UN-BRK tendenziell auf das Recht der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft von Menschen mit Behinderung reduziert wird. Zweifellos ist das Thema Inklusion auf nationaler und internationaler Ebene aktuell eine zentrale Fragestellung auch der Fachdisziplin Sonderpädagogik (vgl. Bürli, Strasser & Stein, 2009). Hinz (2003, S. 27) betont, dass die starke Fokussierung der Inklusionsdebatte auf die UN-BRK mit der Gefahr einhergeht, dass Inklusion „zu einer Frage von Beeinträchtigung zu werden [droht], für die in erster Linie die Sonderpädagogik zuständig ist“; es gehe jedoch „im langjährigen Diskurs um nicht weniger als den Umgang mit Differenz insgesamt“. Die Tatsache, dass sich Inklusion demzufolge auf sämtliche in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft bestehenden Heterogenitätsdimensionen, wie zum Beispiel Ethnie, Religion, Schicht- und Milieuzugehörigkeit, Alter, Geschlecht und sexuelle Orientierung, beziehen muss (vgl. Prengel, 2006), gerät in der aktuellen Diskussion nicht selten in den Hintergrund. Im englischen Sprachraum, in dessen Fachkreisen seit über drei Jahrzehnten über Inclusion und Inclusive Education diskutiert wird, wird vor der Verengung der Inklusionsthematik auf die Kategorie Behinderung dezidiert gewarnt: Nur die Berücksichtigung einer Vielzahl an Heterogenitätsdimensionen werde dem Konzept Inclusion gerecht (vgl. Booth, 2008; Ainscow, Booth & Dyson, 2006; Black-Hawkins, Florian & Rouse, 2007). Inklusion ist als ein Querschnittsthema zu verstehen, das demzufolge im Schulwesen nicht nur die Sonderpädagogik und im organisierten Sport nicht nur den Behindertensport betrifft. Und gleichermaßen ist der Inklusionsdiskurs in der Disziplin Sportwissenschaft in allen sportwissenschaftlichen Teildisziplinen zu führen.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, einen Überblick über zentrale Entwicklungen des pädagogischen Inklusionsdiskurses im internationalen Raum zu geben. Dabei geht es nicht darum, die Unterschiede zwischen dem in der Soziologie verwendeten systemtheoretischen Inklusionsbegriff (vgl. dazu den Beitrag von Heiko Meier in diesem Band) und dem pädagogischen Inklusionsbegriff zu diskutieren (vgl. dazu Radtke & Tiemann, 2014). Stattdessen liegt der Fokus der Betrachtung auf dem pädagogischen Inklusionsbegriff, der Grundlage für die in der Originalversion der UN-BRK verwendeten Termini Inclusion und Inclusive Education ist und in der internationalen Sonder- und Heilpädagogik seinen Ursprung fand.

Der Beitrag ist in zwei Teile untergliedert: Der erste Teil widmet sich den Entwicklungen in Theorie und Praxis im Kontext von Inklusion im Schulwesen. Zunächst werden für das deutsche Schulwesen die zentralen Schritte von einem exklusiven zu einem in Teilen integrativen Schulsystem skizziert (Abschnitt 2). Anschließend wird die Entwicklung des internationalen Inklusionsdiskurses am Beispiel der Länder Kanada, USA und Großbritannien beschrieben (Abschnitt 3). In Abschnitt 4 werden zentrale Beschlüsse auf der Ebene der Vereinten Nationen, die den Inklusionsdiskurs beeinflusst haben, aufgeführt und der Beginn des Inklusionsdiskurses im deutschen Sprachraum beschrieben (Abschnitt 5). Der zweite Teil des Beitrags widmet sich dem Bereich des Sports und dem Verlauf des Inklusionsdiskurses in der sportwissenschaftlichen Fachdisziplin Adapted Physical Activity (APA). Das Fachgebiet APA entwickelte sich seit den 1950er Jahren im angloamerikanischen Raum zu einem Fachgebiet, das vor allem an sportwissenschaftlichen Instituten von US-amerikanischen und kanadischen Universitäten, aber auch beispielsweise im asiatischen Raum vertreten und anerkannt ist. Diese Entwicklung auf internationaler Ebene hinterließ in Deutschland bislang keine nennenswerten Spuren, und nur ein kleiner deutschsprachiger Expertenkreis ist bis heute in der internationalen APA-Fachcommunity vertreten. In Abschnitt 6 dieses Beitrags wird deutlich, dass die Diskussion um Inklusion, wie sie aktuell vor allem in den sozialwissenschaftlich orientierten Disziplinen der deutschsprachigen Sportwissenschaft zu beobachten ist, in überraschend ähnlicher Weise bereits vor Jahrzehnten im internationalen Raum geführt wurde.

