SALIM GÜLER

 

 

 

 

PETER WALSH

:ALBRTRAUM

Teil 1

Impressum

 

 

Autor:

Salim Güler

 

Kontaktmöglichkeit:

Salim.gueler@gmx.de

https://www.facebook.com/salimgueler.autor/

 

Lektorat:

Christian Albrecht

 

Korrektorat:

Textschmiede Officina Verbi

Katja Grüner

www.textschmiede-officinaverbi.de

 

Covergestaltung:

Casandra Krammer

 

Foto-/ Motivrechte:

© DeviantArt / Frame of Thoughts/ Lostandtaken.com 

 

 

Der Text aus diesem Buch darf nicht ohne Genehmigung vervielfältigt werden.

 

Copyright © 2016 by Salim Güler

 

INHALTSVERZEICHNIS:

 

INHALTSVERZEICHNIS:

Das Buch

Hinweis

Der Autor

Danksagung

Vorwort des Autors

:ALBTRAUM

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Eine Bitte

Leseprobe: Peter Walsh :FALSCH

Kapitel 23

Kapitel 24

Teil 2: FALSCH

Das Buch

 

»Warte, Mami, ich hol sie dir ...", sagt die kleine Nina und rennt aus der Umkleidekabine, um ihrer Mutter die Jeans in einer anderen Größe zu besorgen.
Kurz darauf ist die Sechsjährige verschwunden, am helllichten Tag, inmitten eines gut besuchten Kaufhauses, ohne jegliche Spur.


Das Team um Manfred Wolke von der Kripo Köln geht von einem Sexualdelikt aus, den Täter vermutet man im Kreise der Familie. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt und jede Sekunde kann über Leben und Tod der kleinen Nina entscheiden.


Doch wie passt der medial veranlagte Ex-Topagent Peter Walsh in dieses Puzzle?
Ist Nina wirklich in den Händen eines kranken Pädophilen oder eines Kinderschänderrings? Oder steckt noch mehr dahinter?

 

Peter Walsh ist eine mehrteilige Thriller-Reihe, die keine Atempause und keinen Kompromiss zulässt!


 

 

Hinweis

 

 

Die Thriller-Miniserie: Peter Walsh besteht aus vier Teilen und baut auf dem Prinzip von Fernseh Miniserien auf, das heißt, dass jeder Teil offen endet und der nächste direkt an diesen aufsetzt. Nur so kann eine Dramatik und Spannung erzeugt werden, die dann im vierten Teil im großen Finale aufgelöst wird.

 

Diese vier Teile sind:

 

Teil 1: ALBTRAUM

Teil 2: FALSCH

Teil 3: FURCHT

Teil 4: TRUG

 

Ich wünsche spannende Lesestunden!



 

Der Autor

 

Salim Güler, aufgewachsen in Norddeutschland, studierte in Köln Wirtschaftswissenschaften und promovierte an der TU-Chemnitz. Er arbeitete lange Zeit in der freien Wirtschaft, zuletzt als Pressesprecher.

Schon als Schüler begann er mit dem Schreiben von selbsterfundenen Geschichten und diese Leidenschaft ließ ihn bis heute nicht los.

In seinen Romanen finden sich immer wieder gesellschaftlich aktuelle Themen, die er geschickt in eine fiktive und hoch spannende Geschichte einzubetten versteht.

Seine Bücher landen regelmäßig in den Bestsellerlisten der Verkaufs-Charts.

Salim Güler ist sehr am Austausch mit seinen Leserinnen und Lesern interessiert und freut sich daher über jeden Kontakt, entweder über Facebook oder über seine Homepage.

www.salim-gueler.de

https://www.facebook.com/salim.gueler.autor

 

Danksagung

 

Einen Mehrteiler zu schreiben, erfordert nicht nur viel Geduld, sondern auch jede Menge Recherche. Schließlich sollen die Annahmen durch Fakten und Hintergrundwissen belegt sein. Daher möchte ich an dieser Stelle einigen Menschen für ihre Hilfe und Unterstützung danken.

Dank gebührt der Polizei Köln für ihre wertvollen Tipps, damit die Polizeiarbeit in diesem Buch so realistisch wie möglich geschildert wird. Ebenso der Lebenshilfe e.V. Köln, die mir wertvolle Tipps über und Eindrücke von ihrer Arbeit gegeben hat. Herrn Jürgen Burkhart, Leiter der Stammzellenabteilung des Bayerischen Roten Kreuzes München sowie Dr. Roland Conradi, Ltd. Oberarzt der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Dr. Christof Jungbauer vom Österreichischen Roten Kreuz gebührt ebenfalls mein Dank.

