Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844

 

 

Karl Marx

Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844

 

 

 

Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844

 

Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

ISBN 978-3-7437-1674-2

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-1497-7 (Broschiert)

ISBN 978-3-7437-1627-8 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Die nur fragmentarisch überlieferten Manuskripte entstanden von April bis August 1844 und wurden erstmals in der Marx-Engels-Gesamtausgabe, Erste Abteilung, Band 3, Berlin 1932, ediert. – Über die Anordnung und Konstitution der einzelnen Manuskriptteile und die Lesarten informieren kritische Ausgaben. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß der Text des ersten und dritten Manuskripts ursprünglich in mehrere Spalten gegliedert war, so daß sich die übernommenen Verweise auf die Manuskriptseiten zum Teil wiederholen. Die »Vorrede« ist Teil des dritten Manuskripts.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, 43 Bände, Band 40, Berlin: Dietz-Verlag, 1968.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Vorrede

||XXXIX| Ich habe in den »Deutsch-Französischen Jahrbüchern« die Kritik der Rechts- und Staatswissenschaft unter der Form einer Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie angekündigt. Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik der verschiednen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung hemmend, das Verständnis erschwerend. Überdem hätte der Reichtum und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eine ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in eine Schrift erlaubt, wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung den Schein eines willkürlichen Systematisierens erzeugt hätte. Ich werde daher in verschiednen selbständigen Broschüren die Kritik des Rechts, der Moral, Politik etc. aufeinanderfolgen lassen und schließlich in einer besondren Arbeit wieder den Zusammenhang des Ganzen, das Verhältnis der einzelnen Teile, wie endlich die Kritik der spekulativen Bearbeitung jenes Materials zu geben versuchen. Man findet aus diesem Grunde in der vorliegenden Schrift den Zusammenhang der Nationalökonomie mit Staat, Recht, Moral, bürgerlichem Leben etc. grade nur soweit berührt, als die Nationalökonomie selbst ex professo diese Gegenstände berührt.

Dem mit der Nationalökonomie vertrauten Leser habe ich nicht erst zu versichern, daß meine Resultate durch eine ganz empirische, auf ein gewissenhaftes kritisches Studium der Nationalökonomie gegründete Analyse gewonnen worden sind.

‹Der unwissende Rezensent dagegen, der seine völlige Ignoranz und Gedankenarmut dadurch zu verbergen sucht, daß er die Phrase »utopische Phrase« oder auch Phrasen, wie »die ganz reine, ganz entschiedne, ganz kritische Kritik«, die »nicht bloß rechtliche, sondern gesellschaftliche,[467] ganz gesellschaftliche Gesellschaft«, die »kompakte massenhafte Masse«, die »wortführenden Wortführer der massenhaften Masse« – dem positiven Kritiker an den Kopf wirft, dieser Rezensent hat noch den ersten Beweis zu liefern, daß er außer seinen theologischen Familienangelegenheiten auch in weltlichen Angelegenheiten ein Wort mitzusprechen hat.›

Es versteht sich von selbst, daß ich außer den französischen und englischen Sozialisten auch deutsche sozialistische Arbeiten benutzt habe. Die inhaltsvollen und originalen deutschen Arbeiten für diese Wissenschaft reduzieren sich indes – außer Weitlings Schriften – auf die in den »21 Bogen« gelieferten Aufsätze von Heß und auf Engels' »Umrisse zur Kritik, der Nationalökonomie« in den »Deutsch-Französischen Jahrbüchern«, wo ich ebenfalls die ersten Elemente der vorliegenden Arbeit in ganz allgemeiner Weise angedeutet habe.

‹Außer diesen Schriftstellern, die sich mit der Nationalökonomie kritisch beschäftigt haben, verdankt die positive Kritik überhaupt, also auch die deutsche positive Kritik der Nationalökonomie, ihre wahre Begründung den Entdeckungen Feuerbachs, gegen dessen »Philosophie der Zukunft« und »Thesen zur Reform der Philosophie« in den »Anecdotis« – sosehr sie stillschweigend benutzt werden – der kleinliche Neid der einen, der wirkliche Zorn der andern ein förmliches Komplott zur Verheimlichung angestiftet zu haben scheint.›

Von Feuerbach datiert erst die positive humanistische und naturalistische Kritik. Je geräuschloser, desto sichrer, tiefer, umfangsreicher und nachhaltiger ist die Wirkung der Feuerbachischen Schriften, die einzigen Schriften seit Hegels »Phänomenologie« und »Logik«, worin eine wirkliche theoretische Revolution enthalten ist.