Mit dem siebten Abschnitt erfolgt der Schritt in die Gegenwart. Es wird der Widerstand gegen Inklusion thematisiert und eine Erklärung gesucht für die auffällig emotionale Reaktion, die das Stichwort „Inklusion“ im aktuellen Diskurs in Deutschland hervorruft. Im achten Abschnitt schließt der Beitrag ab mit der Formulierung von Thesen zum aktuellen sportbezogenen Inklusionsdiskurs.

2Das deutsche Schulwesen: Von der Exklusion im 18. Jahrhundert zur Integrationsbewegung in den 1970/80er Jahren bis in die Gegenwart

In der Phase der Exklusion, die in Europa bis mindestens Ende des 18. Jahrhunderts andauerte, waren Kinder und Jugendliche mit Behinderung von jeglichem Schulbesuch ausgeschlossen (vgl. im Folgenden Eberwein, 1995). In der Phase der Separation wird ihnen zwar das Recht auf den Schulbesuch zugesprochen, jedoch erfolgt dieser separiert vom allgemeinen Schulwesen in Sondereinrichtungen. Die Anfänge des Sonderschulwesens in Europa finden sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Errichtung erster dauerhafter Bildungseinrichtungen für Gehörlose und Blinde in Paris, Wien, Leipzig, Berlin. Das damalige Verständnis von Behinderung war medizinisch orientiert und wies eine Defizitorientierung auf. Behinderung wurde auf biologische Zusammenhänge reduziert und damit einzig dem Individuum zugeschrieben. Laut Gräf (2008, o. S.) wurde „diese Denkform […] auch für die Sonderpädagogik und das Begriffspaar „normal/anormal“ konstitutiv“. Die „Zwei-Gruppen-Theorie“ ist mit Normierungen und Kategorisierungen verbunden, die „als Legitimation für eine Aussonderung der so Stigmatisierten aus allgemeinpädagogischen Bemühungen und für eine Absonderung in spezielle Einrichtungen“ dient:

„Die staatlicherseits eingeführte allgemeine Schulpflicht erforderte in den Volksschulen ein Mindestmaß an Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler. Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten – zu nicht geringen Teilen aus den untersten gesellschaftlichen Schichten – fielen hier zunehmend auf. Die für eine Unterrichtung breiter Massen ausgelegte Volksschule ermöglichte jedoch kaum deren individuelle Förderung. Die Volksschule als Bestandteil des Allgemeinen Schulwesens hatte hier ein nachdrückliches Interesse, sich der auffallenden, der „besonderen“ Schüler zu entledigen, um einen kontinuierlichen Lernfortschritt und Leistungssteigerungen innerhalb so geschaffener homogener Lerngruppen nicht zu gefährden […]. Sie fand im Sonderschulwesen eine entsprechende Abschiebeinstanz. Die Sonderschulen ihrerseits hatten – erst einmal entstanden – ein nicht minderes Interesse an der Aufnahme einer derart zugeführten Klientel, um ihren eigenen Fortbestand und den Ausbau als eigenständiges System zu sichern“ (Gräf, 2008, o. S.).

Sander (2006) konstatiert, dass sich Deutschland noch immer überwiegend in der Separationsphase befindet. Im Schuljahr 2013/14 lag der Anteil von Kindern mit Förderbedarf, die eine Regelschule besuchten, bei lediglich 31,4 Prozent, das heißt, nur jedes dritte Kind mit Förderbedarf besuchte eine Regelschule. Innerhalb von fünf Jahren ist damit seit 2008 ein Anstieg von 71 Prozent zu verzeichnen. Die Bertelsmann-Stiftung (2015) kommt zu dem Schluss, dass „die Situation an deutschen Schulen für Kinder und Jugendliche mit Handicap noch unbefriedigend“ ist (vgl. ebd., o. S.).