Zuletzt möchte ich auch all denen, die nicht namentlich erwähnt wurden, recht herzlich für ihre Hilfe und Unterstützung danken, vor allem aber meinem Lektor Christian Albrecht, der sich mal wieder selbst übertroffen hat, Tina Alexy, meiner kritischen und wunderbaren Testleserin, und Casandra Krammer, die ein wunderbares Cover gezaubert hat.

Zum Schluss möchte ich natürlich auch Ihnen danken, dass Sie sich für meine Bücher entschieden haben. Ohne Sie wäre das alles hier nicht möglich.

 

 

 

Vorwort des Autors

 

Vor geraumer Zeit kursierte auf Facebook die Meldung, dass in einem Einkaufszentrum ein Kind von rumänischen Frauen entführt worden sei. Bei diesen Frauen habe es sich um internationale Organhändler gehandelt, die Meldung verbreitete sich in Windeseile. Zum Glück stellte sich heraus, dass es nur ein sogenannter Hoax, eine Falschmeldung war. Die Urheber dieser Meldung hatten dennoch etwas Kriminelles im Sinn: In ihrer Nachricht verbarg sich ein Trojaner, der die Computer unwissender Facebook-Nutzer infizieren sollte.

Dennoch ließ mich diese Nachricht nicht los. Wie konnten Menschen mit solch einer Nachricht ihre Spielchen treiben? Wie konnten Menschen so skrupellos sein?

Und so entstand die Idee zu diesem Buch.

 

Ihr
Salim Güler

 

 

 

 

 

 

 

 

:ALBTRAUM


Hoffnung ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert

Friedrich Nietzsche -

 

 

 

Kapitel 1

 

Finde mich …

 

Schweißgebadet wachte Peter Walsh mitten in der Nacht auf. Finde mich …, diese Worte waren das Einzige, woran er sich erinnerte. Es war die Stimme eines Kindes gewesen, eines kleinen Mädchens. War es nur ein Albtraum, der schon morgen wieder vergessen sein würde, oder steckte mehr dahinter? Walsh kannte kein Mädchen und die Stimme war ihm auch nicht vertraut. Es musste also ein belangloser Albtraum gewesen sein. Ohne Bedeutung. Doch daran wollte er einfach nicht glauben. War es vielleicht eine Nachricht aus seiner Vergangenheit?

Nein, er hatte mit seiner Vergangenheit längst abgeschlossen, auch wenn sie ihn regelmäßig in seinen Träumen heimsuchte. Dieser Albtraum hingegen war gänzlich anders als die anderen. Aber vielleicht war genau das der Irrtum, vielleicht konnte man seiner Vergangenheit gar nicht den Rücken kehren. Auch nicht, wenn man Peter Walsh hieß.

Er versuchte, seine Gedanken von den zwei Worten zu befreien, die ihn so jäh aus seinem Schlaf gerissen hatten. Diese kindliche Stimme, in der Verzweiflung mitschwang und die ihn gleichzeitig zu etwas aufforderte, sollte seinen Schlaf nicht stören. Und sollte es doch eine Stimme aus der Vergangenheit sein, so hatte sie keine Macht mehr über ihn. Walsh hatte mit der Vergangenheit abgeschlossen, viel zu viel Bitterkeit hatte sie ihm bereitet.

Er schloss die Augen und versuchte, mithilfe innerer Meditation zu entspannen, um endlich wieder einschlafen zu können. Aber es gelang ihm nicht. Im Gegenteil: Es sollte eine sehr unruhige Nacht werden. Die Vergangenheit wollte ihn einfach nicht zur Ruhe kommen lassen.

 

Aber Peter Walsh irrte sich. Es war nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart, die ihn hier heimsuchte.

 

 

Kapitel 2

 

Melanie war völlig außer sich vor Ratlosigkeit und Verzweiflung. Ihre Augen waren rot unterlaufen, schon seit Stunden weinte sie, fand einfach keine Ruhe. Sie spielte das Geschehen wieder und wieder durch, aber es gelang ihr nicht, eine Antwort auf die wichtigste aller Fragen zu finden:

Wie?