Das Schlußkapitel der vorliegenden Schrift, die Auseinandersetzung mit der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt, hielt ich für durchaus notwendig im Gegensatz zu den kritischen Theologen unsrer Zeit, [da] ||XL| eine solche Arbeit nicht vollbracht worden ist – eine notwendige Ungründlichkeit, da selbst der kritische Theologe Theologe bleibt, also entweder von bestimmten Voraussetzungen der Philosophie als einer Autorität ausgehn muß oder, wenn ihm im Prozeß der Kritik und durch fremde Entdeckungen Zweifel an den philosophischen Voraussetzungen entstanden sind, sie feiger- und ungerechtfertigterweise verläßt, von ihnen abstrahiert, seine Knechtschaft unter dieselben und den Ärger über diese Knechtschaft nur mehr in negativer, bewußtloser und sophistischer Weise kundtut.

‹nur negativ und bewußtlos dadurch äußert, teils daß er beständig die Versichrung von der Reinheit seiner eignen Kritik wiederholt, teils daß er,[468] um das Auge des Beobachters wie sein eignes Auge von der notwendigen Auseinandersetzung der Kritik mit ihrer Geburtsstätte – der Hegelschen Dialektik, und deutschen Philosophie überhaupt – von dieser notwendigen Erhebung der modernen Kritik über ihre eigne Beschränktheit und Naturwüchsigkeit zu entfernen, vielmehr den Schein hervorzubringen sucht, als habe es die Kritik nur noch mit einer beschränkten Gestalt der Kritik außer ihr – etwa der des 18ten Jahrhunderts – und mit der Beschränktheit der Masse zu tun. Endlich, indem der kritische Theologe teils, wenn Entdeckungen über das Wesen seiner eignen philosophischen Voraussetzungen – wie die Feuerbachischen – gemacht werden, sich den Schein gibt, als habe er das zustande gebracht, und zwar sich diesen Schein gibt, indem er die Resultate jener Entdeckungen, ohne sie ausbilden zu können, in der Form von Stichworten gegen noch in der Philosophie befangne Schriftsteller schleudert, teils sich das Bewußtsein sogar seiner Erhabenheit über jene Entdeckungen zu verschaffen weiß, indem er Elemente der Hegelschen Dialektik, die er an jener Kritik derselben noch vermißt, die ihm noch nicht kritisch zum Genuß dargeboten werden, nicht etwa nun selbst in das richtige Verhältnis zu bringen suchte oder zu bringen vermöchte, sondern sie in versteckter, hämischer und skeptischer Weise gegen jene Kritik der Hegelschen Dialektik, also etwa die Kategorie des vermittelnden Beweises gegen die Kategorie der positiven von sich selbst beginnenden Wahrheit, d. [...]A1 in der ihr eigentümlichen Gestalt auf eine geheimnistuerische Weise geltend macht. Der theologische Kritiker findet es nämlich ganz natürlich, daß von philosophischer Seite her alles zu tun ist, damit er von der Reinheit, Entschiedenheit, von der ganz kritischen Kritik schwatzen könne, und er dünkt sich der wahre Überwinder der Philosophie, wenn er etwa ein Moment Hegels als an Feuerbach mangelnd empfindet, denn über die Empfindung zum Bewußtsein kömmt der theologische Kritiker, sosehr er auch den spiritualistischen Götzendienst des »Selbstbewußtseins« und des »Geistes« treibt, nicht hinaus.›

Genau angesehn ist die theologische Kritik – so sehr sie im Beginn der Bewegung ein wirkliches Moment des Fortschritts war – in letzter Instanz nichts anders als die zur theologischen Karikatur verzerrte Spitze und Konsequenz der alten philosophischen und namentlich Hegelschen Transzendenz. Diese interessante Gerechtigkeit der Geschichte, welche die Theologie, von jeher der faule Fleck der Phil[osophie], nun auch dazu bestimmt, die negative Auflösung der Philosophie – d.h. ihren Verfaulungsprozeß – an sich[469] darzustellen – diese historische Nemesis werde ich bei andrer Gelegenheit ausführlich nachweisen.