Die Phase der Integration begann in Deutschland ebenso wie in anderen Industrienationen in den 1960er Jahren, stellte eine eindeutige Gegenposition zur Separation dar und hatte die Reduktion von Aussonderung zum Ziel (vgl. Bürli, 2009). Während auf theoretischer Ebene heftige kontroverse Diskussionen beispielsweise zwischen dem Arbeitskreis Grundschule, der sich bereits früh für Integration ausgesprochen hatte, auf der einen Seite und dem Verband Deutscher Sonderschulen auf der anderen Seite geführt wurden, bildeten sich an der Basis Elterninitiativen, bestehend aus Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung, die sich dafür einsetzten, dass ihre Kinder, die gemeinsam in den Kindergarten gegangen waren, in der Grundschule nicht voneinander getrennt würden. Pionierarbeit leistete seit 1970 die Mont-essori-Schule der Aktion Sonnenschein in München, bevor im Jahr 1975 an der Fläming-Grundschule in Berlin-Friedenau die erste Integrationsklasse an einer staatlichen Schule in Deutschland eingerichtet wurde. Muth (1986, S. 22) spricht von der Fläming-Grundschule als der „Mutterschule der Integration“. In den 1980er Jahren wurde das Modell an weiteren Schulen in Westdeutschland fortgeführt: Die erste Integrationsklasse in Nordrhein-Westfalen wurde im Schuljahr 1981/82 an der evangelischen Grundschule in Bonn-Friesdorf eröffnet, die seit dem Schuljahr 1985/86 mit der Gesamtschule Bonn-Beuel zusammenarbeitet. Die Gesamtschule Bonn-Beuel ist auch als erste weiterführende Allgemeine Schule in Deutschland bekannt, die ein Kind mit Down-Syndrom aufgenommen hat. In den 1980er Jahren folgten weitere Modellversuche in Hessen, Hamburg, Berlin, Köln, Mainz, Trier und Bremen (vgl. Schnell, 2006). Mehrere Schulversuche wurden wissenschaftlich begleitet und dokumentiert. Beispielsweise für die Uckermark-Grundschule in Berlin-Schöneberg, die sechs Jahre wissenschaftlich begleitet wurde, konnten positive Ergebnisse im Hinblick auf eine große Elternzustimmung zum Schulversuch aus allen sozialen Schichten, zur gelingenden sozialen Interaktion zwischen Kindern mit und ohne Behinderung, zum zunehmenden gegenseitigen Verständnis sowie zur individuellen Lernentwicklung der Kinder mit und ohne Behinderung eruiert werden (vgl. Preuß-Lausitz, 1991, S. 53ff.).

Bereits im Jahr 1973 hatte der Deutsche Bildungsrat die Empfehlung zur „weitmöglichen“ gemeinsamen Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung veröffentlicht. Unter dem Titel „Zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter [sic] Kinder und Jugendlicher“ verfolgte die Bildungskommission „eine Konzeption der weitmöglichen gemeinsamen Unterrichtung und Erziehung Behinderter und Nichtbehinderter und die stärkere Integrierung sonderschulischer Einrichtungen in das gesamte Schulsystem“ (Deutscher Bildungsrat, 1974, S. 23) und folgte damit der international weit verbreiteten bildungspolitischen Kritik an der Sonderschule:

„Die Selektions- und Isolationstendenz im Schulwesen [muss] überwunden und die Gemeinsamkeit im Lehren und Lernen für Behinderte und Nichtbehinderte in den Vordergrund gebracht werden; denn eine schulische Aussonderung bringt die Gefahr ihrer Desintegration im Erwachsenenleben mit sich“ (ebd., S. 16).

Schumann (2007, S. 39) macht darauf aufmerksam, dass die Empfehlungen der Bildungskommission „einen Paradigmenwechsel in der sonderpädagogischen Förderung [hätten] markieren können, wenn die Bildungspolitik in den Bundesländern ihnen gefolgt wäre“. Der erhoffte Kurswechsel blieb jedoch aus und Muth (1977, S. 89) konstatierte: „Unverbrüchlich hält diese Empfehlung an den unabhängig vom allgemeinen Schulwesen separat bestehenden Formen des Sonderschulwesens fest“. Weder wissenschaftliche Untersuchungen über die geringe Lernwirksamkeit der Sonderschule (vgl. Schnell, 2003, S. 89ff.) noch internationale Erklärungen wie die aus der UNESCO World Conference on Special Needs Education (vgl. Abschnitt 4.1 dieses Beitrags) hervorgegangene sogenannte Salamanca-Erklärung zeigten nachhaltige Wirkung im Hinblick auf eine Kursänderung in der bundesdeutschen Bildungspolitik. Ebenfalls wirkungslos für die Praxis blieben in den 1990er Jahren beispielsweise eine Grundgesetzänderung (1994 ergänzten die Mitglieder des Deutschen Bundestages Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes um den folgenden Satz 2: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.) sowie folgende ausgewählte nationale Beschlüsse (vgl. Eberwein, 1998):

1994: KMK-Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule: „Grundschule und Sonderschule sollen dafür Sorge tragen, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsame Erfahrungen machen können“.