Wie hatte es geschehen können? Es hatte doch so ein schöner Tag werden sollen. Ihre Tochter Nina hatte gestern Geburtstag gehabt und Melanie hatte ihr versprochen, am Samstag mit ihr shoppen zu gehen. Noch am Freitag hatten sie alle glücklich beisammen gesessen und bei ihren Eltern gemeinsam mit Ninas Freundinnen ihren Geburtstag gefeiert. Es war eine sehr lustige und schöne Geburtstagsparty gewesen. Mit allem, was dazugehörte. Melanies Eltern hatten die Party gesponsert. Sie waren vernarrt in ihr Enkelkind. Die Großeltern Karl und Maria besaßen ein Haus im Kölner Stadtteil Porz mit einem schönen Garten, ideal für einen Kindergeburtstag.

Der Garten war geschmückt und eine Kinderhüpfburg sowie ein Clown organisiert worden. Nina hatte sechs Freundinnen und deren Eltern eingeladen. Der Clown »zauberte« Ballontiere und alberte den ganzen Tag mit den Kindern herum. Melanie war über eine Kleinanzeige in der kostenlosen Wochenzeitung auf den Clown gestoßen. Sein Deutsch war zwar nicht so gut, aber er verstand es wunderbar, den Kindern Freude zu bereiten und sie zum Staunen zu bringen.

Doch nur einen Tag später war die Freude verschwunden und tiefste Trauer war in das Haus der Vogels eingezogen. Maria versuchte, Melanie so gut es ging zu beruhigen. Sie mussten jetzt einen klaren Kopf bewahren. Zwar kämpfte sie wie ihre Tochter mit den Tränen und der lähmenden Ohnmacht, musste jedoch stark sein für sie und durfte die Hoffnung nicht aufgeben. Die Polizei würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um Nina zu finden. Aber die Gedanken daran, was ihr Enkelkind in dieser Zeit vielleicht durchmachen musste, quälten Maria.

»Komm, Kind. Ich mach uns einen Tee«, flüsterte sie Melanie liebevoll zu und umarmte sie. Dabei griff sie nach ihrer Hand und half ihr auf die wackligen Beine. Melanie wehrte sich nicht, sondern ging mit ihrer Mutter die Treppe hinunter ins Wohnzimmer.

Melanie hatte sich bereits stundenlang in ihrem Zimmer verkrochen. Obwohl sie seit Jahren eine eigene Wohnung hatte und ihr eigenes Leben lebte, hatten ihre Eltern ihr Zimmer nie ausgeräumt und alles so belassen wie früher. Wenn Melanie über Nacht blieb, was selten der Fall war, schlief sie in ihrem Zimmer. Auch Nina schlief dort, wenn Melanie sie bei den Großeltern abgab, um sich abends mit Freunden zu treffen. Melanie war für die Unterstützung ihrer Eltern sehr dankbar. Sie halfen ihr ungemein bei der Bewältigung ihres Alltags mit Job und Kind. Als alleinerziehende Mutter war sie für jede Unterstützung dankbar, und wenn diese dann auch noch von den eigenen Eltern kam, umso besser. Melanie wollte ihr Kind nicht in einen Kinderhort geben, während sie arbeitete, daher kümmerten sich ihre Eltern währenddessen liebevoll um ihr Enkelkind.

Im August sollte Nina eingeschult werden. Und jetzt? Jetzt konnten auch Melanies Eltern nur machtlos zusehen, wie ihrer Tochter und der gesamten Familie Vogel der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, ohne Vorwarnung und mit einer Brutalität, die man keinem Menschen wünschte.

Als sie unten ankamen, bereitete Karl gerade einen beruhigenden Kräutertee zu. Maria und Melanie setzten sich auf die cremefarbene Couch im Wohnzimmer. Es war ein großer Raum, sehr modern und komplett in Weiß gehalten. Die Einrichtung zeugte davon, dass Melanies Eltern lange Zeit erfolgreich selbstständig gewesen waren. Vor zehn Jahren hatten sie ihre Firma verkauft und beschlossen, gemeinnützig tätig zu sein und, wenn die Zeit es zuließ, gemeinsam mit der Familie die Welt zu bereisen. Sie hatten nach wie vor die Hoffnung, dass Melanie einen liebevollen Partner finden würde, der sich um Nina und sie kümmerte. Aber außer ein paar Affären hatte Melanie seit Ninas Geburt keinen festen Partner mehr gehabt. Für ihre Eltern war das unerklärlich. Melanie war hübsch, intelligent und ihr Herz saß am rechten Fleck. Zwar konnte sie auch sehr direkt und dickköpfig sein, wenn ihre Gefühle mit ihr durchgingen, aber sie war ein rundum liebenswerter Mensch.