‹Inwiefern dagegen Feuerbachs Entdeckungen über das Wesen der Philosophie noch immer – wenigstens zu ihrem Beweise – eine kritische Auseinandersetzung mit der philosophischen Dialektik nötig machten, wird man aus meiner Entwicklung selbst ersehn. -› ||XL|[470]

 

Fußnoten

 

A1 In der Handschrift drei Wörter nicht zu entziffern

 

[Erstes Manuskript]

Arbeitslohn

||I| Arbeitslohn wird bestimmt durch den feindlichen Kampf zwischen Kapitalist und Arbeiter. Die Notwendigkeit des Siegs für den Kapitalisten. Kapitalist kann länger ohne den Arbeiter leben als dieser ohne jenen. Verbindung unter den Kapitalisten habituell und von Effekt, die der Arbeiter verboten und von schlechten Folgen für sie. Außerdem können der Grundeigentümer und Kapitalist ihren Revenuen industrielle Vorteile hinzufügen, der Arbeiter seinem Industriellen Einkommen weder Grundrente noch Kapitalinteresse. Darum die Konkurrenz unter den Arbeitern so groß. Also für den Arbeiter allein ist die Trennung von Kapital, Grundeigentum und Arbeit eine notwendige, wesentliche und schädliche Trennung. Kapital und Grundeigentum brauchen nicht in dieser Abstraktion stehnzubleiben, wohl aber die Arbeit des Arbeiters.

Für den Arbeiter also die Trennung von Kapital, Grundrente und Arbeit tödlich.

Die niedrigste und die einzig notwendige Taxe für den Arbeitslohn ist die Subsistenz des Arbeiters während der Arbeit und so viel mehr, daß er eine Familie ernähren kann und die Arbeiterrace nicht ausstirbt. Der gewöhnliche Arbeitslohn ist nach Smith der niedrigste, der mit der simple humanité, nämlich einer viehischen Existenz, verträglich ist.

Die Nachfrage nach Menschen regelt notwendig die Produktion der Menschen wie jeder andren Ware. Ist die Zufuhr viel größer als die Nachfrage, so sinkt ein Teil der Arbeiter in den Bettelstand oder den Hungertod herab. Die Existenz des Arbeiters ist also auf die Bedingung der Existenz jeder andren Ware reduziert. Der Arbeiter ist zu einer Ware geworden, und es ist ein Glück für ihn, wenn er sich an den Mann bringen kann. Und die Nachfrage, von der das Leben des Arbeiters abhängt, hängt von der Laune der Reichen und Kapitalisten ab. Üb[ertrifft die] Quantität der Zufuhr die[471] Nachfrage, so ist ein[er] der den Preis konsti[tuierenden] Teile, Profit, Grundrente, Arbeitslohn, unter dem Preis gezahlt, [ein Teil die]ser Leistungen entzieht sich also dieser Anwendung, und so gravitiert der Marktpreis [nach dem] natürlichen Preis als ZentralpunktA2. Aber 1. ist es dem Arbeiter bei einer großen Teilung der Arbeit am schwersten, seiner Arbeit eine andere Richtung zu geben, 2. trifft ihn, bei seinem subalternen Verhältnis zum Kapitalisten, zunächst der Nachteil.

Bei der Gravitation des Marktpreises zum natürlichen Preise verliert also der Arbeiter am meisten und unbedingt. Und grade die Fähigkeit des Kapitalisten, seinem Kapital eine andere Richtung zu geben, macht den auf einen bestimmten Arbeitszweig eingeschränkten ouvrier entweder brotlos oder zwingt ihn, sich allen Forderungen dieses Kapitalisten zu unterwerfen.

||II| Die zufälligen und plötzlichen Schwankungen des Marktpreises treffen weniger die Grundrente als den in Profit und Salaire aufgelösten Teil des Preises, aber weniger den Profit als den Arbeitslohn. Auf einen Arbeitslohn, der steigt, kömmt meistens einer, der stationär bleibt, und einer, der fällt.

Der Arbeit[er] braucht nicht notwendig zu gewinnen mit dem Gewinn des Kapitalisten, aber er verliert notwendig mit ihm. So gewinnt der Arbeiter nicht, wenn der Kapitalist durch Fabrik- oder Handelsgeheimnis, durch Monopol oder günstige Lage seines Grundstücks den Marktpreis über dem natürlichen Preis hält.