1997: Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Integrationsbeschluss vom 8.10.1997 aufgrund der Verfassungsbeschwerde einer Schülerin mit körperlicher Beeinträchtigung gegen ihre Sonderschuleinweisung fest: „Integrative Beschulung wird von der pädagogischen Wissenschaft wie von maßgeblichen politischen Gremien überwiegend positiv beurteilt und als verstärkt realisierungswürdige Alternative zur Erziehung und Unterrichtung in Sonder- und Förderschulen befürwortet“.

1997: Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) nennt in ihren „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern“ u. a. die Kompetenz „zur Integration von Behinderten“ als notwendige Qualifikation.

Erst die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung, die in Deutschland im Jahr 2009 ratifiziert wurde und die im Gegensatz zu den oben aufgezählten Beschlüssen rechtsverbindlichen Charakter hat, war der Ausgangspunkt für einen Inklusionsdiskurs über den Kreis von Expertinnen und Experten aus der (Sonder-)Pädagogik hinaus. Auffällig ist, dass die vorangegangenen Beschlüsse und Erklärungen der UN, die dem Thema Inklusion zu weltweiter Verbreitung verholfen hatten, in Deutschland keine nachhaltige Wirkung gezeigt hatten.

Abschließend werden im Folgenden zentrale Fakten zusammengefasst, die den aktuellen Ist-Zustand der schulischen Inklusion in Deutschland widerspiegeln (vgl. Bertelsmann-Stiftung, 2015):

Die Umsetzung schulischer Inklusion kommt voran, dabei entwickeln sich die einzelnen Bundesländer jedoch unterschiedlich. In den meisten Fällen ist jedoch eher von Integration im Sinne einer Eingliederung zu sprechen als von Inklusion, was eine grundsätzliche Veränderung des Systems nach sich zieht.

Die Bundesländer wenden unterschiedliche Förderbegriffe und Diagnosestandards an.

Die Chancen auf Teilhabe an inklusiver Bildung sinken mit jedem (institutionellen) Übergang von der Kindertagesstätte über die Grundschule zur Sekundarschule/Gymnasium.

Inklusion findet deutschlandweit schwerpunktmäßig in nur einigen Schulformen statt. Vor allem in Bezug auf die Gymnasien besteht Nachholbedarf.

Mehr Inklusion führt nicht gleichzeitig zu weniger Exklusion. Diese Tendenz ist darauf zurückzuführen, dass bei einer steigenden Anzahl an Kindern, die die Regelschule besuchen, Förderbedarf diagnostiziert wird.

3Der Ursprung des Inklusionsdiskurses im internationalen Raum

Der Diskurs um Inklusion hat international eine wesentlich längere Tradition als in Deutschland und setzte nicht erst, wie zuweilen fälschlicherweise behauptet, mit der Salamanca-Konferenz von 1994 ein. Da sich die Debatte ursprünglich auf den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung in einer „Schule für alle“ bezog (vgl. Bürli, Strasser & Stein, 2009), steht in diesem Abschnitt das Setting Schule im Vordergrund. In der Literatur ist man sich uneinig darüber, welches spezifische Land im Kontext von Inklusion Vorreiter war. Während Bürli (2009) in diesem Zusammenhang die Entwicklungen in Großbritannien und den USA in den Fokus der Betrachtung setzt, ist für Sander (2001) „das Geburtsland der inklusiven Schule“ Kanada.

Gräf (2008) weist eine derartig pauschale Aussage zurück und kommt im Gegensatz dazu zu dem Schluss, dass Kanada im Ganzen „nicht als das Vorbild am Horizont der inklusionspädagogischen Idee zu sehen“ ist. Stattdessen müsse zwischen den verschiedenen Provinzen differenziert werden. Vor allem New Brunswick gilt mit seinem inklusiven Schulsystem als Example of Good Practice. Auch Länder wie Italien, Finnland und Schweden gelten in diesem Zusammenhang als vorbildhaft und zweifellos weisen diese Länder eine lange Erfahrung im Umgang mit Heterogenität im Schulwesen auf. Der Ursprung des Diskurses um die Begrifflichkeit Inclusion findet sich jedoch im angloamerikanischen sowie angelsächsischen Raum.