 

Maria hielt ihre einzige Tochter im Arm und Melanie liefen wieder die Tränen über die Wangen.

»Hier, Maus, das wird dir guttun«, sagte Karl und reichte Melanie die Tasse mit dem Kräutertee. Melanie wischte sich mit dem Ärmel ihrer dünnen blauen Bluse die Tränen weg und nahm die Tasse entgegen.

Sie nahm einen Schluck. Karl setzte sich auf das Sofa gegenüber. Melanie stellte ihre Teetasse auf den Couchtisch aus milchigem Glas, dann wurde sie wieder von ihrem Kummer übermannt.

»Ich verstehe das einfach nicht«, schluchzte sie. »Wieso Nina? Wie konnte das nur passieren? Sie war doch die ganze Zeit bei mir.«

»Beruhige dich, Schatz, es ist nicht deine Schuld. Die Polizei hat alles aufgenommen. Die werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um sie zu finden«, antwortete Maria und streichelte Melanies Hand.

»Und was, wenn sie ihr schon was angetan haben …«, brach es aus Melanie heraus. Tränen rollten über ihre Wangen.

»Schatz, du darfst an so etwas nicht mal denken! Hörst du? Die Polizei hat gesagt, dass alles Mögliche dahinter stecken kann. Vielleicht auch etwas ganz Harmloses. Wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen«, gab Karl von sich. Er wollte Melanie mit seinen Worten beruhigen, insgeheim aber auch sich selbst, denn sein Gefühl sagte ihm etwas ganz anderes, etwas, das ihm Angst machte.

»Doch! Sie haben sie entführt. Sie haben meinen Schatz entführt, diese Schweine. Und ich, ich habe es zugelassen!«

»Maus, nicht doch. Das hilft niemandem. Wir müssen auf die Polizei hoffen«, entgegnete Maria sanft.

»Wie kann ich hier sitzen und warten, während irgendwo ein Schwein meine Tochter hat?«

»Du hast recht, Melanie, aber wir dürfen nicht die Nerven verlieren«, antwortete Karl.

»Wir müssen warten, bis sich die Polizei bei uns meldet. Was könnten wir sonst auch tun?« Maria warf ihrem Mann einen eindringlichen Blick zu.

»Doch, Schatz, wir können etwas tun. Erinnerst du dich noch an den Detektiv, den wir vor einigen Jahren angeheuert haben. Wie war noch sein Name?«

»Schmitt«, antwortete Maria, ohne zu ahnen, worauf er hinauswollte.

»Richtig, Schmitt. Der hat doch damals erzählt, dass er oft damit beauftragt wird, verschwundene Kinder wiederzufinden.«

»Ja, aber das sind Kinder, die von zu Hause weggelaufen sind«, wandte Maria ein.

»Egal, er kann uns helfen. Wir müssen es versuchen.«

»Ja, bitte Papa, Mama. Bitte! Ich habe schreckliche Angst um Nina.«

»In Ordnung, dann ruf ihn an«, antwortete Maria, die es einfach nicht ertragen konnte, ihre Tochter dermaßen aufgelöst zu sehen. Vielleicht konnte der Detektiv ihnen wirklich helfen. Was hatten sie schon zu verlieren – außer ihrer Hoffnung.

 

 

Kapitel 3

 

Drei Stunden später saß Jürgen Schmitt im Wohnzimmer der Vogels. Er war fünfundvierzig Jahre alt, knapp einen Meter achtzig groß und normal gebaut. Er war weder hübsch noch hässlich, ein unauffälliger Mensch.

Schmitt hielt sich nicht lange mit Floskeln auf, nach der obligatorischen Begrüßung und der Bitte um einen schwarzen Kaffee kam er gleich zum Punkt.

»Frau Vogel, ich weiß, wie Ihnen zumute ist. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihre Tochter zu finden. Dafür brauche ich aber Ihre Hilfe. Ich weiß, es ist sehr schwer für Sie, aber Sie müssen mir bitte genau schildern, was heute geschehen ist. Je besser Sie sich erinnern, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich Ihre Tochter finden kann. Wollen wir es versuchen?«

»Ja«, antwortete Melanie unsicher und tupfte mit einem Taschentuch über ihre Augen. Sie wollte stark sein – stark für Nina.