Ferner: Die Arbeitspreise sind viel konstanter als die Preise der Lebensmittel. Oft stehn sie in entgegengesetztem Verhältnis. In einem teuern Jahr Arbeitslohn vermindert wegen der Verminderung der Nachfrage, erhöht wegen der Erhöhung der Lebensmittel. Also balanciert. Jedenfalls eine Quantität Arbeiter außer Brot gesetzt. In wohlfeilen Jahren Arbeitslohn erhöht wegen der Erhöhung der Nachfrage, vermindert wegen der Preise der Lebensmittel. Also balanciert.

Ein andrer Nachteil des Arbeiters:

Die Arbeitspreise der verschiednen Arten von Arbeitern sind viel verschiedner als die Gewinne der verschiednen Zweige, worauf das Kapital sich legt. Bei der Arbeit tritt die ganze natürliche, geistige und soziale Verschiedenheit der individuellen Tätigkeit heraus und wird verschieden belohnt, während das tote Kapital immer denselben Tritt geht und gleichgültig gegen die wirkliche individuelle Tätigkeit ist.[472]

Überhaupt ist zu bemerken, daß da, wo Arbeiter und Kapitalist gleich leiden, der Arbeiter an seiner Existenz, der Kapitalist am Gewinn seines toten Mammons leidet.

Der Arbeiter muß nicht nur um seine physischen Lebensmittel, er muß um die Erwerbung von Arbeit, d.h. um die Möglichkeit, um die Mittel kämpfen, seine Tätigkeit verwirklichen zu können.

Nehmen wir die 3 Hauptzustände, in denen die Gesellschaft sich befinden kann, und betrachten die Lage des Arbeiters in ihr.

1. Ist der Reichtum der Gesellschaft im Verfall, so leidet der Arbeiter am meisten, denn: Obgleich die Arbeiterklasse nicht soviel gewinnen kann als die der Eigentümer im glücklichen Zustand der Gesellschaft, aucune ne souffre aussi cruellement de son déclin que la classe des ouvriers.

||III| 2. Nehmen wir nun eine Gesellschaft, in welcher der Reichtum fortschreitet. Dieser Zustand ist der einzige dem Arbeiter günstige. Hier tritt Konkurrenz unter den Kapitalisten ein. Die Nachfrage nach Arbeitern überschreitet ihre Zufuhr: Aber:

Einmal: Die Erhöhung des Arbeitslohns führt Überarbeitung unter den Arbeitern herbei. Je mehr sie verdienen wollen, je mehr müssen sie ihre Zeit aufopfern und vollständig aller Freiheit sich entäußernd im Dienst der Habsucht Sklavenarbeit vollziehn. Dabei kürzen sie dadurch ihre Lebenszeit ab. Diese Verkürzung ihrer Lebensdauer ist ein günstiger Umstand für die Arbeiterklasse im ganzen, weil dadurch immer neue Zufuhr nötig wird. Diese Klasse muß immer einen Teil ihrer selbst opfern, um nicht ganz zugrunde zu gehn.

Ferner: Wann befindet sich eine Gesellschaft in fortschreitender Bereicherung? Mit dem Wachstum von Kapitalien und Revenuen eines Landes. Dies ist aber nur möglich

α) dadurch, daß viele Arbeit zusammengehäuft wird, denn Kapital ist aufgehäufte Arbeit; also dadurch, daß dem Arbeiter immer mehr von seinen Produkten aus der Hand genommen wird, daß seine eigne Arbeit ihm immer mehr als fremdes Eigentum gegenübertritt und die Mittel seiner Existenz und seiner Tätigkeit immer mehr in der Hand des Kapitalisten sich konzentrieren.

β) Die Häufung des Kapitals vermehrt die Teilung der Arbeit, die Teilung der Arbeit vermehrt die Zahl der Arbeiter; umgekehrt vermehrt die Zahl der Arbeiter die Teilung der Arbeit, wie die Teilung der Arbeit die Aufhäufung der Kapitalien vermehrt. Mit dieser Teilung der Arbeit einerseits und der Häufung der Kapitalien andrerseits wird der Arbeiter immer[473] mehr rein von der Arbeit und einer bestimmten, sehr einseitigen, maschinenartigen Arbeit abhängig. Wie er also geistig und leiblich zur Maschine herabgedrückt und aus einem Menschen eine abstrakte Tätigkeit und ein Bauch wird, so wird er auch immer abhängiger von allen Schwankungen des Marktpreises, der Anwendung der Kapitalien und der Laune der Reichen. Ebensosehr wird durch die Zunahme der nur ||IV| arbeitenden Menschenklasse die Konkurrenz der Arbeiter erhöht, also ihr Preis erniedrigt. In dem Fabrikwesen erreicht diese Stellung des Arbeiters ihren Gipfelpunkt.