3.1USA

Besonders deutlich lässt sich am Beispiel der USA aufzeigen, wie sich das Special Education System von der separierten Sonderbeschulung über das sogenannte Mainstreaming zur Inclusion/Inclusive Education entwickelt hat. Im Folgenden sollen die zentralen Schritte skizziert werden.

In der Literatur wird angeführt, dass der Begriff Inclusion ursprünglich auf die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960/70er Jahre zurückgeht, in deren Rahmen sich neben Angehörigen nationaler Minderheiten Menschen mit Behinderung für eine Antidiskriminierungsgesetzgebung einsetzten. Hatte sich zunächst eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen mit Behinderung für ihre Studienzulassung an Universitäten eingesetzt, entwickelte sich innerhalb einer Dekade eine Bewegung des Empowerments, die im Jahr 1973 die Verabschiedung des Rehabilitation Act, einer ersten gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung gerichteten Gesetzgebung, maßgeblich herbeiführte (vgl. Theunissen, 2006, S. 14ff.). In den Folgejahren erstritt die Emanzipationsbewegung weitere Gesetze. In Bezug auf das Schulwesen sind vor allem zwei Gesetze zentral: das Bundesgesetz von 1975 Public Law 94-142 (Education for All Handicapped Children Act/EAHCA) und das Folgegesetz von 1990 The Individuals with Disabilities Education Act (IDEA). Bereits im Gesetz von 1975 wird Schülerinnen und Schülern mit Behinderung das Recht auf free and appropriate public education in the least restrictive environment” (Shanker, 1994/1995, S. 18) zugesprochen. Die vage Formulierung free appropriate public education” führte zu zahlreichen Prozessen, in denen Eltern von Kindern mit Behinderung deren Recht auf Zugang zu einer Regelschule erwirken wollten. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die ungenaue Umschreibung, die der Gesetzestext liefert, nach amerikanischem Verständnis „nicht in erster Linie als Unklarheit empfunden, sondern als Chance, anhand von Gerichtsfällen zu einer in der Praxis praktikablen Gangart zu kommen“ gesehen wird (Liesen & Felder, 2004, S. 10f.). Das Gesetz von 1990 sah die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung in Regelklassen vor, ohne dass Modalitäten der Umsetzung thematisiert wurden, was Anlass für kontroverse Auseinandersetzungen bis hin zu Gerichtsverfahren war (vgl. Bürli, 2009, S. 22). Auffällig ist, dass in den Gesetzestexten an keiner Stelle Termini wie Integration oder Inclusion verwendet werden. Stattdessen ist Mainstreaming sowohl in Großbritannien als auch in den USA ein gängiger Begriff, zu dem es im Deutschen wiederum kein wirkliches Pendant gibt. Das Mainstreaming Mandate gilt in den USA als ein wichtiges normatives Prinzip, das ein least restrictive environment” (LRE), eine möglichst wenig absondernde Umgebung, verlangt. Im oben genannten Public Law 94-142 wurde der Begriff Mainstreaming genutzt, um das gemeinsame Unterrichten von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung in ein und demselben Klassenraum zu umschreiben. Gemäß dem damaligen Verständnis war Mainstream Education dann gegeben, wenn eine Schülerin/ein Schüler mit Behinderung wenigstens den halben Schultag im Klassenverband der Regelschule verbrachte (vgl. Kavale & Forness, 2000). Da Mainstreaming im Sinne einer Zwei-Gruppen-Theorie (vgl. Hinz, 2002) die Schülerschaft in „dazugehörig“ und „nicht-dazugehörig“ sondiert und damit weiterhin die Möglichkeit der Aussonderung von „unpassenden“ Schülerinnen und Schülern gegeben ist, wurde der Mainstreaming-Begriff seit den 1980er Jahren im US-amerikanischen Diskurs terminologisch und konzeptionell zunehmend von Inclusion abgelöst. Nach Hinz (2008b) ist der pädagogische Begriff Inclusion auf den US-Amerikaner Reynolds zurückzuführen, der die Terminologie bereits in den 1970er Jahren in Abgrenzung zum Mainstreaming und damit verbundenen Selektionsmechanismen gebrauchte.