»Wann sind Sie heute aufgestanden?«

»Das muss gegen 9 Uhr gewesen sein.«

»War es vor oder nach 9 Uhr?«, fragte Schmitt und schlug sein Notizbuch auf, um das Gespräch zu protokollieren.

»Das war kurz nach 9 Uhr morgens, ich habe die Kirchenglocken gehört, als ich aufgestanden bin. Nina schlief noch in ihrem Zimmer.«

»Was haben Sie dann gemacht?«

»Ich bin in die Küche, habe das Frühstück vorbereitet und dann Nina geweckt.«

»Und was war mit Ihrem Mann?«

Melanie hielt kurz inne, als hätte sie diese Frage nicht erwartet.

»Ich bin nicht verheiratet«, antwortete sie knapp, dennoch schwang eine Zerbrechlichkeit in ihrer Stimme mit.

»Verstehe … Und was ist mit dem Vater?«

»Nina kennt ihn nicht …«, und noch bevor sie fortfahren konnte, schnitt ihr Vater ihr das Wort ab: »Er hat Melanie während der Schwangerschaft verlassen, keiner weiß, wo er ist. Und dabei soll es auch bleiben.«

Schmitt schaute von Karl zu Melanie, die unruhig an ihren Fingernägeln kaute, und verstand. Er war hier, um ein kleines Mädchen zu finden. Wen interessierte der Vater? Dafür wurde er nicht bezahlt.

»Nun gut, dann erzählen Sie bitte weiter«, sagte Schmitt und notierte: Vater unbekannt und in Klammern die Worte: One-Night-Stand?

»Nina und ich haben gefrühstückt und uns dann frisch gemacht für unseren Stadtbummel. Ich hatte ihr das versprochen, weil sie gestern Geburtstag hatte.«

»Haben Sie etwas mitgenommen?«

»Was meinen Sie damit?«

»Nun, ob Sie etwas Besonderes mitgenommen haben, vielleicht eine Tasche, einen Regenschirm oder das Lieblingsstofftier ihrer Tochter?«

»Ja, meine schwarze Handtasche und ihren Lieblingsteddy. Ohne den geht sie nirgendwohin.«

»Wie sieht der Teddy aus?«

»Er ist von Steiff. Er trägt ein rotes Shirt mit der Aufschrift Köln und eine weiße Hose.«

»Und wie groß ist er?«

»Zwanzig Zentimeter etwa.« Melanie deutete die Größe mit ihren Händen an.

»Danke. Sind Sie direkt in die Kölner Innenstadt gefahren?«

»Ja.«
»Ist Ihnen während der Fahrt irgendetwas verdächtig vorgekommen?«

»Nein. Was meinen Sie damit?«

»Nichts, ist schon okay. Wo haben Sie geparkt?«, fragte Schmitt und ignorierte Melanies Frage bewusst.

Entführungen erfolgten nicht immer so spontan, wie in dem Fall, über den er erst kürzlich in der Bild-Zeitung gelesen hatte. Ein Siebenundzwanzigjähriger hatte mitten am Tag versucht, eine Achtjährige zu entführen und das Kind mit Gewalt in seinen Wagen gezerrt. Glücklicherweise konnte das Mädchen sich irgendwie aus dem Wagen befreien und der bereits polizeilich aktenkundige Pädophile wurde mithilfe einiger Zeugenaussagen einen Tag später verhaftet. Das Schlimmste an der Geschichte aber war, dass der Mann unter dem Aspergersyndrom litt und wohl nicht einmal hinter Gitter wandern würde, da er als unzurechnungsfähig galt.

Was konnten Psychotherapien bei solchen Leuten schon bewirken? Schmitt glaubte nicht an Heilung. Diese Menschen gehörten für immer in den Knast und am besten noch kastriert, in dieser Hinsicht gab es für ihn wenig Alternativen. Er selbst war einem solchen Menschen allerdings noch nie begegnet.