γ) In einer Gesellschaft, welche sich in zunehmendem Wohlstand befindet, können nur mehr die Allerreichsten vom Geldzins leben. Alle übrigen müssen mit ihrem Kapital ein Geschäft treiben oder es in den Handel werfen. Dadurch wird also die Konkurrenz unter den Kapitalien größer, die Konzentration der Kapitalien wird größer, die großen Kapitalisten ruinieren die kleinen, und ein Teil der ehemaligen Kapitalisten sinkt zu der Klasse der Arbeiter herab, welche durch diese Zufuhr teils wieder eine Herabdrückung des Arbeitslohns erleidet und in eine noch größere Abhängigkeit von den wenigen großen Kapitalisten gerät; indem die Zahl der Kapitalisten sich vermindert hat, ist ihre Konkurrenz in bezug auf die Arbeiter fast nicht mehr vorhanden, und indem die Zahl der Arbeiter sich vermehrt hat, ist ihre Konkurrenz unter sich um so größer, unnatürlicher und gewaltsamer geworden. Ein Teil von dem Arbeiterstand fällt daher ebenso notwendig in den Bettel- oder Verhungerungsstand wie ein Teil der mittleren Kapitalisten in den Arbeiterstand.

Also selbst in dem Zustand der Gesellschaft, welcher dem Arbeiter am günstigsten ist, ist die notwendige Folge für den Arbeiter Überarbeitung und früher Tod, Herabsinken zur Maschine, Knecht des Kapitals, das sich ihm gefährlich gegenüber aufhäuft, neue Konkurrenz, Hungertod oder Bettelei eines Teils der Arbeiter.

||V| Die Erhöhung des Arbeitslohns erregt im Arbeiter die Bereicherungssucht des Kapitalisten, die er aber nur durch Aufopferung seines Geistes und Körpers befriedigen kann. Die Erhöhung des Arbeitslohns setzt die Häufung des Kapitals voraus und führt sie herbei; stellt das Produkt der Arbeit also immer fremder dem Arbeiter gegenüber. Ebenso macht die Teilung der Arbeit ihn immer einseitiger und abhängiger, wie sie die Konkurrenz nicht nur der Menschen, sondern auch der Maschinen herbeiführt. Da der Arbeiter zur Maschine herabgesunken ist, kann ihm die Maschine als Konkurrent gegenübertreten. Endlich, wie die Häufung des Kapitals die Quantität der Industrie, also die Arbeiter vermehrt, bringt durch diese[474] Akkumulation dieselbe Quantität der Industrie eine größere Quantität Machwerk herbei, die zur Überproduktion wird und entweder damit endet, einen großen Teil Arbeiter außer Arbeit zu setzen oder ihren Lohn auf das kümmerlichste Minimum zu reduzieren.

Das sind die Folgen eines Gesellschaftszustandes, der dem Arbeiter am günstigsten ist, nämlich des Zustandes des wachsenden, fortschreitenden Reichtums.

Endlich aber muß dieser wachsende Zustand doch einmal seinen Höhepunkt erreichen. Welches ist nun die Lage des Arbeiters?

3. »In einem Land, welches die letztmögliche Stufe seines Reichtums erreicht hätte, wären beide, Arbeitslohn und Kapitalinteresse, sehr niedrig. Die Konkurrenz unter den Arbeitern, um Beschäftigung zu erhalten, wäre so groß, daß die Salaire auf das reduziert wären, was zur Erhaltung der nämlichen Zahl von Arbeitern hinreicht, und da das Land sich schon hinreichend bevölkert hätte, könnte sich diese Zahl nicht vermehren.«

Das + müßte sterben.

Also im abnehmenden Zustand der Gesellschaft progressives Elend des Arbeiters, im fortschreitenden Zustand kompliziertes Elend, im vollendeten Zustand stationäres Elend.

||VI| Da aber nach Smith eine Gesellschaft nicht glücklich ist, wo die Majorität leidet, da aber der reichste Zustand der Gesellschaft zu diesem Leiden der Mehrzahl und da die Nationalökonomie (überhaupt die Gesellschaft des Privatinteresses) zu diesem reichsten Zustand führt, so ist also das Unglück der Gesellschaft der Zweck der Nationalökonomie.

In bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeiter und Kapitalist ist noch zu bemerken, daß die Erhöhung des Arbeitslohnes dem Kapitalisten durch die Verringerung der Quantität der Arbeitszeit mehr als kompensiert wird und daß die Erhöhung des Arbeitslohns und die Erhöhung des Kapitalinteresses auf den Warenpreis wie einfaches und zusammengesetztes Interesse wirken.

Stellen wir uns nun ganz auf den Standpunkt des Nationalökonomen, und vergleichen wir nach ihm die theoretischen und praktischen Ansprüche der Arbeiter.

Er sagt uns, daß ursprünglich und dem Begriff nach das ganze Produkt der Arbeit dem Arbeiter gehört. Aber er sagt uns zugleich, daß in der Wirklichkeit dem Arbeiter der kleinste und allerunumgänglichste Teil des Produkts zukömmt; nur soviel als nötig ist, nicht damit er als Mensch, sondern damit er als Arbeiter existiert, nicht damit er die Menschheit, sondern damit er die Sklavenklasse der Arbeiter fortpflanzt.[475]

Der Nationalökonom sagt uns, daß alles mit Arbeit gekauft wird und daß das Kapital nichts als aufgehäufte Arbeit ist, aber er sagt uns zugleich, daß der Arbeiter, weit entfernt, alles kaufen zu können, sich selbst und seine Menschheit verkaufen muß.

Während die Grundrente des trägen Landbesitzers meistens den 3ten Teil des Erdproduktes und der Profit des geschäftigen Kapitalisten sogar das Doppelte des Geldzinses beträgt, beträgt das Mehr, was sich der Arbeiter im besten Fall verdient, so viel, daß auf 4 Kinder ihm 2 verhungern und sterben müssen.

||VII| Während nach dem Nationalökonomen die Arbeit das einzige ist, wodurch der Mensch den Wert der Naturprodukte vergrößert, während die Arbeit sein tätiges Eigentum ist, ist nach derselben Nationalökonomie der Grundeigentümer und Kapitalist, die qua Grundeigentümer und Kapitalist bloß privilegierte und müßige Götter sind, überall dem Arbeiter überlegen und schreiben ihm Gesetze vor.

Während nach dem Nationalökonomen die Arbeit der einzig unwandelbare Preis der Dinge ist, ist nichts zufälliger als der Arbeitspreis, nichts größeren Schwankungen ausgesetzt.

Während die Teilung der Arbeit die produktive Kraft der Arbeit, den Reichtum und die Verfeinerung der Gesellschaft erhöht, verarmt sie den Arbeiter bis zur Maschine. Während die Arbeit die Häufung der Kapitalien und damit den zunehmenden Wohlstand der Gesellschaft hervorruft, macht sie den Arbeiter immer abhängiger vom Kapitalisten, bringt ihn in eine größere Konkurrenz, treibt ihn in die Hetzjagd der Überproduktion, der eine ebensolche Erschlaffung folgt.

Während das Interesse des Arbeiters nach dem Nationalökonomen nie dem Interesse der Gesellschaft gegenübersteht, steht die Gesellschaft immer und notwendig dem Interesse des Arbeiters gegenüber.

Nach dem Nationalökonomen steht das Interesse des Arbeiters nie dem der Gesellschaft gegenüber, 1. weil die Erhöhung des Arbeitslohns sich mehr als ersetzt durch die Verminderung in der Quantität der Arbeitszeit, nebst den übrigen oben entwickelten Folgen; und 2. weil in bezug auf die Gesellschaft das ganze Bruttoprodukt Nettoprodukt ist und nur in bezug auf den Privatmann das Netto eine Bedeutung hat.

Daß die Arbeit aber selbst nicht nur unter den jetzigen Bedingungen, sondern insofern überhaupt ihr Zweck die bloße Vergrößerung des Reichtums ist, ich sage, daß die Arbeit selbst schädlich, unheilvoll ist, das folgt, ohne daß der Nationalökonom es weiß, aus seinen Entwicklungen.A3[476]

Nach dem Begriff sind Grundrente und Kapitalgewinn Abzüge, die der Arbeitslohn erleidet. Aber in der Wirklichkeit ist der Arbeitslohn ein Abzug, den Erde und Kapital dem Arbeiter zukommen lassen, eine Konzession des Produktes der Arbeit an d[en] Arbeiter, an die Arbeit.

Im verfallenden Zustand der Gesellschaft leidet der Arbeiter am schwersten. Er verdankt die spezifische Schwere seines Drucks seiner Stellung als Arbeiter, aber den Druck überhaupt der Stellung der Gesellschaft.

Aber im fortschreitenden Zustand der Gesellschaft ist der Untergang und die Verarmung des Arbeiters das Produkt seiner Arbeit und des von ihm produzierten Reichtums. Das Elend, welches also aus dem Wesen der heutigen Arbeit selbst hervorgeht.

Der reichste Zustand der Gesellschaft, ein Ideal, das aber doch annähernd erreicht wird, wenigstens der Zweck der Nationalökonomie wie der bürgerlichen Gesellschaft ist, ist stationäres Elend für die Arbeiter.

Es versteht sich von selbst, daß die Nationalökonomie den Proletarier, d.h. den, der ohne Kapital und Grundrente, rein von der Arbeit und einer einseitigen, abstrakten Arbeit lebt, nur als Arbeiter betrachtet. Sie kann daher den Satz aufstellen, daß er ebensowohl, wie jedes Pferd, soviel erwerben muß, um arbeiten zu können. Sie betrachtet ihn nicht in seiner arbeitslosen Zeit, als Mensch, sondern überläßt diese Betrachtung der Kriminaljustiz, den Ärzten, der Religion, den statistischen Tabellen, der Politik und dem Bettelvogt.

Erheben wir uns nun über das Niveau der Nationalökonomie und suchen aus der bisherigen, fast mit den Worten des Nationalökonomen gegebnen Entwicklung zwei Fragen zu beantworten.

1. Welchen Sinn, in der Entwicklung der Menschheit, hat diese Reduktion des größten Teils der Menschheit auf die abstrakte Arbeit?

2. Welche Fehler begehn die Reformatoren en détail, die entweder den Arbeitslohn erhöhn und dadurch die Lage der Arbeiterklasse verbessern wollen oder die Gleichheit des Arbeitslohns (wie Proudhon) als den Zweck der sozialen Revolution betrachten?

Die Arbeit kömmt nur unter der Gestalt der Erwerbstätigkeit in der Nationalökonomie vor.A4

 

||VIII| »Das läßt sich behaupten, daß solche Beschäftigungen, die spezifische Anlagen oder längere Vorbildung voraussetzen, im ganzen einträglicher geworden sind; während der verhältnismäßige Lohn für die mechanisch einförmige Tätigkeit, auf welche der eine wie der andere schnell und leicht abgerichtet werden kann, bei der[477] wachsenden Konkurrenz gefallen ist und notwendig fallen mußte. Und gerade diese Art der Arbeit ist bei dem jetzigen Stande ihrer Organisation noch weit die zahlreichste. Wenn also ein Arbeiter der ersten Kategorie jetzt siebenmal soviel, ein anderer der zweiten ebensoviel erwirbt, als etwa vor 50 Jahren, so erwerben beide im Durchschnitte freilich 4mal soviel. Allein wenn in einem Lande die erste Kategorie der Arbeit mit nur 1000, die 2te mit einer Million Menschen besetzt ist, so sind 999 000 nicht besser als vor 50 Jahren daran, und sie sind schlimmer daran, wenn zugleich die Preise der Lebensbedürfnisse gestiegen sind. Und mit solchen oberflächlichen Durchschnittsberechnungen will man sich über die zahlreichste Klasse der Bevölkerung täuschen. Überdies ist die Größe des Arbeiterlohns nur ein Moment für die Schätzung des Arbeitereinkommens, weil für die Bemessung des letztren noch wesentlich die gesicherte Dauer desselben in Anschlag kommt, wovon doch in der Anarchie der sogenannten freien Konkurrenz mit ihren immer wiederkehrenden Schwankungen und Stockungen schlechthin keine Rede ist. Endlich ist noch die früher und die jetzt gewöhnliche Arbeitszeit ins Auge zu fassen. Diese ist aber für die englischen Arbeiter in der Baumwollenmanufaktur seit etwa 25 Jahren, also grade seit Einführung der Arbeit ersparenden Maschinen, durch die Erwerbsucht der Unternehmer ||IX| auf 12-16 Stunden täglich erhöht worden, und die Steigerung in einem Lande und in einem Zweige der Industrie mußte sich, bei dem überall noch anerkannten Rechte einer unbedingten Ausbeutung der Armen durch die Reichen, mehr oder minder auch anderswo geltend machen.« Schulz: Bewegung der Production. p. 65.