In den Fällen, die er bisher angenommen hatte, ging es eher um weggelaufene Kinder oder Jugendliche, die sich heimlich mit Freunden trafen, von denen die Eltern nichts wissen durften. Alles meistens ganz harmlos. Aber dieser Fall hier, schien anders zu sein. Er spürte das und es bereitete ihm Unbehagen. Denn er wusste nicht, ob er dieser Sache gewachsen sein würde.

Andererseits wurde er sehr gut bezahlt. Karl Vogel hatte ihm 50.000 Euro plus Spesen fest zugesichert, wenn er Nina heil und gesund zurückbringen würde. Das war für Schmitt sehr viel Geld. Sein Job als Privatdetektiv hatte wenig mit dem der Privatermittler in amerikanischen Serien oder in Hollywoodfilmen gemein. In den meisten Fällen war die Observation von Personen recht eintönig und nicht wirklich gefährlich. Über die Bezahlung brauchte man erst gar nicht zu reden. Es reichte, um sich als Selbstständiger über Wasser zu halten, und das war ihm auch das Wichtigste. Er war nicht für ein Angestelltendasein geschaffen. Womöglich unter einem Chef, der ihm von morgens bis abends sagte, was er zu tun hatte, und seinen Frust an ihm ausließ. Nein, Angestellter wollte er nie wieder sein, mit Autoritäten hatte er Zeit seines Lebens Probleme gehabt. Das hatte er bereits während seiner Ausbildung zum Bürokaufmann bemerkt und bis heute bereute er den Entschluss, sich selbstständig gemacht zu haben, nicht.

Er schaute wieder zu Melanie, die ihre Hände inzwischen um das tränennasse Taschentuch krampfte.

»Ich hatte bei Karstadt geparkt, in der Innenstadt«, antwortete sie.

»Wohin sind sie dann gegangen?«, fragte Schmitt, der wusste, dass gleich der ungemütliche Teil kommen würde. Melanie wirkte noch recht gefasst. Das war auch seine Absicht, er wollte sie mit belanglosen Fragen beruhigen, damit sie bei den relevanten nicht zusammenbrach. Er hoffte, dass sie stark bleiben würde. Er spürte, dass die junge Mutter davon überzeugt war, dass Nina von einem Pädophilen entführt worden war. Schmitt sah das anders. Solange er keine Beweise hatte, musste er jede Möglichkeit in Erwägung ziehen.

»Wir sind die Schildergasse entlang gebummelt und haben uns auf dem Weg ein Eis gegönnt.«

»Bei der Hitze sicherlich eine kluge Entscheidung«, versuchte Schmitt ihr ein kleines Lächeln abzugewinnen. Wie albern das war, wurde ihm augenblicklich bewusst. Melanie schaute ihn nur verwirrt an und antwortete nicht. Schmitt schämte sich für seinen Satz und schaute unsicher zu Boden. Scheiße, du verlierst sie, ermahnte Schmitt sich selbst.

Daher beschloss er: Schluss mit den sinnlosen Fragen.

»Frau Vogel, es tut mir leid. Aber Sie wissen, was jetzt kommt?«

»Ich kann es mir denken«, antwortete sie schwach.

»Wollen wir es versuchen?«

»Ja …«, war ihre zögerliche Antwort. Welche Wahl hatte sie auch? Sie musste nach jedem Strohhalm greifen, der ihr geboten wurde.

»Gut, es ist sehr wichtig, dass Sie sich jetzt ganz genau erinnern. Je genauer Sie sich erinnern, desto schneller sind wir fertig. Wenn es zu viel wird, machen wir eine Pause. Sind Sie bereit?«

»Ich denke schon …«

»Dann versuchen wir es. Erzählen Sie mir von dem Moment, als Sie mit Nina das besagte Kaufhaus betreten haben. Jedes noch so kleine und unwichtige Detail kann wichtig sein. Versuchen Sie einfach, ihren Erinnerungen freien Lauf zu lassen.«

Melanie schaute verunsichert in die Runde, ihre Augen blieben bei Schmitt hängen. Ihre Blicke trafen sich. Schmitts braune Augen strahlten eine innere Ruhe aus, aus der sie Kraft schöpfen konnte. Sie atmete tief ein ihre Hand ballte sich zur Faust, wollte das Taschentuch geradezu zerquetschen. Dann wandte sie ihren Blick von ihm ab. Schmitt wusste, für die nächsten Minuten würde Melanie ihre Gefühle unter Kontrolle haben. Und in diesem kleinen Zeitfenster musste er all die Informationen aus ihr herausholen, die er benötigte. Schmitt schaute sie an, nickte ihr aufmunternd zu.