»Allein selbst wenn es so wahr wäre, als es falsch ist, daß sich das Durchschnittseinkommen aller Klassen der Gesellschaft vergrößert hätte, können dennoch die Unterschiede und verhältnismäßigen Abstände des Einkommens größer geworden sein und hiernach die Gegensätze des Reichtums und der Armut schärfer hervortreten. Denn grade weil die Gesamtproduktion steigt und in demselben Maße, als dies geschieht, vermehren sich auch die Bedürfnisse, Gelüste und Ansprüche, und die relative Armut kann also zunehmen, während die absolute sich vermindert. Der Samojede ist nicht arm bei Tran und ranzigen Fischen, weil in seiner abgeschloßnen Gesellschaft alle die gleichen Bedürfnisse haben. Aber in einem voranschreitenden StaateA5, der etwa im Lauf eines Jahrzehntes seine Gesamtproduktion im Verhältnis zur Gesellschaft um ein Dritteil vergrößert, ist der Arbeiter, der vor und nach 10 Jahren gleich viel erwirbt, nicht ebenso wohlhabend geblichen, sondern um ein Dritteil bedürftiger geworden.« ibid. p. 65, 66.

Aber die Nationalökonomie kennt den Arbeiter nur als Arbeitstier, als ein auf die striktesten Leibesbedürfnisse reduziertes Vieh.

»Ein Volk, damit es sich geistig freier ausbilde, darf nicht mehr in der Sklaverei seiner körperlichen Bedürfnisse stehn, nicht mehr der Leibeigene des Leibes sein. Es muß ihm vor allem Zeit bleiben, auch geistig schaffen und geistig genießen zu gönnen. Die Fortschritte im OrganismusA6 der Arbeit gewinnen diese Zeit. Verrichtet doch jetzt,[478] bei neuen Triebkräften und verbessertem Maschinenwesen, ein einziger Arbeiter in den Baumwollefabriken nicht selten das Werk von 100, ja von 250 – 350 früheren Arbeitern. Ähnliche Folgen in allen Zweigen der Produktion, weil äußere Naturkräfte immer mehr zur Teilnahme ||X| an der menschlichen Arbeit gezwungen werden. War nun früher, zur Abfindung eines Quantums materieller Bedürfnisse, ein Aufwand von Zeit und menschlicher Kraft erforderlich, der sich später um die Hälfte vermindert hat: so ist zugleich, ohne irgendeine Einbuße an sinnlichem Wohlbehagen, der Spielraum für geistiges Schaffen und Genießen um soviel erweitert worden. – Aber auch über die Verteilung der Beute, die wir dem alten Kronos selbst auf seinem eigensten Gebiete abgewinnen, entscheidet noch das Würfelspiel des blinden, ungerechten Zufalls. Man hat in Frankreich berechnet, daß bei dem jetzigen Standpunkt der Produktion eine durchschnittliche Arbeitszeit von täglich 5 Stunden auf jeden Arbeitsfähigen zur Befriedigung aller materiellen Interessen der Gesellschaft ausreichen würde... Ungeachtet der Zeitersparnisse durch Vervollkommnung des Maschinenwesens hat sich die Dauer der Sklavenarbeit in den Fabriken für eine zahlreiche Bevölkerung nur vergrößert.« p. 67, 68 ibid.

»Der Übergang von der zusammengesetzten Handarbeit setzt eine Zerlegung derselben in ihre einfachen Operationen voraus. Nun wird aber zunächst nur ein Teil der gleichförmig wiederkehrenden Operationen den Maschinen, ein anderer Teil aber den Menschen anheimfallen. Nach der Natur der Sache und nach übereinstimmenden Erfahrungen ist eine solche anhaltend einförmige Tätigkeit ebenso nachteilig für Geist als Körper; und so müssen denn bei dieser Verbindung des Maschinenwesens mit der bloßen Teilung der Arbeit unter zahlreichere Menschenhände auch noch alle Nachtelle der letztren zum Vorschein kommen. Die Nachteile zeigen sich unter andrem in der größern Sterblichkeit der Fabrik-||XI|arbeiter... Diesen großen Unterschied, wieweit die Menschen durch Maschinen oder wieweit sie als Maschinen arbeiten, hat man nicht... berücksichtigt.« ibid. p. 69.

»Für die Zukunft des Völkerlebens aber werden die in den Maschinen wirkenden verstandeslosen Naturkräfte unsere Sklaven und Leibeigenen sein.« ibid. p. 74.