»Wir haben noch kurz unser Eis aufgegessen und sind dann zu Peek & Cloppenburg. Nina war schon ganz aufgeregt und wollte gleich in die Kinderabteilung rennen, was wir dann auch taten. Das Geschäft war zwar gut besucht, aber zu der Zeit war das Shoppen noch sehr angenehm. Nach einigem Stöbern hatte Nina ein tolles Sommerkleid gefunden, das sie gleich anprobierte. Sie sah richtig süß in diesem Kleid aus. Es war rosa und hatte ein zartes Blümchenmuster. Rosen. Und eine kleine Schlaufe. Sie sah aus wie eine Prinzessin, meine kleine Prinzessin …«, sagte Melanie, ihre Stimme wurde dabei immer leiser. Schmitt machte sich die ganze Zeit Notizen, sein Tonband hatte er nicht hervorgeholt und er spürte, wie sie mit ihren aufkommenden Gefühlen kämpfte.

Er unterbrach sie nicht, schaute sie nur an und nickte verständnisvoll. Melanie erwiderte den Blick und die Knöchel ihrer geballten Faust wurden weiß vor Anspannung.

»Ich habe ihr natürlich gleich das Kleid gekauft. Wir sind noch ein wenig durch die Kinderabteilung gebummelt und ich habe ihr passende Ballerinas gekauft. Danach sind wir in die Damenabteilung gegangen. Ich wollte eigentlich nur kurz schauen, da sie einige Sachen reduziert hatten, und habe auch ein, zwei Sachen gefunden, die ich anprobieren wollte. Damit bin ich dann in die Umkleidekabine gegangen, Nina kam mit.«

»Welche Sachen waren das, die Sie mitgenommen haben?«, fragte Schmitt. Er wollte ihr Gelegenheit geben, kurz durchzuatmen, denn gleich, so war er sich sicher, würde der Moment kommen, in dem Nina entführt wurde.

»Eine Jeans, ein T-Shirt und eine Jeansjacke«, antwortete Melanie tonlos.

Ein, zwei Sachen, so so …, dachte Schmitt, behielt den Kommentar aber für sich und nickte nur.

»Die Sachen, bis auf die Jeans, passten auch. Ich wollte die Jeans in einer anderen Größe holen, aber Nina kam mir zuvor. Ich hol sie dir, Mami, sagte sie mit ihrem strahlenden Lächeln, das mich jedes Mal dahinschmelzen ließ. Und ehe ich etwas sagen konnte, war sie auch schon aus der Umkleidekabine gerannt. Ich konnte die Kabine nicht verlassen, da ich das T-Shirt ausgezogen hatte und keinen BH trug. Statt mir Gedanken zu machen, dass ihr was passieren könnte, lächelte ich und war stolz, eine solch selbstständige und aufgeweckte Tochter zu haben.

Doch nach einigen Minuten machte ich mir Sorgen. Ich verließ die Umkleide mit meinen Sachen und suchte sie, aber ich konnte sie nicht finden. Sie war nicht bei den Jeans und auch sonst nirgends. Ich geriet langsam in Panik, rief ihren Namen, aber sie antwortete nicht. Eine Verkäuferin kam auf mich zu und versuchte mich zu beruhigen. Es gab Durchsagen, aber Nina reagierte nicht und auch sonst niemand. Da hatte ich schon ein ganz komisches Gefühl. Meine Beine waren weich, mein Körper zitterte und mir war ganz kalt. Fast wäre ich ohnmächtig geworden, aber ich blieb standhaft. Standhaft, während jemand meinen Engel entführt hatte …«

Ihre letzten Worte waren nur noch ein schwaches Flüstern, Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie schluckte. Maria füllte ein Glas mit stillem Mineralwasser und reichte es ihr. Sie nahm einen kleinen Schluck, wischte sich die Tränen vom Gesicht und putzte sich die Nase.

Schmitt hatte das Gefühl, als wollte sie ihre Angst und die aufkommende Schwäche hinter dem Taschentuch verbergen. Er konnte sich vorstellen, welche Kraft sie das hier kosten musste. Die Erinnerung an die mögliche Entführung ihrer Tochter und vor allem der Gedanke, die Schuld daran zu tragen, mussten zentnerschwer auf ihr lasten. Wenn sie Nina nicht aus den Augen gelassen hätte, wäre die Entführung wahrscheinlich gescheitert.

Schuldgefühle konnten Eltern seelisch so stark belasten, dass einige von ihnen niemals mehr wieder auf die Beine kamen. Schmitt hoffte aber, dass Melanie stark genug sein würde. Er war sich nicht sicher, ob sie bewusst oder unbewusst in der Vergangenheit von ihrer Tochter sprach, aber es bedeutete, dass sie wohl davon ausging, dass sie tot war.

Schmitt hoffte das Gegenteil, aber wie groß waren seine Chancen? Darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Dieser Fall warf sehr viele Fragen auf. Wie konnte ein Kind in einem Kaufhaus entführt werden, ohne dass es irgendjemand etwas bemerkte? Warum hatte Nina nicht geschrien? Was war mit den Kameras? Normalerweise gab es doch zahlreiche Kameras in diesen Häusern. Er müsste irgendwie Zugriff darauf bekommen und dafür musste er sich an die Polizei wenden. Er brauchte von Melanie noch eine Vollmacht, damit die Polizei ihm solche Informationen geben durfte, aber das war reine Routine.

»Frau Vogel, Sie haben das bis jetzt sehr gut gemacht. Ich bewundere Ihre Kraft. Denken Sie, Sie können mir erzählen, was danach passiert ist?«

Melanie blickte zu Schmitt, ihre Augen verrieten plötzlich Entschlossenheit und Stärke.

Vielleicht ist sie ja doch nicht so schwach, dachte er.

Melanie holte tief Luft, überlegte kurz, schloss für einen Moment die Augen und erzählte weiter: »Die Verkäuferin rief die hauseigene Security und die informierte die Polizei. Als die Polizei kam und ich ihnen das Gleiche erzählte wie Ihnen eben, ließen sie das Haus räumen und schließen und riefen Verstärkung herbei. Die Spurensicherung, eine Ärztin und eine Psychologin kamen. Während ich durch die Ärztin und die Psychologin betreut wurde, machte die Polizei Fotos und befragte die Mitarbeiter.

Ich rief meine Eltern an. Als diese eintrafen, wurden sie direkt zu mir gelassen. Die Ärztin wollte mich mit ins Krankenhaus nehmen, doch ich weigerte mich, also unterschrieb ich einen Zettel. Meine Eltern fragten die Polizei, ob sie mich mit nach Hause nehmen dürften. Nachdem die Polizei unsere persönlichen Daten erfasst hatte, durften wir gehen ...« Melanie unterbrach sich und trank einen Schluck Wasser. Schmitt schaute sie an und wusste, dass sie ihre starke Fassade nicht viel länger aufrecht erhalten würde.

»Danke, Frau Vogel, Sie machen das wirklich sehr gut. Sagen Sie, hat Ihre Tochter ein Handy?«

»Nein, sie ist erst sechs!«

Wäre auch zu schön gewesen, dachte Schmitt. Hätte sie ein Handy gehabt, hätte man wenigstens das Signal orten können. Aber dieser kleine Strohhalm löste sich sofort in Luft auf.

»Eine letzte Frage noch, dann sind Sie erlöst. Was ist mit Ninas Teddy passiert? War er noch bei ihr zum Zeitpunkt ihres Verschwindens?«

»Ich denke schon. Die Polizei hat nichts gefunden, soweit mir bekannt ist. Aber das müssen Sie die Polizei fragen. Nina hat ihren Teddy niemals aus der Hand gegeben«, antwortete sie und wieder standen Tränen in ihren Augen. Nina wischte sie mit ihrer Hand weg.

»Das werde ich machen, dafür benötige ich aber noch eine Vollmacht von Ihnen«, antwortete Schmitt und holte aus seiner Aktentasche einen Ordner, dem er ein Formular entnahm. Er überreichte ihr die Vollmacht und einen Kugelschreiber.

Ohne sich das Dokument durchzulesen, unterschrieb sie. Es war, als sei ihr nicht einmal bewusst, was sie überhaupt tat. Mehr ein Reflex als eine bewusste Handlung. Ihr Vater schaute sie an, als wollte er etwas sagen, verkniff es sich aber.

Schmitt nahm die Vollmacht und steckte sie zurück in die Aktentasche.

»Danke, Frau Vogel. Seien Sie versichert, ich werde alles tun, um Nina zu finden.«